Schlüsselwörter
Notfallmedizin - prähospital - Sonografie - Ausbildung - Schock
Key words
emergency medicine - prehospital - sonography - training - shock
Hintergrund
Die fokussierte Sonografie in der Intensiv- sowie klinischen Akut- und Notfallmedizin
hat sich in den letzten Jahren zu einem elementaren bettseitigen Diagnostikum entwickelt
[1], [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10], [11], [12]. Ermöglicht wurde dieses durch die zunehmende Verfügbarkeit von portablen und leistungsfähigen
Ultraschallgeräten, durch
welche die Sonografie als bildgebendes diagnostisches Verfahren ortsungebunden und
zeitnah an den kritisch kranken oder verletzten Patienten herangerückt ist. Durch
den frühzeitigen Einsatz
einer fokussierten Sonografie als primäre Bildgebung werden diagnostische Schritte
reduziert und die Zeit bis zur Diagnosefindung verkürzt [13], [14], [15].
Neben dem Einsatz in der Intensiv- und klinischen Akut- und Notfallmedizin findet
die fokussierte Sonografie zunehmend auch in der prähospitalen Notfallmedizin Anwendung
und wird in der
aktuellen Literatur international als sog. Prehospital Point-of-Care Ultrasound bezeichnet
[1], [2], [3], [4], [5], [6], [7]. Durch eine prähospital durchgeführte
fokussierte Notfallsonografie können die wichtigsten zeitkritischen Diagnosen schnell
und sicher gestellt werden. Ebenso erleichtert sie potenziell die differenzierte Einleitung
akuttherapeutischer Maßnahmen bereits am Einsatzort oder während des Transportes,
z. B. die Entlastung eines Perikardergusses [16] oder eines Pneumothorax [17], die Differenzierung von Dyspnoe bedingt durch ein kardiales Lungenödem oder Pleuraergüsse
bei Herzinsuffizienz. Hinsichtlich ihrer Durchführbarkeit und
Effektivität ist die prähospitale Notfallsonografie mit derjenigen auf der Intensivstation
vergleichbar [8], nimmt ggf. auch Einfluss auf einsatztaktische
Entscheidungen, z. B. auf die Wahl des Zielkrankenhauses, und kann besonders in suburbanen
bzw. ländlichen Regionen mit längeren Transportzeiten prognostisch entscheidend sein
[9], [32].
Die sogenannte Point-of-Care-Ultraschallbildgebung (POCUS) integriert die fokussierte
Sonografie in verschiedene Szenarien und untersucht „Points-of-Interest“ unter Berücksichtigung
des
klinischen Kontexts. Die Aufgabe von POCUS liegt darin, eine klinische Arbeitsdiagnose
sonografisch zu untermauern und ggf. gezielte Maßnahmen einzuleiten. In der prähospitalen
Notfallmedizin
muss POCUS die besonderen Umstände, insbesondere das Zeit- und das Teammanagement
berücksichtigen. Verschiedene Arbeitsgruppen sowie deutsche Fachgesellschaften haben
bereits
Unterrichtsformate und Lernkonzepte für die Anwendung der Notfallsonografie erarbeitet
[10], [11], [12], [18]. Ein einheitliches nationales Curriculum bzw. Ausbildungskonzept, welches die spezifischen
Besonderheiten der prähospitalen Notfallsonografie
berücksichtigt, existiert bis dato jedoch nicht.
Aus diesem Grunde haben sich Experten der Deutschen Gesellschaft für interdisziplinäre
Notfall- und Akutmedizin e. V. (DGINA, Arbeitsgruppe Sonografie in der klinischen
Akut- und
Notfallmedizin [SCAN]), der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin
e. V. (DGAI, Arbeitskreis Ultraschall in der Anästhesiologie und Intensivmedizin sowie
Arbeitskreis
Notfallmedizin), der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands
e. V. (BAND), des Bundesverbandes der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst Deutschland
e. V. (BV-ÄLRD),
der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e. V. (DGU), der Deutschen Interdisziplinären
Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI, Sektion Notfall- und Katastrophenmedizin)
und der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin
e. V. (DGIIN, Sektion Akut- und Notfallmedizin) zusammengetan, um eine standardisierte
Ausbildung in der
prähospitalen Notfallsonografie zu erarbeiten und diese für künftige Weiterbildungsordnungen
zu empfehlen.
