Sportverletz Sportschaden 2023; 37(04): 171-181
DOI: 10.1055/a-2133-9702
Übersicht

Die iliakale Endofibrose im Hochleistungssport - eine diagnostische interdisziplinäre Herausforderung

Iliac endofibrosis in high-performance sports: an interdisciplinary diagnostic challenge
Susanne Regus
1   Klinikum Ansbach, Ansbach, GERMANY (Ringgold ID: RIN219634)
,
Isabelle Schoeffl
2   SozialStiftung Bamberg, Bamberg, GERMANY (Ringgold ID: RIN36603)
,
Joachim Knetsch
2   SozialStiftung Bamberg, Bamberg, GERMANY (Ringgold ID: RIN36603)
,
Volker Schoeffl
2   SozialStiftung Bamberg, Bamberg, GERMANY (Ringgold ID: RIN36603)
,
Konstantin Haase
3   Klinikum am Steinenberg Reutlingen, Reutlingen, GERMANY (Ringgold ID: RIN37065)
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Hintergrund Die iliakale Endofibrose (IE) ist eine seltene arterielle Erkrankung bei Ausdauerathleten, insbesondere Radrennfahrern und Triathleten. Die Diagnostik gilt als Herausforderung, die Latenz vom Beginn erster Symptome bis zur Diagnosestellung beträgt oft mehrere Jahre. An diagnostischen Möglichkeiten sind die Bestimmung des Knöchel-Arm-Dopplerindex (ankle brachial index, ABI) nach maximaler Belastung als ein nicht invasives Verfahren sowie die Duplexsonografie, Schichtbildgebung und die invasive Angiografie zu nennen. Ziel dieser Arbeit ist es, diese zeitliche Verzögerung bis zur korrekten Diagnosestellung seit Erstbeschreibung im Jahr 1985 bis zum Jahr 2021 genauer zu analysieren sowie die wichtigsten diagnostischen Mittel für die Praxis herauszuarbeiten.

Methode Durchführung einer Literaturrecherche gemäß den PRISMA-Kriterien in den Datenbanken PubMed, Web of Science und Cochrane, ergänzt durch eine Suche in Google Scholar bis zum 18.10.2021.

Ergebnisse Es wurden 133 Publikationen identifiziert, die sich thematisch mit der IE bei Ausdauersportlern beschäftigten. In 42 Publikationen (40 Fallberichte und 2 klinische Studien) wurde die Diagnose intraoperativ bestätigt, in 32 (32/43; 74,4%) wurden Aussagen über die Dauer vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung gemacht (Mittelwert 45, Median 36 Monate). Diese Latenz war über den gesamten Beobachtungszeitraum von 1985–2021 konstant, ohne Trend zur Verkürzung. In 24 Arbeiten (24/43; 56%) wurde detailliert über Ergebnisse der ABI-Bestimmung sowie der weiterführenden Diagnostik berichtet. In allen Fällen kam es zu einem Abfall des ABI- Wertes auf weniger als 0,66 (in 5 Fallberichten bereits in Ruhe, in 19 nach Belastung), wohingegen die weiterführende Diagnostik mittels Duplexsonografie, DSA, MRA oder CTA in 3 Fällen (3/24; 12,5%) keinen auffälligen Befund ergab und in 14 Fällen (14/24; 58,3%) eine allenfalls geringgradige Stenosierung zeigte.

Schlussfolgerung Ein Abfall des ABI nach Belastung ist die zuverlässigste Methode, um die iliakale Endofibrose zu diagnostizieren. Es empfiehlt sich, diese nicht invasive und einfach durchführbare Untersuchung in die Leistungsdiagnostik gefährdeter hochambitionierter Ausdauerathleten zu integrieren, um im Idealfall durch eine frühzeitige Diagnosestellung irreversible Gefäßwandschäden zu verhindern sowie die vermutete hohe Dunkelziffer an unerkannten Fällen zu reduzieren.

Abstract

Objectives Iliac endofibrosis (IE) is a rare arterial disease in endurance athletes, especially cyclists and triathletes. The diagnosis is considered challenging and the latency from the onset of initial symptoms to diagnosis is often several years. Diagnostic options include determination of the ankle brachial index (ABI) after maximal exercise as a non-invasive procedure, as well as duplex sonography, CT or MRI angiography, and invasive angiography. The aim of this paper is to analyse in more detail this time lag to correct diagnosis from the first description in 1985 to the year 2021, as well as to identify the most important diagnostic tools for practice.

Materials and Methods Literature research according to PRISMA criteria in PubMed, Web of Science, Cochrane databases, supplemented by a search in Google Scholar up to 10/18/2021.

Results We identified a total of 133 publications that dealt thematically with IE in endurance athletes. In 42 publications (40 case reports and 2 clinical trials), the diagnosis was confirmed intraoperatively, and in 32 (32/42; 74.4%), statements were made about the duration from the onset of the first symptoms to the final diagnosis (mean 45, median 36 months). This latency was constant over the entire observation period from 1985 to 2021, with no trend toward shortening. Twenty-four papers (24/42; 56%) reported detailed results of ABI determination as well as further diagnostic testing. In all cases, the ABI value decreased to less than 0.66 (in 5 case reports, this decrease was measured at rest; in 19 case reports, it occurred after stress), whereas further diagnostic testing by duplex sonography, DSA, MRA, or CTA revealed no abnormal findings in 3 cases (3/24; 12.5%) and showed no more than minor stenosis in 14 cases (14/24; 58.3%).

Conclusions A drop in ABI after exercise is the most reliable method to diagnose iliac endofibrosis. This non-invasive and easy-to-perform examination should be integrated into the performance diagnostics of highly ambitious endurance athletes at risk. This may ideally prevent irreversible vessel wall damage by early diagnosis as well as a reduction of the presumed high number of undetected cases.

Fünf Kernaussagen
  • Die iliakale Endofibrose ist eine stenosierende Erkrankung der Beckenschlagadern bei Hochleistungssportlern, welche oft unentdeckt bleibt und eine diagnostische interdisziplinäre Herausforderung darstellt.

  • Die Latenz vom Auftreten erster Symptome bis zur korrekten Diagnosestellung beträgt oft mehrere Jahre und hat sich seit der Erstbeschreibung im Jahr 1985 bis heute, trotz mittlerweile flächendeckend verfügbarer Schichtbildgebung, nicht verkürzt.

  • Die Stenosen der Iliakalarterien sind, im Vergleich zu den viel häufiger vorkommenden Stenosierungen bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, meist geringgradig und werden deshalb nicht selten bildmorphologisch als nicht relevant interpretiert.

  • Die Bestimmung des Knöchel-Arm-Dopplerindex (ankle brachial index, ABI) nach maximaler Belastung ist eine nicht invasive diagnostische Methode mit hoher Sensitivität und Spezifität und sollte vor der Veranlassung einer weiterführenden Schichtbildgebung durchgeführt werden.

  • Aufgrund der zunehmenden Popularität des Ausdauersports sowie der Zunahme an Individualsportlern im Rahmen der COVID-Kontaktbeschränkungen ist mit einer Steigerung der Erkrankungsfälle zu rechnen, weshalb es sich empfiehlt, den ABI-Belastungstest in die Leistungsdiagnostik gefährdeter Hochleistungssportler routinemäßig zu integrieren.



Publication History

Received: 12 August 2022

Accepted after revision: 20 July 2023

Article published online:
04 December 2023

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