Kinder- und Jugendmedizin 2024; 24(02): 103-108
DOI: 10.1055/a-2249-0981
Schwerpunkt

Die Irrtümer hinter der SIDS-Bauchlagekatastrophe

The errors behind the SIDS catastrophe

Authors

  • Ekkehart Paditz

    1   Zentrum für Angewandte Prävention®, Dresden

ZUSAMMENFASSUNG

Die SIDS-Häufigkeit konnte in Deutschland nach 1991 um mehr als 93 % vermindert werden, da in mehr als 40 Fall-Kontrollstudien nach Kriterien der Evidenzbasierten Medizin mehrere beeinflussbare SIDS-Risikofaktoren identifiziert werden konnten, zu denen insbes. auch die Bauchlage als Schlafposition von Säuglingen gehört.

Alfred Fabian Hess und David Greene setzten das pandemische Ereignis der SIDS-Bauchlagekatastrophe ungewollt in Gang, da sie 1931 ohne Faktenbasis behaupteten, dass Symmetrie das Prinzip des Lebens sei, sodass auch der kindliche Schädel symmetrisch sein müsse. Ohne entsprechende Laborbefunde behaupteten sie, dass sehr oft eine fetale Hypokalziämie vorliegen würde, die sich dann in einer Weichheit der Rippen und des knöchernen Schädels manifestieren würde, ohne dass klinisch, laborchemisch und röntgenologisch eine Rachitis vorlag. Hess präsentierte 2 Kinder, bei denen gleichzeitig weiche Rippen und okzipitale Abflachungen vorlagen. Greene berichtete über 6 Säuglinge mit okzipitaler Asymmetrie, die sich in 4 Fällen durch Fixierung des Kopfes mit Kopfhauben, Pflastern und Bändern verminderte.

Auf der Grundlage dieser spärlichen Datenbasis proklamierte Hess ein neues Syndrom mit weichen Rippen und Schädelasymmetrie, das erhebliche respiratorische Probleme bis zum letalen Ausgang verursachen könne. Greene polemisierte gegen die Rückenlage und rief zur Änderung der Lagerung von Säuglingen auf. Angesichts der erheblichen Autorität von Hess, der aufgrund seiner Verdienste in der Rachitisforschung mehrfach für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde, setzten sich die Auffassungen von Hess und Greene für einige Jahrzehnte durch.

ABSTRACT

Since 1991, the incidence of SIDS in Germany has been reduced by more than 93 % because more than 40 case-control studies have identified several risk factors for SIDS that can be influenced according to the criteria of evidence-based medicine.

Alfred Fabian Hess and David Greene unintentionally started the SIDS pandemic when, in 1931, they claimed, without any evidence, that symmetry was the principle of life, so the child’s skull must be symmetrical. Without any laboratory evidence, they claimed that very often there would be fetal hypocalcemia, which would then manifest itself in softness of the ribs and bony skull, without there being any clinical, laboratory, chemical or radiographic evidence of rickets. Hess presented 2 infants with concomitant soft ribs and occipital flattening. Greene reported 6 infants with occipital asymmetry, which was reduced in 4 cases by fixation of the head with head caps, plasters and bands.

On the basis of this meagre data base, Hess proclaimed a new syndrome with soft ribs and cranial asymmetry, which could cause significant respiratory problems and even death. Greene polemicized against the supine position and called for a change in the positioning of infants.



Publication History

Article published online:
12 April 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG,
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany