In der Notfallmedizin bedeutet Zeit oft Leben. „Mit der präklinischen Notfallsonografie
bringen wir die Diagnostik direkt zum Patienten, beschleunigen die Entscheidungsfindung
und ermöglichen eine zielgerichtete Therapie – direkt am Notfallort“, sagt Dr. med.
Armin Seibel, Leiter der Interdisziplinären Intensivmedizin am DRK-Krankenhaus Kirchen
und Leiter des DEGUM-Arbeitskreises Notfallsonografie. Unter präklinischer Notfallsonografie
versteht man eine strukturiert durchgeführte, symptomorientierte Multiorgan-Sonografie
am Notfallpatienten noch am Einsatzort. „Notfallpatienten müssen nicht warten, bis
sie in einer Klinik sind, sondern werden sofort mit einem mobilen Ultraschallgerät
untersucht“, so Seibel weiter.
Notfallmediziner stehen oft vor der Herausforderung, ohne umfangreiche Diagnostik
wie Labortests und ohne interdisziplinären Austausch schnell lebenswichtige Entscheidungen
treffen zu müssen. Die präklinische Notfallsonografie ermöglicht es, viele Differenzialdiagnosen
sofort und mit hoher diagnostischer Sicherheit zu stellen. Trotz des innovativen Konzepts
ist der Ultraschall im Rettungsdienst noch nicht flächendeckend etabliert. „Dadurch
werden unter Umständen Leben gefährdet. Deshalb ist es entscheidend, dass die Träger
der Rettungsdienste für eine flächendeckende Ausstattung der Rettungswagen und Hubschrauber
mit Ultraschallgeräten sorgen“, betont Seibel.
Notfallmediziner in der Notfallsonografie oft unzureichend ausgebildet
Ärztinnen und Ärzte, die in der Notfallmedizin tätig sind, müssen in der Notfallsonografie
gut ausgebildet sein. Denn nur mit einem fundierten Fachwissen können sie auch in
Notfallsituationen den Ultraschall fachgerecht einsetzen. „Von den rund 20 Millionen
Menschen, die jedes Jahr in Deutschland in eine Notaufnahme kommen, haben circa 70
Prozent internistische, allgemeinchirurgische und neurologische Symptome. Die Klärung
dieser Symptome mit Ultraschall verlangt eine hohe Expertise“, sagt Dr. med. Thomas
Händl, Chefarzt in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Garmisch-Partenkirchen
und stellvertretender Leiter des DEGUM-Arbeitskreises Notfallsonografie. Angehende
Chirurg*innen und Internist*innen müssten zwar im Rahmen ihrer Facharztausbildung
für mindestens 6 Monate in die Notaufnahme rotieren, meist jedoch innerhalb der ersten
2 Jahre ihrer Facharztausbildung – also mit noch wenig klinischer und sonografischer
Expertise.
Gute Ausbildungskonzepte existieren bereits: so etwa die von der DEGUM angebotenen
Ausbildungsformate, die in den vergangenen Jahren schon von rund 15 000 Ärztinnen
und Ärzten besucht wurden. Die Arbeitsgruppe Notfallsonografie der deutschen, österreichischen
und schweizerischen Ultraschallgesellschaften DEGUM, ÖGUM und SGUM hat dieses länderübergreifende
Ausbildungskonzept bereits 2008 etabliert und kontinuierlich weiterentwickelt. „Ziel
ist es, im Rahmen von Basiskursen den fachgerechten, symptomorientierten und fokussierten
Einsatz der Sonografie zu erlernen, um bei lebensbedrohlichen oder häufigen Symptomen
im Notfall die richtigen Befunde erheben zu können“, sagt Händl.
Inzwischen gibt es auch ein Curriculum für einen Aufbaukurs, der die Möglichkeiten
der erweiterten Diagnostik bei Notfallpatienten vermittelt. Die Kurse dauern 2 Tage,
finden in Kleingruppen mit maximal 5 Teilnehmenden statt und haben einen Praxisanteil
von 50 Prozent. In den Kursen wird auch auf die erschwerten Untersuchungsbedingungen
im Notfall eingegangen, und die Möglichkeiten und Grenzen der präklinischen Sonografie
werden dort vermittelt.
