Die Novemberausgabe Pneumologie widmet sich der Zusammenfassung und Kommentierung
der neuen europäischen Leitlinien zur pulmonalen Hypertonie (PH) [1], einem bedeutsamen, häufig erst spät diagnostizierten Krankheitsbild, bei dem in
den letzten Jahren große Fortschritte in Diagnostik und Therapie erzielt werden konnten.
Unter der Leitung von Prof. E. Grünig aus Heidelberg und dem Editorial-Team haben
die Arbeitsgemeinschaft PH-DACH der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
(DGP), die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und die Deutsche Gesellschaft
für Kardiologie in einem Konsensprozess ein gemeinsames Positionspapier der DGP zu
dieser Leitlinie erarbeitet. Grundlage dafür war die Sichtung und Bewertung der wissenschaftlichen
Evidenz durch neue Veröffentlichungen, aber auch die Berücksichtigung von Aspekten
wie die Übertragbarkeit der Evidenz auf deutsche Verhältnisse und ihre Praktikabilität.
Die Artikel dieser Ausgabe wurden von angesehenen Expert*innen erstellt, die z. T.
an der Verfassung der Leitlinien mitgewirkt haben und/oder bedeutende neue Publikationen
erstellt haben und in dieser Ausgabe einige der wichtigsten Neuerungen und Änderungen
der aktuellen PH-Leitlinien aufzeigen und gewichten.
Besonderes Gewicht legten die Autor*innen der im August 2022 erschienenen „European
Society of Cardiology“ (ESC) und der „European Respiratory Society“ (ERS) PH-Leitlinie
[1] u. a. auf eine frühe Diagnose der Gruppe 1 (pulmonal arterielle Hypertonie, PAH)
und Gruppe 4 PH (chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie, CTEPH) mit Erkennung
von Risikopatienten und rechtzeitigem Therapiebeginn. Nach wie vor erfolgt die Diagnose
der PAH und CTEPH und damit die Einleitung einer angemessenen Behandlung teils mit
erheblicher Verzögerung. Ein Grund dafür ist, dass der Lungenhochdruck (ähnlich wie
der Bluthochdruck) oftmals nicht „sichtbar“ ist und daher gerade bei jungen Patient*innen
die schwere Krankheit bei einem ansonsten gesund wirkenden jungen Menschen nicht erkannt
wird. Bei älteren Patienten werden oft Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Adipositas
oder kardiopulmonale Erkrankungen für die Symptome verantwortlich gemacht, und die
PH wird übersehen. Eine wichtige Empfehlung der neuen Leitlinie ist daher, dass Patient*innen
mit anhaltender bzw. zunehmender anstrengungsabhängiger Atemnot an ein spezialisiertes
Zentrum für PH überwiesen werden sollten, wenn Hausarzt/-ärztin oder Fachärzt*innen
verschiedenster Disziplinen aber auch Kardiolog*innen oder Pneumolog*innen keine eindeutige
Ursache der Beschwerden feststellen können oder die Luftnot durch die bereits bestehenden
Komorbiditäten nicht gänzlich erklärt werden kann.
Die PH betrifft etwa 1 % der Weltbevölkerung und bis zu 10 % der über 65-Jährigen,
pulmonalvaskuläre Krankheiten wie die idiopathische PAH oder CTEPH sind deutlich seltener,
jedoch spezifisch therapierbar. Lungenhochdruck vermindert unabhängig von der Ätiologie
die Lebenserwartung. Neuere Studien haben gezeigt, dass selbst ein mäßig erhöhter
pulmonalarterieller Druck oder pulmonaler Gefäßwiderstand mit einer erhöhten Sterblichkeit
verbunden ist. Aus diesem Grund mussten die hämodynamischen Definitionen aktualisiert
werden. Mit der neuen hämodynamischen PH-Definition, die nun auf einem pulmonalarteriellen
Druck auf > 20 mmHg anstelle des bisherigen Wertes von ≥ 25 mmHg beruht, wurden erstmals
Grenzwerte definiert, die bei Gesunden ermittelt wurden. Eine präkapilläre PH liegt
nun bereits ab einem pulmonalen Gefäßwiderstand (PVR) > 2 Wood Units und einem kapillären
Verschlussdruck ≤ 15 mmHg vor. Zudem wurde die Definition der Belastungs-PH bei einem
Anstieg des Quotienten aus mittlerem pulmonalarteriellem Druck und Herzzeitvolumen
(mPAP/CO) > 3 mmHg/L/min eingeführt.
In diesem Positionspapier wird zudem darauf hingewiesen, dass die gezielte medikamentöse
Therapie der PAH nach der früheren Definition evaluiert wurde und daher auch weiterhin
nur ab einem mPAP ≥ 25 mmHg und ab einem PVR von mindestens > 3 WU empfohlen wird.
Therapiestudien an Patienten mit einem mPAP zwischen 21 und 25 mmHg, welche einen
Effekt von spezifischen PAH-Medikamenten für diese frühe Form des Lungenhochdrucks
nachweisen, fehlen bislang.
Die genetische Diagnostik, klinische Screeningverfahren bei gesunden Anlageträger*innen
und genetische Beratung wurden in den aktuellen Leitlinien umfassend dargestellt und
werden in diesem Heft um neueste Daten aus molekularen Therapieansätzen ergänzt.
Die komplexe Diagnostik der Erkrankung wird durch die zunehmende Zahl an Patienten
mit Komorbiditäten beeinflusst und wurde daher um Anpassungen des diagnostischen Algorithmus
ergänzt. Für die Therapie der Erkrankung, die anhand des Mortalitätsrisikos innerhalb
eines Jahres angepasst wird, wurde zusätzlich zum 3-Strata-Modell der Risikoklassifizierung
bei Diagnosestellung das 4-Strata-Modell bei der weiterführenden Behandlung eingeführt.
Bei Patienten mit Komorbiditäten ist insbesondere der klinische Phänotyp zu berücksichtigen,
wobei der kardiale/kardiopulmonale Phänotyp besser auf eine PH-spezifische Therapie
anzusprechen scheint als der pulmonale Phänotyp.
In dem vorliegenden Positionspapier werden auch die neuen, erst nach der Publikation
der ERS/ESC-PH-Leitlinie publizierten Studien mit vielversprechenden neuen Medikamenten
wie Sotatercept und deren mögliche Rolle im Therapiealgorithmus beschrieben und diskutiert.
Bei den Empfehlungen zu allgemeinen Maßnahmen und zum Management der Erkrankung wurden
die spezialisierte Rehabilitation und Trainingsverfahren aufgrund neuer Studien auf
eine 1A-Empfehlung hochgestuft. Zudem wurden die Empfehlungen zur Eisengabe der aktuellen
Evidenz angepasst.
Empfehlungen zur Schwangerschaftsberatung und zu Kontrazeption sowie das Management
bei Schwangerschaft wurden in den aktuellen Leitlinien besonders fokussiert.
Die Diagnostik und Therapie der PH bei Lungen- und Linksherzerkrankung, bei der CTEPH,
der PH im Kindesalter sowie bei Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern ist komplex
und erfordert eine enge Betreuung im Expertenzentrum mit Einbindung unterschiedlicher
Fachdisziplinen, die in separaten Artikeln dargestellt werden.
Insgesamt bietet dieses Schwerpunktheft ein hochaktuelles „Nachschlagewerk“ zu diesem
Thema.