In der prähospitalen Notfallmedizin sind die Faktoren Zeit und Team von elementarer
Bedeutung. Die prähospitale Sonografie soll in diesem Kontext diagnostische Informationen
liefern, aus
denen sich relevante Maßnahmen, wie zeitkritische Notfallinterventionen oder Modifikationen
des Transportziels, ableiten lassen. Sie sollte jedoch nicht zu einer Verzögerung
der Akutbehandlung
oder der Behandlungsaufnahme oder -fortführung im Krankenhaus führen. Die Indikationsstellung
zur prähospitalen Notfallsonografie muss daher immer unter Nutzen-Risiko-Abwägung,
d. h. zwischen
dem zu erwartenden diagnostischen bzw. therapeutischen Nutzen und der sich ggf. daraus
ergebenden Prolongation der prähospitalen Versorgung (möglicher Schaden) erfolgen.
Der effektive Einsatz der prähospitalen Notfallsonografie setzt eine entsprechende
Fachkompetenz des notfallmedizinischen Personals voraus, da eine telemedizinische
Supervision in aller Regel
noch nicht verfügbar ist. Um die Notfallsonografie in bestehende prähospitale Versorgungsalgorithmen
zu implementieren, bedarf es einer strukturierten Ausbildung, in welcher die
Handlungskompetenz vermittelt und der Einsatz der Sonografie im Rettungsteam trainiert
werden. Fehlbefunde können schwere unerwünschte Folgen haben und zu ungerechtfertigten
Notfallinterventionen führen, die durch ein strukturiertes Training unter Einbeziehung
des gesamten rettungsdienstlichen Teams minimiert werden können. Die Rolle der Teamarbeit,
z. B. bei
einer kardiopulmonalen Reanimation, erstreckt sich dabei auf den gesamten Arbeitsprozess
einschließlich der Sonografie, um die akut- und notfallmedizinische Versorgung nicht
zu verzögern oder
gar negativ zu beeinflussen [13], [14], [15], [19], [20].
Derzeit finden sich in der Literatur zahlreiche Protokolle und Abkürzungen für die
POCUS-Verfahren in der Notfall- und Akutmedizin, die sich in der Regel an primär traumatologischen
oder
nicht traumatologischen Fragestellungen orientieren. In der Weiterbildung für die
prähospitale Notfallmedizin sind diese bislang jedoch nicht detailliert hinterlegt.
Aus diesem Grund hat die
Arbeitsgruppe Sonografie in der klinischen Akut- und Notfallmedizin (SCAN) der DGINA
für die prähospitale Notfallsonografie den Begriff prähospitaler SCAN bzw. prähospitaler
POCUS, abgekürzt
pPOCUS, vorgeschlagen. Darauf basierend wird in der vorliegenden Publikation deren
systematische Anwendung empfohlen und ein Kurskonzept für die Ausbildung in pPOCUS
vorgestellt. Die Inhalte
der zahlreichen bereits vorliegenden Einzelprotokolle für die Notfallsonografie sollen
in pPOCUS abgebildet und in einem eigenen Kurscurriculum zusammengeführt werden. Damit
soll
flächendeckend auch ein Beitrag für die Qualitätssicherung in der vielerorts bereits
praktizierten prähospitalen Notfallsonografie geleistet werden.
Analog zu der für die Zusatzweiterbildung Intensivmedizin und für die Zusatzweiterbildung
Klinische Akut- und Notfallmedizin bereits geforderten Handlungskompetenz in der Durchführung
sonografischer Untersuchungen [21] könnte das Ausbildungskonzept pPOCUS die Grundlage dafür bilden, um die prähospitale
Notfallsonografie in der aktuell
gültigen Weiterbildungsordnung für die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin perspektivisch
zu konkretisieren.
Ausbildungskonzept für die prähospitale Notfallsonografie
Ausbildungskonzept für die prähospitale Notfallsonografie
Die Notfallsonografie kann in mehrere Anwendungsbereiche unterteilt werden, die sich
inhaltlich auf die prähospitalen Notfallmedizin übertragen lassen ([Tab. 1]). Die zugehörigen Protokolle fokussieren auf primär traumatologischen oder nicht
traumatologischen bzw. internistischen Akut-Fragestellungen oder adressieren das
Atemwegsmanagement. Die vollumfängliche Kenntnis dieser in der Klinik angewandten
Vorgehensweise und deren fallbezogene Zusammenführung sind wichtig, um die Notfallsonografie
in der
prähospitalen Situation zielgerichtet einsetzen zu können.
