Key words
abdominal wall - retroperitoneum - angiography - embolization
Abkürzungsverzeichnis
AVP:
Amplatzer Vascular plugs
CT(A):
Computertomographie (-Angiographie)
DSA:
Digitale Subtraktionsangiographie
F:
French
INR:
International Normalized Ratio
KM:
Kontrastmittel
M/Mm:
Musculus/Musculi
MRT:
Magnet-Resonanztomographie
NBCA:
N-Butyl Cyanoacrylat
RH:
Retroperitoneales Hämatom
RSH:
Rektusscheidenhämatom
TAVI:
Trans-Katheter-Aortenklappen-Intervention
Einleitung
Seit der Erstbeschreibung vor über 60 Jahren [1] ist vergleichsweise wenig über das Krankheitsbild des retroperitonealen Hämatoms
(RH) und des Rektusscheidenhämatoms (RSH) publiziert worden. Definiert als Hämorrhagie
in den retroperitonealen bzw. in den intramuskulären Raum der Abdominalwand, stellen
RH/RSH eine mutmaßlich unterdiagnostizierte Erkrankung dar, deren Inzidenz zwischen
0,6 % in der Allgemeinbevölkerung und 6,6 % in älteren, antikoagulierten Subgruppen
variiert [2]
[3]. Ihre klinische Bedeutsamkeit erlangen sie insbesondere über eine signifikante Morbidität
und Mortalität von bis zu 30 % [2]
[3]. Aktuelle Expertenmeinungen gehen überdies von einer deutlichen Zunahme der Inzidenz
in unserer alternden Gesellschaft mit mannigfaltigen Indikationen für eine Antikoagulation
aus, was den Stellenwert des Themas noch weiter unterstreicht [2]
[3].
Der retroperitoneale Raum (Spatium retroperitoneale; s. [Abb. 1]) bezeichnet den Raum zwischen dem dorsalen Peritoneum parietale und der hinteren
Bauchdecke und ist stark vaskularisiert [4]. Er umfasst folgende primäre und sekundäre retroperitoneale Strukturen und Organe:
Anteile des Duodenums, Pankreas, Colon ascendens und descendens, Rektum, große Gefäße
und Nerven, die Ureteren, die Nebennieren und Nieren (s. [Abb. 1]). Die kraniale Begrenzung stellt das Zwerchfell dar, während die kaudalen Anteile
des retroperitonealen Raumes per continuitatem in das Bindegewebe des subperitonealen
Raumes übergehen [5]. Eine in der Literatur häufig verwendete Einteilung des Retroperitoneums bei traumatisch
bedingten retroperitonealen Hämatomen beschreibt drei Zonen [6]: eine zentral-mediale (Zone 1), welche sich zwischen den Musculi (Mm.) iliopsoas
erstreckt und die mittelständigen Strukturen wie die großen Gefäße, das Pankreas und
das Duodenum umfassen, eine perirenale Zone (Zone 2), lateral der Psoasmuskulatur
inklusive der (Neben-) Nieren, Ureteren und Kolonanteilen und die pelvine Zone (Zone
3) mit Harnblasen-Anteilen und präsakralen Gefäßen [7]
[8]
[9].
Abb. 1 Schema-Zeichnung des Retroperitonealraums.
Assoziationen mit einem stattgehabten Trauma, einer vorangegangenen Operation oder
einem generellen iatrogenen Eingriff, aber auch das spontane Auftreten ohne unterliegende
Pathologie sind beschrieben [6]
[10]
[11]
[12] (s. [Abb. 2]). Seltene Ursachen sind rupturierte parenchymatöse Läsionen wie Angiomyolipome,
Zysten, Nierentumore oder vaskuläre Malformationen sowie (Pseudo-) Aneurysmata [7]. RH stellen heutzutage auch häufig eine Komplikation einer transfemoralen Kathetereinlage
oder eines pelvinen oder lumbalen Traumas dar [2]. Stumpfe Traumamechanismen, bei denen über den Energietransfer einer äußeren Quelle
Kompressions- und Scherkräfte auf die inneren Gewebe und Gefäße wirken, sind mit ca.
70–80 % häufiger als penetrierende Trauma-Ursachen für RH [7]
[8]
[12]. Hierbei wird mit ca. 10 % am häufigsten die Niere verletzt, deutlich seltener sind
Duodenum (0,2 %) oder Pankreas (5 %) betroffen [7]. Iatrogene retroperitoneale Hämatome können das Ergebnis perkutaner oder endovaskulärer
Eingriffe sein und weisen bei insgesamt geringer Prävalenz in der Literatur, eine
bis zu 3,5-fach erhöhte Mortalitätsrate innerhalb von 30 Tagen auf [2]. Während die Einführung der Seldinger-Technik die Sicherheit intraarterieller Prozeduren
erhöht hat [13], ist auch die Zahl der perkutanen femoralen Punktionen gestiegen, von denen insbesondere
Punktionen oberhalb des Leistenbandes häufiger zu iatrogenen retroperitonealen Hämatomen
führen [2]. Hierbei steigt das Risiko in Abhängigkeit vom Kaliber der eingebrachten Hämostaseschleuse
sowie der peri- und postprozeduralen Heparindosis [2].
Abb. 2 Ätiologien der retroperitonealen und Rektusscheidenhämatome. Die Abbildung basiert
auf Daten aus Chan et al. [2], Daly et al. [8] und Klausenitz et al. [10].
