Professor Bamberg, könnten Sie uns das Ziel und die Struktur des Programms „Radiomics:
Nächste Generation der medizinischen Bildgebung“ beschreiben?
Professor Fabian Bamberg
© Universitätsklinikum Freiburg
Prof. Bamberg: Bei unserem DFG-Schwerpunktprogramm geht es darum, dass wir das wissenschaftliche
Feld Radiomics/Künstliche Intelligenz/Deep Learning, also eigentlich alles, was mit
moderner Bilddatennachverarbeitung zu tun hat, in Deutschland ein gutes Stück weiter
vorantreiben wollen. Dabei liegt der Fokus auf der klinischen Anwendbarkeit und wir
sind thematisch nicht auf ein Organsystem festgelegt. Die klinische Translation ist
aktuell – nach meiner Einschätzung – das Bottleneck und wir hoffen, dass wir hiermit
einige Impulse setzen können. So ein Schwerpunktprogramm ist ein spannendes Förderinstrument
der DFG: Wir haben über 16 Millionen Euro für ein Themenfeld einwerben können und
nun dürfen sich alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit konkreten Projektvorschlägen
bewerben, die dann ein internationales Gutachtergremium bewertet. Als Koordinator
obliegt mir nun schon in der zweiten Förderphase, den Rahmen zu steuern und zusätzliche
Angebote zum Beispiel an den wissenschaftlichen Nachwuchs oder Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler mit Kindern zu machen.
Wie ist „Radiomics“ mit der NAKO-Gesundheitsstudie verknüpft?
Prof. Bamberg : Wir sind damals mit der Motivation gestartet, die Auswertung der unglaublich komplexen
NAKO-MRT-Daten zu unterstützen aber der Antrag für die DFG entwickelte sich dann doch
sinnvollerweise sehr viel breiter und für Alle zugänglich. Dennoch haben wir im Schwerpunkt
einige NAKO-MRT-Projekte, die gefördert werden und hier auch den Einsatz von komplexen
MRT-Nachverarbeitungsalgorithmen nutzen, um zum Beispiel die Rolle von viszeralem
Fettgewebe oder Sarkopenie zu verstehen und klinisch anwendbar zu machen. Unzweifelhaft
bietet die NAKO einen einmaligen Bilddatenschatz, der hochstandardisiert akquiriert
wurde und jetzt auch der allgemeinen Wissenschaft zur Verfügung steht.
Blicken wir kurz zurück: „Radiomics“ wird seit 2019 gefördert – was sind die wesentlichen
Ergebnisse der ersten Förderphase?
Prof. Bamberg : In der ersten Förderphase haben wir einen beeindruckenden Fortschritt bei vielen
Projekten gesehen, und konnten eigentlich in allen Bereichen signifikant vorankommen.
Das zeigen viele Publikationen und erfolgreich abgeschlossene Projekte aus einem breiten
Spektrum vom Kardio- CT bis hin zur biologischen Altersbestimmung anhand von Ganzkörper-MRT-Daten.
Am herausforderndsten war sicherlich die COVID-Pandemie, die eigentlich die gesamte
erste Phase über eine Zusammenarbeit und Vernetzung nahezu unmöglich gemacht hat.
Dennoch gelang es hier, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler synergetisch zusammenzubringen
und wir konnten auch eine gemeinsame Publikation in einem Delphi-Prozess erfolgreich
abschließen.
Seit diesem Frühjahr erhalten Sie eine Anschlussförderung durch die DFG. Was sind
weitere Ziele innerhalb des Programms? Wie wird es sich weiter entwickeln?
Prof. Bamberg : Richtig, wir sind aktuell in der zweiten Förderphase angekommen und haben diese
noch etwas klinischer ausgerichtet. Es geht weiterhin um den Einsatz von Künstlicher
Intelligenz/Radiomics zur besseren Nutzbarmachung von Bilddaten im klinischen und
präventiven Setting. Einige Projekte werden auch aus der ersten Förderphase fortgeführt
und es sind neue Projekte dazugekommen. Rückmeldungen aus der Begutachtung und den
Teilnehmenden aus der ersten Phase haben wir auch aufgegriffen und werden versuchen,
öfter persönlich zusammenzukommen und gezielt Workshops und Förderung zu relevanten
Themen anzubieten. Wir planen auch, für die Projekte des DFG-Schwerpunktprogramms
das RACOON-Netzwerk zu nutzen und sind hier in konkreter Planung der Anbindung.
Wie viel Radiomics und KI steckt eigentlich bereits in der klinischen Praxis?
Prof. Bamberg : Noch nicht so viel wie eigentlich möglich und im Prinzip auch nötig. Obwohl wir
beginnen, einzelne Algorithmen zu integrieren, ist die Translation komplex: Heterogene
IT-Systeme, fehlende Standards in Qualität und Sicherheit und ein spezielles, nicht
auf Qualität ausgerichtetes Vergütungssystem führen eher zur Zurückhaltung, obgleich
der Weg für uns in der Radiologie essenziell ist. Vielleicht hilft auch der DFG-Schwerpunkt
hier voranzukommen.
Welche Möglichkeiten sind im radiologischen Bereich noch denkbar und wünschenswert?
Prof. Bamberg : Wir müssen ganz klar Win-Win-Situationen schaffen, Abläufe vereinfachen und Qualität
steigern. Das wir dafür noch bessere Algorithmen benötigen und diese auch leicht implementieren
müssen, liegt auf der Hand. Ich bin davon überzeugt, dass wir als „digitalisiertes“
Fach nicht nur unseren eigenen Workflow von der Planung über die Durchführung, Dokumentation
und Befundung mittels Künstlicher Intelligenz / Radiomics effizienter gestalten und
die Qualität steigern können, sondern auch die Verantwortung für die gesamten Prozesse
im Gesundheitswesen vorantreiben müssen – Wer denn sonst?!