Tab. 1 Etablierte Protokolle der klinischen Notfallsonografie, die sich in modifizierter
Form auf den prähospitalen Einsatz übertragen lassen.
Bezeichnung
|
Abkürzung
|
Referenz
|
Extended Focused Assessment with Sonography for Trauma
|
eFAST
|
[22]
|
Rapid Ultrasound in Shock and Hypotension
|
RUSH
|
[23], [24]
|
Rapid Assessment of Competency in Echocardiography
|
RACE
|
[25]
|
Focused Assessed Transthoracic Echocardiography
|
FATE
|
[26]
|
Focused Echocardiography Evaluation in Emergency Life Support
|
FEEL
|
[27]
|
Fokussierte Sonografie bei traumatologischen Patienten
Klinischer Einsatz
Für die Traumaversorgung wurde das sog. Focused Assessment with Sonography for Trauma
(FAST) bzw. Ende der 1990er-Jahre Focused Abdominal Sonography for Trauma entwickelt.
Durch die
erweiterte FAST-Untersuchung, sog. Extended bzw. eFAST, sollen, neben der Suche nach
freier intraabdomineller Flüssigkeit als Zeichen einer Verletzung von Gefäßen oder
parenchymatöser
Organe, auch der Hämato-/Pneumothorax und die Perikardtamponade nachgewiesen bzw.
ausgeschlossen werden. Eine negative FAST-Untersuchung schließt abdominelle Traumafolgen
nicht aus [28] und soll daher wiederholt durchgeführt oder ggf. durch eine radiologische Schnittbildgebung
mittels Computertomografie ergänzt werden. Insbesondere im Rahmen
der Schwerverletztenversorgung bei Erwachsenen sollte eine eFAST-Untersuchung nach
stumpfem und/oder penetrierendem Thorax- und/oder Abdominaltrauma durchgeführt werden
[29].
Prähospitaler Einsatz
Obwohl sich die S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung primär auf die
Schockraumversorgung bezieht, lässt sich eFAST unter der Voraussetzung eines erfahrenen
Anwenders/einer
erfahrenen Anwenderin in der Sonografie und im Hinblick auf eine mögliche Transportzieländerung
auch auf die prähospitale Situation übertragen [29], [30], [31], [32]. Die Zeit bis zur Krankenhauseinlieferung kann durch die prähospitale Anwendung
von eFAST signifikant verkürzt werden [5]. Die prähospitale eFAST-Untersuchung kann zudem die Zeit bis zur CT-Untersuchung
oder bis zum Eintreffen im
Operationssaal bei Patienten mit Abdominaltrauma erheblich verkürzen [4], [5]. In der Diagnostik eines traumatisch bedingten
Pneumothorax zeigte die prähospitale Thoraxsonografie im Rahmen einer retrospektiven
Single-Center-Studie, anders als erwartet, nur eine geringe Sensitivität von 28%
(95%-Konfidenzintervall (KI): 19 – 37%) und eine Spezifität von 98% (95%-KI: 97 – 99%)
[33], sodass zu dieser Ausschlussdiagnostik noch keine endgültige
Empfehlung ausgesprochen werden kann [34].
Empfehlung
Eine fokussierte Sonografie im Sinne eines eFAST kann bei stumpfem und/oder penetrierendem
Thorax- und/oder Abdominaltrauma – möglichst ohne Zeitverzögerung – prähospital erfolgen.
Fokussierte Sonografie bei nicht traumatologischen Patienten
Klinischer Einsatz
Bei der sogenannten ABC-Notfallsonografie (A: Abdomen, B: Brustkorb/Thorax, C: Cor/kardiovaskulär)
werden diverse bereits vorliegende Protokolle eingesetzt [35], [36]. Die Leitsymptome Dyspnoe, Thoraxschmerz, abdominelle Beschwerden und Hypotension
können hierdurch differenzialdiagnostisch eingegrenzt
werden [35]. Das Weißbuch „Versorgung kritisch kranker, nicht-traumatologischer Patienten im
Schockraum“ befürwortet vor diesem Hintergrund eine frühzeitige
Anwendung der Notfallsonografie bei Schockraumpatienten [37].