Die ventrale Bauchwand besteht aus vier Muskelsträngen pro Seite: dem Musculus (M.)
rectus abdominis, einem internen und einem externen M. obliquus sowie dem M. transversus
(s. [Abb. 3]). Die Durchblutung dieser wird vornehmlich durch die tiefen Anteile der inferioren
epigastrischen Arterie mit Ursprung aus der distalen Arteria (A.) iliaca externa,
der superioren epigastrischen Arterie als Verlängerung der A. mammaria interna der
jeweiligen Seite sowie der A.circumflexa ilium profunda mit Abgang aus der A. iliaca
externa gewährleistet. Rektusscheidenhämatome als Einblutung in den Musculus rectus
abdominis werden entsprechend der CT-Morphologie nach der Klassifikation von Berna
[14] in drei Typen eingeteilt: Typ 1 ist größentechnisch auf den unilateralen Rektusmuskel
begrenzt. Es kommt nicht zu einem Überschreiten der Mittellinie oder einer Spaltung
der abdominellen Faszien [14]. Typ 2 ist ebenso beschränkt auf die Rektusmuskulatur, jedoch mit der Möglichkeit
einer Dissektion entlang der transversalen Faszie oder über die Mittellinie hinaus.
Typ 3 ist großvolumig, mit einer großen Dissektion der transversalen Faszie und des
Transversusmuskels sowie einer Beteiligung des intraperitonealen Retzium-Raums, was
sich klinisch als prävesikales Hämatom und Hämatoperitoneum äußert [4]
[14]. Der häufig größere Blutverlust bei RSH-Typen 2 und 3 kann mit einem hämodynamischen
Schock einhergehen, während Patienten mit Typ 1 bei Stabilität des Kreislaufs und/oder
der Gerinnungsparameter häufig eine konventionelle Therapie erhalten können [4]
[14]
[15]
[16].
Abb. 3 Schematische Darstellung der ventralen Bauchwand.
Sowohl beim RH als auch beim RSH steht das Überleben der Patienten:innen bei drohender
Exsanguination oder Komplikationen eines Kompartmentsyndroms häufig in direkter Abhängigkeit
von einer frühen Diagnose. Bis zum Verlust hämodynamisch relevanter Blutmengen, mit
konsekutiven Symptomen eines hämorrhagischen Schocks, können insbesondere die retroperitonealen
Hämatome klinisch okkult verlaufen bzw. bei unspezifischer Symptomatik verzögert diagnostiziert
werden [17]
[18]. Aufgrund heterogener Ätiologien bedürfen sowohl RH als auch RSH deshalb einer rechtzeitigen
und aggressiven Diagnose und Therapie innerhalb eines interdisziplinären Teams [3]. Dieses schließt neben der diagnostischen und interventionellen Radiologie die Kollegen:innen
der Chirurgie und der Inneren Medizin ein, deren Kommunikation untereinander essenziell
für eine adäquate und zügige Versorgungsplanung des/der Patienten:in ist [19].
Im Nachfolgenden wird der Fokus auf die Gruppe der spontanen retroperitonealen und
Rektusscheidenhämatome gelegt, da diese aufgrund der zu erwartenden, zunehmenden Prävalenz
und großer thematischer Überlappung bei Diagnostik und Therapie eine besondere Unterform
darstellen.
Spontane retroperitoneale und Rektusscheidenhämatome
Spontane retroperitoneale und Rektusscheidenhämatome
Spontane retroperitoneale und Rektusscheidenhämatome sind eine klinische Entität,
welche in der Abwesenheit unterliegender Pathologien oder stattgehabter Traumata auftreten
[12].
Die genaue Ätiologie der retroperitonealen Hämatome, insbesondere bei Patienten mit
nur moderat verminderter Gerinnungsfunktion unter antikoagulativer Therapie, bleibt
häufig offen. Als Ursache wird eine fragile, z. B. arteriosklerotisch oder autoimmun-bedingt
veränderte Mikrovaskularisation genannt, welche spontan oder nach (mikro-) traumatischen
Ereignissen – Bagatell-Traumata – wie Husten oder Erbrechen einreißt und blutet [10]
[20]. Mit zunehmender Größe des Hämatoms kommt es zu einer Beteiligung größerer Gefäße,
welche ebenfalls rupturieren können [21]
[22]
[23]. Zu den betroffenen Gefäßen zählen am häufigsten lumbale und iliolumbale Arterien
[3]
[10], es können aber auch interkostale bzw. lumbale, epigastrische, pankreatikoduodenale
sowie (ad-)renale und iliakale Arterien hinzuzählen. Maratka und Viklicky beschrieben
zudem das „Psoas-Syndrom“ bei Patienten:innen unter Antikoagulation, bei denen es
zu fortbestehenden Hämorrhagien im Retroperitoneum aufgrund eines fehlenden Tamponade-Effekts
kommt [24]. Die Rektusmuskulatur bezieht ihre Blutzufuhr aus der superioren und inferioren
epigastrischen Arterie und eine Blutung in diesem Bereich entsteht häufig durch die
Verletzung eines Astes der A. epigastrica inferior, im Bereich der für Scherkräfte
vulnerablen muskulären Perforationsstelle der Linea arcuatum [4].
