Nervenheilkunde 2024; 43(03): 85-87
DOI: 10.1055/a-2201-4292
Zu diesem Heft

Aktuelles vom Zahnschmerz bis zur forensischen Psychiatrie

Thomas Kammer
 
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    Prof. Dr. Thomas Kammer, Ulm

    In der vorliegenden Ausgabe der „Nervenheilkunde“ finden Sie Beiträge zu einer Reihe von Themen sowohl aus der Neurologie als auch aus der Psychiatrie.

    Der erste Beitrag befasst sich mit einem Thema der forensischen Psychiatrie. Die lange geforderte Novellierung des § 64 StGB zum Maßregelvollzug suchtkranker Straftäter ist in Kraft getreten. Michael Soyka, München, erörtert in seinem Beitrag die mit der Novelle verbundenen Veränderungen, die über eine Reduzierung unterzubringender Straftäter zu einer Entlastung der Einrichtungen beitragen soll.

    In der Psychiatrie kann ein Migrationshintergrund bei Patienten zu spezifischen Problemen führen, die auf Sprachbarrieren oder auf nicht erkannten kulturellen Konzepten beruhen. So können gut gemeinte therapeutischen Bemühungen an diesen Faktoren scheitern. Um diese Problematik zu minimieren, haben Bianca Ueberberg, Dortmund, und Mitarbeiter ein Manual für Patienten mit Migrationshintergrund entwickelt. Dieses soll vor allem der Psychoedukation dieser Patientengruppe dienen und damit Behandlungsoptionen verbessern. Die Autoren schildern Ergebnisse einer ersten Evaluation dieses Manuals.

    Ein Fallbericht widmet sich einem Thema der Adoleszentenpsychiatrie, welches in der von erwachsenen Klienten geprägten therapeutischen Perspektive manchmal zu kurz kommt: Die Frage nach den Zielen im (erwachsenen) Leben, mit der jeder Jugendliche konfrontiert ist. Carolin Ulrike Göhre, Prien am Chiemsee, und Mitarbeiter schildern anhand einer noch nicht volljährigen Patientin mit Magersucht, wie neben den typischen verhaltenstherapeutischen Inhalten der Therapiefokus auf die Gestaltung der Zukunft gelenkt wurde. Erst die Einbeziehung dieser Thematik führte über einen Emanzipationsprozess zu einem nachhaltigen Therapieerfolg.

    Manchmal kommt es vor, dass eine anstehende Entlassung aus der stationären psychiatrischen Behandlung Suizidgedanken (re)aktiviert, die naturgemäß der Entlassung entgegenstehen. Christoph Koban, Essen, und Tobias Teismann, Bochum, nehmen sich dieser Problematik an. Sie schildern das Dilemma, zwischen Suizidgesten und einer genuinen Suizidalität unterscheiden zu müssen. Die aufgezeigten Lösungsansätze sind aus meiner Sicht zielführend und sollten bei allen Behandlungsbemühungen, bei denen Suizidalität eine Rolle spielt, berücksichtigt werden.

    Insgesamt 2 Beiträge beschäftigen sich mit Fragestellungen in Zusammenhang mit (chronischen) Schmerzen. Häufig führen Patienten ihre chronischen Kopfschmerzen auf Verspannungen im Nacken zurück. Benjamin Schäfer, Königstein im Taunus, und Kerstin Lüdtke, Lübeck, gehen auf die dazu vorliegenden wissenschaftlichen Befunde ein. Vor allem bei Migräne lässt sich mithilfe strukturierter Untersuchungstechniken eine Häufung von Funktionsstörungen der Halswirbelsäule ermitteln. Die Evidenz für die Wirksamkeit von speziellen physiotherapeutischen Maßnahmen hingegen ist noch entwicklungsfähig.

    Orofaziale Schmerzen können sehr gravierend sein und sind eine eigene therapeutische Herausforderung im Übergang von Zahnmedizin zu Humanmedizin. Charly Gaul und Frank Sanner, Frankfurt am Main, stellen die Internationale Klassifikation orofazialer Schmerzen vor, die, inspiriert von der Internationalen Kopfschmerzklassifikation, versucht, eine handhabbare Differenzierung der Manifestationen zu erreichen. Vorteile und mögliche Nachteile des Klassifikationssystems werden in erfrischender Klarheit erörtert.

    In seinem Editorial beschäftigt sich Manfred Spitzer, Ulm, mit dem Justizskandal bei der britischen Post. Eine fehlerhafte Verwaltungssoftware hat jahrelang dazu geführt, dass Subunternehmer unrechtmäßig des Betrugs beschuldigt und verurteilt wurden. Wie geht unser Rechtsstaat mit Fehlern um, die auf Computerprogramme und auf Künstliche Intelligenz zurückzuführen sind?

    Ich wünsche eine anregende und erhellende Lektüre.

    Thomas Kammer, Ulm


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    Publication History

    Article published online:
    13 March 2024

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    Prof. Dr. Thomas Kammer, Ulm