Da die sonografische Evaluation der V. cava inferior (VCI) oftmals zur Beurteilung
des Volumenstatus herangezogen wird [38], sollte insbesondere bei
hämodynamisch instabilen Patienten die ABC-Notfallsonografie um die fokussierte Gefäßsonografie
der VCI und ggf. um die sonografisch gesteuerte Gefäßpunktion zur Anlage von Venenzugängen
erweitert werden (sog. ABC-Plus-Notfallsonografie).
Prähospitaler Einsatz
Die ABC-Notfallsonografie ist auch auf die prähospitale Versorgung nicht traumatologischer
kritisch kranker Patienten übertragbar [39], [40], [41]. Im Hinblick auf den hohen Anteil der prähospital zu versorgenden nicht traumatologischen
Notfallpatienten am gesamten
prähospitalen Notfallaufkommen stellt sie ein Kernelement der prähospitalen Notfallsonografie
dar.
Empfehlung
Bei nicht traumatologischen Patienten sollte sich die prähospitale fokussierte Notfallsonografie
auf die Ursachenabklärung eines Kreislaufschocks und auf die Differenzialdiagnostik
der
beiden Leitsymptome Thoraxschmerz und Dyspnoe konzentrieren.
Fokussierte Echokardiografie bei kardiopulmonaler Reanimation
Klinischer Einsatz
In den aktualisierten Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) zur kardiopulmonalen
Reanimation (CPR) wird die Bedeutung der Notfallsonografie im Rahmen des
Periarrest-Managements hervorgehoben [42]. Zudem wird zur Zertifizierung von Cardiac-Arrest-Zentren eine 24/7-Verfügbarkeit
der Notfallsonografie
vorausgesetzt [43].
Während der CPR sollte die Anwendung von POCUS nach dem sog. FEEL-Algorithmus (FEEL:
Focused Echocardiography Evaluation in Life Support) [27] nur durch
ausreichend erfahrene Anwender bzw. Anwender-Teams erfolgen. Unnötige und längere
Unterbrechungen während der Thoraxkompressionen sollten vermieden werden (max. 10 s
während der
Rhythmusanalyse) [44]
[45]
[46].
Prähospitaler Einsatz
Da die gezielte Versorgung von Patienten mit außerklinischem Kreislaufstillstand bereits
vor Ort beginnt, sollte eine fokussierte Sono-/Echokardiografie (Focused Echocardiography
Evaluation in Life Support – FEEL) in der Peri-Reanimationsphase zum Ausschluss bzw.
Nachweis von reversiblen Ursachen eines Kreislaufstillstandes möglichst prähospital
veranlasst werden
[27]. Das FEEL-Konzept kann als ein wesentliches Element der prähospitalen fokussierten
Sonografie bei nicht traumatologischen Patienten verstanden werden,
da sowohl eine fokussierte Abdomensonografie (Hypovolämie, freie Flüssigkeit), eine
fokussierte Thoraxsonografie (Hypovolämie, Hämatothorax, Pneumothorax) und eine fokussierte
Echokardiografie (Perikarderguss, linksventrikuläre Dysfunktion, Rechtsherzbelastung)
durchgeführt werden können. Da im prähospitalen Setting oftmals nur ein Arzt/eine
Ärztin als
Teamleader fungiert und im Wesentlichen das Atemwegsmanagement übernimmt, kann die
zusätzliche Aufgabe des Sonografeurs/der Sonografeurin ggf. durch ein Teammitglied
übernommen werden
[47], [48]. Sofern kein schneller Transport in ein Cardiac-Arrest Zentrum umsetzbar ist, kann
die Sonografie gerade im
Hinblick auf den Ausschluss bzw. Nachweis reversibler Ursachen wertvolle Informationen
liefern. Da die POCUS-Untersuchung weder die Basisreanimation behindern noch die No-Flow-Zeiten
verlängern sollte, kommt es bei ihrer Anwendung im Rahmen der CPR ganz besonders auf
einen Team Approach an, dessen Fokus es sein muss, die ohnehin erforderlichen Unterbrechungen
für die
Notfallsonografie zu nutzen und im Team darauf zu achten, dass während der maximal
10 Sekunden dauernden Untersuchungsphasen ein Loop zur späteren Analyse und ggf. Dokumentation
aufgezeichnet wird.
