Schlüsselwörter Lungenkrebs-Screening - Niedrigdosis-Computertomographie - Organisiertes Früherkennungsprogramm
- Rundherd-Management
Key words Lung Cancer Screening - Low-dose Computed Tomography - Organized Early Detection Program
- Nodule Management
1. Die Rationale für ein organisiertes Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm in
Deutschland
1. Die Rationale für ein organisiertes Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm in
Deutschland
Lungenkrebs ist mit 1,8 Mio. Todesfällen im Jahr 2020 (18% aller krebsbedingten Todesfälle)
weltweit die häufigste krebsbedingte Todesursache [1 ]. In
Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 57 000 Menschen an Lungenkrebs. Bei Männern
ist
Lungenkrebs nach Prostatakrebs die zweithäufigste, bei Frauen nach Brustkrebs und
Darmkrebs
die dritthäufigste Krebsneuerkrankung. Lungenkrebs gehört zu den prognostisch ungünstigsten
Tumoren, was sich in einer niedrigen relativen 5-Jahres-Überlebensrate von rund 21%
bei
Frauen und 15% bei Männern im Jahr 2019 in Deutschland widerspiegelt [2 ]. Gleichzeitig nimmt Lungenkrebs jeweils den 1. Rang bei den
direkten und indirekten krebsbedingten Gesundheitskosten in Europa ein [3 ]. Über diese epidemiologisch-ökonomischen Zahlen hinaus geht das
Lungenkarzinom mit den höchsten Raten an Komorbiditäten wie auch Symptomen innerhalb
aller
Krebsentitäten einher und stellt daher eine enorme Belastung für Patienten und deren
Angehörige dar [4 ].
Die Überlebensaussichten bei Lungenkrebs unterscheiden sich deutlich nach dem Stadium
der
Erkrankung. Da Lungenkrebs im frühen Stadium häufig keine Beschwerden verursacht,
wird die
Erkrankung in vielen Fällen spät und oft unvorhergesehen entdeckt. Die jährliche native
Niedrigdosis-Computertomografie (Low-Dose-Computertomografie, LDCT) erkennt Lungenkrebs
in
früheren Stadien als die Röntgenthorax-Aufnahme und führt zu einer Verringerung der
lungenkrebsbedingten Mortalität und Gesamtmortalität bei Personen mit einem hohen
Risiko für
diese Krankheit [5 ], [6 ], [7 ], [8 ], [9 ]. In der aktuellen S3-Leitlinie von 2022 wird ein strukturiertes
Lungenkarzinom-Früherkennungsprogramm mittels jährlicher LDCT-Untersuchungen für die
Hochrisikopopulation auf der Basis einer starken wissenschaftlichen Evidenz (Evidenzlevel
1a) empfohlen [10 ]. Die Umsetzung der
Lungenkrebs-Früherkennung in Form eines qualitätsgesicherten Früherkennungsprogramms
wird
von den nationalen und europäischen Fachgesellschaften für Radiologie, Pneumologie
und
Thoraxchirurgie ausdrücklich befürwortet [11 ] – [13 ].
Für Deutschland hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
(IQWiG) 2020 in seiner Nutzenbewertung im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses
(G-BA)
festgestellt, dass für aktive bzw. ehemalige starke Raucher der Nutzen eines
LDCT-Lungenkrebs-Screenings den Schaden überwiegt [14 ]. Das
Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) kam in seiner im Dezember 2021 veröffentlichten
wissenschaftlichen Bewertung ebenfalls zu einer positiven Einschätzung des
Nutzen-Risiko-Verhältnisses, allerdings sind hierfür strenge Bedingungen und Anforderungen
an eine Lungenkrebs-Früherkennungsmaßnahme mittels LDCT zu stellen [15 ]. Auf dieser Basis hat das Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) im Juli 2023 den
Referentenentwurf zur Verordnung über die Zulässigkeit der Anwendung der
Niedrigdosis-Computertomografie zur Früherkennung von Lungenkrebs bei Rauchern
(Lungenkrebs-Früherkennungs-Verordnung – LuKrFrühErkV) zur Anhörung und Stellungnahme
der
beteiligten Kreise vorgelegt [16 ]. In 2
gesundheitsökonomischen Modellanalysen konnte bereits zuvor für Deutschland
Kosteneffektivität für ein zukünftiges nationales Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm
gezeigt
werden [17 ], [18 ].
Entscheidend für den Erfolg eines nationalen Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms mittels
LDCT in Deutschland sind von Beginn an die Integration von verpflichtenden
qualitätsfördernden Struktur- und Prozesselementen sowie von Qualitätssicherung. Für
die
Umsetzung der in den IQWiG- und BfS-Berichten benannten hohen, aber aus fachlicher
Sicht
notwendigen Anforderungen an ein solches Programm ist die Einführung eines bundesweit
einheitlichen Lungenkrebs-Screenings mittels LDCT im Rahmen eines organisierten
Früherkennungsprogramms nach § 25a SGB V am besten geeignet.
Deswegen erscheint es notwendig, dass eine fortwährende inhaltliche Abstimmung aller
beteiligten Institutionen und Prozessbeteiligten bereits während der Erstellung der
Rechtsverordnung des BMUV sowie der G-BA-Umsetzungsrichtlinie mit dem Ziel eines
organisierten Früherkennungsprogramms gemäß § 25a SGB V als Grundlage für ein erfolgreiches
nationales Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms mittels LDCT erfolgt.
Dieses Positionspapier, das gemeinsam durch die im Lungenkrebs-Screening involvierten
Fachgesellschaften erstellt und konsentiert wurde, möchte zu diesem Prozess konstruktiv
beitragen. In den nachfolgenden Unterkapiteln werden der Gefahr eines unstrukturierten
Screenings in Deutschland eine Übersicht der aktuellen positiven Evidenz sowie eine
Auflistung von konkreten Vorschlägen für eine erfolgreiche Implementierung eines nationalen
LDCT-Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms gegenübergestellt. Zudem werden auch die
Integration von Qualitätssicherung, Weiterbildung sowie Schwerpunkte aktueller Forschung
zur
Weiterentwicklung von Lungenkrebs-Screening in Deutschland und die Wege hin zu einem
organisierten Früherkennungsprogramm nach § 25a SGB V adressiert ([Tab. 1 ]).
Tab. 1 Kernelemente eines organisierten Früherkennungsprogramms nach
§ 25a SGB V (1 – 6) sowie die Mindestanforderungen für die Übergangsphase nach
Inkrafttreten der Rechtsverordnung des BMUV bis zur Implementierung des organisierten
Früherkennungsprogramms (2 – 5) mit leitliniengerechter Tabakentwöhnung.
Lungenkrebs-Früherkennung mittels LDCT in einem organisierten
Früherkennungsprogramm nach § 25a SGB V
1. Einladung und regelmäßige Wiedereinladung der Versicherten unter
Sicherstellung eines niedrigschwelligen Angebotes
2. individuelle Risikobeurteilung durch qualifizierten Arzt
Mindestanforderungen für die – möglichst kurze – Übergangsphase nach
Inkrafttreten der BMUV-Rechtsverordnung bis zur Implementierung eines
organisierten Früherkennungsprogramms nach § 25a SGB V
3. strukturierte Befundung der LDCT und Bewertung der Befunde (modifizierte
Lung-RADS-2022 Klassifikation) mit Softwareunterstützung
4. Zweitbefundung aller kontroll- oder abklärungsbedürftigen Befunde (Lung-RADS-3
und -4) durch Radiologen an einem auf Lungenkrebs spezialisierten Zentrum
5. Vorstellung aller abklärungsbedürftigen Befunde in einer interdisziplinären
Fallkonferenz an einem auf Lungenkrebs spezialisierten Zentrum
6. zentrale Dokumentation und Qualitätssicherung mit Anwendung des
Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG)
Integration bzw. Kopplung an leitliniengerechte Tabakentwöhnung
2. Gefahren eines unstrukturierten Screenings
2. Gefahren eines unstrukturierten Screenings
Auf Grundlage der wissenschaftlichen Bewertung des BfS von 2021 wurde das BMUV gemäß
§ 84
(2) Strahlenschutzgesetz ermächtigt, durch Rechtsverordnung festzulegen, welche Untersuchung
zur Früherkennung von Lungenkrebs unter welchen Voraussetzungen für eine Hochrisikogruppe
zulässig ist. Der Referentenentwurf liegt nun seit Juli 2023 zur Anhörung vor [16 ]. Die Veröffentlichung der BMUV-Rechtsverordnung wird Ende
2023 erwartet. Eine abschließende Umsetzungsrichtlinie durch den G-BA ist innerhalb
von 18
Monaten nach Veröffentlichung dieser Verordnung verpflichtend.
Im Intervall zwischen Inkrafttreten der BMUV-Rechtsverordnung und der G-BA-Richtlinie
besteht die reale Gefahr, dass zwar prinzipiell LDCT-Untersuchungen zur
Lungenkrebs-Früherkennung durchgeführt werden können, diese aber keinen Eingang in
ein
strukturiertes und qualitätsgesichertes Screening-Programm finden. Aus Sicht der beteiligten
Fachgesellschaften droht bei einer unstrukturierten Durchführung einer
Lungenkrebs-Früherkennung mittels LDCT ein Übermaß an Schwachstellen und Fehlerquellen
entlang der gesamten Prozesskette ([Tab. 2 ]), die bei einer
strukturierten Vorgehensweise vermieden werden können. In Summe besteht ein hohes
Risiko,
dass bei einem unstrukturierten Lungenkrebs-Screening sowohl die individuelle
Teilnehmersicherheit gefährdet wird und in der globalen Betrachtung der Gesamtschaden
der
unstrukturierten Screening-Maßnahmen deren Gesamtnutzen überwiegt. Zudem würde hierdurch
ein
nachfolgendes, gut strukturiertes nationales Screening-Programm bereits vor dessen
Start an
Akzeptanz bei den Teilnehmern und Behandlern verlieren.
Tab. 2 Schwachstellen und Fehlerquellen bei einem unstrukturierten
Lungenkrebs-Screening-Prozess in Deutschland und daraus resultierende potenzielle
Schäden.
Schwachstellen/Fehlerquellen im Rahmen eines unstrukturierten
Lungenkrebs-Screening-Prozesses
potenzielle Folgen/Schäden
unzureichende Identifikation und Einladung von Risikopersonen
fehlende/unzureichende Eignungsprüfung und Einschluss von Risikopersonen
bei Einschluss von Personen ohne/mit nur gering erhöhtem
Lungenkrebsrisiko:
bei Einschluss von Personen, die aufgrund von Alter, Komorbiditäten oder
Leistungszustand ungeeignet für ein Lungenkrebs-Screening-Programm sind:
hohe Rate an Überdiagnosen
geringer Gewinn an Lebensjahren im Falle einer Frühdiagnostik nach
positiven Screening-Befunden bzw. erhöhte Morbidität, Letalität und Kosten
bei deren Abklärung
nicht standardisierte, fachlich unzureichende Befundung und Bewertung der
LDCT
Übersehen von positiven Befunden
höhere Raten an falsch positiven Screening-Befunden mit unnötigen
vorgezogenen Kontroll-LDCT bzw. weiterführenden Abklärungen
Benennung von inzidentellen Befunden ohne klinische Relevanz und unnötigen
weiterführenden Folgeabklärungen
höhere psychische Belastung von Teilnehmern
uneinheitliches Management der pulmonalen Rundherde
unzureichend koordinierte und standardisierte Fortführung des Screenings
fehlende/unzureichende Behandlungsalgorithmen, Infrastruktur und Expertise im
Rahmen der weiterführenden Abklärung von positiven Screening-Befunden
höhere Raten falsch positiver Befunde mit in der Folge unnötigen invasiven
diagnostischen Abklärungen und operativen Eingriffen
erhöhte Morbidität, Letalität und Kosten durch unzureichend standardisierte
bzw. qualitativ schlechtere Behandlung
fehlende Dokumentation und zentrale Archivierung von Screening-Befunden und
späteren, gesundheitsrelevanten Endpunkten; daher:
keine Abgleiche mit Krebsregisterdaten zur Erfassung der Krebsinzidenz bei
gescreenten Personen im Vergleich zu nicht gescreenten Personen (auf
regionaler oder Bundesebene)
keine systematischen Abgleiche mit Daten zu Vitalstatus und Todesursachen zur
Erfassung der Krebsinzidenz bei gescreenten, im Vergleich zu nicht gescreenten
Personen (auf regionaler oder Bundesebene)
keine Möglichkeit einer epidemiologischen Qualitätssicherung:
keine Möglichkeit der systematischen (zentralisierten) Erfassung von falsch
positiven Screening-Befunden
keine Möglichkeit, die durchschnittliche Sensitivität des Screenings
(Auftreten falsch negativer Befunde) auszuwerten
keine Möglichkeit, die tatsächliche Effektivität des Screenings (Senkung der
lungenkrebsbedingten Mortalität) zu evaluieren
3. Optimierung von Nutzen, Risiken und Kosteneffektivität durch die Etablierung eines
organisierten Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms
3. Optimierung von Nutzen, Risiken und Kosteneffektivität durch die Etablierung eines
organisierten Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms
Nutzen
Randomisierte kontrollierte Studien konnten belegen, dass die Früherkennung von
Lungenkrebs mittels LDCT-Screenings in Risikopopulationen die hohe Sterblichkeit
reduzieren kann. Die beiden größten Studien, die US-amerikanische NLST-Studie (Vergleich
LDCT bei 26 722 Teilnehmern vs. Röntgenthorax bei 26 732 Teilnehmern in 3 jährlichen
Screening-Runden) [6 ] und die niederländisch-belgische
NELSON-Studie (Vergleich LDCT bei 7900 Teilnehmern in 4 Screening-Runden mit Intervallen
von 1, 2 und 2,5 Jahren vs. kein Screening bei 7892 Teilnehmern) [7 ] zeigten jeweils eine signifikante Reduktion der lungenkrebsbedingten Mortalität.
In NLST betrug hierbei die relative Risikoreduktion 20%, in NELSON nach 10 Jahren
Follow-up 25%, wobei die Senkung bei Frauen mit 33% stärker als bei Männern (24%)
ausgeprägt war. Die NLST-Studie konnte darüber hinaus eine signifikante relative Reduktion
der Gesamtmortalität von 6,7% demonstrieren.
Die Mortalitätsreduktion in den LDCT-Screening-Gruppen erklärt sich in beiden Studien
jeweils durch einen Stadien-Shift mit einer Lungenkrebs-Detektion in der Mehrzahl
in
früheren, noch kurativ behandelbaren Stadien. Konsekutiv kamen häufiger kurativ
intendierte Therapieformen im Vergleich zu den Kontrollgruppen zur Anwendung.
Die Mehrzahl von 7 kleineren randomisiert-kontrollierten Studien (LDCT bei 1264 – 2376
Teilnehmern) ließ in der Tendenz ebenfalls eine relative Risikoreduktion der
lungenkrebsbedingten Mortalität erkennen, ohne dass jedoch diese einzelnen Studien
Signifikanzniveau erreichten [8 ], [19 ] – [24 ].
Risiken
Falsch positive Befunde
Im Rahmen des Lungenkrebs-Screenings stellen falsch positive Befunde ein relevantes
Risiko dar. Hierunter werden LDCT-Befunde verstanden, die radiologisch zunächst als
verdächtig auf ein Lungenkarzinom befundet, nach weiterer Abklärung aber als benigne
eingestuft werden.
In der NLST-Studie (Einschlusszeitraum 2002 – 2004) wurden in allen 3 Screening-Runden
zusammen gemäß Protokoll 18 146/75 126 (24,2%) der LDCT-Untersuchungen als
abklärungsbedürftig bewertet. In der weiteren direkten klinischen Abklärung lag die
Rate
der mittels LDCT-Screenings detektierten Lungenkarzinome bei 0,9% (649/75 126), die
der
falsch positiven Befunde bei 23,3% (17 497/75 126).
In der späteren NELSON-Studie (Einschlusszeiträume 2003 und 2005) wurden in den 4
Screening-Runden zusammen nur 9,2% (2069/22 600) der LDCT-Untersuchungen als
kontrollbedürftig eingestuft und kurzfristig mittels LDCT nachkontrolliert. 467/22 600
(2,1%) der LDCT-Untersuchungen wurden letztendlich als abklärungsbedürftig
klassifiziert, von denen mit 0,9% (203/22 600) ein gleich hoher Anteil an
Lungenkarzinomen wie in NSLT diagnostiziert wurde. Der Anteil der falsch positiven
Befunde nach klinischer Abklärung lag mit 1,2% (264/22 600) aller LDCT-Untersuchungen
jedoch deutlich niedriger.
Die deutliche Diskrepanz zwischen NLST und NELSON im Hinblick auf die Raten der nach
LDCT-Untersuchung radiologisch als abklärungsbedürftig eingestuften Befunde mit
nachfolgender klinischer Abklärung und dem Risiko unnötiger invasiver Eingriffe sowie
der falsch positiven Befunde nach klinischer Abklärung erklärt sich durch Verbesserungen
der Studienprotokolle bei der Klassifikation der LDCT-Befunde sowie dem nachfolgenden
klinischen Rundherdmanagement. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Protokollen
zur
Screening-Erkennung und zum Rundherdmanagement in NLST und NELSON bestand darin, dass
das NLST-Protokoll ausschließlich auf dem Kriterium einer minimalen Rundherdgröße
basierte, während das NELSON-Protokoll auch Änderungen der Rundherdgröße über die
Zeit
oder das Neuauftreten von Rundherden von einem Screening-Anlass zum nächsten
berücksichtigte. Das in NELSON verwandte Managementprotokoll kommt in dieser Hinsicht
den aktuell angewandten Klassifikationssystemen von LDCT-Befunden (Lung-RADS2022)
sowie
Leitlinien zum Rundherdmanagement (BTS2015, S3-LL Lungenkarzinom) wesentlich näher.
Eine wichtige Beobachtung in diesem Zusammenhang war, dass die Sensitivität und
Spezifität der Lungenkrebs-Screenings durch die Berücksichtigung von longitudinalen
Veränderungen in CT-Bildern (z. B. durch die Berechnung der Volumenverdopplungszeit
von
Lungenrundherden) sehr stark erhöht wurde. Dies bedeutet auch, dass das Screening
im
Allgemeinen effektiver ist, wenn es Screening-Verlaufsuntersuchungen einsetzt, die
in
regelmäßigen Zeitabständen strukturiert geplant und nachgehalten werden.
Lebenszeit mit der Tumordiagnose, Überdiagnosen und Übertherapien
Der Krebsfrüherkennung ist inhärent, dass sich bei Personen, deren Tumoren früher
erkannt werden, die Zeitspannen verlängern, in denen sie mit dem Wissen um eine
Krebsdiagnose leben. Dieses Wissen an sich wirkt sich i. d. R. negativ auf die
Lebensqualität eines Menschen aus. Deshalb lohnt sich eine Früherkennung nur, wenn
diese
zu einer besseren Behandlung und Prognose mit Verlängerung der Lebenserwartung führt.
Letzteres gilt häufig für Personen, deren Tumoren in einem frühen, lokalisierten Stadium
entdeckt werden. Für Personen mit einem Tumor im fortgeschrittenen Stadium wird eine
frühere Erkennung (d. h. vor dem Auftreten von Symptomen) jedoch möglicherweise die
verbleibende Lebenserwartung kaum noch verlängern. Bei einer ersten Screening-Teilnahme
ist das Spektrum der gefundenen Tumoren sehr unterschiedlich und reicht von sehr frühen
bis zu sehr fortgeschrittenen Stadien. Bei wiederholten Früherkennungsuntersuchungen
kann der Anteil der Tumoren, die im Frühstadium erkannt werden, jedoch deutlich erhöht
werden, wenn die Untersuchungen in regelmäßigen, gut geplanten Zeitabständen
durchgeführt werden. So kann der erwartete Nutzen des Screenings (d. h. der Gewinn
an
Lebensjahren) im Vergleich zu den Schäden der zusätzlichen Lebenszeit mit einer
Tumordiagnose deutlich verbessert werden.
Überdiagnosen stellen einen weiteren großen potenziellen Schaden des
Lungenkrebs-Screenings dar. Eine Überdiagnose bezieht sich auf Tumoren, die ohne das
Screening gar nicht entdeckt worden wären. Sie ist das Ergebnis der Entdeckung von
Tumoren vor dem Zeitpunkt, an dem sie Symptome oder den Tod verursacht hätten – ein
Zeitfenster, in dem ein Teil der Screening-Teilnehmer tatsächlich an anderen Ursachen
sterben könnte, bevor sie jeweils von ihrer Lungenkrebserkrankung erfahren hätten.
Da
die Diagnose Lungenkrebs zumeist zu einer aggressiven Diagnostik und Behandlung führt,
gehen Überdiagnosen i. d. R. mit Übertherapien einher, die schwerwiegende und unnötige
Einbußen an Lebensqualität, Risiken medizinischer Komplikationen nach der Behandlung
und
finanzielle Kosten für das Gesundheitswesen nach sich ziehen.
Statistische Modellierungen von Daten aus der NLST-Studie [25 ], [26 ] oder auch der deutschen LUSI-Studie
[27 ] haben gezeigt, dass etwa 30 – 40% der im Screening
entdeckten Tumoren ≥ 4 Jahre vor dem Zeitpunkt entdeckt werden können, an dem sie
sich
sonst klinisch manifestiert hätten, während bei bis zu einem Viertel der Tumoren diese
Vorlaufzeit sogar mehr als 6 Jahre betragen kann. Insbesondere bei älteren Personen,
die
sich in einem schlechten Gesundheitszustand befinden und die eine vergleichsweise
niedrige verbleibende Lebenserwartung haben, ist das Risiko relativ hoch, innerhalb
der
nächsten 4 bis 6 Jahre zu sterben, und damit auch das Risiko einer möglichen
Überdiagnose. Studien, die auf Mikrosimulationsmodellen beruhen [28 ] oder auch Studien, die die überschüssige
Lungenkrebsinzidenz im CT-Arm randomisierter Screening-Studien als Funktion der
Nachbeobachtungszeit nach Beendigung des Screenings statistisch modelliert haben,
finden
Überdiagnosen bei Screening-Populationen, die aus Personen im Alter von etwa 55 bis
75
Jahren bestehen, in deutlich weniger als 10% aller im Screening entdeckten
Lungenkrebsfälle. Bei Personen in höherem Alter (insbesondere ab 70 Jahren), mit einem
hohen Komorbiditätsindex oder mit einer geschätzten Restlebenserwartung von weniger
als
10 Jahren kann dieser Prozentsatz aber wesentlich höher sein [29 ].
Strahlenexposition
Fünf der randomisierten kontrollierten Studien (DCLST, ITALUNG, LUSI, NELSON, NLST)
sowie auch einige nicht randomisierte Studien [30 ]
berichteten detaillierte Daten im Hinblick auf die Strahlenexposition pro
LDCT-Untersuchung. In seiner methodisch sehr fundierten Bewertung schlussfolgerte
das
BfS einen höheren Nutzen von LDCT-Screening durch Mortalitätsreduktion im Vergleich
zu
den strahlungsexpositionsbedingten Risiken mit insbesondere späteren
strahlungsinduzierten Zweitmalignomen. Für Deutschland haben quantitative Modellierungen
gezeigt, dass für ein Spektrum von möglichen Screening-Szenarien das längerfristige
(lebenslange) Risiko der strahlenbedingten Krebsmortalität für Männer um einen Faktor
von etwa 20 und für Frauen um einen Faktor 10 überwiegt [31 ]. Auch entwickelt sich die Computertomografietechnik kontinuierlich weiter mit
einer immer niedrigeren Strahlenbelastung, die heute schon für ein LDCT des Thorax
unter
1 mSv liegt. Die beteiligten Fachgesellschaften begrüßen grundsätzlich die Vorgaben
zur
LDCT-Durchführung im BfS-Bericht sowie des Referentenentwurfs der BMUV-Rechtsverordnung
mit einem oberen Grenzwert Volumen-Computertomografie-Dosisindex-Grenzwert (CTDIvol)
von
≤ 1,3 mGy für eine Standardperson und unterstützen die Überlegung, die maximal
akzeptierte Strahlenexposition im Rahmen des technischen Fortschritts kontinuierlich
weiter zu senken.
Psychologische Belastungen von Screening-Teilnehmern
Im Hinblick auf die psychische Belastung der Teilnehmer wies die zusätzliche Erfassung
der Lebensqualität in 4 der randomisiert-kontrollierten Studien (DCLST, NELSON, NLST,
UKLS) sowie innerhalb von separaten Studien insgesamt tolerable psychische
Beeinträchtigungen aus. Hingegen wurden im Rahmen von kurzfristigen
LDCT-Wiederholungsuntersuchungen bzw. der Notwendigkeit einer weitergehenden Abklärung
von suspekten LDCT-Befunden psychische Belastungssituationen nachgewiesen [32 ], [33 ], [34 ], [35 ], [36 ], [37 ].
Nutzen-Risiken-Abschätzung
Während das organisierte LDCT-Screening die lungenkarzinombedingte Mortalität reduziert,
birgt es mehrere Risiken, die durch Strahlung, falsch positive Screening-Tests oder
auch
durch die Diagnose von Tumoren verursacht werden können und die sich ohne Screening
im
Laufe des Lebens nicht klinisch manifestiert hätten (Überdiagnose) [14 ], [38 ], [39 ]. Für einen einzelnen Screening-Teilnehmer sollte der
erwartete Nutzen des Screenings – also der erwartete Gewinn an Lebensjahren durch
Senkung
der lungenkrebsbedingten Mortalität – die Risiken des Screenings übersteigen. In der
Praxis bedeutet dies, dass ein Teilnehmer ein ausreichend hohes Risiko haben sollte,
tatsächlich an Lungenkrebs zu erkranken und gleichzeitig gesund genug sein sollte,
um bei
einer Lungenkrebs-Früherkennung einen sinnvollen Gewinn an Lebensjahren zu erwarten.
Auf
Bevölkerungsebene bestimmt das durchschnittliche Lungenkrebsrisiko der
Screening-Teilnehmer die Anzahl der Personen, die gescreent werden müssen (Number
needed
to screen), um einen einzelnen Fall von Lungenkrebs zu erkennen. Dies entspricht der
durchschnittlichen Anzahl der Personen, die den Risiken des Screenings ausgesetzt
sind,
aber keinen möglichen Nutzen haben, und ist zugleich eine Schlüsseldeterminante für
die
durchschnittlichen finanziellen Kosten pro Lebensjahr, die durch ein Screening-Programm
gewonnen werden können. Die beiden Dimensionen, entlang derer das Lungenkrebs-Screening
programmatisch optimiert werden kann, sind somit das Lungenkrebsrisiko und das
Gesamtmortalitätsrisiko aufgrund anderer Ursachen als Lungenkrebs (Restlebenserwartung
bei
frühzeitiger Erkennung und Heilung von Lungenkrebs). Zwei weitere Aspekt sind die
Definitionen eines optimalen Screening-Intervalls, das z. T. auch vom individuellen
Lungenkrebsrisiko eines Teilnehmers abhängen kann, sowie der Tabakentwöhnung.
Einschlusskriterien anhand von Risikofaktoren und Risikomodellen
Die beiden wichtigsten Risikofaktoren für Lungenkrebs in den meisten Populationen
sind
Rauchen und höheres Alter [40 ], [41 ]. Bei Rauchern steigt das Risiko mit der kumulativen Dauer und Menge des
Zigarettenrauchens, während es bei Ex-Rauchern mit zunehmender Zeit seit dem Aufhören
abnimmt. Zugleich sind Rauchergeschichte und Alter auch wichtige Determinanten für
das
Sterberisiko durch andere Ursachen als Lungenkrebs und für die verbleibende
Lebenserwartung eines Individuums. Die NLST-, NELSON- und andere randomisierte Studien
verwendeten unterschiedliche Einschlusskriterien, die auf Cut-off-Werten für die
individuellen Risikofaktoren Mindest- und Höchstalter, minimale kumulative Dauer und
Menge
des Rauchens und für ehemalige Raucher die maximale Zeit seit der Raucherentwöhnung
basierten. Insbesondere die Kriterien von NLST und NELSON wurden auch als Grundlage
für
offizielle Empfehlungen zur Screening-Eignung in den USA und Deutschland herangezogen.
In den USA empfahl die US Preventive Services Task Force (USPSTF) 2013 kurz nach der
Veröffentlichung der NLST-Ergebnisse [6 ] ein jährliches
Lungenkrebs-Screening mit niedrig dosierter CT für US-Erwachsene im Alter von 55 bis
80
Jahren mit einer kumulativen Exposition von 30 Packungsjahren und einem aktiven oder
früheren Nikotinabusus innerhalb der letzten 15 Jahre [42 ]. Dies entspricht den in der NLST-Studie verwendeten Einschlusskriterien, jedoch
mit einer Verlängerung des maximalen Zulassungsalters von 75 auf 80 Jahre. Im Jahr
2021,
nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der NELSON-Studie, aktualisierte die USPSTF
ihre
Empfehlung und reduzierte sowohl das Mindestalter für die Screening-Berechtigung von
55
auf 50 Jahre als auch die kumulative Mindest-Tabakrauchexposition von 30 auf 20
Packungsjahre [43 ]. Neben den beiden größten
randomisierten Studien von NLST [6 ] und NELSON [7 ] stammen zusätzliche Beweise für die USPSTF-Empfehlung 2021
aus quantitativen Modellierungsstudien im Cancer Intervention and Surveillance Modeling
Network (CISNET). Diese zeigten, dass das Screening von Personen im Alter von 50 bis
80
Jahren mit 20 Packungsjahren oder mehr aktivem Rauchen voraussichtlich zu mehr Nutzen
führt bei akzeptablem Anstieg der erwarteten finanziellen Kosten und Nebenwirkungen
des
Screenings im Vergleich zu den USPSTF-Kriterien von 2013 [28 ].
Für Deutschland hat das BfS empfohlen, die Einschlusskriterien der NELSON-Studie als
Mindestvoraussetzung für die Screening-Eignung zu verwenden [15 ]. Mit einem Anfangsalter für das Screening von 50 Jahren und einer relativ
moderaten kumulativen Raucheranamnese (15 Zigaretten pro Tag während mindestens 25
Jahren
[d. h. mehr als 18,75 Packungsjahre] oder 10 Zigaretten pro Tag während mindestens
30
Jahren [mehr als 15 Packungsjahre]) sind die NELSON-Kriterien relativ vergleichbar
mit der
neuesten USPSTF-Empfehlung von 2021 [43 ]. Ein Unterschied
ist jedoch die Anforderung von nur 10 Jahren maximaler Zeit seit der Raucherentwöhnung
in
NELSON, statt 15 Jahren für die USPSTF-Empfehlung von 2021. Ein weiterer Unterschied
ist
das Höchstalter von 80 (USPSTF) vs. 75 (NELSON/BfS) Jahren. Basierend auf repräsentativen
Umfragedaten zum Rauchen kann geschätzt werden, dass etwa 5,5 Mio. aktuelle oder ehemalige
Raucher nach den NELSON-Kriterien in Deutschland infrage kommen und dass knapp die
Hälfte
aller Lungenkrebsfälle in dieser geeigneten Risikogruppe auftreten werden [44 ]. In dem BMUV-Referentenentwurf wurden die Eingangskriterien
mit einem Alter von 50 bis 75 Jahren, einer Kombination aus einer Rauchdauer von
mindestens 25 Jahren sowie einer kumulativen Exposition von mindestens 15 Packungsjahren
und einer maximalen Abstinenzzeit von 10 Jahren seit Raucherentwöhnung vorgegeben
[16 ].
Im Gegensatz zu den USPSTF-Empfehlungen geben der BfS-Bericht und der
BMUV-Referentenentwurf kein Screening-Intervall vor. Beide empfehlen allerdings indirekt,
dass das Screening maximal einmal pro Jahr durchgeführt werden sollte. Aufbauend hierauf
obliegt es dem G-BA, nach dem Inkrafttreten der BMUV-Rechtsverordnung zeitnah ein
strukturiertes Programm zu implementieren.
Steigerung der Einschlussquoten
Da ein unstrukturiertes Screening das Verhältnis des Nutzens zu den Risiken potenzieller
Schäden deutlich verschlechtern kann, ist es von größter Bedeutung, dass potenzielle
Screening-Teilnehmer umfassend über Risiken und Vorteile der Lungenkrebsvorsorge beraten
und aufgeklärt werden. Erste Informationen sollten niederschwellig über mehrere Kanäle
bereitgestellt werden, darunter Flyer, eine offizielle Website und
Einwilligungserklärungen, aber auch niederschwellig über behandelnde Ärzte im ambulanten
und stationären Versorgungsbereich. Für diejenigen, die 50 – 75 Jahre alt sind, geraucht
haben und die Kriterien der BMUV-Rechtsverordnung erfüllen, sollte die Option des
Lungenkrebs-Screenings weiterhin auf einer gemeinsamen Entscheidungsfindung zwischen
potenziellen Screening-Teilnehmern und geschulten Allgemeinmedizinern, Internisten
und
Arbeitsmedizinern während eines Arztbesuchs vor dem Screening-Ereignis basieren. Während
dieses Besuchs sollte der geschulte Arzt sowohl die potenziellen Vorteile als auch
die
Risiken der Lungenkrebsvorsorge genau vermitteln. Potenziellen Teilnehmern sollte
erklärt
werden, warum ihnen das Screening empfohlen wird oder ggf. nicht. Während Alter und
Rauchergeschichte als Kriterien leicht verständlich sind, sind dies Risikobewertungen
möglicherweise nicht. Denn sie beruhen auf einer umfassenderen Bewertung des allgemeinen
Gesundheitszustands einer Person und können auch zusätzliche Gesundheitsuntersuchungen
induzieren. Daher erfordert es eine gute Kommunikationsfähigkeit des Arztes, der für
das
erste Beratungs- und Aufklärungsgespräch zum Einschluss in das Screening-Programm
verantwortlich ist.
