***Zhang S, Xu S, Chen C, et al. Profile of Chinese Cluster Headache Register Individual
Study (CHRIS): Clinical characteristics, diagnosis and treatment status data of 816
patients in China. Cephalalgia 2024; 44(3): 1–10
Epidemiologische und Behandlungsdaten aus einer großen chinesischen Registerstudie
zu Clusterkopfschmerzen.
Zusammenfassung
Die Chinese Cluster Headache Register Individual Study (CHRIS) stellt Daten aus einer
multizentrischen, prospektiven Fragebogenstudie bei chinesischen Clusterkopfschmerz-Patienten
vor. Zwischen 2019 und 2023 wurden 816 episodische und chronische Clusterkopfschmerz-Patienten
in 31 primären, sekundären und tertiären Versorgungszentren eingeschlossen und hinsichtlich
Demografie, Kopfschmerzerkrankung und Behandlung befragt. Die Patienten füllten einen
elektronischen Fragebogen im Anschluss an die ärztliche Vorstellung vor Ort aus. Die
Mehrheit der Patienten zeigte eine episodische Verlaufsform (97,3 %), 81,3 % der Befragten
waren männlich.
94,0 % der Patienten berichteten über unilaterale Attacken, die am häufigsten retroorbital
(76,0 %) und temporal (74,4 %) lokalisiert waren. Die Schmerzintensität war stark
(8,7 ± 1,4). Lakrimation (78,8 %) und konjunktivale Injektion (53,2 %) waren die am
häufigsten berichteten kraniellen autonomen Symptome. Eine körperliche Unruhe/Agitation
trat in über der Hälfte der Patienten (55,9 %) auf. Das Auftreten von 1–2 Episoden/Jahr
berichtete ca. die Hälfte der Patienten (46,0 %), gefolgt von weniger als 1 Episode/Jahr
(40 %). 10 % der Patienten berichtet von mehr als 2 Episoden/Jahr. Die überwiegende
Dauer der Episoden war 2–4 Wochen (44,0 %), gefolgt von einer Dauer von 1–2 Monaten
(21,9 %) und weniger als 2 Wochen (18,3 %). 39 % der Patienten warteten ca. 10 Jahre
bis zur richtigen Diagnosestellung, bei 11,9 % der Befragten wurde die Kopfschmerzerkrankung
bei der ersten Vorstellung diagnostiziert.
Eine medikamentöse Behandlung wurde bei 11,9 % der Patienten bei Erstvorstellung begonnen,
davon erhielten 35,7 % eine „konventionelle“ Akuttherapie. Sauerstoff (45,4 %) war
die häufigste Akuttherapie, gefolgt von oralem Zolmitriptan (43,3 %), Zolmitriptan
nasal (28,5 %), oralem Rizatriptan (12,7 %), Lidocain Nasenspray (11,3 %) und oralem
Sumatriptan (1,4 %). 24,3 % der Patienten nahmen eine (Kurzzeit-)Prophylaxe ein. Orales
Kortison (46,0 %) wurde am häufigsten verschrieben, andere Medikamente waren Verapamil
(21,7 %), Nervenblockade (18,2 %), Pregabalin (15,2 %), Topiramat (13,1 %), Valproat
(4,6 %) Gabapentin (2,5 %), Lithium (2,0 %) und CGRP-Antikörper (2,0 %).
Kommentar
Die hier vorgestellten Daten sind hinsichtlich möglicher, regionaler Unterschiede
in Bezug auf klinische Charakteristika, z. B. der größere Männeranteil in der chinesischen
Population oder der niedrige Anteil an chronischen Verlaufsformen, die bereits in
einer früheren Studie beschrieben wurden [[1], [2]], spannend. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine große Diagnose- und Versorgungslücke
bei der Erkrankung besteht. Dies wird insbesondere in Bezug auf Diagnosedauer und
Behandlung deutlich, da nur ca. 10 % der Patienten bei der Erstvorstellung medikamentös
behandelt wird, die wiederum oftmals nicht den aktuellen Leitlinien entspricht. Dies
führten die Autoren u. a. auf die fehlende Verfügbarkeit von Sumatriptan und Verapamil
und das geringe Bewusstsein in China zurück. Den Autoren ist es gelungen, eine große
Zahl Clusterkopfschmerz-Patienten mit bestätigter Diagnose einzuschließen. Die Studie
bietet eine gute klinische Beschreibung der Clusterkopfschmerz-Erkrankung in chinesischen
Patienten und verdeutlicht die unzureichende Versorgung.
Katharina Kamm, München
Melatonin-Level bei Kindern mit Migräne
Melatonin-Level bei Kindern mit Migräne
*** Aydın T, Ayça S, Yurdakul K, et al. Melatonin Levels in Children with Migraine.
Neurol India 2024; 72(1): 74–77. doi: 10.4103/ni.ni_1108_21
Hintergrund
Primäre Kopfschmerzen betreffen etwa 60 % der Kinder und Jugendlichen weltweit [[1]], 11 % davon erfüllen die Kriterien für eine Migräne [[2]]. Primäre Kopfschmerzen führen nicht nur zu Einschränkungen der Lebensqualität,
sondern können sich auch auf die Leistungen im schulischen Alltag auswirken. Schlafstörungen
kommen bei etwa 25 % der betroffenen Kinder und Jugendlichen vor und sind eine bekannte
Komorbidität der Migräne [[3], [4]]. Es wird vermutet, dass sich Migräne und Schlafstörungen gegenseitig beeinflussen.