Empfehlung
Die fokussierte Echokardiografie sollte im Rahmen der kardiopulmonalen Reanimation
zum Ausschluss bzw. Nachweis von reversiblen Ursachen des Kreislaufstillstandes (Hypovolämie,
Perikarderguss, linksventrikuläre Dysfunktion, Rechtsherzbelastung, Pneumothorax)
idealerweise auch prähospital implementiert und im Rahmen von Reanimationsszenarien
trainiert
werden.
Fokussierte Sonografie im Atemwegsmanagement
Klinischer Einsatz
Im Atemwegsmanagement kann die Sonografie eine endotracheale Intubation erleichtern,
indem anatomische Prädiktoren für eine schwierige Intubation vor der Intubationsmaßnahme
erfasst
werden (z. B. Darstellung von Epiglottis und Stimmbändern) [49], [50].
Prähospitaler Einsatz
In der prähospitalen Notfallmedizin wird es in den meisten Fällen jedoch eher darauf
ankommen, die erfolgreiche endotracheale Intubation und die effiziente Ventilation
der Lungen
beispielsweise durch die sonografische Tubusdarstellung und das Pleuragleiten zu verifizieren,
auch wenn dieses Vorgehen bislang keinen Eingang in die AWMF-Leitlinie „Prähospitales
Atemwegsmanagement“ gefunden hat [51]. Als sicherer Nachweis der endotrachealen Tubuslage darf POCUS nur ergänzend zur
obligaten Kapnografie eingesetzt
werden, d. h. die fokussierte Sonografie der Atemwege darf die obligate Kapnografie
nicht ersetzen. Ebenfalls könnte die Sonografie künftig im Rahmen der Notfallkoniotomie
zur Lokalisation
der Krikothyroid-Membran zum Einsatz kommen [52], [53].
Empfehlung
Im Rahmen des prähospitalen Atemwegsmanagements kann die fokussierte Sonografie zum
Nachweis bzw. zum Ausschluss einer ösophagealen Fehlintubation oder im Rahmen einer
Notfallkoniotomie
herangezogen werden [54], [55]. Angesichts fehlender Evidenz ist die Sonografie im Atemwegsmanagement aktuell nur
als
fakultativer Bestandteil der prähospitalen Notfallsonografie zu bewerten.
Zusammenführung der Protokolle im pPOCUS-Ausbildungskonzept
Zusammenführung der Protokolle im pPOCUS-Ausbildungskonzept
Das 16-stündige pPOCUS-Ausbildungskonzept (8 Stunden E-Learning-Modul und 8 Stunden
Präsenzkurs) richtet sich primär an Ärzt*innen, die in der prähospitalen Notfallmedizin
tätig sind oder
werden wollen, um eine standardisierte Qualität im Bereich der Akutversorgung zu gewährleisten
[21] ([Tab. 2]).
Tab. 2 Modulare Kursanteile der prähospitalen Notfallsonografie im pPOCUS-Konzept; die mit
(X) gekennzeichneten Lerninhalte sind als fakultative Kompetenzen zu
werten.