Aus aktuellen Erfahrungen der HANSE-Studie sind insbesondere personalisierte Anschreiben
sowie die Ansprache über Hausärzte/bzw. niedergelassene Fachärzte mit einem
Früherkennungsangebot vor Ort für die Rekrutierung effektiv. Initiale
Online-Risikoevaluierungen mit direkter Terminbuchung für ein initiales Beratungs-
und
Aufklärungsgespräch mit Eignungsüberprüfung durch einen qualifizierten und zertifizierten
Arzt (Allgemeinmediziner, Internist und Arbeitsmediziner) bzw. bei Folgeuntersuchungen
direkte Online-Terminbuchung für eine LDCT-Untersuchung beim Radiologen im lokalen
Lungenkrebs-Screening-Verbund sind für ein erfolgreiches Programm Schlüsselkomponenten.
Des Weiteren sind zentralisierte und strukturierte Terminbuchungen bzw. Erinnerungen
für
das jährlich wiederkehrende LDCT sowie ggf. vorgezogene 3- und 6-Monats-Kontrollen
bei
kontrollbedürftigen Befunden für ein qualitätsgesichertes, den Nutzen maximierendes
Programm zwingend erforderlich.
Kosteneffektivität
Mehrere gesundheitsökonomische Modelle konnten mittlerweile die Kosteneffektivität
von
jährlichen LDCT-Lungenkrebs-Screening-Programmen nachweisen, u. a. für Deutschland,
Großbritannien, Kanada und den USA [17 ], [18 ], [45 ], [46 ], [47 ], [48 ]. Zu den Programmkomponenten, die die Kosteneffektivität
beeinflussen, gehören die Methode zur Auswahl der infrage kommenden Population, die
Teilnahmerate, das Intervall zwischen den Screening-Runden, die Methode des
Lungenrundherd-Managements, der Ansatz für die klinische Aufarbeitung der LDCT-Befunde
sowie die Integration einer Rauchstoppintervention bzw. eines zertifizierten
Rauchfreiprogramms [49 ].
4. Stand Implementierung von LDCT-Lungenkrebs-Screening
4. Stand Implementierung von LDCT-Lungenkrebs-Screening
Diverse Leitlinien und Stellungnahmen internationaler und nationaler medizinischer
Fachgesellschaften, Expertengruppen und Gremien des Gesundheitswesens empfehlen die
Durchführung von LDCT-Screening-Programmen für Lungenkrebs. Länder außerhalb Europas
(Australien, USA) und innerhalb Europas (Kroatien, Polen, Tschechische Republik) befinden
sich in verschiedenen Stadien der Umsetzung nationaler LDCT-Screening-Programme oder
haben
regionale und nationale Pilotprojekte zum Lungenkrebs-Screening gestartet (z. B. Dänemark,
Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Norwegen, Spanien und Ungarn).
Die Beobachtungstudie von Balata et al. auf der Basis der gepoolter Baseline-Daten
von 5
regionalen Implementierungsstudien in Großbritannien konnte nicht nur die Machbarkeit
von LDCT-Lungenkrebs-Screening-Programmen in Risikopopulationen zeigen, sondern auch
deren
gute Effizienz bei gleichzeitig geringen Risiken in der Routineversorgung belegen.
Mit
falsch positiven Raten von nur 2,0% sowie fehlenden schwerwiegenden unerwünschten
Ereignisse
oder gar Letalität im Rahmen der invasiven Abklärung konnten die britischen Pilotstudien
die
aus früheren randomisiert-kontrollierten Studien vorgetragenen Bedenken hinsichtlich
der
hohen Raten falsch positiver Befunde und unnötiger, potenziell schädigender invasiver
Verfahren prinzipiell ausräumen [50 ]. Ähnliche positive
Erfahrungen liegen nun mit der Veröffentlichung der 2-Jahres-Daten des nationalen
LDCT-Screening-Programms in Kroatien vor.
Im Rahmen der HANSE-Studie wird seit 2021 in Norddeutschland an 3 Standorten des
Deutschen Zentrums für Lungenforschung die Machbarkeit eines ganzheitlichen
Lungenkrebs-Screening-Programms mit über 5000 Hochrisikoteilnehmern nach den Vorgaben
des
BfS-Berichtes gezeigt. Kernstück dieses Konsortiums ist die erfolgreiche Implementierung
eines strukturiert-qualitätsgesicherten Programms in das bestehende Gesundheitssystem.
Der
zugehörige End-to-End-Workflow beinhaltet die Rekrutierung unter Einschluss von
personalisierten Anschreiben und niedergelassenen Ärzten, eine überwiegend webbasierte
Registrierung und Terminierung, Einschlussgespräche durch einen qualifizierten Pneumologen
vor Ort, eine Rauchstoppintervention, eine einheitliche, qualitätsgesicherte
LDCT-Durchführung, eine strukturierte LDCT-Befundung und Zweitbefundung mit KI-Software
(KI:
künstliche Intelligenz) zur Unterstützung für die einheitliche Detektion, Volumetrie
und
Kategorisierung der Lungenrundherde mit einem einheitlichen Befundbrief sowie eine
verlässliche Übergabe der positiven Befunde an die interdisziplinäre Fallkonferenz
des
jeweiligen auf Lungenkrebs spezialisierten Zentrums. Das Programm nutzt zudem eine
zentrale
vernetzte Datenbank, welche auch die LDCT-Serien speichert. Erste Ergebnisse werden
in 2023
erwartet [51 ].
Bereits seit 2019 bieten die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten
mit einer beruflichen Asbestexposition in ihrem Zuständigkeitsbereich im Rahmen ihres
gesetzlichen Auftrages und auf Grundlage von § 5 Absatz 3 Satz 2 der Verordnung zur
Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) oder § 26 Absatz 2 Nr. 1 SGB VII eine
LDCT-Untersuchung an. Das Angebot richtet sich an Versicherte ab einem Alter von 55
Jahren
mit einer Asbestexposition mit Beginn vor 1985 und einer Dauer von mindestens 10 Jahren
oder
alternativ einer anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 4103 (Asbestose oder durch Asbeststaub
verursachte Erkrankung der Pleura) sowie einem zusätzlichen Tabakkonsum von mindestens
30
Packungsjahren. Das bundesweite Angebot unter dem Titel „EVA-Lunge – Erweitertes
Vorsorgeangebot der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zur
Früherkennung von Lungenkrebs im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge und für
Versicherte mit anerkannter Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Berufskrankheitenverordnung“
sieht eine jährliche LDCT-Untersuchung vor und beinhaltet ein Qualitätssicherungsmodul
im
Bereich der radiologischen Diagnostik sowie eine wissenschaftliche Begleitung. Auch
wenn
EVA-Lunge als regelhaftes Vorsorgeangebot der DGUV nicht unter die o. g. Regelungen
des SGB
V für organisierte Früherkennungsprogramme fällt, so erfüllt es doch viele der dort
geforderten Strukturvorgaben und bietet damit wertvolle Erfahrungen auch im Hinblick
auf
Planung und Aufbau eines nationalen LDCT-Lungenkrebs-Screening-Programms. Zu den
wesentlichen Strukturelementen von EVA-Lunge zählen ein durch die Unfallversicherungsträger
koordiniertes Einladungsverfahren, eine ärztliche Beratung vor Einschluss,
LDCT-Untersuchungen nach einem standardisierten Protokoll in qualitätsgesicherten
radiologischen Einrichtungen, eine unabhängige Zweitbefundung bei verdächtigen Befunden
bzw.
in Stichproben, eine Abklärungsdiagnostik bei Verdacht auf Lungenkrebs und ggf. die
Therapieeinleitung sowie eine Prüfung auf Vorliegen der Berufskrankheit nach Nr. 4104
„Lungenkrebs in Verbindung mit Asbeststaubexposition“. Die Dokumentation zu dem
Vorsorgeangebot erfolgt durch alle Beteiligten standardisiert im webbasierten
„Vorsorgeportal“ der Gesundheitsvorsorge (GVS), wodurch eine derzeit in Entwicklung
befindliche systematische Evaluation möglich wird [52 ].
5. Kernelemente im Aufbau und Ablauf sowie Abschätzung des Ressourcenaufwands eines
organisierten Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms in Deutschland
5. Kernelemente im Aufbau und Ablauf sowie Abschätzung des Ressourcenaufwands eines
organisierten Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms in Deutschland
Aus Sicht der an diesem Positionspapier beteiligten Fachgesellschaften setzt sich
ein
erfolgreiches nationales Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm aus 3 wesentlichen Bestandteilen
zusammen: 1. dem Identifikations- und Einladungsprozess, 2. dem Früherkennungsprozess
und
3. dem Abklärungs- und Behandlungsprozess.
In dem Identifikations- und Einladungsprozess werden mögliche Teilnehmer mit einem
hohen Lungenkrebsrisikoprofil gemäß der definierten Eingangskriterien niederschwellig
identifiziert und in das nationale Lungenkrebs-Screening-Programm eingeladen.
Der Früherkennungsprozess umfasst die Auswahl, Eignungsprüfung und Aufklärung der
Teilnehmer, die eigentlichen Früherkennungsuntersuchungen inkl. vorgezogener
Kontrolluntersuchungen mittels LDCT und deren Befundung sowie die fortlaufende Dokumentation
und den Befundvergleich innerhalb eines longitudinalen qualitätsgesicherten
Screening-Programms.
Der Abklärungs- und Behandlungsprozess beginnt, sobald bei Teilnehmern im Rahmen des
LDCT-Screenings ein klinisch abklärungsbedürftiger Befund erhoben wird und die Teilnehmer
sich dann als Patienten der weiterführenden Diagnostik und ggf. Therapie unterziehen.
Sowohl aus Teilnehmer- als auch gesundheitsökonomischer Sicht ist es für den Erfolg
eines
nationalen Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms in Deutschland essenziell, dass alle
Anstrengungen unternommen werden, die 3 benannten Bestandteile klar zu adressieren
und zu
integrieren sowie bestmöglich mit Strukturvorgaben zu unterlegen. Letztendlich ergibt
sich
der Auftrag an alle in diesem Prozess Beteiligten gemeinsam – im Einklang mit dem
Bericht
des BfS – „… sicherzustellen, dass auch in der Versorgungsrealität der Nutzen gegenüber
den
unerwünschten Wirkungen und dem Strahlenrisiko überwiegt, … [sowie] Bedingungen und
Anforderungen an den Früherkennungsprozess festzulegen, die sicherstellen, dass dasselbe
Qualitätsniveau wie in den analysierten Studien erreicht wird [15 ].“ Entscheidend ist, dass Nutzen und Schaden nicht nur von dem eigentlichen
Früherkennungsprozess abhängen, sondern maßgeblich durch die ihn flankierenden
Identifikations- und Einladungs- sowie Abklärungs- und Behandlungsprozesse beeinflusst
werden.