Risikofaktoren
Mehrere Risikofaktoren sind mit dem Auftreten spontaner RH und RSH in der Literatur
assoziiert. Zu den am häufigsten genannten Risikofaktoren gehört ein höheres Lebensalter
(> 65 Jahre) [10]
[23]
[25]. Ein weiterer häufiger Risikofaktor ist die Einnahme von Antikoagulantien, was angesichts
einer zunehmend alternden Bevölkerung, mit vielfachen Indikationen für eine Antikoagulation,
die klinische Bedeutsamkeit der Erkrankung unterstreicht [10]
[23]
[25]. In den aktuell publizierten Fallserien wurde eine Antikoagulationstherapie in > 75 %
der Fälle beschrieben [19]
[26]
[27]
[28]. Dabei ist eine Erhöhung des Blutungsrisikos mit sämtlichen auf dem Markt verfügbaren
Antikoagulanzien dokumentiert, insbesondere jedoch durch nach Gabe von unfraktioniertem
Heparin, welches in Studien gegenüber Warfarin eine 2- bis 5-fache Zunahme ergab [29]. Ein Vergleich zwischen neuen oralen Antikoagulantien und Warfarin in einer Studie
von 423.450 Patienten mit Vorhofflimmern, ergab eine signifikante Blutung als Nebenwirkung
in 6,9 % der Fälle [30]. Hierbei wurde eine geringere Rate an intrakraniellen Hämorrhagien (hazard ratio
von Dabigatran: 0,56 vs. Rivaroxaban: 0,73) und gastrointestinalen Blutungen (hazard
ratio von Rivaroxaban: 1,2 vs. 0,82 Apixaban) für Apixaban und Dabigatran gegenüber
Warfarin sowie eine höhere Rate an gastrointestinalen Blutungen bei Rivaroxaban gegenüber
Apixaban und Dabigatran dokumentiert (hazard ratio von Rivaroxaban: 1,2 vs. 0,88 Dabigatran,
0,84 Apixaban) [30]. In weiteren publizierten Fallserien wurde die höchste Prävalenz für Frauen > 70
Jahre verzeichnet, am ehesten bei anatomisch geringerer Muskelmasse und konsekutiv
geringerem Tamponadeeffekt [15]. Eine zusätzliche Erhöhung des Risikos ist bei Frauen im gebärfähigen Alter durch
das Vorliegen einer Schwangerschaft beschrieben [17]
[19].
Seltenere Risikofaktoren sind das Vorliegen von Koagulopathien, retroperitonealer
Raumforderungen wie Tumoren und aneurysmatischen Gefäßerweiterungen, einer Herzinsuffizienz,
Leberfunktionsstörungen sowie die Durchführung einer Hämodialyse [23]
[25]
[31]. In einer Fallserie von 78 Patienten ohne Antikoagulation wies die Mehrheit das
Vorliegen einer gynäkologischen Pathologie (z. B. ovarielle Torsion, hämorrhagische
Zysten, ektope Schwangerschaft) auf [32]. Mechanisch bedingte Einblutungen bei massivem Husten im Rahmen pulmonaler Erkrankungen,
wie Asthma oder einer chronisch obstruktiven pulmonalen Erkrankung (COPD), sind ebenfalls
in wenigen Fallserien beschrieben [15]
[17]
[33].
Diagnostik
Das Vorgehen bei Verdacht auf ein retroperitoneales Hämatom sollte – sofern möglich
– mit einer ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung, inklusive der Evaluation
der Atemwege und der Zirkulation entsprechend standardisierter Algorithmen beginnen.
Schmerzen im Bereich des Abdomens, der Flanke oder des Rückens, gegebenenfalls mit
palpabler Raumforderung und Zeichen eines (hämorrhagischen) Schockgeschehens (Lenk-
oder Wunderlich-Triade) sind vereinbar, jedoch nicht spezifisch für das Vorliegen
eines retroperitonealen Hämatoms. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass große
Blutvolumina insbesondere im Retroperitonealraum (und in deutlich geringerem Ausmaß
in der Bauchwand) akkumulieren können, ohne dass dies in der körperlichen Untersuchung
offenbar werden muss.
Ein komplettes Blutbild, eine Gerinnungsdiagnostik und ein metabolisches Panel für
die Evaluation von Elektrolytentgleisungen, Leber- und Nierenfunktionsparametern sollten
schnellstmöglich erfolgen, ggf. begleitet von dem Kreuzen von Blutkonserven im Fall
eines (drohenden) transfusionspflichtigen Schockgeschehens. Eine Erhöhung der Serum-Amylase
kann hierbei die Verletzung des Pankreas, eine Hämaturie eine unterliegende renale
oder urethrale Verletzung vermuten lassen [34].
Ein Beispiel für einen Management-Algorithmus, angelehnt an Dohan et al. sieht, angepasst
an die klinische Evaluation und das Vorliegen einer hämodynamischen Instabilität,
insbesondere die Abstimmung im interdisziplinären Team vor [16].
Klinische Präsentation
Häufigstes Symptom beim spontanen RH und RSH stellen abdominelle Schmerzen dar [9]
[23]
[31]. In einer Fallserie von 89 Patienten waren abdominelle Schmerzen mit 68 % in der
klinischen Untersuchung am häufigsten, gefolgt von Schmerzen in der ipsilateralen
unteren Extremität (24 %), Hüftschmerz (23 %) und Rückenschmerz (22 %) [23]. Darüber hinaus können diese recht unspezifischen Symptome von Zeichen der Hypovolämie
bzw. des Blutverlusts begleitet werden, unter anderem Tachykardie, Schwäche, alteriertem
mentalen Status, Blässe und Übelkeit. Bei Blutungen mit Bezug zum Musculus Iliopsoas,
können eine femorale Neuropathie (z. B. in Form einer Fußheberparese), Parästhesien
oder muskuläre Spasmen auftreten [2]. Das Vorliegen von Hautzeichen wie dem Grey Turner’s-Zeichen (Ekchymosen/Diskoloration
der Flanken), dem Cullen’s-Zeichen (periumbilikale Ekchymose) sowie der Diskoloration
des proximalen Oberschenkels (Fox-Zeichen), des Skrotums (Bryant’s-Zeichen) oder der
Leiste (Stabler’s-Zeichen) ist insgesamt eher selten und unspezifisch [4]
[19]
[28].
Entsprechend ihrer anatomischen Lokalisation präsentieren sich RSH häufig mit akut
einsetzendem abdominellem Schmerz und gegebenenfalls palpabler abdomineller Raumforderung
[15]. Zusätzliche Symptome können Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Abwehrspannung und Zeichen
eines abdominellen Kompartments darstellen. Zur Differenzierung einer akuten intraabdominellen
von einer Bauchwand-Pathologie können unter anderem das Carnett’s- und das Fothergill’s-Zeichen
dienen [28]. Sind diese positiv, wird eine Ursache im Bereich der ventralen Bauchwand angenommen.
Bei Erhebung des Carnett’s-Zeichens werden die Punkte des Schmerzmaximums bei dem/der
Patienten/in abwechselnd im Sitzen und im Liegen erhoben. Als positiv gewertet wird
das Zeichen, wenn die Lokalisation des in Supination lokalisierten Schmerzmaximums
von dem im Sitzen erhobenen Schmerzmaximum nicht wesentlich abweicht. Ein positives
Fothergill’s-Zeichen wird verzeichnet, wenn eine Raumforderung der Bauchwand mit Bewegung
der unteren Extremität keine wesentliche Änderung seiner Position erfährt und die
Mittellinie nicht überschreitet [4].
Bildgebende Diagnostik
Aufgrund der häufig unspezifischen klinischen Symptomatik kommt der Bildgebung bei
der Diagnose der RH/RSH eine besondere Bedeutung zu. Der (fokussierte) Ultraschall
ist in geübten Händen geeignet, um das Vorliegen freier Flüssigkeit oder raumfordernder
Läsionen (intra-)abdominell festzustellen. Abhängig von der Lage und des Ausmaßes
des Hämatoms können sowohl der Ultraschall als auch die körperliche Untersuchung gänzlich
unauffällig sein [8]
[17].
Aufgrund der hohen Morbidität und Mortalität der Erkrankung in einem eher älteren
Patientenkollektiv sollte zeitnah und niederschwellig eine CTA-Untersuchung durchgeführt
werden, da diese sowohl als Grundlage für die nachfolgende Therapieplanung dienen
kann als auch in vielen Fällen zur Klärung weiterer Differentialdiagnosen beiträgt.
Damit können in der Regel auch kleine Hämatome detektiert, in vielen Fällen sogar
das betroffene Gefäßgebiet lokalisiert werden. Neben den Vorteilen einer breiten Verfügbarkeit
und schnellen Akquisitionszeit konnte in Studien eine hohe Detektionsrate der CT-Angiographie
(CTA) für aktive Blutungen dokumentiert werden, welche für Blutflussraten ≥ 0,25 ml/min
eine Sensitivität von 97 % und eine Spezifität von 100 % aufwies [35]. Noch sensitiver ist mit Detektionsraten von 0,05–0,1 ml/min die Technetium-99m-Szintigraphie,
die in der Regel bei intermittierenden und/oder okkulten (unteren) gastrointestinalen
Blutungen Einsatz findet. Die Detektionsrate der Angiographie liegt, basierend auf
Ergebnissen aus dem Jahr 1965, bei 0,5 ml/min [36]. Die CT-Untersuchung umfasst optimalerweise ein tri-, mindestens jedoch biphasisches
Protokoll, bestehend aus einer nativen, arteriellen und venösen Phase über das gesamte
Abdomen bis unterhalb der unteren Schambeinäste (s. [Abb. 4]). Das native Bild dient der Darstellung prä-existenter hyperdenser Materialien,
welche so von aktiven KM-Extravasaten differenziert werden können. Die arterielle
Phase kann mit einem Bolus tracking in der abdominellen Aorta (150 HU Grenzwert),
die venöse Phase 70–90 Sekunden (s) nach KM-Injektion akquiriert werden. Dabei reichen
erfahrungsgemäß 100–125 ml intravenösen Kontrastmittels (300 mg/ml Jod), gefolgt von
40–50 ml Natriumchlorid-Lösung bei einer Flussrate von 4–5 ml/s aus. Multiplanare
Rekonstruktionen des Datensatzes mit 1,25 mm Dicke sollten zur Befundung herangezogen
werden, zusätzlich können Maximum-Intensitäts-Projektionen (MIP) bei der Beurteilbarkeit
der vaskulären Anatomie und Pathologien unterstützen. Das Vorliegen eines KM-Extravasats
hat sich als unabhängiger Prädiktor für Mortalität und die Notwendigkeit der Durchführung
eines interventionellen oder operativen Eingriffs gezeigt [10]
[19] (Beispiel: s. [Abb. 4]). Insbesondere, wenn mehrere Arterien betroffen sind, hat sich in einem multizentrischen
Vergleich der klinischen Erfolgsraten der endovaskulären Versorgung von RH/RSH, ein
standardisiertes Vorgehen bei der Blutungsdetektion als besonders vielversprechend
erwiesen [37]. Dabei wird zunächst versucht, den Kern des Hämatoms zu lokalisieren. Bei Hämatomen
in und um den M. iliopsoas und den M. erector spinae können hierzu passend ipsilaterale,
aortal abgehende interkostale Arterien (insbesondere Th 11, 12), lumbale Äste (L1–5)
und iliolumbale Arterien aus glutealen Ästen der A. iliaca interna beteiligt sein.
Seltener betroffene, ebenfalls zu kontrollierende Alternativen, stellen Blutungen
aus (ad-)renalen und gonadalen Arterien dar (s. [Abb. 3], [4]).
Abb. 4 Tri-phasisches, KM-gestütztes CT (A native Phase, B arterielle Phase, C portalvenöse Phase) eines 80-jährigen, männlichen Patienten mit Flankenschmerz und
Nachweis eines KM-Extravasats im Sinne einer aktiven Blutung im linken Psoas-Muskel
(roter Kreis).
In Abhängigkeit der klinischen Symptomatik kann aus strahlenhygienischen Gründen bei
Kindern oder Schwangeren ein Ausschluss von RH/RSH mittels Ultraschall und/oder Magnetresonanztomographie
(MRT) versucht werden. Aufgrund der vergleichsweise langen Akquisitionszeit spielt
insbesondere die MRT für notfällige Untersuchungen eine nur untergeordnete Rolle.
Therapie
Die Therapie von RH/SRH basiert auf den Säulen der konservativen, der interventionellen
und der chirurgischen Therapie. Da es an spezifischen Leitlinien mangelt, sind Management
und Therapie bis heute kontrovers diskutierte Themen. Sie erfolgen daher auf der Basis
einer eher spärlichen Datenlage [19]
[23]
[28]. Nahezu alle Patienten erhalten Bluttransfusionen (45–80 %) oder allgemein Volumensubstitution
und Schmerzmittel. Entsprechend der ermittelten Laborwerte werden Gerinnungsparameter
soweit möglich optimiert, was in Ermangelung zwingender Indikationen auch das Absetzen
oder Antagonisieren antikoagulativer Medikamente einbeziehen kann. Während die Wirkung
von Vitamin K wegen der Neubildung von Gerinnungsfaktoren Stunden bis Tage benötigt,
bewirken die Gabe von Protamin, Prothrombinkonzentrat, Fresh frozen plasma oder rekombinant
hergestellter, aktivierter Gerinnungsfaktoren eine deutlich schnellere Steigerung
der Gerinnungsfähigkeit des Blutes [38]. Im Sinne einer aktiven Kreislaufunterstützung kann die Gabe von Katecholaminen
nötig sein. Diese konservativen Maßnahmen bilden die Grundlage der Therapie, welche
in Abhängigkeit vom Ausmaß der Blutung und der Stabilität des Kreislaufs bereits ausreichend
sein können: In Zusammenschau der publizierten Fallserien genügen konservative Maßnahmen
mit oder ohne Intensivstations-Aufenthalt in einer Mehrzahl der Fälle, während im
Mittel ca. 25 % eine invasive Therapie benötigen [19]
[23]
[26]
[27]
[28]. Chirurgische Therapien sind in der Regel (konventionell) therapierefraktären, hämodynamisch
instabilen Fällen mit starken Schmerzen, Nervenkompression oder Beteiligung größerer
Gefäße mit massivem Transfusionsbedarf und Zeichen eines abdominellen Kompartmentsyndroms
vorbehalten, welche bis zu 10 % der Fälle in der Literatur ausmachen [19]
[23]
[26]
[27]
[28]. Die Durchführung einer potenziell lebensrettenden (offenen) Operation mit Ligatur
blutender Gefäße und Ausräumung des Hämatoms birgt simultan jedoch auch das Risiko
eines Verlusts des tamponierenden Effekts des Hämatoms und kann durch das Vorliegen
multipler Blutungsquellen erschwert werden [39].
Die interventionelle Therapie, unter Einsatz transarterieller Embolisationsmaßnahmen,
hat sich in Studien als sichere und sowohl technisch als auch klinisch erfolgreiche
Methode erwiesen [10]
[40]. Durch die minimale Invasivität und den nach endovaskulärem Gefäßverschluss sofortigen
therapeutischen Effekt kann sie bei rascher Verfügbarkeit eines interventionsradiologischen
Teams auch bei hämodynamisch instabilen Patienten genutzt werden [3]
[10]
[41]. Während randomisierte Vergleiche der Therapieoptionen bislang nicht existieren,
sollten für die Patienten im interdisziplinären Setting stets individualisierte Therapieentscheidungen,
oftmals auch Kombinationstherapien, getroffen werden. So sind beispielsweise vier
Fälle von Isokangas et al. [42] beschrieben, in denen Patienten bei vorangegangener operativer Therapie, durch eine
in Ergänzung durchgeführte interventionelle Embolisation, suffizient therapiert werden
konnten.
Im Fall einer in der vorangegangenen CTA diagnostizierten Blutungsquelle kann das
Gefäß direkt sondiert und nach einer selektiven DSA direkt adressiert werden. Eine
Aortografie vermag hierbei eine Übersicht zu geben und bei der Blutungsdetektion unterstützen.
Zudem empfiehlt sich im Hinblick auf eine eigene, noch nicht publizierte, multizentrische
Studie von 91 Fällen – unter anderem zum Ausschluss multifokaler Gefäßläsionen oder
von Kollateralfluss – ein standardisiertes Vorgehen bei der Blutungssuche im Territorium
der Blutung (s. [Abb. 5]), was zu einer signifikanten Verbesserung des Überlebens führte. Zeichen einer aktiven
Blutung in der DSA entsprechen denen in der prä-interventionellen CTA: Nachweis eines
aktiven KM-Austritts ins Gewebe, Formation eines Pseudoaneurysmas und Gefäßabbrüche
[10]. Auch Berichte von mehrfachen Angiografien oder empirischen Embolisationen bei nur
indirekten Zeichen einer Blutung wie Gefäßirregularitäten oder Spasmen liegen vor
[10]. Da bisher kein Konsens in Form einer Leitlinie existiert, empfehlen Studien wie
von Panetta et al. [43] die Durchführung einer Embolisation bei Nachweis eines KM-Extravasats im CT. Der
Zeitpunkt, zu dem bei fehlendem Blutungsnachweis in der CTA eine Angiographie in Embolisationsbereitschaft
erfolgen sollte, ist demgegenüber nicht klar definiert. Es existieren Empfehlungen,
notfällig interventionell tätig zu werden, wenn ein Patient trotz > 4 erhaltener Bluttransfusionen
in 24 Stunden oder > 6 Bluttransfusionen in 48 Stunden Zeichen der hämodynamischen
Instabilität zeigt [43]. In anderen Zentren ist die Indikation für die Durchführung einer DSA niederschwelliger
und wird auch bei (initial) fehlendem Blutungsnachweis in der CTA bei frühen Warnsymptomen,
wie z. B. ausgeprägten Schmerzen, gestellt [44]. Auch wir favorisieren eine frühe Angiographie, ggf. mit Re-Angiographie im Verlauf,
da große Hämatome und ein häufig hiermit einhergehender, eingeschränkter Allgemeinzustand
sowie die Gefahr einer Verbrauchskoagulopathie die Therapie erschweren. Publizierte
Fallserien dokumentierten hohe technische und gute klinische Erfolgsraten, sodass
der interventionelle Ansatz bei geringerer Invasivität eine zunehmende Rolle in der
therapeutischen Versorgung der RH/ RSH einnimmt [10]
[41]
[43]
[45].
Abb. 5 Therapiealgorithmus transarterielle Embolisation.
Die DSA wird in manchen Zentren über eine sonographisch gesteuerte (Mikro-) Punktion
der (rechten) Femoralarterie durchgeführt, um insbesondere im Falle einer Gerinnungsstörung
das Risiko einer weiteren Blutung möglichst gering zu halten [46]. Alternative Zugangswege (z. B. über radial, brachial etc.) sind ebenfalls möglich.
In Abhängigkeit von Art und Größe der geplanten embolisierenden Materialien ist der
Durchmesser der Hämostaseschleuse zu wählen, wobei in den meisten Fällen (zunächst)
eine 4 French (F)-Hämostaseschleuse genügt. In Co-Axialtechnik werden im Anschluss
ein Diagnostikkatheter an das entsprechende Gefäßostium und darüber hinaus bei supraselektiver
Sondierung ein Mikrokatheter in das betroffene Gefäß verbracht. Je nach anatomischen
Gegebenheiten eignen sich als Diagnostikkatheter häufig verwandte wie Cobra 2, Shepherd
Hook, Sidewinder oder auch SosOmni in verschiedenen Größen/Konfigurationen. Die Wahl
des Mikrokatheters steht in direktem Zusammenhang zum Durchmesser des Zielgefäßes
und zur Größe und Beschaffenheit des zu applizierenden Embolisationsmaterials; während
größerlumige Mikrokatheter eine freiere Handhabe bezüglich der Embolisat-Auswahl lassen,
ermöglichen kleinlumige Mikrokatheter in den teils sehr zartkalibrigen und gewundenen
Gefäßen ein besseres Vorankommen. Ebenfalls entsprechend der vorliegenden anatomischen
Verhältnisse, des Gerinnungsstatus und der Katheterlage im Gefäß erfolgt die Auswahl
des Materials. Wichtig ist, insbesondere im Hinblick auf das reiche Netzwerk an Kollateralen
im Retroperitoneum, eine Embolisation des blutenden Gefäßes in „Frontdoor/backdoor“-Technik,
sprich einem Verschluss des Gefäßes proximal und distal des blutenden Anteils [10] (s. [Abb. 6]).
Abb. 6 DSA einer 78-jährigen, weiblichen Patientin mit aktivem KM-Austritt aus einem kleinen
Seitenast der A. circumflexa ilium profunda (A; roter Kreis) mit nachfolgenden feinen Verzweigungen der Arterie (roter Pfeilkopf).
Das Vorbringen des Mikrokatheter gelingt bis an den Abgang des Seitenastes (B; roter Pfeil). Daraufhin selektive Embolisation mit Flüssigembolisat (Histoacryl
+ Lipiodol) zur Sicherung einer Front-Door/Back-Door-Embolisation (C). Das Embolisat wurde bis in die kleinen Verzweigungen der Arterie hinter dem KM-Austritt
vorgebracht (C; rote Pfeilspitze).
Zurzeit bietet die Datenlage noch keinen Konsens bezüglich der Auswahl der Materialien,
entscheidend sind Faktoren wie Blutungslokalisation, Erfahrung mit und Verfügbarkeit
der Materialien. Stent grafts werden zur Abdichtung großer Gefäßlecks genutzt. Einen
mechanischen Gefäßverschluss erreicht man mit Gefäßspiralen („vascular Coils“), Gefäßverschlusstopfen
(„vascular plugs“) und Embolisationspartikeln; Letztere lassen sich grundsätzlich
in temporär versus permanent verschließend klassifizieren [47]. Auch Flüssigembolisate und Sklerosanzien (z. B. Histoacryl (B.Braun, AG, Melsungen,
Deutschland), „Glubran 2“ (GEM SRL, Viareggio, Italien), Onyx (ev3, Irvine, California),
Squid (Balt, Montmorency, France)), „PHIL“ (MicroVention, Aliso Viejo, California,
USA), Ethanol) führen zu permanentem Gefäßverschluss. Zu Vertretern der temporären
Embolisate zählen resorbierbare Partikel wie Gelatineschwämme (Gelfoam, „Surgifoam“
(Johnson & Johnson Medical, USA)) [48]. Die Charakteristika bzw. das Wissen über Zusammensetzung, das biologische Verhalten,
den Okklusionsmechanismus, das Okklusionsniveau und die Applikationsbesonderheiten
sollten dem/der interventionell Tätigen vor Anwendung bekannt sein. Hierzu gehört
das Wissen um den Effekt von Coils, welche eine Okklusion durch die Abfolge zunächst
einer mechanischen Obstruktion, gepaart mit einer Thrombozytenaktivierung und Aktivierung
der plasmatischen Gerinnung, erreichen [47]. Gleichzeitig bedeutet dies im Umkehrschluss eine nur eingeschränkte Effektivität
bei Vorliegen einer Koagulopathie oder Thrombozytopenie. Trotz der Vielzahl von Designs
auf dem Markt, ist allen gemein, dass eine stabile Positionierung für eine gezielte
Embolisation obligat ist, was mitunter durch eine gewisse Überproportionierung des
Coils zum Gefäß, aber auch durch kontrollierte Ablösemechanismen einzelner Modelle
erreicht werden kann [47].
Zu den bekanntesten Vertretern der Gefäßverschlussstopfen zählen die Amplatzer Vascular
Plugs (AVP; St. Jude Medical, St. Paul, Minnesota, USA), welche als vier Konfigurationen
eines gewobenen, im Gefäß expandierenden Nitinolgeflechts verfügbar sind. Entwickelt
für den schnellen vaskulären Verschluss ist dieser bei funktionierender Gerinnung
in 3–5 Minuten zu erreichen [47]. Vorteile der AVP und Mikroplugs sind eine einfach und schnelle Applikationsmöglichkeit,
die zudem auch einen Rückzug und eine Umpositionierung ermöglichen.
Unabhängig von der Gerinnungssituation können Flüssigembolisate und Sklerosanzien
angewendet werden. Hierzu zählen die Cyanoacrylate (z. B. N-Butyl-Cyanoacrylat: NBCA),
welche in Medizin und Industrie als Klebstoffe Einsatz finden. Trotz seines breiten
Einsatzgebietes besitzt das Histoacryl jedoch bis heute keine offizielle Zulassung
für die intravaskuläre Anwendung [48]. Eine zugelassene Alternative ist hier z. B. „Glubran 2“. NBCAs werden mit öligen
Kontrastmitteln (Lipiodol: Guerbet, Roissy, Frankreich) gemischt, was zusätzlich zu
Viskosität und Polymerisationszeit auch die Röntgendichte beeinflusst [47]. Hierbei gilt, je mehr Zusatz von Lipiodol, desto flüssiger das Embolisat und desto
weiter peripher erfolgt die Embolisation. Um die Polymerisation im Katheter zu verhindern,
muss dieser mit 5–10 %iger Glucoselösung gespült werden. Folge der Anwendung einiger
Cyanoacrylate ist die Entwicklung einer Entzündungsreaktion, die sowohl die Gefäßwand
als auch das benachbarte interstitielle Gewebe betrifft und so zum Untergang des betroffenen
Gefäßes führt [47]. Vorteile der NBCAs liegen in ihrer Eigenschaft als schnelle, vergleichsweise preiswerte
und effiziente Embolisate. Die einhergehenden Risiken von ungezielten oder gar Fehlembolisationen
im Falle zu langer Polymerisationszeiten oder einer Adhäsion der Katheterspitze bei
zu langsamer Entfernung des Katheters, setzen für den optimalen Einsatz ein gewisses
Maß an Erfahrung voraus. Neue entwickelte Produkte dieser Gruppe wie „Glubran 2“ oder
„Magic Glue“ (Balt, Montmorency, Frankreich) haben in experimentellen präklinischen
Studien eine geringere Adhäsion und eine geringere inflammatorische Wirkung gezeigt
[48]. Onyx (Medtronic Neurovascular, Irvine, California, USA) ist ein nicht adhäsives,
flüssiges Embolisationsmaterial, das nach Kontakt mit Blut zur Ausfällung kommt. In
verschiedenen Viskositätsstufen erhältlich, kann es sowohl für die Embolisation komplexer
zerebraler als auch kleiner peripherer Gefäße genutzt werden [47]. Das hohe Maß an kontrollierter Anwendbarkeit, das effiziente Ausfüllen von Target-Gefäßen
und -Malformationen sowie die hohe Anzahl an durchgeführten Studien mit Onyx gehören
zu seinen großen Vorteilen; Nachteile sind der relativ hohe Preis, die Schmerzhaftigkeit
der Injektion, das Risiko vaskulärer Nekrosen und Verfärbungen bei sehr oberflächlicher
Anwendung sowie das Auftreten von Artefakten postinjectionem [49]. Die Onyx- (und „Squid“- (Balt, Montmorency, Frankreich)) Behälter müssen zudem
ca. 10–20 Minuten zum Beispiel auf einem Rüttler geschüttelt werden, bevor eine Injektion
möglich ist. Die im Vergleich deutlich jüngeren Embolisationsmaterialien „Squid“ und
insbesondere „PHIL“ weisen in experimentellen Studien eine verbesserte Röntgensichtbarkeit
bei geringerer Artefaktüberlagerung auf [49].
