Euthanasie – Was ist ein vernünftiger Grund?!
Zunächst erläuterte Prof. Dr. Sabine Kästner, Leitung der Abteilung Anästhesie und
Analgesie der Klinik für Kleintiere der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
(TiHo) die medizinischen Aspekte im Rahmen der Euthanasie bei Pferden. Prof. Kästner
fasste die einzelnen Schritte von der Besitzerkommunikation, Trauerarbeit und Aufklärung
bis hin zur Methodik und korrekten Planung und Durchführung zusammen. Hierbei kann
eine genaue Erläuterung der Vorgehensweise sowie das Benennen möglicher Nebenwirkungen
der verwendeten Medikamente den Pferdebesitzer*innen helfen, die als besonders belastend
wahrgenommenen Phasen der Euthanasie wie Niedergehen, Atemstillstand und eventuelles
Wiedereinsetzen der Atmung besser einzuordnen. Auch auf die Sicherheit aller Beteiligten
ist zu achten.
2-Stufen-Euthanasie als Standard
Als Standard wird die „2-Stufen-Euthanasie“ in Allgemeinanästhesie nach Einlegen eines
Venenkatheters und Sedierung empfohlen. Bei dieser Vorgehensweise können beide derzeit
verfügbaren Präparate gleichbedeutend angewandt werden. Wichtig zu bedenken ist die
Kontraindikation für den Einsatz des Kombi-Präparats T61 bei tragenden Stuten, da
dieses nicht plazentagängig ist. Daher sollte bei tragenden Stuten Pentobarbital zur
Euthanasie angewendet werden.
Anschließend betrachtete Prof. Dr. Peter Kunzmann, Institut für Tierhygiene, Tierschutz
und Nutztierethologie der TiHo Hannover, die im Tierschutzgesetz verankerte Formulierung
des „vernünftigen Grundes“ aus ethischer Sicht. Deutschland nimmt hier eine Sonderstellung
ein, da im Gegensatz zu anderen Ländern das Leben der Tiere an sich gesetzlich geschützt
ist.
Dies spiegelt sich auch in der sozialen Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft mit der
Frage wider, wann das Töten von Tieren als legitim gilt. Die Unterscheidung zwischen
dem größten Schaden für das Tierleben in Form des Todes und dem größten Übel für das
Tier in Form von Schmerzen, Leiden oder Schäden rechtfertigt dennoch die Durchführung
einer Euthanasie.
Ethische und finanzielle Aspekte
Die Euthanasie sollte gemäß den Schweizer Grundsätzen für den Tierarzt und die Tierärztin
nur nach präziser Diagnose und Prognose, sowie unter Abwägung der Lebensqualität des
Tieres durchgeführt werden und ist auch als Teil der tierärztlichen Kunst im „Ethik-Kodex
für Tierärztinnen und Tierärzte Deutschlands“ verankert.
Doch auch finanzielle Aspekte spielen eine Rolle. Die Tierwürde ist hierbei aber nicht
auf die Würde des Menschen übertragbar, sie ist nicht über alles erhaben. Die wirtschaftliche
Belastung der Halterin oder des Halters infolge einer Behandlung zur Abwendung einer
Euthanasie ist aber nicht durch eine Faustformel oder Obergrenze definiert, sondern
bleibt in jedem Fall eine Einzelfallabwägung. Eine Euthanasie aus rein wirtschaftlichen
Gründen ist nicht als vernünftiger Grund anzusehen, die finanzielle Belastung muss
aber zumutbar sein.
Prof. Dr. Karsten Feige, Direktor der Klinik für Pferde der TiHo Hannover, untermauerte
mit einigen Fallbeispielen rechtliche Vorgaben und ethische Prinzipien, die zuvor
erörtert wurden. Die Euthanasie von Pferden aus amtstierärztlicher Sicht wurde durch
Dr. Christiane Mehl, leitende Veterinärdirektorin des Veterinäramts Hannover-Stadt,
vorgestellt. Sie verdeutlichte zunächst, dass die Tierärztin oder der Tierarzt aufgrund
verschiedener Abwägungskriterien die Entscheidung zur Euthanasie trifft und damit
auch die Verantwortung hierfür übernimmt. Orientierungshilfen für den Umgang mit dem
Euthanasiewunsch eines kranken, aber behandelbaren Pferdes entgegen dem tierärztlichen
Rat auf der einen sowie einer Euthanasieablehnung von unheilbar kranken Pferden mit
nicht therapierbaren Schmerzen auf der anderen Seite wurden von ihr diskutiert.
Eine wichtige Rolle spielte auch hier wieder die Aufklärung des Halters oder der Halterin
über deren Verantwortung und Fürsorgepflicht für ihre Tiere. Das Veterinäramt kann
aber in besonders schweren Fällen eingeschaltet werden und nimmt dann nach Sachermittlung
und Aufklärung gegebenenfalls verwaltungsrechtliche Anordnungen vor. Hierbei können
sowohl die Behandlung als auch die Tötung des Tieres mit sofortiger Vollziehung angeordnet
werden. Bei Zuwiderhandlung ist auch eine strafrechtliche Verfolgung der Halter möglich,
wenn auch selten erforderlich.
In der abschließenden Diskussionsrunde wurden spezifische Fragestellungen und zahlreiche
Fälle diskutiert, die von Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Vorfeld des Live-Online
Seminars eingereicht wurden. Die Vorträge und Diskussionen wurden aufgezeichnet. Auf
der Webseminarplattform bietet die GPM nun die Aufzeichnung des Online-Seminars zum
Thema „Euthanasie – was ist ein vernünftiger Grund?!“ an.
GPM-Podcast zum Thema Euthanasie
Passend zu diesem Thema ist ebenfalls ein GPM-Podcast mit dem Thema „Ethik und Euthanasie“
frei verfügbar. Entscheidungsfindung und rechtliche Grundlagen zum Einschläfern eines
Pferdes werden besprochen. In dieser Podcast – Reihe werden aktuelle Themen zur Pferdegesundheit
besprochen. Der Podcast richtet sich an Pferdebesitzer*innen, Studierende der Tiermedizin,
Tierärzt*innen und Reitsport-Interessierte. Hören Sie uns auf der GPM-Webseite oder
der Podcast-Plattform Ihrer Wahl. Gerne dürfen GPM-Mitglieder den Podcast auf ihrer
Homepage verlinken.
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