Die schrittweise Einführung des organisierten bevölkerungsbezogenen
Mammografie-Screening-Programms (seit der Gründung der Kooperationsgemeinschaft Mammographie
in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung GbR in 2003 durch die Kassenärztliche
Bundesvereinigung [KBV] und die Spitzenverbände der Krankenkassen) sollte als Modell
für den
Aufbau eines organisierten Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms herangezogen werden,
da viele
der strukturellen, prozessualen und qualitätssichernden Elemente übernommen werden
können.
Die an diesem Positionspapier beteiligten Fachgesellschaften sehen es jedoch als notwendig
an, das angestrebte organisierte Lungenkrebsfrüherkennungsprogramm über die reine
ambulant
vertragsärztliche Versorgung hinausgehend an auf die Behandlung von Lungenkrebs
spezialisierten Zentren zu koppeln. Die Begründung liegt in der höheren Komplexität
des
Lungenkrebs-Screenings mittels LDCT im Hinblick auf Risikopopulation, Optimierung
des
Nutzen-Risiko-Verhältnisses inkl. Qualitätssicherung und Sicherstellung nahtloser
Schnittstellenlösungen zwischen den Früherkennungs- und den
Abklärungs-/Behandlungsprozessen. Dies steht im Einklang mit der S3-Leitlinie
Lungenkarzinom, dem BfS-Bericht und den bisherigen Stellungnahmen der deutschen und
europäischen Fachgesellschaften, die eine Durchführung der Früherkennung an auf die
Behandlung von Lungenkrebs spezialisierten Einrichtungen durch ein multidisziplinäres
Behandlungsteam fordern (Fachärzte für Radiologie, Pneumologie, Thoraxchirurgie, Onkologie,
Strahlentherapie) [10 ], [11 ], [12 ]. Neben der in dem Handlungsfeld 2 des
nationalen Krebsplans geforderten zertifizierten und qualitätsgesicherten onkologischen
Behandlungseinrichtungen konnten eine aktuelle Leitlinie der European Respiratory
Society
(ERS) zur Qualität der Lungenkrebsbehandlung signifikante Überlebensvorteile bei Behandlung
in Zentren mit höheren Fallzahlen und Spezialisierung [53 ]
sowie analog das WiZEN-Projekt spezifisch für Deutschland einen Überlebensvorteil
in
DKG-zertifizierten Lungenkrebszentren (WiZEN) nachweisen.
[Tab. 3 ] stellt die strukturellen Gemeinsamkeiten und
Unterschiede zwischen dem etablierten Mammografie-Screening-Programm und dem von den
beteiligten Fachgesellschaften in diesem Positionspapier vorgeschlagenen Konzept eines
LDCT-Lungenkrebs-Screening-Programm nach § 25a dar, [Tab. 4 ]
die empfohlenen Anforderungskriterien an ein auf Lungenkrebs spezialisiertes Zentrum
im
Hinblick auf Mindestmengen, Expertise und Struktur.
Tab. 3 Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem
etablierten Mammografie-Screening-Programm und dem von den beteiligten
Fachgesellschaften in diesem Positionspapier vorgeschlagenen Konzept eines
LDCT-Lungenkrebs-Screening-Programms nach § 25a.
Mammografie-Screening
Lungenkrebs-Screening
Ansatz
bevölkerungsbezogen
bevölkerungs- und risikobezogen
Einschlusskriterien
Zielpopulation
ca. 3,3 Mio. Männer
ca. 2,2 Mio. Frauen
Screening-Methode
Identifikation, Einladung
Kostenträger (Informationen zu Rauchexposition nur eingeschränkt
verfügbar)
alternative niederschwellige Identifikationswege
zentrale Koordinationsstelle
Aufbau Screening-Einheit
(nur ambulant)
qualifizierte Ärzte zur Risiko- und Eignungsprüfung
≥ 1 CT-Einheiten: vertragsärztliche Radiologien und Radiologie eines auf
Lungenkrebs spezialisierten Zentrums
keine Einheit zur Abklärungsdiagnostik
Ort weitere Abklärung außerhalb von § 25a, stationär bzw. ambulant
(Nutzen)
Tab. 4 Empfohlene Anforderungskriterien an ein auf Lungenkrebs
spezialisiertes Zentrum im Hinblick auf Mindestmengen, Expertise und
Struktur.
Erfüllung von Mindestmengen auf Ebene des Zentrums:
Expertise auf Ebene des Zentrums (Z) und auf Facharztebene (FA):
≥ 500 Bronchoskopien pro Jahr (Z)
≥ 10 interventionelle bronchoskopische Eingriffe bei Verschluss oder Stenosen
(unabhängig von Indikation) pro Jahr (Z)
≥ 200 (Z) und ≥ 100 (FA) histopathologische Begutachtungen von malignen
Lungentumoren pro Jahr
≥ 100 durchgeführte anatomische Lungenresektionen zur Qualifikation als
Facharzt Thoraxchirurgie (FA)
≥ 50 thorakale Bestrahlungen pro Jahr in Primärtherapie und ≥ 100
Bestrahlungsserien pro Jahr (Z)
≥ 150 medikamentöse Tumortherapien bei Lungenkarzinom-Patienten (alternativ:
≥ 50 Primärfälle oder ≥ 200 Entitätsunabhängig pro Jahr (Z)
Angebot von klinischen Studien mit Ethikvotum mit einer
Studieneinschlussquote von ≥ 5% der Primärfallzahl pro Jahr (Z)
≥ 100 Schmerztherapien, davon ≥ 50 bei Lungenkarzinom pro Jahr am Zentrum
(Z)
Strukturanforderungen auf Ebene des Zentrums:
mindestens 1× wöchentliche interdisziplinäre Fallkonferenz:
zur Beurteilung von abklärungsbedürftigen LDCT-Screening-Befunden Teilnahme
von Radiologe, Pneumologe und Thoraxchirurg erforderlich
interdisziplinäres Team:
Abteilung für Pneumologie (oder Bereich mit Schwerpunkt) mit mindestens 2
pneumologischen Fachärzte Pneumologie in Vollzeit, Facharztverfügbarkeit
rund um die Uhr
Abteilung für Thoraxchirurgie (oder Bereich mit Schwerpunkt) mit
mindestens 2 thoraxchirurgischen Fachärzten in Vollzeit,
Facharzt-Verfügbarkeit rund um die Uhr
Radiologe mit strukturiertem Zugang zu interventioneller Radiologie und
PET-CT (in Kooperation mit Nuklearmediziner)
Nuklearmediziner mit strukturiertem Zugang zu PET-CT (in Kooperation mit
Radiologen)
Pathologe
Strahlentherapeut
internistischer Onkologe/Hämatoonkologe oder Pneumologe mit
entsprechender Expertise
Palliativmediziner
Zugang zu weiteren Professionen:
Psychoonkologie
Sozialdienst (mind. 1,0 VK/400 beratene Patienten)
Onkologische Fachpflege (mind. 1,0 VK im Tagdienst)
Physiotherapie
Logopädie
qualifizierte Schmerztherapie
Ernährungsberatung
Angebot Raucherberatung und Tabakentwöhnung
Die Grundvoraussetzungen zur Koordination und Durchführung von LDCT-Lungenkrebs-Screenings
durch auf die Behandlung von Lungenkrebs spezialisierten Einrichtungen in Assoziation
mit
ambulant-vertragsärztlichen Partnern sind an den von der Deutschen Krebsgesellschaft
(DKG)
zertifizierten Lungenkrebszentren gegeben. Stand März 2023 gibt es in Deutschland
73
zertifizierte Lungenkrebszentren mit 89 Standorten [54 ], an
denen rund 60% aller kurativen Lungenkrebsoperationen durchgeführt werden [55 ]. Mit der vollständigen Umsetzung der im Dezember 2021 vom
G-BA beschlossenen Mindestmengenvorgaben für Lungenkrebsoperationen ist davon auszugehen,
dass Lungenkrebsoperationen ab 2025 ausschließlich an den dann rund 90 – 100 zertifizierten
Lungenkrebszentren durchgeführt werden. Insofern sollten die DKG-zertifizierten
Lungenkrebszentren die Basis eines interdisziplinären Netzwerkes mit auch qualifizierten
ambulanten und stationären Partnern für ein flächendeckendes Angebot zur
Lungenkrebsfrüherkennung in Deutschland bilden.
Die [Abb. 1 ] stellt eine denkbare übergeordnete
Organisationsstruktur in Anlehnung an das Mammografie-Screening-Programm dar. Die
Früherkennung des Lungenkarzinoms wird an spezialisierten Zentren für die Behandlung
des
Lungenkarzinoms (in Folge: auf Lungenkrebs spezialisierte Zentren) angesiedelt. Diese
qualifizieren sich durch die Erfüllung von Mindestmengen, Nachweis der Expertise in
allen
relevanten Verfahren und das Vorhalten einer umfassenden interdisziplinären
Versorgungsstruktur ([Tab. 3 ]). Eine gültige Zertifizierung
als Lungenkrebszentrum der Deutschen Krebsgesellschaft kann den Einzelnachweis ersetzen.
Abb. 1 Vorschlag für eine übergeordnete Organisationsstruktur an ein
organisiertes Früherkennungsprogramm des Lungenkarzinoms nach § 25a SGB V.
An diesen auf Lungenkrebs spezialisierten Zentren wird jeweils eine Screening-Einheit
angesiedelt, die aus
einem programmverantwortlichen Arzt,
einem oder mehreren ambulant tätigen qualifizierten Ärzten zu der in der
BMUV-Rechtsverordnung geforderten Risiko- und Eignungsprüfung sowie Beratung und
Aufklärung der Teilnehmer und
einer oder mehreren CT-Einheiten besteht und zusammen einen ambulant regionalen
Screening-Verbund bildet.
Aus Sicht der hier beteiligten Fachgesellschaften sollten die Ärzte für die Risiko-
und
Eignungsbeurteilung wie auch die Beratung, Aufklärung und Einschluss potenzieller
Programmteilnehmer qualifiziert werden (sog. Qualifizierte Ärzte), hierbei sollten
aber die
Notwendigkeit niederschwelliger Identifikations- und Einschlusswege zur Erlangung
hoher
Teilnahmequoten beachtet werden.
Zur Gewährleistung eines flächendeckenden Versorgungsangebotes mit BMUV-Rechtsverordnung
konformen CT-Scannern sowie einer qualitativ guten Befundqualität sollten die CT-Einheiten
in der Screening-Einheit durch vertragsärztliche Radiologen und die Radiologie in
dem auf
Lungenkrebs spezialisierten Zentrum gestellt werden. Jedem Zentrum wird ein regionaler
Versorgungsbereich zugewiesen.
Anders als in dem bereits etablierten Mammografie-Screening-Programm sollten die
Screening-Einheiten keine ambulanten Abklärungseinheiten beinhalten, stattdessen
abklärungsbedürftige Befunde ausschließlich in auf Lungenkrebs spezialisierten Zentren
außerhalb von § 25a SGB V stationär und/oder ambulant behandelt werden, da aufgrund
der
Komplexität der Abklärung eine entsprechende Expertise notwendig sowie mittlerweile
ein
Überlebensvorteil, eine geringere Morbidität und geringere Raten an
Überdiagnostik/-therapien evident sind.
Den auf Lungenkrebs spezialisierten Zentren kommt somit eine Doppelrolle als Teil
der
Screening-Einheit innerhalb, resp. bei der Abklärung außerhalb eines § 25a-Programms
zu.