Module
|
Inhalte
|
Szenarien
|
|
|
Trauma
|
Nontrauma
|
Reanimation
|
Atemwegsmanagement
|
Adomensonografie
|
Sonoanatomie der abdominellen Organe
|
|
X
|
|
|
Anlotstellen und Standardschnitte
|
X
|
X
|
|
|
1. freie Flüssigkeit/Aszites
|
X
|
X
|
|
|
2. Harnstau/Harnverhalt
|
|
X
|
|
|
3. Ileus
|
|
(X)
|
|
|
Thoraxsonografie
|
Sonoanatomie von Thorax und Lunge
|
X
|
X
|
X
|
|
Anlotstellen und Standardschnitte
|
X
|
X
|
X
|
|
1. Hämatothorax/Pleuraerguss
|
X
|
X
|
|
|
2. interstitielles Syndrom/Lungenödem
|
|
X
|
|
|
3. Pneumothorax
|
X
|
X
|
X
|
|
Echokardiografie
|
Sonoanatomie des Herzens
|
X
|
X
|
X
|
|
Anlotstellen und Standardschnitte
|
X
|
X
|
X
|
|
1. Perikarderguss
|
X
|
X
|
X
|
|
2. linksventrikuläre Dysfunktion
|
|
X
|
X
|
|
3. Rechtsherzbelastung
|
|
X
|
X
|
|
Gefäßsonografie
|
Sonoanatomie der Gefäße
|
X
|
X
|
X
|
|
Anlotstellen und Standardschnitte
|
X
|
X
|
X
|
|
1. Beurteilung der V. cava inferior
|
X
|
X
|
X
|
|
2. akuter peripher-arterieller Verschluss
|
|
X
|
|
|
3. sonografisch gesteuerte Gefäßpunktionen
|
X
|
X
|
|
|
4. Aortenaneurysma/-dissektion
|
|
X
|
|
|
Larynx-Tracheasonografie (Erweiterungsmodul)
|
Sonoanatomie des Larynx und des kranialen Teils der Trachea
|
|
(X)
|
|
X
|
Anlotstellen und Standardschnitte
|
|
(X)
|
|
X
|
1. Intubationskontrolle bzw. Ausschluss einer ösophagealen Fehlintubation
|
|
(X)
|
|
X
|
2. sonografisch gesteuerte Punktion des Lig. cricothyroideum (Koniotomie)
|
|
(X)
|
|
(X)
|
Aufgrund der zunehmenden Professionalisierung des Berufsbilds des Notfallsanitäters
wird die international bereits geübte teambasierte Sonografie auch für das deutsche
Rettungswesen
favorisiert, sodass eine Einbeziehung von Notfallsanitäter*innen in die praktische
Durchführung der prähospitalen Notfallsonografie angestrebt werden soll [56], [57], [58], [59], [60], [61], [62]. Das Ausbildungskonzept pPOCUS steht daher auch der Einbindung von Notfallsanitäter*innen
offen gegenüber.
Voraussetzung für die Teilnahme am pPOCUS-Kurs sind die praktische Erfahrung in der
prähospitalen Notfallmedizin von mehr als 6 Monaten sowie die Teilnahme am E-Learning-Modul
des Kursus. Das
E-Learning-Modul hat propädeutischen Charakter und vermittelt technische und physikalische
Grundlagen der Sonografie sowie die theoretischen Hintergründe der pPOCUS-Anwendung.
Die Inhalte des pPOCUS-Ausbildungskonzepts umfassen 4 obligate Module (Thorax, Abdomen,
Herz und Gefäße) und ein fakultatives Modul (Larynx, Trachea). Die Module unterteilen
sich in einen
theoretischen und einen praktischen Teil ([Tab. 2]).
Die praktischen Übungen erfolgen zum einen an Probanden (Simulationspatienten und
Patienten mit Pathologien), zum anderen an Sonografiesimulatoren und in entsprechend
simulierten Situationen
(z. B. Unfälle, häusliche Umgebung).
Für jede der 4 Trainingsstationen (Thoraxsonografie, optional plus Larynx-/Tracheasonografie;
Abdomensonografie; Echokardiografie; Gefäßsonografie mit Punktionssimulation) mit
maximal
5 Teilnehmern steht im Rahmen des Hands-on-Trainings ein/eine Tutor*in zur Verfügung.
Die/der Tutor*in sollte über die Zusatzweiterbildung Notfallmedizin und mindestens
1 Jahr Erfahrung in der
Notfallsonografie sowie über regelmäßige Einsatzerfahrung im Notarztdienst verfügen.
Die Kursleiter des pPOCUS-Curriculums sind Fachärzt*innen mit notfallmedizinischer
Zusatzbezeichnung und
sollten bei mindestens 5 Sonografiekursen (z. B. SIN-, DEGUM- oder AFS-Kursen) als
Tutor*in mitgewirkt haben sowie praktische Erfahrung von mindestens 2 Jahren in der
Notfallsonografie
nachweisen. Aus lehrdidaktischen und Qualitätssicherungsgründen sollten die Kursleiter
an mindestens einem pPOCUS-Kurs pro Jahr teilnehmen.