Einerseits spielt das serotonerge System eine wichtige Rolle in der Nozizeption und
Schlafregulation [[5], [6]], anderseits soll der zirkadiane Rhythmus und der Melatoninhormonspiegel eine Rolle
in der Migräneentwicklung spielen. Die Diagnose der Migräne erfolgt über die Anamnese
anhand der ICDH-3-Kriterien. Diese Studie untersuchte den Melatoninhormonspiegel im
venösen Blut bei Kindern und Jugendlichen als möglichen Biomarker zur Migränediagnostik.
Zusammenfassung
Es handelt sich um eine Fall-Kontroll-Studie mit 35 Kindern und Jugendlichen im Alter
von 10–18 Jahren mit episodischer Migräne (EM) und 35 gesunden Kontrollprobanden,
jeweils mit gleichem Alter und Geschlecht. Durch Interviews vor Studienbeginn wurde
die durchschnittliche Schlaf- und Aufwachzeit ermittelt. Die Studienteilnehmer wurden
nach dieser Ermittlung gebeten, zwischen 21.00–21.30 Uhr ins Bett zu gehen und in
einem dunklen Raum zu schlafen und morgens zwischen 8.00–8.30 Uhr wieder aufzustehen.
In der Migränegruppe sollte die letzte Migräneepisode mindestens 48 h her sein. Die
Blutprobe wurde morgens zwischen 8.30–9.00 Uhr nach einer 12-stündigen Fastenperiode
abgenommen. Der Melatoninserumspiegel in der Migränegruppe war mit 300,1± 67,3 pg/mL
niedriger als in der Kontrollgruppe mit 314,9± 64,0 pg/mL, ohne signifikanten Unterschied
(p = 0,351). Weiterhin zeigte sich auch kein signifikanter Zusammenhang (r = –0,037;
p = 0,834) zwischen dem Melatoninserumspiegel und dem Alter in der Migränegruppe.
Kommentar
Ein Zusammenhang zwischen dem Melatonin-Level und Migräne wird in verschiedenen Studien
beschrieben, im Bereich für Kinder und Jugendliche ist dieser jedoch kaum untersucht.
Die wenigen Studien, die sich mit dem Thema beschäftigen messen den Melatonin-Spiegel
im Morgenurin und nicht im venösen Blut. Auch in diesen Studien zeigte sich kein signifikanter
Unterschied im Melatoninspiegel im Vergleich zu gesunden Kontrollpatienten [[8], [9]]. Dies unterscheidet sich von den Studien zu Erwachsenen die einen Unterschied zwischen
dem Melatoninhormonspiegel in Patienten mit Migräne im Vergleich zu Kontrollprobanden
feststellen konnten [[10]]. In dieser Studie fehlt die Standardisierung der Schlafumgebung, da die Kinder
und Jugendlichen in ihrem eigenen Bett zu Haue schlafen konnten. Weiterhin wurde die
Schlafqualität vor Probenentnahme nicht objektiviert. Dies ist ein wichtiger Faktor,
da der Melatoninspiegel durch die Schlafqualität beeinflusst wird.
Die Hinzunahme einer Polysomnografie in dieser Studie wäre hilfreich gewesen, um die
genaue Schlafzeit und weitere schlafbezogene Parameter zu erfassen. Auch die Verzögerung
zwischen Aufwachen und Probenentnahme kann den Melatoninspiegel beeinflussen. Dennoch
zeigt sich ein Trend zu einem niedrigeren Melatoninserumspiegel bei den Kindern und
Jugendlichen mit EM in der interiktalen Phase. Studien zur prophylaktischen Therapie
der Migräne mit Nutraceuticals bestehend aus Melatonin, Vitamin B6 und Tryptophan im Kindesalter zeigten eine Reduktion der Kopfschmerzfrequenz sowie
eine Verbesserung der Schlafqualität [[11]]. Weitere Studien mit größeren Fallzahlen könnten hilfreich sein, um den Zusammenhang
genauer zu untersuchen.
Berit Höfer und Laura Zaranek, Dresden
INFORMATION
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Exzellente Arbeit, die bahnbrechende Neuerungen beinhaltet oder eine ausgezeichnete
Übersicht bietet
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Gute experimentelle oder klinische Studie
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Gute Studie mit allerdings etwas geringerem Innovationscharakter
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Studie von geringerem klinischen oder experimentellen Interesse und leichteren methodischen
Mängeln
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Studie oder Übersicht mit deutlichen methodischen oder inhaltlichen Mängeln
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Die Kopfschmerz-News werden betreut von der Jungen DMKG, vertreten durch Dr. Robert
Fleischmann, Greifswald, Dr. Katharina Kamm, München (Bereich Trigemino-autonomer
Kopfschmerz & Clusterkopfschmerz), Dr. Laura Zaranek, Dresden (Bereich Kopfschmerz
bei Kindern und Jugendlichen) und Dr. Thomas Dresler, Tübingen (Bereich Psychologie
und Kopfschmerz).
Ansprechpartner ist Dr. Robert Fleischmann, Klinik und Poliklinik für Neurologie,
Unimedizin Greifswald, Ferdinand-Sauerbruch-Str. 1, 17475 Greifswald, Tel. 03834/86-6815,
robert.fleischmann@uni-greifswald.de
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Autors dar, nicht eine offizielle Bewertung durch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.