Kürzlich ist das „Whitepaper Weiterbildung in der bildgebenden und interventionellen
Mammadiagnostik“ erschienen. Darin ist auch von einem Paradigmenwechsel in der Weiterbildung
die Rede. Was ist damit gemeint?
Univ.-Prof. Dr. Thorsten Bley
Professor Bley: Wir meinen, dass die Einführung alternativer Weiterbildungsformen in der Radiologie
notwendig ist, wobei wir hier vor allem an das Blended Learning denken – digitale
Medien und digitale Lernformen werden gemischt mit dem Lernen an der Patientin oder
dem Patienten, also dem herkömmlichen radiologischen Lernen. Bei uns in Würzburg war
es bis vor einiger Zeit so, dass die Weiterzubildenden sechs Monate in die Mammadiagnostik
rotierten, um die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erlangen. Dabei entschied
der Zufall, welche Krankheiten die in dieser Zeit vorstelligen Patientinnen mitbringen
und somit von den Weiterzubildenden während ihrer Rotation zu befunden waren. Nun,
mit unserer strukturiert aufgebauten Mammafallsammlung, lernen die Weiterbildungsassistentinnen
und -assistenten anhand eines breiten Spektrums von insgesamt 500 Mammografie-Befunden
mit einfachen bis komplizierten, häufigen bis seltenen Pathologien die Mammadiagnostik
kennen, bevor sie in die eigentliche Rotation starten. Während der Rotation werden
dann die weiteren geforderten eintausend Mammabefunde im Rahmen der Patientenbehandlung
gestellt. Unsere Fallsammlung und Mammadatenbank ermöglicht somit einen viel besser
vorbereiteten Start in die Rotation als früher.
Welche im Whitepaper enthaltenen Vorschläge für die Weiterbildung in der Mammadiagnostik
sind bereits erfüllt?
Dr. Stephanie Sauer
Dr. Sauer: Erfüllt hat sich sicherlich im klinischen Alltag für uns das, was Professor Bley
in Bezug auf unsere Fallsammlung bereits ausgeführt hat. Darüber hinaus geht es uns
in dem Konsensuspapier um Weiterbildungskooperationen, etwa die Zusammenarbeit mit
Screening-Zentren oder kleineren Häusern und die Frage, wie man weitere Kurse und
Kursformate bereits in der Weiterbildungszeit nutzen und qualitätsgesichert gestalten
kann. Gerade in Hinblick auf anstehende Reformen im Gesundheitssystem, die auch maßgeblich
die Optionen in der Weiterbildung beeinflussen werden, ist es notwendig breit aufgestellt
zu sein. Speziell mit der Fallsammlung haben wir in Würzburg eine moderne didaktische
Idee für den Bereich der Weiterbildung adaptiert, was für uns neben weiteren Punkten
auch der Anlass war, das Whitepaper mit den zugehörigen Fachgesellschaften wie DRG,
CAFRAD, KLR, Forum Junge Radiologie und BDR zu erstellen. Bemerkenswert ist, dass
die Fallsammlung in der Zwischenzeit bei der Bundesärztekammer Anklang gefunden hat
und bereits in der letzten Novelle der Musterweiterbildungsordnung im Juni 2023 schriftlich
fixiert wurde, dass bis zu einem Drittel der Fälle durch eine von der Landesärztekammer
akzeptierte Fallsammlung wie unsere erbracht werden dürfen; in der Mammadiagnostik
500 Fälle. Das ist ein absolutes Novum und sehr erfreulich, dass es so schnell umgesetzt
wurde. Wir haben diesen Schritt vor etwa 1,5 Jahren Jahr parallel zur Veröffentlichung
unserer Fallsammlung angestoßen.
Welchen Stellenwert hat Ihre Fallsammlung in der Weiterbildung?
Dr. Sara Christner
Dr. Christner: Unsere Fallsammlung ist bei uns hier in Würzburg zu einem integralen Bestandteil
in der Mammaweiterbildung geworden. Ich will sie kurz näher beschreiben: Die Fallsammlung
ist zweigeteilt. Der erste Teil wird vor der Rotation in die Mammadiagnostik absolviert
und besteht aus hundert Fällen, die aufwändig aufbereitet sind. Die Weiterzubildenden
lernen damit selbständig digital in ihrem eigenen Tempo daheim oder in einer Freistellung.