Nach erfolgreich absolviertem pPOCUS-Kurs (schriftliche Lernkontrolle anhand von Multiple-Choice-Fragen
mit einer Bestehensgrenze von 60%) kann von der jeweiligen Fachgesellschaft ein
Zertifikat bezüglich der Zusatzqualifikation pPOCUS ausgestellt werden.
Die pPOCUS-Kurse sollen von Ärzt*innen der beteiligten Fachgesellschaften dieses Konsensuspapiers
veranstaltet werden, die auf eine mehrjährige Expertise in der fokussierten Sonografie
verweisen können. Zusätzlich sollten sie über eine Weiterbildungsermächtigung für
die Zusatzweiterbildungen Notfallmedizin (nicht flächendeckend vorhanden) oder Klinische
Akut- und
Notfallmedizin verfügen und regelmäßig in der prähospitalen oder klinischen Notfallversorgung
tätig sein, alternativ soll eine Facharztweiterbildung in den Gebieten Innere Medizin,
Anästhesiologie (plus AFS-Zertifikat der DGAI) oder Chirurgie vorliegen.
Über die Zulassung/Anerkennung eines geplanten pPOCUS-Kurses entscheidet der/die (stellvertretende)
Sprecher*in der Arbeitsgruppe Sonografie in der klinischen Akut- und Notfallmedizin
(SCAN)
der DGINA, alternativ der Arbeitsgemeinschaft Ultraschall der DGU, des Arbeitskreises
Ultraschall in der Anästhesiologie und Intensivmedizin der DGAI oder der Sektion Akut-
und Notfallmedizin
der DGIIN.
Die von der DGAI bereits in der anästhesiologischen Weiterbildung genutzten E-Learning-Modulkurse
AFS (anästhesiefokussierte Sonografie) Notfallsonografie und PFE (perioperative fokussierte
Echokardiografie) Grundkurs transthorakale Echokardiografie, verbunden mit den assoziierten
Präsenzkursen werden als gleichwertig zum pPOCUS-Kurs einschließlich Lernerfolgskontrolle
eingestuft
[63], [64]. Änderungen im pPOCUS-Kurskonzept werden zwischen allen beteiligten Fachgesellschaften
des vorliegenden
Konsensuspapiers abgestimmt.
Fazit
pPOCUS kann einen wesentlichen Beitrag zu einer zügigen und zielgerichteten Behandlung
und Zuweisung von Notfallpatient*innen von der Einsatzstelle bis in die aufnehmenden
Kliniken bieten.
Es ist daher ausdrücklich zu begrüßen, dass flächendeckend arztbesetzte Rettungsmittel
mit leistungsfähigen portablen Sonografiegeräten ausgerüstet werden. Wie bei allen
zusätzlichen
Maßnahmen ist jedoch auch das Risiko beinhaltet, den Fokus für eine so kurz wie mögliche
Prähospitalzeit zu verlieren. Daher ist es unbedingt erforderlich, dass sowohl die
einzelnen
Untersuchungstechniken und -protokolle als auch Teamaspekte durch deren Integration
in die verschiedenen Einsatzsituationen trainiert werden. Kursformate wie das vorgeschlagene,
aber auch
andere für die prähospitale Notfallversorgung anwendbare Algorithmen müssen daher
in die Fort- und Weiterbildung von Notärztinnen und Notärzten und perspektivisch die
der Notfallsanitäter
Eingang finden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
G. Michels ist Past-Sprecher der Arbeitsgruppe Kardiopulmonale Reanimation (AG42),
Sprecher des Cluster A: Kardiovaskuläre Akut- und Intensivmedizin und Sprecher des
Arbeitskreises
Mechanische Kreislaufunterstützung (AK-MCS) der Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie
der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie e. V. (DGK); er ist Sprecher der Arbeitsgruppe
Sonographie in der klinischen Akut- und Notfallmedizin (SCAN) der Deutschen Gesellschaft
für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin e. V. (DGINA); er ist Hauptherausgeber
der Zeitschrift
„Intensiv- und Notfallbehandlung“ (Dustri-Verlag); er erhielt gelegentlich Honorare
für Vortragstätigkeiten von Getinge, Orion Pharma und AOP Orphan Pharmaceuticals Germany
GmbH sowie
Drittmittel von der Kardiologischen Versorgungsforschung der DGK e. V. (DGK-ZfKVF)
und Getinge. Die Interessenkonflikte stehen in keinem Zusammenhang mit dem vorliegenden
Konsensuspapier.