Den permanenten Embolisaten gegenübergestellt sind die temporären, welche im Falle
von Gelfoam (u. a. Pfizer, New York, New York, USA) aus gereinigter Hautgelatine bestehen
und in Form von Platten, Stücken oder Partikeln vertrieben werden. Diese können, in
Abhängigkeit ihrer Indikation, zu einer Suspension mit Kochsalzlösung und Kontrastmittel
oder zu schmalen Torpedos verarbeitet werden, welche beispielsweise zur Embolisation
von Nadel- und Kathetertrakten dienen können. Der temporäre Embolisationseffekt entsteht
durch die hohe Absorptionsfähigkeit der Gelatine, welche zu einem Trocknungseffekt
und Aufnahme von Thrombozyten führt, was die Gerinnung unterstützt. Üblicherweise
wird Gelfoam komplett resorbiert mit Gefäßrekanalisation nach spätestens 14 Tagen
[47]. Es besteht nur geringe Abhängigkeit vom Gerinnungsstatus, sodass seine Anwendung
insbesondere bei Patienten:innen mit derangierter Gerinnung nützlich sein kann [47].
Grundsätzlich sollte insbesondere in einer Notfallsituation nur Material genutzt werden,
welches dem/der Interventionalist/in bekannt ist und sicher angewendet werden kann.
Ein Vertrautmachen mit ggf. neuen oder unbekannten Substanzen sollte unter kontrollierten
Bedingungen in Trainingskursen und/oder in ausgewählten Fällen erfolgen. Unter Voraussetzung
von Erfahrung und Kenntnis von Strategien der Prävention und des Managements etwaiger
Komplikationen, bieten Flüssigembolisate wie NBCA eine schnelle und zuverlässige,
vom Gerinnungsstauts unabhängige Therapieoption [10]
[48].
Prognose
Spontane RH und RSH können mit einer hohen Mortalität assoziiert sein, welche in größeren
Fallserien mit Raten bis 30 % dokumentiert wurde [26]
[28]
[50]. Als ursächlich beschrieben ist selten direkt das RH/RSH, sondern sind häufiger
Folgen des Blutverlusts mit Multiorganversagen und/oder mesenterialer Ischämie [26]
[28]
[50], möglicherweise in Kombination mit den Komorbiditäten älterer Patienten.
Die Wiederaufnahme der antikoagulativen Therapie ist eine diffizile Angelegenheit,
bei der der Nutzen sorgfältig gegen das Risiko einer erneuten oder verstärkten Blutung
abgewogen werden muss. Nur wenige publizierte Studien existieren als Entscheidungshilfe,
unter anderem eine retrospektive Studie von Kunkala et al., in welcher 156 antikoagulierten
Patienten:innen mit RSH [51], nach einer mittleren Dauer von 4 Tagen [Intervall: 2–8 Tage], erneut blutverdünnende
Medikamente (Aspirin, Thrombozytenaggregationshemmer, Marcumar) einnahmen. Von diesen
erlitten insgesamt fünf thrombotische Komplikationen während des therapiefreien Intervalls,
während bei zwei Patienten nach Wiederaufnahme der Therapie eine Vergrößerung des
Hämatoms dokumentiert wurde. Demgegenüber zeigte eine retrospektive Studie mit 34
Patienten nach Wiederaufnahme der Antikoagulation nach im Mittel 19 Tagen [2–90 Tage]
keine erneute Blutungskomplikation [52]. Sofern weiter als notwendig erachtet, erscheint die Wiederaufnahme der Antikoagulation
bei stabilen Kreislaufverhältnissen und unter den kontrollierten Bedingungen des Krankenhausaufenthaltes
sinnvoll. Ein echtes Dilemma stellen jedoch Patienten:innen mit starker Indikation
für eine (teils mehrfache) Antikoagulation dar, z. B. nach Implantation eines Medikamenten-beschichteten
Stents oder einer Trans-Katheter-Aortenklappen-Intervention (TAVI) [52]. Während ein Absetzen der Medikation bei thrombembolischen Komplikationen nachweislich
von erhöhter Mortalität begleitet wird [53]
[54], stellen die mit 5–9 % bis zu mehreren Wochen postoperativ auftretenden Blutungen,
ebenfalls ein relevantes Mortalitäts-Risiko dar [54], sodass eine Risiko-adaptierte und individualisierte Antikoagulation in dieser Hoch-Risiko-Gruppe
empfohlen wird [54]. Gerade in dieser Risikokonstellation erwarten wir, dass die gering invasiven aber
effektiven und vom Gerinnungsstatus weitgehend unabhängigen Embolisationsverfahren
eine breitere Anwendung finden werden. Wie in einer Publikation der DeGIR basierend
auf der Auswertung des DeGIR-Registers dargestellt, besteht auf Bundeslandebene eine
deutschlandweit flächendeckende Versorgung mit interventionell-radiologisch geführten
Therapien bei akuten Blutungen. Die Verteilung der DeGIR-Ausbildungszentren sollte
auch dabei helfen, jüngere interventionelle Radiolog:innen auszubilden, um die Situation
weiter zu verbessern [41]. Zudem gibt es eine ganze Reihe von DeGIR zertifizierten Kursen (https://www.drg.de/de-DE/178/veranstaltungskalender/degir//), die speziell Embolisationstechniken vermitteln.