Durch diese enge Kopplung wird zudem eine gute Qualitätssicherung im Sinne der fortlaufenden
Weiterentwicklung des Programms sichergestellt.
Jedes Zentrum mit Früherkennungseinheit ist mit einem übergeordneten überregionalen
Referenzzentrum vernetzt. Ein Referenzzentrum ist gleichzeitig auch Früherkennungseinheit
und spezialisiertes Zentrum. Es sollen 5 Referenzzentren gebildet werden. Die Aufgaben
des
Referenzzentrums beinhalten:
Überwachung der Qualitätssicherung in den dem Referenzzentrum zugeordneten
Screening-Einheiten
Durchführung von Fortbildungskursen und Fortbildung von qualifiziertem Fachpersonal
zur
qualifizierten Durchführung der Früherkennung
Dokumentation der Früherkennungsbefunde aus den zugeordneten Früherkennungseinheiten
und Weiterleitung an die zentrale Datenbank auf Bundesebene, die an der zentralen
Kooperationsgemeinschaft angesiedelt ist
Die Kooperationsgemeinschaft „Früherkennung des Lungenkarzinoms“ wird als gemeinsame
zentrale Einrichtung auf Bundesebene von der KBV, dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen
Krankenhausgesellschaft errichtet. Aufgaben der Kooperationsgemeinschaft beinhalten:
Bereitstellung von Informationsmaterial, Information und Beratung hinsichtlich der
Früherkennung für das Lungenkarzinom
Evaluation, Organisation und Koordination der Prozesse
zentrale Dokumentation und Berichterstattung
Zertifizierung der Früherkennungseinheiten
Zertifizierung der Referenzzentren durch ein vom Beirat der Kooperationsgemeinschaft
bestelltes unabhängiges, externes Sachverständigengremium
Organisation einer leitliniengerechten Tabakentwöhnung
Zertifizierung der Fortbildungsveranstaltungen
Das Einladungswesen wird auf Landesebene organisiert. Hierzu wird jeweils eine „Zentrale
Stelle“ eingerichtet. Die Einladungen erfolgen unter Angabe von Termin und Ort
(Früherkennungseinheit) und werden von der Zentralen Stelle veranlasst. Die Zentrale
Stelle
stellt für die Screening-Einheiten Listen der eingeladenen Personen zusammen, aus
denen
diese Namen, Screening-Identifikationsnummer, Ort und Termin, für den eingeladen wurde,
sowie Angaben zu früheren Teilnahmen entnehmen kann.
Die [Abb. 2 ] bietet einen Vorschlag zu einem Algorithmus
eines nationalen Lungenkrebs-Screening-Programms und veranschaulicht den Anspruch
auf eine
organisierte, qualitativ hohe sowie zugleich sichere und kosteneffektive Früherkennung.
An
dieser Stelle wird aber nochmals die Notwendigkeit niederschwelliger, zusätzlicher
Identifikations- und Einladungswege betont. Diese können ein Onlineportal zur Risiko-
und
Eignungsabschätzung wie auch Beteiligung von qualifizierten, aber auch nicht qualifizierten
Ärzten sowie Kooperation mit Disease-Management-Programmen, Tabakentwöhnungsprogrammen
oder
anderen Screening-Programmen beinhalten.
Abb. 2 Vorschlag zu einem Algorithmus in einem organisierten
Früherkennungsprogramm des Lungenkarzinoms nach § 25a SGB V.
Die einzelnen Schritte des Früherkennungsprozesses sollten wie folgt organisiert und
verantwortlich betreut werden:
1. Identifikation der Teilnehmer:
Das Erreichen der Hochrisikopopulation und
die Motivation zur Teilnahme ist die große primäre Herausforderung bei der Implementierung
eines Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms. Insofern sollte interessierten und potenziell
geeigneten Teilnehmern der Zugang zum Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm über verschiedene
Wege aufgezeigt werden:
personalisierte Anschreiben der Versicherten z. B. in Zusammenarbeit der Kostenträger,
Gesundheitsbehörden und Meldeämter
Allgemeinmediziner, Internisten und andere Fachärzte im ambulanten und stationären
Setting sowie Betriebsärzte und Arbeitsmediziner (z. B. über § 132 f SGB V), aber
auch
andere bereits laufende Früherkennungsprogramme, Disease-Management-Programme und
Tabakentwöhnungsprogramme sollten mit Informationsmaterial versorgt sein, um
niederschwellig potenzielle Kandidaten zur Teilnahme zu motivieren.
Interessenten sollten sich über eine zentrale Screening-Website informieren können
und
sich dort, per Mail, Brief oder über eine telefonische Hotline anmelden und direkt
auf
der Website selbstberichtet ihre Gesundheitsdaten eingeben. Wenn sie die entsprechenden
Einschlusskriterien erfüllen, werden sie vom nächstgelegenen Zentrum zu einem
Erstkontakt eingeladen.
2. Beratungs- und Aufklärungsgespräch, Eignungsprüfung und Einschluss in das
Früherkennungsprogramm sowie Aufklärung über Nutzen und Risiken der
LDCT-Früherkennungsuntersuchung:
Die Schlüsselrolle beim initialen Einschluss in
das Früherkennungsprogramm kommt den ambulant und stationär tätigen, qualifizierten
Allgemeinmedizinern, Internisten und Arbeitsmedizinern zu.
Bei diesem Erstkontakt erfolgt die Beratung konform zu den inhaltlichen und
regulatorischen Vorgaben von BfS-Bericht, BMUV-Rechtsverordnung und zukünftiger
G-BA-Richtlinie sowie die Prüfung der Einschlusskriterien. Jeder Teilnehmende wird
über
die mit der Früherkennungsuntersuchung verbundenen Risiken dokumentiert beraten und
aufgeklärt. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu thematisieren:
mit der Niedrigdosis-CT verbundenes Risiko eines strahleninduzierten malignen
Tumors
Häufigkeit falsch positiver Befunde der Früherkennungsuntersuchung sowie die damit
verbundenen Konsequenzen, von unnötiger Beunruhigung über zusätzliche
Verlaufskontrollen bis hin zur invasiven Abklärung gutartiger Befunde
Häufigkeit falsch negativer Befunde der Früherkennungsuntersuchung
verbleibendes Risiko der Erkrankung an einem nicht heilbaren Lungenkarzinom trotz
regelmäßiger Früherkennungsuntersuchungen
Möglichkeit der Entdeckung eines Lungenkarzinoms, das für den Teilnehmer im Laufe
seines Lebens ansonsten nie zu Beschwerden geführt hätte (Überdiagnose) mit dem
Risiko einer Übertherapie
der Ablauf des Früherkennungsprogramms mit regulären jährlichen
CT-Verlaufskontrollen, vorgezogenen CT-Kontrollen bei kontrollbedürftigen
Befunden
Art, Belastung und Risiken der Verfahren bei abklärungsbedürftigen Befunden
Der Raucherstatus wird dokumentiert, die Tabakentwöhnung als effektivste Maßnahme
zur
Reduktion des Lungenkrebsrisikos thematisiert. In Kooperation mit geeigneten
Einrichtungen werden die Teilnehmer des Früherkennungsprogramms bei Zustimmung an
eine
qualifizierte Tabakentwöhnungsmaßnahme vermittelt.
An die Qualifikation des hierbei beteiligten ärztlichen Fachpersonals werden hohe
Ansprüche gestellt. Die über den Facharztstatus hinaus notwendige Qualifikation ist
noch
unter Mitarbeit der Fachgesellschaften zu definieren.
3. Stellung der rechtfertigenden Indikation:
Nach Einschluss durch den
qualifizierten vertragsärztlichen Allgemeinmediziner und Internisten sowie Arbeitsmediziner
erfolgt die rechtfertigende Indikation für jede teilnehmende Person individuell zeitnah
durch einen fachkundigen Radiologen, der zertifiziertes Mitglied des jeweiligen regionalen
Verbundes ist. Der Radiologe bezieht dabei die Risikoeinschätzung des qualifizierten
Arztes
mit ein.
4. Durchführung der LDCT-Früherkennungsuntersuchung:
Die LDCT ist nach einem standardisierten Protokoll im Rahmen der BfS- und BMUV-Vorgaben
unter strenger Qualitätskontrolle durchzuführen. Im Prozess der Akkreditierung werden
die
o. g. Voraussetzungen geprüft. Akkreditierten Einrichtungen wird eine Software zur
Verfügung
gestellt, deren Funktionalität im nachfolgenden Abschnitt näher beschrieben ist. Diese
Software ermöglicht die Befundung einschl. CAD-Analyse, eine einheitliche Volumetrie
(gleiche Software für alle beteiligten radiologischen Einrichtungen) und die Erfassung
des
Teilnehmers sowie seiner Befunde in einer zentralen Datenbank. Gleichzeitig wird damit
eine
Verlaufskontrolle in Voruntersuchungen auffälliger Befunde über verschiedene radiologische
Einrichtungen hinweg ermöglicht.
5. Befundung der LDCT und Bewertung der Befunde durch den qualifizierten
Radiologen:
Die Strukturierte Befundung soll nach der modifizierten Lung-RADS-Klassifikation 2022
(Lung-RADS: Lung CT Screening Reporting & Data System) mit Integration der
Volumenverdopplungszeit national einheitlich durchgeführt werden (Kurzfassung: [Tab. 5 ], Langfassung Supplement: Tabelle S1).
Die Befundung muss mit einer qualitätsgesicherten Befundungssoftware durchgeführt
werden, die folgende Leistungsmerkmale besitzt:
Detektion der Lungenrundherde
Volumetrie der Lungenrundherde
Berechnung der Volumenverdopplungszeit (VDT) im Vergleich mit dem Vorbefund
Beschreibung der Lungenrundherde in
solide
teilsolide
Milchglas
Verkalkungen
juxtapleural
automatische Kategorisierung der Lung-RADS-Klasse
Berechnung des Malignitätsrisikos des Lungenrundherdes
Automatische Erstellung einer Liste zur Zweitbefundung mit der Möglichkeit der
regionalen und nationalen Vernetzung
Da es aktuell durch unterschiedliche Software zu Unterschieden in der Volumetrie
und somit zu Unterschieden in der vorgeschlagenen Kategorisierung kommen kann,
sprechen sich die beteiligten Fachgesellschaften für eine national einheitliche
Software aus, die durch eine europäische Ausschreibung beschafft werden soll.
Eine Zweitbefundung ist für alle Lung-RADS-3- und -4-Befunde durch einen qualifizierten
Radiologen im jeweiligen auf Lungenkrebs spezialisierten Zentrum zeitnah
durchzuführen.
Lung-RADS-4A-Befunde mit der Frage nach einer möglichen PET-Untersuchung sowie alle
Lung-RADS-4B- und -4X-Befunde müssen zeitnah in der jeweiligen interdisziplinären
Fallkonferenz des auf Lungenkrebs spezialisierten Zentrums vorgestellt werden.
Die interdisziplinäre Fallkonferenz besteht mindestens aus einem Radiologen,
Pneumologen und Thoraxchirurgen.
Die LDCT kann von dem Lungenkrebs-Screening unabhängige Befunde in allen erfassten
Organen aufzeigen, sog. inzidentelle Befunde. Diese inzidentellen Befunde sollten
nur
bei medizinischer Relevanz sowie in standardisierter Form berichtet werden (z. B.
gemäß
Protokoll auf der Basis eines europäischen Positionspapiers).