Mit sonografischer Hilfe schnell und gezielt Schmerzen lindern
Schmerzen so gut und so schnell wie möglich lindern – hinter diesem Anspruch bleibt
die medizinische Notfallbehandlung oft zurück. Akute Verletzungen und andere medizinische
Notfälle gehen häufig mit starken oder sehr starken Schmerzen einher. Dennoch scheint
die Schmerzlinderung in der Notfallmedizin eine untergeordnete Rolle zu spielen. „Studien
zeigen immer wieder, dass viele Patientinnen und Patienten erst mit erheblicher Verzögerung
eine Schmerztherapie erhalten – und diese dann oft nicht ausreichend dosiert ist“,
erläutert Dr. med. Peter Schwarzkopf, Oberarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin,
Schmerztherapie und Palliativmedizin am Sana-Klinikum Borna sowie stellvertretender
Leiter der DEGUM-Sektion Anästhesiologie. So offenbarte eine große Untersuchung in
mehreren europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, dass weniger als die Hälfte
der Notfallpatientinnen und -patienten eine adäquate Schmerzlinderung erfuhr. Andere
Studien ergaben, dass rund 40 % überhaupt kein Schmerzmittel erhielten; bei den übrigen
dauerte es im Durchschnitt 90 Minuten, bis eine Therapie eingeleitet wurde. Zudem
wurde fast die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit anhaltenden Schmerzen nach
Hause entlassen.
Tatsächlich gibt es medizinische Gründe, die gegen eine sehr schnelle Gabe von hoch
dosierten oder starken Schmerzmitteln sprechen. „Starke Schmerzmedikamente wie Morphin
führen teilweise schon bei niedriger Dosierung zu Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen,
Sedierung und Atemdepression“, berichtet Schwarzkopf. Das schränke die Aufklärungsfähigkeit
des Patienten ein und erschwere die eigentliche Behandlung. Zudem werde dadurch eine
umfangreiche und personalintensive Überwachung von Kreislauf und Atmung notwendig.
Nicht zuletzt habe man es gerade in der Notaufnahme nicht selten mit nicht nüchternen
Patienten zu tun. Bei diesen kann selbst eine einfache Kurznarkose mit lebensbedrohlichen
Risiken wie der Aspiration von Mageninhalt verbunden sein.
Wesentlich risikoärmer und schonender ist die Regionalanästhesie, die in der Regel
immer dann möglich ist, wenn sich die Verletzungen im Bereich der Extremitäten befinden.
Im Gegensatz zu oral oder intravenös verabreichten Schmerzmitteln, die im ganzen Körper
wirken, wird hier nur der Verletzungsbereich betäubt. „Das geschieht, indem ein Lokalanästhetikum
in die unmittelbare Nähe der betroffenen Nerven gespritzt wird und diese gezielt blockiert“,
erklärt Schwarzkopf. Besonders sicher und präzise lässt sich die Nervenumgebung ansteuern,
wenn die Position von Nadel und Nerv kontinuierlich per Ultraschall verfolgt wird.
So kann die individuelle Lage der Nerven berücksichtigt und das Risiko einer Nervenschädigung
minimiert werden. Dank kleiner, tragbarer Ultraschallgeräte ist eine solche ultraschallgesteuerte
Nervenblockade heute auch im Rettungsdienst und in der Notaufnahme möglich.
Wie leistungsfähig diese Methode ist, erklärt Schwarzkopf am Beispiel des ausgekugelten
Schultergelenks, einer häufigen Sportverletzung, die mit extremen Schmerzen einhergeht.
„Mit einem mobilen Ultraschallgerät kann bereits der Notarzt vor Ort eine gezielte
Blockade des Armnervengeflechts vornehmen“, so der erfahrene Anästhesist. Damit könne
der Betroffene sehr schnell und effektiv von seinen Schmerzen befreit werden. Im Idealfall
könne sogar die ansonsten äußerst schmerzhafte Einrenkung des Schultergelenks noch
vor Ort durchgeführt werden.
Neben der schnellen Schmerzlinderung punktet die ultraschallgesteuerte Nervenblockade
auch damit, dass sie das Bewusstsein des Patienten nicht beeinträchtigt. „Ein wacher,
kooperationsfähiger und weitgehend schmerzfreier Patient trägt wesentlich dazu bei,
die Abläufe bei Transport, Diagnostik und Therapie zu beschleunigen“, sagt Schwarzkopf.
Das sei nicht nur für die Verletzten, sondern auch für das medizinische Personal ein
großer Gewinn.
Die Video-Aufzeichnung der Pressekonferenz gibt es auf
www.degum.de
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