Begleitend dazu gibt es fünf Grundlagenvorträge, die den Einstieg erleichtern, sodass
man weiß, was man auf den Bildern sieht. Der zweite Teil besteht aus 400 Routinefällen,
die begleitend zur Rotation in der Mammadiagnostik bearbeitet werden. In dieser Zeit
liegt der Fokus auf der Weiterbildung vor Ort. Hier ist es wichtig, das klinisch Erlernte
anzuwenden und zu vertiefen, vor allem die Handlungskompetenzen wie die Handhabe der
Mammasonografie, der Markierungen, Biopsien etc., was digital nicht möglich ist. Als
wichtigen Bestandteil unseres Konzeptes haben wir eine regelmäßig stattfindende interaktive
Präsenzveranstaltung etabliert, in der wir schwierige Fälle aus dem Online-Kurs gemeinsam
und auch interdisziplinär mit Kolleginnen und Kollegen etwa aus der Gynäkologie vor
Ort besprechen. In Würzburg bemerken wir durch dieses Konzept einen deutlichen Wissensvorsprung
bei den Weiterzubildenden, zu Beginn der Mammarotation.
Wie und von wem sollten aus Ihrer Sicht weitere Vorschläge für die Einrichtung von
Weiterbildungskooperation umgesetzt werden?
Dr. Sauer: Das ist eine essenzielle Frage. Letztlich sind alle Beteiligten gefragt, Ideen zu
entwickeln und zu prüfen, was vor Ort umsetzbar ist. Eine konkrete Blaupause wird
es wahrscheinlich nicht geben und für die Rahmenbedingungen sind letztlich auch die
Juristinnen und Juristen zu befragen. Aber es gibt bereits Initiativen wie etwa der
Landesärztekammer Schleswig-Holstein oder den Mustervertrag der DeGIR zu Kooperationsverträgen,
die zur Orientierung genutzt werden können. In unserem Whitepaper werden zudem zwischen
DRG und BDR konsentierte Kriterien genannt, um die Anforderungen für Kooperationen
in der Mammadiagnostik aufzuzeigen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um die konkrete
Umsetzung mit den jeweiligen Landesärztekammern abzusprechen. Wenn man diese einheitliche,
überregional konsentierte Grundlage hat, ist schon viel gewonnen, damit lokale Konzepte
entstehen können.
Schauen wir in die Zukunft. Wie sieht diese Ihrer Ansicht nach für die Weiterbildung
in der Mammadiagnostik aus? Und: Könnten die in Ihrem Whitepaper gemachten Vorschläge
auch für andere Bereiche der Radiologie richtungsweisend sein?
Professor Bley: Bei uns ist die Zukunft, was die Mammaweiterbildung angeht, schon Realität geworden
und fester Bestandteil in der Weiterbildung. Das Blended Learning-Konzept kann auch
für andere Bereiche der Radiologie angewendet werden. Ein gutes Beispiel ist das Simulator-Training
für angiografische Interventionen. Diese Trainings setzen wir hier in Würzburg in
Kooperation mit der Kardiologie bereits um. Der nächste konsequente Schritt wird sein,
dass die Vorbereitung von Interventionsrotationen durch Weiterzubildende ebenfalls
durch ein strukturiertes Lehrprogramm an Simulator-Trainings durchgeführt wird. Wichtig
bei der Implementierung neuer Lernformen ist, sich mit der zuständigen Landesärztekammer
abzustimmen. Wir haben das bei der Mammadatenbank sehr intensiv gemacht. Zusätzlich
haben wir die Qualität unserer Fallsammlung und Datenbank durch die AG Mammadiagnostik
der Deutschen Röntgengesellschaft fachlich überprüfen lassen. Das war eine Qualitätskontrolle,
die die Bayerische Landesärztekammer sehr schnell bewogen hat, 500 Fälle anzuerkennen,
und nun auch die Bundesärztekammer.
Univ.-Prof. Dr. Thorsten Bley ist Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle
Radiologie am Universitätsklinikum Würzburg, Dr. Stephanie Sauer und Dr. Sara Christner
sind dort als Oberärztinnen tätig.
Zum Whitepaper: Weiterbildung in der bildgebenden und interventionellen Mammadiagnostik
gelangen Sie über diesen Link: www.drg.de/whitepaper
Zu einem weiteren Interview mit Professor Bley, Dr. Sauer und Dr. Christner zur Fallsammlung
„Blended Learning Mammadiagnostik“ gelangen Sie über diesen Link:
www.drg.de/interview-fallsammlung
Die Lernplattform conrad erreichen Sie über diesen Link: https://academy.mevis.de/drg