Der strukturierte radiologische Befund wird dem Teilnehmer zeitnah schriftlich
mitgeteilt. Bei Befunden ab Lung-RADS3 informiert der Radiologe den Teilnehmer
persönlich vorab (z. B. telefonisch).
Tab. 5 Lung-RADS-Klassifikation mit Volumenverdopplungszeit (VDT)
modifiziert auf der Basis der Lung-RADS-Klassifikation von 2022 [56 ], des European Position Statement on Lung Cancer Screening
von 2017 [57 ] sowie des Designs und der Rationale der
HANSE-Studie [51 ]. Im Supplement befindet sich die
Komplettfassung dieser Tabelle mit allen Anmerkungen zu den hier gemachten
Verweisen.
Lung-RADS
Kategorie Beschreibung
Befunde
Management
0
unvollständig
geschätzte Prävalenz: ~ 1%
vorherige Thorax-CT-Untersuchung zum Vergleich wird beschafft (Anmerkung 9)
Vergleich mit früherem Thorax-CT
ein Teil oder die gesamte Lunge kann nicht bewertet werden
erneute LDCT-Bildgebung erforderlich
Befunde, die auf einen entzündlichen/infektiösen Prozess hindeuten (Anmerkung
10)
LDCT nach 1 – 3 Monaten bei unklarem infektiösem oder entzündlichem Prozess
1
negativ
geschätzte Prävalenz: 39%
keine Lungenrundherde ODER
12-Monats-Screening LDCT
Rundherd mit gutartigen Merkmalen:
2
gutartig
basierend auf bildgebenden Merkmalen oder gutartigem
Verhalten; geschätzte Prävalenz: 45%
juxtapleuraler Rundherd:
< 524 mm3 (< 10 mm mittlerer Durchmesser) im Baseline LDCT
oder neu UND
solide; glatte Ränder und ovale, linsenförmige oder dreieckige Form
solider Rundherd:
< 113 mm3 (< 6 mm) im Baseline LDCT ODER
neu < 34 mm3 (< 4 mm) ODER
< 34 mm³ (< 4 mm) mit <VDT 600 Tage
teilsolider Rundherd:
Milchglas-Rundherd (GGN):
< 14,137 mm3 (< 30 mm) im Baseline LDCT, neu oder wachsend
ODER
≥ 14,137 mm3 (≥ 30 mm) stabil oder langsam wachsend (Anmerkung
7)
endobronchialer Rundherd , subsegmental im Baseline LDCT, neu oder stabil
(Anmerkung 11)
Rundherd der Kategorie 3, der bei 6-Monats-Follow-up-CT stabil (VDT > 600
Tage für solide Rundherde) ist oder in seiner Größe abgenommen hat,
ODER
Rundherd der Kategorie 3 oder 4A, der sich im Follow-up-CT auflöst,
ODER
Befunde der Kategorie 4B, die sich nach entsprechender diagnostischer
Abklärung als gutartig in der Ätiologie erwiesen
3
wahrscheinlich gutartig
basierend auf Bildgebungsmerkmalen oder
-verhalten
geschätzte Prävalenz: 9%
solider Rundherd:
6-Monats-Follow-up LDCT
teilsolider Rundherd:
Milchglas-Rundherd (GGN):
≥ 14,137 mm³ (≥ 30 mm) im Baseline LDCT oder neu
atypische Lungenzyste: (Anmerkung 12)
wachsende zystische Komponente (mittlerer Durchmesser) einer dickwandigen
Zyste
Rundherd der Kategorie 4A, der im 3-Monats-Follow-up-CT stabil (VDT > 600
Tage) oder verkleinert ist (außer endobronchialen Rundherden)
4A
verdächtig
geschätzte Prävalenz: 4%
solider Rundherd:
≥ 268 mm³ –<1,767 mm³ (≥ 8 mm – < 15 mm) im Baseline LDCT
ODER
≥ 34 mm³ (≥ 4 mm) –<268 mm3 (< 8 mm) mit <VDT 600 Tage
ODER
neu 113 mm³ –<268 mm3 (6 mm – < 8 mm)
3-Monats-Follow-up LDCT; bei soliden Rundherden:
PET/CT (mit Herder-Modell-Auswertung) kann nach Beschluss in der
interdisziplinären Fallkonferenz verwendet werden, wenn die
Wahrscheinlichkeit von Malignität > 10% beim Baseline LDCT ist
teilsolider Rundherd:
endobronchialer Rundherd, segmental oder proximal im Baseline LDCT oder
neu (Anmerkung 11)
atypische pulmonale Zyste: (Anmerkung 12)
4B
sehr verdächtig
geschätzte Prävalenz: 2%
endobronchialer Rundherd , segmental oder proximal stabil oder wachsend
(Anmerkung 11)
interdisziplinäre Fallkonferenz:
Das Management hängt von der klinischen Bewertung, der Patientenpräferenz und der
Wahrscheinlichkeit einer Malignität ab (Anmerkung 13),
Thorax-CT mit/ohne Kontrastmittel;
PET/CT (mit Herder-Modell-Auswertung) kann in Betracht gezogen werden, wenn ein
solider Rundherd oder eine solide Komponente von ≥ 268 mm3 (≥ 8 mm)
vorhanden ist; Gewebeentnahme (Biopsie oder Resektion)
solider Rundherd:
teilsolider Rundherd:
atypische Lungenzyste: (siehe Anmerkung 12)
dickwandige Zyste mit zunehmender Wanddicke/Nodularität ODER
wachsende multilokuläre Zyste (mittlerer Durchmesser) ODER
multilokuläre Zyste mit vermehrter Lokulierung oder neuer/zunehmender
erhöhter Dichte (knötchenförmig, milchglasartig oder Konsolidierung)
langsam wachsender solider oder teilsolider Rundherd , der Wachstum über
mehrere Screening-Untersuchungen zeigt (Anmerkung 8)
4X
geschätzte Prävalenz: < 1%
Rundherd der Kategorie 3 oder 4 mit zusätzlichen Merkmalen oder bildgebenden
Befunden, die den Verdacht auf Lungenkrebs erhöhen (Anmerkung 14)
S
(potenziell) klinisch relevante Befunde (nicht Lungenkrebs);
geschätzte Prävalenz: ca. 10%
Modifikator: kann bei klinisch relevanten oder potenziell klinisch
relevanten Befunden ohne Bezug zu Lungenkrebs zu Kategorie 0 – 4 hinzugefügt
werden (siehe Anmerkung 15)
je nach Befund
6. Strukturierte Fortführung, Verlassen bzw. Beendigung des
Früherkennungsprozesses:
reguläre Screening-Runde bei negativen Befunden
bei negativem Befund (Lung-RADS1) oder gutartigem Befund (Lung-RADS2) bzw.
Entscheidung des Rundherdboards
Terminierung und Einladung zur nächsten Screening-Runde durch die zentrale
Koordinationsstelle
vorgezogene Kontroll-LDCT bei kontrollbedürftigen Befunden
bei wahrscheinlich gutartigem Befund (Lung-RADS3) bzw. Entscheidung der
Radiologischen Fallkonferenz vorgezogene Kontroll-LDCT bereits nach 6 Monaten
Bei verdächtigem Befund (Lung-RADS4A) ohne Indikation für PET/CT gemäß Entscheidung
der Radiologischen Fallkonferenz vorgezogene Kontroll-LDCT bereits nach 3
Monaten
Terminierung und Einladung vorgezogene Kontroll-LDCT durch die zentrale
Koordinationsstelle
Verlassen des Früherkennungsprozesses bei klinisch abklärungsbedürftigen
Screening-Befunden
Bei Indikation zur Abklärung eines verdächtigen Befundes (Lung-RADS4A) mit
Indikation für PET/CT sowie bei sehr verdächtigen Befunden (Lung-RADS4B) und
Lung-RADS-4X-Befunden Verlassen des Früherkennungsprozesses und weitere medizinische
Abklärung des Befundes am Zentrum gemäß Beschluss der Interdisziplinären
Fallkonferenz.
Organisation Aufnahmetermin durch die zentrale Koordinationsstelle
Beendigung des Früherkennungsprozesses
Der Früherkennungsprozess wird bei Erreichen der in den Einschlusskriterien
definierten Altersobergrenze regulär beendet.
Etwaige weiter kontrollbedürftige Befunde werden dem Teilnehmer durch die zentrale
Koordinationsstelle schriftlich mitgeteilt.
7. Wiedereintritt in den Früherkennungsprozess:
Bei Nachweis eines Lungenkarzinoms (bzw. einem anderen Malignom) nach Therapie und
Abschluss der Tumornachsorge (i. d. R. nach 5 Jahren)
Bei invasivem Ausschluss bzw. fehlendem Anhalt für ein Lungenkarzinom nach
Abklärung
8. Follow-up mithilfe von Daten von klinisch-epidemiologischen Krebsregistern,
Meldebehörden und/oder Kostenträgern:
Die auf Lungenkrebs spezialisierten Zentren (alternativ die Referenzzentren) sollten
zum Follow-up im Rahmen des von ihnen organisierten LDCT-Lungenkrebs-Screenings die
Daten ihrer Teilnehmer (Vitalstatus, Todesursache) mit klinischen Krebsregistern,
Meldebehörden und/oder Kostenträgern abgleichen.
9. Qualitätssicherung auf regionaler, überregionaler und nationaler Ebene mit Nutzung
einer zentralen Datenbank:
zentrale Erfassung von Einladungs- und Teilnahmedaten
Dokumentation der Daten und Befunde durch die jeweils Verantwortlichen im Rahmen der
einzelnen Schritte des Früherkennungsprozesses in einem nationalen Register
zentrale Verwaltung und Auswertung der Daten durch die jeweiligen Zentren und eine
übergeordnete nationale Koordinationsstelle
Eine nationale Bilddatenbank, die auch dem Standard der gerade entstehenden
europäischen Bilddatenbank entspricht, soll zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung
geschaffen werden.
Regelmäßige (prospektive) Abgleiche mit epidemiologischen und klinischen Krebsregistern
zum Auftreten von Lungenkrebs, mit detaillierten Angaben zu histologischen Subtypen,
Tumorstadien und Art der Behandlung. Regelmäßige (prospektive) Abgleiche mit
Meldeamtsregistern und Gesundheitsämtern zum Auftreten von Todesfällen und deren
Hauptursachen.
Eine detaillierte Darstellung im Hinblick auf Aufbau und Nutzung einer
epidemiologischen Qualitätssicherung findet sich im Online-Supplement.
10. Fortbildung des beteiligten Fachpersonals und Zertifizierung von
Screening-Einheiten:
Integration der Tabakentwöhnung – wirksam und kosteneffektiv
Rund 35 – 55% der Teilnehmer in den randomisierten LDCT-Screening-Studien bzw.
Pilotstudien waren aktive Raucher [7 ], [58 ], [59 ]. Ein Rauchstopp senkt
ebenso wie ein LDCT-Lungenkrebs-Screening-Programm die lungenkrebsbedingte Mortalität.
Bereits eine einmalige therapeutische Intervention zur Tabakentwöhnung ist effektiv
und
reduziert nicht nur die lungenkrebsbedingte Mortalität, sondern auch die Sterblichkeit
anderer prävalenter tabakassoziierter Erkrankungen. Bei Kombination beider Verfahren
addieren sich deren mortalitätssenkende Effekte. Gleichzeitig wurden bei aktiven Rauchern
in Lungenkrebs-Screening-Programmen eine größere Bereitschaft zur Teilnahme an
Tabakentwöhnungsprogrammen und darüber hinaus höhere Entwöhnungsraten zwischen 7%
und 23%
im Vergleich zu Rauchern außerhalb von Lungenkrebs-Screening evident. Mit therapeutischen
Tabakentwöhnungsmaßnahmen konnten die Entwöhnungsraten noch weiter gesteigert werden
[60 ]. Die Yorkshire Enhanced Stopp Smoking Study (YESS) wies
unlängst bei mehr als 30% der noch aktiv rauchenden Teilnehmer eines
Lungenkrebs-Screening-Programms einen erfolgreichen Rauchstopp nach, wenn sie an einer
personalisierten Tabakentwöhnung teilnahmen [61 ]. Die
Kosteneffektivität von LDCT-Lungenkrebs-Screening-Programmen wird durch die Integration
von Tabakentwöhnung signifikant gesteigert, wobei die Entwöhnungsraten den wesentlichen
Einflussfaktor darstellen [62 ].
Bereits existierende nationale Lungenkrebs-Screening-Programme sowie-Pilotprojekten
in
den USA, Kroatien, Polen, der Tschechischen Republik, resp. in Großbritannien und
Deutschland haben die Tabakentwöhnung integriert [51 ], [63 ], [64 ].
Auf der Basis dieser Erfahrungen sollte die Tabakentwöhnung auch in Deutschland fester
Bestandteil des angestrebten nationalen Lungenkrebs-Screening-Programms werden, wie
bereits in dem DGP/DRG-Positionspapier von 2019 [65 ] sowie
der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“
von
2021 empfohlen [66 ]. Lungenkrebs-Screening-Programme
sollten ihren Teilnehmern, insbesondere auch in Kooperationsmodellen, einen leichten
Zugang zu Tabakentwöhnungsprogrammen, Telefonangeboten oder internetbasierten Programmen
(DIGA) nach dem Opt-out-Prinzip ermöglichen. Deren Aufbau und obligatorische Bestandteile
entsprechen den Vorgaben der S3-Leitlinie bzw. den Vorgaben des Erhebungsbogens für
Lungenkrebszentren [66 ].
Die Kurzberatung sollte nach dem ABC-Methode durchgeführt werden [67 ], [68 ]:
Ask: Abfragen und Dokumentation des Raucherstatus
Brief Advice: Individuelle und motivierende Empfehlung zum Rauchstopp
Cessation Support: Qualifizierte Unterstützung beim Aufhörwunsch oder der
Verweis an qualifizierte weiterführende Hilfsangebote
Die ABC-Methode wurde bereits in Deutschland angewendet und evaluiert [69 ].
Zugang zur kostenlosen Telefonberatung ermöglicht das Rauchfrei-Ticket des
Netzwerks Rauchfreier Krankenhäuser und der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung
(BZGA): https://rauchfrei-ticket.de
Ein internetbasiertes Programm stellt u. a. die BZGA zu Verfügung: https://rauchfrei-info.de/aufhoeren/das-rauchfrei-ausstiegsprogramm/
Seit Kurzem ist auch eine App-Lösung verfügbar (https://www.nichtraucherhelden.de ). Die
Kosten werden von den Kostenträgern übernommen.
Eine Suchmaske zum Auffinden therapeutischer Programme und Einrichtungen hat das
Deutsche Krebsforschungszentrum mit der BZGA eingerichtet: https://www.anbieter-raucherberatung.de/index.php#suchergebnisse
6. Qualitätssicherung und klinische Forschung zur Weiterentwicklung eines organisierten
Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms in Deutschland
6. Qualitätssicherung und klinische Forschung zur Weiterentwicklung eines organisierten
Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms in Deutschland
Radiologen, Pneumologen und Thoraxchirurgen sowie ihren Fachgesellschaften und
Berufsverbänden kommt gemeinsam eine fachliche Schlüsselrolle bei der Implementierung
eines
nationalen LDCT-Lungenkrebs-Screening-Programms auf nationaler, regionaler und
institutioneller Ebene zu. Aber nur im Einklang mit Experten und Fachgesellschaften
der
anderen im Lungenkrebs-Screening involvierten Fachdisziplinen sowie Patientenvertretern
und
-organisationen, Gesundheitsbehörden und Kostenträgern kann eine erfolgreiche
Implementierung gelingen.
Es ist das erklärte Ziel der an diesem Positionspapier beteiligten Fachgesellschaften,
an
den Voraussetzungen für ein organisiertes Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm gemäß
§ 25a SGB
V aktiv mitzuarbeiten. Es gilt, das hohe Qualitätsniveau der Studien, welche in die
Nutzen-Risiko-Analysen der IQWiG- und BfS-Berichte eingegangen sind, auch in der Versorgung
sicherzustellen. Die Erfahrungen aus der Weiterentwicklung des
Mammografie-Screening-Programms können einerseits den Weg weisen, andererseits schon
jetzt
die strukturellen Vorteile von einem organisierten § 25a-Früherkennungsprogramm gegenüber
§ 25 SGB (Gesundheitsuntersuchungen) aufzeigen:
die regelmäßige zentrale Einladung der Versicherten in Textform zur
Früherkennungsuntersuchung, die maßgeblich für eine gute Teilnahmerate der
Risikopopulation ist
die Maßnahmen zur Qualitätssicherung für eine bundeseinheitliche Struktur, Umsetzung
und Durchführung des Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms
die systematische Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität der
Krebsfrüherkennungsprogramme unter besonderer Berücksichtigung der Teilnahmeraten,
des
Auftretens von Intervallkarzinomen, falsch positiver Diagnosen und der Sterblichkeit
an
der betreffenden Krebserkrankung unter den Programmteilnehmern
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist das im Rahmen des EU4Health-Frameworks geförderte
Konsortium SOLACE, das alle relevanten europäischen Fachgesellschaften, die 3 bereits
in der
EU laufenden nationalen LDCT-Lungenkrebs-Screening-Programme in Kroatien, Polen und
der
Tschechischen Republik sowie die relevanten nationalen Pilotprogramme in der EU
zusammenfasst. Ziele des am 1.4.2023 initiierten EU-Projektes ist die Förderung der
Implementierung von nationalen LDCT-Lungenkrebs-Screening-Programmen, u. a. durch
die
Erstellung einer umfassenden LDCT-Lungenkrebs-Screening-Leitlinie inkl. Vorgaben zur
Qualitätssicherung (als Basis für die geplante offizielle EU-Leitlinie), eine systematische
Bestandsaufnahme von nationalen Lungenkrebs-Screening-Aktivitäten,
Implementierungspilotprojekte in EU-Ländern unter Beteiligung von Deutschland sowie
der
Aufbau strukturierter Weiterbildungsprogramme. Bis Ende März 2024 wird die erste Fassung
auf
einer systematischen Evidenzsuche und -bewertung auf GRADE-Niveau vorliegen. Durch
eine
Zusammenarbeit mit dem zuständigen EU-Krebsscreening-Leitlinienprogramm und des Joint
Research Centre der EU kann diese Leitlinie zeitnah in eine offizielle
EU-Lungenkrebs-Screening-Leitlinie überführt werden.
Die während dieses 3-jährigen Projekts unter Leitung bzw. Beteiligung von Autoren
dieses
Positionspapiers gewonnenen umfangreichen Erkenntnisse werden auch den deutschen
Gesundheitsbehörden zur Verfügung gestellt. Parallel wird das Früherkennungskapitel
in der
deutschen S3-Leitlinie Lungenkarzinom entsprechend überarbeitet und dann regelmäßig
aktualisiert.
Die beteiligten Fachgesellschaften bieten ihre Mithilfe bei dem weiteren Aufbau und
der
Implementierung eines nationalen organisierten Lungenkrebs-Früherkennungsprogramms
an.
Hierzu zählen insbesondere die fachliche Unterstützung zentraler und regionaler
Organisationsstrukturen sowie bei dem Aufbau einer nationalen Qualitätssicherung inkl.
Feedback- und Verbesserungsmechanismen.
Des Weiteren erscheint für eine erfolgreiche Umsetzung ein strukturiertes nationales
Weiterbildungsprogramm für die am LDCT-Lungenkrebs-Screening beteiligten Fachdisziplinen
und
Behandler notwendig, bspw. in Form eines Bundesärztekammer-Curriculums.
Gleichzeitig sollte während der Planung und des schrittweisen Aufbaus eines nationalen
Lungenkrebs-Screening-Programms eine gut koordinierte Einbindung von klinischer und
translationaler Forschung vorgesehen und gefördert werden. Folgende wissenschaftliche
Felder
bilden aktuell den Schwerpunkt bei der auch in der neuen EU-Richtlinie geforderten
kontinuierlichen Weiterentwicklung von Lungenkrebs-Früherkennungsprogrammen:
Aufbau national koordinierter wissenschaftlicher Strukturen mit übergeordneten
Datenanalysen/-banken (föderierter Ansatz)
Optimierung und Integration von Risikomodellen zur besseren Identifikation von
Risikopopulationen
risikoadaptierte Screening-Intervalle
Optimierung von radiologischen CAD-Lösungen und AI-Lösungen zur besseren
Dignitätsabschätzung von Screening-Befunden sowie Bewertung inzidenteller Befunde
Exploration der Wertigkeit von blut- und atemexhalatbasierten Biomarkern und
Möglichkeiten der Integration in Lungenkrebs-Screening-Programme
7. Zusammenfassung
Wie in dem Abschlussbericht des wissenschaftlich unabhängigen Science Advice for Policy
by
European Academies (SAPEA) der EU auf der Basis einer systematischen Evidenzbewertung
empfohlen, rechtfertigen die starke Evidenzbasis der randomisiert-kontrollierten Studien
sowie die positiven Ergebnisse nationaler Pilotprogramme nun den Beginn LDCT-basierter
Lungenkrebs-Früherkennungsprogramme innerhalb der EU. Für Deutschland existieren bereits
wertvolle Vorerfahrungen durch das Früherkennungsprogramm der DGUV im Hinblick auf
Lungenkrebs bei asbestexponierten Arbeitern mittels LDCT (EVA-Lunge) sowie das Programm
zur
Früherkennung von Brustkrebs der Kooperationsgemeinschaft Mammografie auf der Basis
von
§ 25a SGB V. Die HANSE-Implementierungsstudie wird mit mittlerweile 5000 an 3 norddeutschen
Standorten gescreenten Teilnehmern zeitnah weitere, spezifische Erkenntnisse liefern.
LDCT-Lungenkrebs-Screening bei Risikopopulationen sollte innerhalb eines organisierten
Früherkennungsprogramms in Deutschland erfolgen und vergütet werden. Nur in einem
strukturierten Ansatz sind der Nutzen, die ausreichende Begrenzung der Risiken sowie
die
Kosteneffektivität hinlänglich mit Evidenz belegt. Unstrukturierte Ansätze bergen
hingegen
substanzielle Risiken für die Teilnehmer und sollten nicht unterstützt werden. Entsprechend
sollten in Deutschland die Voraussetzungen für ein strukturiertes Programm zeitnah
geschaffen werden.