C.-A. Greim ist Past-Sprecher des Arbeitskreises Ultraschall der Deutschen Gesellschaft
für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI). Die Interessenkonflikte stehen
in keinem
Zusammenhang mit dem vorliegenden Konsensuspapier.
M. Möckel ist Chair des Research Komitees der European Society for Emergency Medicine
(EUSEM) und Mitglied in der Sektion Strukturen klinische Akut- und Notfallmedizin
der DIVI. Er ist
Mitglied des Arbeitskreises Notfallmedizin der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall
in der Medizin e. V. (DEGUM) und Kursleiter Stufe III. Er erhält öffentliche Förderung
(BMBF, BMG und
Innovationsfonds) für zahlreiche Projekte zur Versorgungsforschung in der Akut- und
Notfallmedizin. Zusätzlich bestehen Forschungskooperationen mit Roche Molecular Diagnostics
und Vortrags-
bzw. Beratertätigkeit für Bayer Healtcare, BRAHMS GmbH, Roche, Alexion, EMCREG, Boehringer
Ingelheim, Daiichi Sankyo, Sanofi und Radiometer. Die Interessenkonflikte stehen in
keinem
Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit.
B. Friemert ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e. V. (DGU)
sowie Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V.
(DGOU). Die
Interessenkonflikte stehen in keinem Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit.
S. Wolfrum ist Sprecher der Sektion Akut- und Notfallmedizin der DGIIN e. V. Er hat
keine Interessenkonflikte.
D. Kiefl war Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre
Akut- und Notfallmedizin e. V. (DGINA). Er hat keine Interessenkonflikte.
M. Bernhard ist Schriftführer des wissenschaftlichen Arbeitskreises Notfallmedizin
und zweiter Sprecher des wissenschaftlichen Arbeitskreises Zentrale Notaufnahme der
DGAI. Zudem ist er
Leiter der Arbeitsgruppe Schockraum der DGINA. Er hat keine Interessenkonflikte.
F. Reifferscheid ist Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften
der Notärzte Deutschlands e. V. (BAND). Die Interessenkonflikte stehen in keinem Zusammenhang
mit
dem vorliegenden Konsensuspapier.
J. Bathe ist Sprecherin der Sektion Notfall- und Katastrophenmedizin der Deutschen
Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI). Die
Interessenkonflikte
stehen in keinem Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit.
F. Walcher ist Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv-
und Notfallmedizin e. V. (DIVI). Die Interessenkonflikte stehen in keinem Zusammenhang
mit der
vorliegenden Arbeit.
C. F. Dietrich war EFSUMB Präsident, WFUMB Vice President und Vorsitzender des Publikationskomitees
der WFUMB. Beratertätigkeit: Hitachi, Siemens, Mindray, Youkey. Vortragshonorare:
Hitachi, Siemens und Mindray, Supersonic, GE, Bracco, Abbvie. Die Interessenkonflikte
stehen in keinem Zusammenhang mit dem vorliegenden Konsensuspapier.
A. Lechleuthner ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Ärztlichen Leiter
Rettungsdienst Deutschland e. V. (BV-ÄLRD). Die Interessenkonflikte stehen in keinem
Zusammenhang mit dem
vorliegenden Konsensuspapier.
H.-J. Busch ist stellvertretender Sprecher der Sektion Akut- und Notfallmedizin (DGIIN)
sowie stellvertretender Sprecher der Sektion Reanimation und Postreanimationsbehandlung
der Deutschen
Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI). Honorare
für Vortragstätigkeiten von Zoll, Getinge, BrainCool. Die Interessenkonflikte stehen
in keinem
Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit.
D. Sauer ist stellvertretende Sprecherin des Arbeitskreises Sonografie in der klinischen
Akut- und Notfallmedizin (SCAN) der Deutschen Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall-
und
Akutmedizin e. V. (DGINA). Die Interessenkonflikte stehen in keinem Zusammenhang mit
der vorliegenden Arbeit.
A. Krohn, M. Ott, D. Feuerstein und N. Fuchs geben an, dass kein Interessenkonflikt
besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen
oder Tieren. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb
des Manuskripts zu
identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben.