1. Hintergrund
Auf die Gesundheit in der Bevölkerung wirken zahlreiche Einflussfaktoren
sowohl auf individueller, sozialer, umweltbezogener und gesellschaftlicher Ebene
[1 ]
[2 ]. Es bedarf im Sinne von „New Public Health“
Anstrengungen vieler Politik- und Gesellschaftsbereiche, um das Ziel einer
möglichst guten Gesundheit in der Bevölkerung zu erreichen. Im
deutschen Gesundheitswesen verteilen sich die Zuständigkeiten zudem auf eine
Vielzahl an Akteuren, Politikfelder und Ebenen der Raumordnung [3 ]. Zielorientierte
Gesundheitsförderung, Prävention und Gesundheitsversorgung setzen
– insbesondere an Schnittstellen zwischen einzelnen Ressorts und Sektoren
– u. a. gelingende Koordination und Kooperation voraus. Hieran
mangelt es jedoch noch häufig. Der Sachverständigenrat zur
Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen forderte bereits mehrfach
insbesondere eine verbesserte Koordination sowie eine verbesserte regionale
Abstimmung aller an der gesundheitlichen Vorsorge und Versorgung beteiligten Akteure
und Berufsgruppen sowie eine stärkere Einbindung der kommunalen Ebene [4 ]
[5 ]
[6 ]. Gerade der kommunale
Öffentliche Gesundheitsdienst kann maßgebliche Interessensgruppen
vor Ort einbeziehen, um bestmögliche Gesundheit für alle zu
erreichen. Dazu kann er, angepasst an die örtlichen Verhältnisse,
regionale Netzwerkstrukturen bilden, um lokale Bedarfe und Problemlagen in der
Bevölkerung zu erkennen, Handlungsbedarfe abzuleiten und steuernd und
koordinierend kooperative Lösungswege zu erarbeiten und umzusetzen [vgl.
[7 ]]. Die Bedeutung einer
interessenneutralen, gemeinwohlorientierten und sozialkompensatorischen kommunalen
Planungs- und Steuerungsfunktion für die Entwicklung einer regional
koordinierten Gesundheitsversorgung wird vielfach konstatiert, wie etwa bei der
Entwicklung des Präventionsgesetzes [8 ], im Leitbild für einen modernen Öffentlichen
Gesundheitsdienst [7 ] oder im Rahmen des
ÖGD-Paktes [9 ].
Als Antwort auf die beschriebenen Herausforderungen sind in einigen
Bundesländern auf Kreis- oder Bezirksebene (d. h. auf Ebene der
Landkreise, kreisfreien Städte, Kreisregionen bzw. Bezirke der Stadtstaaten)
verankerte, gesundheitsbezogene Netzwerkstrukturen entstanden, die unter
„Gesundheitskonferenz“ oder „Gesundheitsregion“
firmieren – teilweise mit Zusätzen wie „Kommunale
Gesundheitskonferenz“, „Regionale Gesundheitskonferenz“ oder
„Gesundheitsregion
plus
“ [3 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ].
Sie bestehen zum Teil bereits langjährig und haben sich in Evaluationen als
funktionierende Kooperationsstrukturen erwiesen, die eine verbesserte Koordination
unter den regionalen Netzwerkpartnern und somit Synergieeffekte innerhalb der
Strukturen von Gesundheitsförderung und Prävention sowie
Gesundheitsversorgung erzielen [14 ]
[15 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ].
Die hier angesprochenen Netzwerke sind dabei – trotz teils gleichlautender
Bezeichnung – aufgrund divergierender Konzeption und räumlicher
Zuschnitte von den ebenfalls regional verankerten, aber primär
gesundheitswirtschaftlich geprägten Gesundheitsregionen [20 ] zu unterscheiden. Ebenso heben sie sich ab
von bevölkerungsbezogenen Versorgungsverträgen [21 ] oder großräumiger
zugeschnittenen Gesundheitskonferenzen [vgl. z. B. 18; S.53–54].
Zudem sind sie aufgrund ihres „Gesamtansatzes“ zu unterscheiden von
Ansätzen, deren Fokus z. B. im Kern auf einzelne Handlungs- oder
Themenfelder gerichtet ist und die sich damit jeweils auf Ausschnitte des
Gesamtsystems beziehen – ohne den Beitrag der nachfolgend exemplarisch
aufgeführten gesundheitsbezogenen Netzwerke auf regionaler bzw. kommunaler
Ebene zu relativieren. Zu nennen sind hier u. a. das Gesunde
Städte-Netzwerk [22 ], der kommunale
Partnerprozess „Gesundheit für alle“ [23 ], Pflegekonferenzen [24 ] bzw. Ansätze, bei denen eine
entsprechende Förderkulisse auf bestimmte, z. B. deprivierte
Regionen abzielt wie die Strukturförderung im GKV-Bündnis [25 ].
Kriterien der im vorliegenden Beitrag zentral diskutierten Gesundheitskonferenzen
oder Gesundheitsregionen sind demgegenüber v. a.
Umsetzung auf Kreis- (Flächenländer) bzw. Bezirksebene
(Stadtstaaten),
Einrichtung unter Initiative bzw. Beteiligung des öffentlichen
Sektors, Gemeinwohlorientierung, Anbindung an oder Einbindung der unteren
Gesundheitsbehörden,
Bearbeitung eines breiten Themenspektrums in den Handlungsfeldern
Gesundheitsförderung/Prävention,
Gesundheitsversorgung sowie Pflege,
Bemühungen, die auf kommunaler Ebene häufig unverbundenen,
nebeneinander bestehenden, teilweise sektorierten und ressortierten,
gesundheitsbezogenen Netzwerk- und Gremienstrukturen unter einem
„Dach“ zu integrieren bzw. zu einem
„Gesamtkonzept“ [12 ]
weiterzuentwickeln,
Netzwerkkoordination im Sinne von Geschäfts- oder
Koordinationsstellen,
Mitwirkung von Vertreterinnen und Vertretern möglichst aller,
regional relevanten Gruppierungen und Institutionen.
Der vorliegende Beitrag bietet eine Übersicht über entsprechende
Gesundheitskonferenzen bzw. Gesundheitsregionen in Deutschland.
Berücksichtigt werden dabei insbesondere diejenigen Ansätze, die
obligatorisch auf Basis einer Rechtsgrundlage flächendeckend etabliert sind
bzw. solche Ansätze, bei denen aktuell allen Kreisen und kreisfreien
Städten in den jeweiligen Bundesländern eine entsprechende Struktur-
oder Projektförderung zugänglich ist. Ziel ist, den Stand der Praxis
sowie aktuelle Entwicklungen von Gesundheitskonferenzen und -regionen als Instrument
regionaler Planung und Steuerung im Gesundheitswesen zu erfassen, deren Aufgaben,
Gemeinsamkeiten und unterschiedliche Schwerpunktsetzungen herauszuarbeiten sowie
zentrale Merkmale der Strukturen aber auch Grenzen der Vernetzung zu diskutieren.
Schließlich werden Empfehlungen für den Auf- und Ausbau sowie die
Weiterentwicklung entsprechender regionaler Gesundheitsnetzwerke abgeleitet.
Überblicksartig wird dabei auch auf „verwandte“
Gesundheitsnetzwerke eingegangen, die ebenso zur Vernetzung im regionalen
Gesundheitswesen beitragen, sich inhaltlich und strukturell aber – noch
stärker als die hier näher betrachteten Gesundheitskonferenzen und
-regionen – auch innerhalb der Bundesländer unterscheiden.
3. Stand und aktuelle Entwicklungen von Gesundheitskonferenzen und
Gesundheitsregionen in den Bundesländern
Gesundheitskonferenzen, Gesundheitsregionen und verwandte regionale Gesundheitsnetze
sind in einer Vielzahl der Landkreise und kreisfreien Städte (bzw. auf
Bezirksebene in Stadtstaaten) in Deutschland etabliert. Ihre Verbreitung,
Zielsetzungen und Funktionen unterscheiden sich nach der jeweiligen Ausgestaltung
sowie durch gesetzliche Vorgaben oder finanzielle und ideelle Förderungen
der Bundesländer.
Legt man den oben aufgeführten Kriterienkatalog zu Grunde, sind
Gesundheitskonferenzen und Gesundheitsregionen in sieben Bundesländern auf
Kreis- (Flächenländer) bzw. Bezirksebene (Stadtstaaten) zu finden.
Vier dieser Bundesländer haben Gesundheitskonferenzen gesetzlich verankert,
drei fördern Gesundheitskonferenzen oder Gesundheitsregionen auf Kreisebene.
In den neun weiteren Bundesländern wurden verwandte regionale
Gesundheitsnetze identifiziert (siehe [Abb.
1 ]).
Abb. 1 Bundesländer mit gesetzlich verankerten oder
landesseitig geförderten Gesundheitskonferenzen und -regionen sowie
mit verwandten regionalen Gesundheitsnetzwerken.
3.1 Gesetzlich verankerte Gesundheitskonferenzen
3.1.1 Nordrhein-Westfalen: Kommunale Gesundheitskonferenzen
Als erstes Bundesland wurden in Nordrhein-Westfalen Kommunale
Gesundheitskonferenzen (KGK) mit Inkrafttreten des Gesetzes über den
Öffentlichen Gesundheitsdienst im Jahr 1998 gesetzlich verankert
[26 ] und in allen Landkreisen,
kreisfreien Städten und der StädteRegion Aachen etabliert.
Angepasst an die jeweils örtlichen Verhältnisse und unter
Einbeziehung von regional Handelnden und Interessengruppen wird ein breites
Themenspektrum aus den Handlungsfeldern Gesundheitsförderung und
Prävention sowie Gesundheitsversorgung behandelt. Zudem bearbeiten
die ebenfalls flächendeckend eingeführten Kommunalen
Konferenzen Alter und Pflege (KKAP) [27 ], die in zehn Kommunen mit den Kommunalen
Gesundheitskonferenzen zusammengelegt sind und im anderen Fall im stetigen
Austausch miteinander stehen, versorgungsrelevante Themen im Handlungsfeld
Pflege sowie bestehende gesetzliche Aufträge (z. B.
Pflegebedarfsplanung). Auch wenn in Nordrhein-Westfalen damit häufig
zwei Konferenzen zur Bearbeitung der Handlungsfelder eingerichtet sind,
können diese aufgrund der Konzeption (Zusammenlegung oder enger
Austausch) als Gesamtkonzept gewertet werden. Die Konferenzen identifizieren
Handlungsbedarfe und -felder und bearbeiten diese. Die Arbeit der KGK sowie
der KKAP bezieht sich dabei auch auf die kommunale
Gesundheitsberichterstattung und Sozialplanung, an der die
Gesundheitskonferenzen bzw. die KKAP mit Stellungnahmen und Empfehlungen
mitwirken [28 ]. Fachlich koordiniert
wird die Zusammenarbeit in den KGK durch die unteren
Gesundheitsbehörden. Hier ist jeweils die Geschäftsstelle
der Kommunalen Gesundheitskonferenz verortet. Die KKAP ist angesiedelt in
den Sozialdezernaten der Kreise und kreisfreien Städte und ebenfalls
mit Geschäftsstellen hinterlegt.
Das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW) berät die
KGK und die KKAP, stellt Arbeits- und Planungshilfen zur Verfügung
und fördert den interkommunalen Austausch und Wissenstransfer sowie
den Austausch und Wissenstransfer zwischen Landes- und kommunaler Ebene
[28 ]. Auf Landesebene wurde in NRW
zudem bereits im Jahr 1991 eine Landesgesundheitskonferenz (LGK) initiiert
und durch das Gesetz für den öffentlichen Gesundheitsdienst
[29 ] 1998 als jährlich
tagendendes Gremium verstetigt. Unter dem Vorsitz des Ministeriums
für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
(MAGS) sind die Schwerpunkte der Arbeit der LGK die Landesberichterstattung
über die Gesundheit der Bevölkerung und die Landesinitiative
„Gesundes Land NRW“ [30 ]. Die beratenen gesundheitspolitischen Themen und die
verabschiedeten Entschließungen bilden dabei wichtige
„Leitplanken“ u. a. für die Arbeit der KGK
und verzahnen damit die Landes- mit der kommunalen Ebene.
3.1.2 Freie und Hansestadt Hamburg: Gesundheitskonferenzen
Die sieben Bezirke der Freien und Hansestadt Hamburg verfügen
über eigene Strukturen für die Bereiche
Gesundheitsberichterstattung, Gesundheitsförderung und
Prävention. Diese Strukturen, als auch die Durchführung von
Gesundheits- und Pflegekonferenzen, zählen zu den gesetzlichen
Aufgaben des ÖGD der Bezirke. Grundlage bildet hierfür das
2001 in Kraft getretene Hamburgische Gesundheitsdienstgesetz, das den
ÖGD beauftragt, die Gesundheit der Bevölkerung zu
schützen, gesundheitsfördernde und präventive
Maßnahmen anzuregen und diese allein oder in Kooperation mit anderen
durchzuführen [31 ]. Daneben
ermöglicht das Hamburgische Landespflegegesetz den Bezirken die
Einrichtung von Pflegekonferenzen [32 ]. Die bezirklichen Gesundheits- und Pflegekonferenzen werden als
partizipatives Instrument genutzt, um aktuelle Fragen und Entwicklungen mit
Bürgerinnen und Bürgern sowie lokalen Akteuren zu
reflektieren. Im Jahr 2012 wurde außerdem die Landeskonferenz
Versorgung gebildet, die 2017 zur sektorenübergreifenden
Landeskonferenz zur gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung (HmbSLKV)
erweitert wurde mit der Aufgabe, Empfehlungen und Anregungen zur
sektorenübergreifenden gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung
zu geben.
Die Koordination erfolgt über das sog. Kommunale
Gesundheitsförderungsmanagement (KGFM), das überwiegend in
den Fachämtern Gesundheit der Bezirke integriert ist [33 ] und auch eng mit
überbezirklichen Bündnissen und Strukturen zusammenarbeitet
(z. B. Pakt für Prävention, Sozialbehörde
als zuständige Fachbehörde des Bundeslandes, Hamburgische
Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V.).
In ihren inhaltlichen Ausrichtungen orientiert sich das KGFM u. a.
an den Empfehlungen des gemäß der Landesrahmenvereinbarung
zur Umsetzung des Präventionsgesetzes eingerichteten Strategieforums
[34 ]. Dazu zählen die
Stärkung der sozialraumorientierten Gesundheitsförderung und
die Förderung der psychosozialen Gesundheit. Das KGFM agiert auf
bezirklicher Ebene in Gremien und Runden Tischen sowie durch
Gesundheitsgespräche zur Förderung von
Gesundheitskompetenzen. Es engagiert sich darüber hinaus in
überbezirklichen Bündnissen wie dem Pakt für
Prävention [35 ] und auf
Stadtteilebene, z. B. als Partner der Lokalen Vernetzungsstellen
Prävention [33 ]. Fachliche
Begleitung und Unterstützung erhält das KGFM durch Angebote
der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für
Gesundheitsförderung e.V. (HAG) und der Koordinierungsstelle
Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC).
Die seit dem Jahr 2007 in Kooperation zwischen der Sozialbehörde und
den Gesetzlichen Krankenkassen initiierten Lokalen Vernetzungsstellen
Prävention wurden in Umsetzung der Landesrahmenvereinbarung
ausgebaut, so dass im Jahr 2021 14 Lokale Vernetzungsstellen
Prävention in 21 Stadtteilen in Hamburg eingerichtet sind [33 ]. Seit dem Jahr 2019 wird zudem der
Aufbau lokaler Gesundheitszentren zur medizinischen Versorgung in Verbindung
mit gesundheitlichen und sozialen Angeboten in Stadtteilen mit hoher
Konzentration sozialer und gesundheitlicher Problemlagen durch die Freie und
Hansestadt Hamburg (Sozialbehörde) gefördert. Ziel ist die
Weiterentwicklung zukunftsfähiger, patientenorientierter und
sektorenübergreifender Versorgungsansätze [33 ].
3.1.3 Land Berlin: Gesundheitskonferenzen
Eine Berliner Landesgesundheitskonferenz (LGK) besteht seit dem Jahr
2004 und wurde 2006 im Gesetz über den öffentlichen
Gesundheitsdienst (GDG § 3, Abs. 6) verankert. Sie stellt eine an
Regeln gebundene Form der Zusammenarbeit der örtlichen Akteure aus
dem Gesundheitswesen, der Politik, der Verwaltung, dem Bildungswesen und
weiteren relevanten Bereichen dar. Diese stellen ihre Expertise und ihre
Kompetenz gemeinsam in den Dienst der Ziele der Landesgesundheitskonferenz.
Zentrales Anliegen der LGK ist es, die gesundheitlichen Lebensbedingungen in
Berlin, die gesundheitliche Versorgung und die gesundheitliche Lage der
Berliner Bevölkerung nachhaltig zu verbessern und gesundheitliche
Chancengleichheit herzustellen. Dazu ermitteln und priorisieren die
Mitglieder der LGK relevante Handlungsfelder und formulieren
Gesundheitsziele. Diese gesundheitspolitischen Empfehlungen richten sich
sowohl an die Landesregierung als auch an das Abgeordnetenhaus Berlin, das
insbesondere über die Veranschlagung von Mitteln für
Maßnahmen im Bereich Gesundheitsförderung und
Prävention im Landeshaushalt zu entscheiden hat. Die Umsetzung der
Gesundheitsziele erfolgt im Rahmen der Selbstverpflichtung ihrer
Mitglieder.
Neben der LGK sind die zwölf Berliner Bezirke nach dem
Gesundheitsdienst-Gesetz (GDG, § 3 Abs. 5) seit 2006 angehalten,
Gesundheitskonferenzen einzurichten. Diese tragen dazu bei, bezirkliche
Gesundheitsziele zu erarbeiten und die ressortübergreifende
Zusammenarbeit zu fördern. Zuständig für die
Vorbereitung und Durchführung der Gesundheitskonferenz ist in den
Berliner Bezirken die „Organisationseinheit für
Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination des
öffentlichen Gesundheitsdienstes (OE QPK)“ die, neben dem
Gesundheitsamt Teil des öffentlichen Gesundheitsdienstes ist. Der
Fokus der bezirklichen Gesundheitskonferenzen, die teils auch als
Präventionskonferenz oder Gesundheitszielekonferenz bezeichnet
werden, liegt im Handlungsfeld Gesundheitsförderung und
Prävention.
Die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Berlin
(Träger ist Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V.)
unterstützt themenbezogen die OE QPK nach Bedarf –
z. B. im Zuge der bezirklichen Unterstützung beim Ausbau von
Präventionsketten und bei der inhaltlichen und organisatorischen
Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation der
Gesundheitskonferenz. Dabei werden die im Rahmen der LGK entwickelten
Gesundheitsziele, Handlungsfelder und Maßnahmen
berücksichtigt. Gefördert wird die KGC Berlin von der
Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und
Gleichstellung, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und
Wohnen und dem GKV-Bündnis für Gesundheit (die
Arbeitsgemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen und
Krankenkassenverbände).
3.1.4 Baden-Württemberg: Kommunale Gesundheitskonferenzen
Die ersten Kommunalen Gesundheitskonferenzen (KGK) wurden in
Baden-Württemberg ausgehend von der 2009 erstmals
beschlossenen „Gesundheitsstrategie
Baden-Württemberg“ aufgebaut [36 ]
[37 ]. Eine von der AG „Standortfaktor Gesundheit“
des Gesundheitsforums BW eingesetzte Projektgruppe „Kommunale
Gesundheitskonferenzen“ unter Leitung des Landkreistags legte in der
Folge eine Konzeption für die Einrichtung und Umsetzung von KGK in
Baden-Württemberg vor [38 ].
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der
sektorenübergreifenden Zusammenarbeit und der Vernetzung aller
Beteiligten des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg
(Landesgesundheitsgesetz, LGG) im Dezember 2015 sind alle Land- und
Stadtkreise mit einem eigenen Gesundheitsamt dazu verpflichtet, eine KGK
einzurichten (vgl. § 5 Abs.1, LGG). Über das
Finanzausgleichsgesetz erhalten die Stadt- und Landkreise hierfür
finanzielle Zuwendungen (vgl. § 5 Abs.7, LGG). Die KGK sind eine
zentrale Struktur um Gesundheitsplanung – seit 2015 eine der
gesetzlich verankerten Kernaufgaben des ÖGD in BW (vgl. § 6
Abs.3, ÖGDG) – auf Kreisebene umzusetzen.
Seit 2018 sind in Baden-Württemberg flächendeckend 39 KGK
eingerichtet [39 ]. Die Netzwerke
zielen darauf ab, regionale Bedarfe in den drei im Gesundheitsleitbild
Baden-Württemberg [40 ]
definierten Handlungsfeldern Gesundheitsförderung und
Prävention, medizinische Versorgung und Pflege zu identifizieren,
Handlungsempfehlungen bzw. Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.
Die KGK-Geschäftsstelle ist in der Regel entweder im Gesundheitsamt
oder als Stabsstelle im Landratsamt angesiedelt und wird von der
Landrätin oder dem Landrat bzw. der Oberbürgermeisterin oder
dem Oberbürgermeister geleitet. In der Regel verfügen die
KGK über ein steuerndes Gremium (Lenkungs- oder Steuerungskreis),
das Themen und Ziele vorbespricht. Über ein Plenum werden wiederum
die zu bearbeitenden Themen beraten und abgestimmt. Konkret bearbeitet
werden Themen in Arbeitskreisen, in denen anlass- und themenbezogen
Mitglieder des Plenums, des Steuerungsgremiums, weitere Expertinnen und
Experten sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger mitarbeiten
[17 ]. Seit 2019 können in
Baden-Württemberg Kommunale Pflegekonferenzen eingerichtet werden
[§ 4 Abs.1 Landespflegestrukturgesetz, [41 ] die jeweils für die Dauer
von zwei Jahren finanziell von Landesseite gefördert werden. Soweit
thematisch erforderlich, sind sie verpflichtet, sich mit den Kommunalen
Gesundheitskonferenzen abzustimmen. Stellenweise werden auch intensivere
Formen der Zusammenarbeit gewählt, die von einer gemeinsamen
Geschäftsstelle über gemeinsame Plenumssitzungen bis hin zu
gemeinsam durchgeführten Projekten reichen.
Auf Landesebene werden die Aktivitäten der KGK im Ministerium
für Soziales, Gesundheit und Integration in Abteilung 7 –
Landesgesundheitsamt (LGA) zusammengeführt und koordiniert. Auf
Landesebene ist eine Landesgesundheitskonferenz (LGK) eingerichtet, die
ebenfalls im LGG gesetzlich verankert ist [42 ]. Sie findet jährlich unter Vorsitz des für
Gesundheit zuständigen Ministerin oder des zuständigen
Ministers statt und koordiniert und begleitet die Umsetzung des
Gesundheitsleitbildes Baden-Württemberg. Im
nichtöffentlichen Teil der LGK haben die Sprecherinnen und Sprecher
der KGK einen festen Sitz.
3.2 Gesundheitskonferenzen und -regionen auf Basis landesweiter
Förderprogramme
3.2.3 Niedersachsen: Gesundheitsregionen
In Niedersachsen werden nach Abschluss und Evaluation der Pilotphase
von 2011 bis 2013 (ehemals als „Zukunftsregionen
Gesundheit“) [14 ]
[43 ] bereits in einer vierten
Förderphase Gesundheitsregionen und -konferenzen gefördert.
Seit 2014 wurden im Rahmen des landesweiten Förderprogramms [44 ] in 38 von insgesamt 46 Landkreisen
und kreisfreien Städten diese kommunal verankerten Strukturen
aufgebaut, die sich in 30 Gesundheitsregionen bündeln. Meist unter
Federführung der Verwaltungsspitzen gestalten die beteiligten
Akteure ressortübergreifend und intersektoral Gesundheitsversorgung,
Gesundheitsförderung und Prävention. Auch pflegerelevante
Themen werden anlassbezogen und/oder im Zusammenwirken mit
Pflegekonferenzen bearbeitet. Initiator des landesweiten Programms ist das
Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit,
Gesundheit und Gleichstellung. Weitere Fördernde und damit
Mitglieder eines landesweit steuernden Lenkungsgremiums sind zudem die AOK
Niedersachsen, die Ersatzkassen, der BKK Landesverband Mitte und die IKK
classic sowie die Ärztekammer und die Kassenärztliche
Vereinigung Niedersachsen [45 ].
Teilnehmende Landkreise und kreisfreie Städte haben eine
Koordinierungsstelle sowie eine interdisziplinäre Steuerungsgruppe
eingerichtet, über Gesundheitskonferenzen eine Vernetzung der
Handelnden vor Ort forciert, Engagement in Arbeitsgruppen gebündelt
und Maßnahmen für verbesserte Vernetzungsstrukturen oder
eine optimierte Versorgungs- und Angebotslage initiiert. Auf Ebene der
Steuerungs- und Arbeitsgruppen werden zudem Bevölkerungs-, Bedarfs-
und Erreichbarkeitsanalysen erstellt, um die regionalen Bedarfslagen
adäquat adressieren zu können.
Über das Förderprogramm erhalten die Gesundheitsregionen ein
jährliches Budget für z. B. die Finanzierung von
Personalkosten, (fachbezogene) Gesundheitskonferenzen oder regionale
Maßnahmen. Außerdem können sie zu einem
jährlichen Stichtag für die Umsetzung umfänglicherer
innovativer Versorgungs- und/oder Kooperationsprojekte weitere
Fördermittel beantragen, die das o. g. Lenkungsgremium bereitstellt
[44 ]. Bislang wurden mehr als 40
Vorhaben bewilligt. Zahlreiche weitere Projekte wurden zudem über
andere Fördertöpfe (z. B. ESF-Multifondsprogramm
[46 ],
GKV-Präventionsmittel [47 ],
lokales Sponsoring und in Eigenregie der Gesundheitsregionen) umgesetzt.
Insgesamt wurden seit Bestehen der Gesundheitsregionen fast 200 Projekte und
Aktivitäten entwickelt.
Die Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für
Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e. V. (LVG & AFS)
übernimmt die landesweite Koordination und Prozessbegleitung und
unterstützt die Arbeit der Gesundheitsregionen vor Ort landesseitig
und projektübergreifend auch durch Zusammenarbeit z. B. mit
der KGC Niedersachsen und den Präventionsketten Niedersachsen [47 ].
3.2.1 Bayern: Gesundheitsregionenplus
In Bayern werden seit 2015
„Gesundheitsregionenplus “ auf Kreis- oder
Kreisregionenebene durch das Gesundheits- und Pflegeministerium (StMGP)
gefördert. Vorläufer waren u. a. die Modellprojekte
„Regionale Gesundheitskonferenzen“ und „Gesunde
Landkreise: Runde Tische zur Regionalen
Gesundheitsförderung“ sowie die im Schwerpunkt
gesundheitswirtschaftlich ausgerichteten
„Gesundheitsregionen“. Aktuell wird zur dauerhaften
Einrichtung eine Verstetigung und gesetzliche Verankerung im
Gesundheitsdienstgesetz angestrebt.
Unter Einbindung relevanter lokal Handelnder im Gesundheitswesen, aus Politik
und Verwaltung bestehen die Gesundheitsregionenplus aus einer
koordinierenden Geschäftsstelle, einem strategisch steuernden
Gesundheitsforum unter Vorsitz von Landrätin bzw. Landrat bzw.
Oberbürgermeisterin bzw. Oberbürgermeister und
themenbezogenen Arbeitsgruppen. Teils werden zusätzliche
Lenkungskreise eingesetzt. Institutionell verankert sind die
Geschäftsstellen in der Regel bei den unteren
Gesundheitsbehörden. Sie sind Anlaufstelle für alle
Mitglieder und koordinieren zwischen Gesundheitsforum und Arbeitsgruppen.
Mitglieder des Gesundheitsforums sind relevante Akteure der
Gesundheitsförderung und Prävention, Gesundheitsversorgung
und Pflege vor Ort. Oberste Zielsetzung der
Gesundheitsregionenplus ist, den Gesundheitszustand der
Bevölkerung entlang der regional erhobenen Bedarfe, gerade auch im
Hinblick auf die gesundheitliche Chancengleichheit, zu verbessern und die
gesundheitsbezogene Lebensqualität zu erhöhen. Die Regionen
widmen sich hierzu vorrangig den Handlungsfeldern
Gesundheitsförderung und Prävention, Gesundheitsversorgung
und Pflege.
Unterstützt werden sie dabei von einer im Bayerischen Landesamt
für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) eingerichteten
„Fachlichen Leitstelle
Gesundheitsregionenplus “.
3.2.2 Hessen: Gesundheits- und Präventionskonferenzen
Seit dem Jahr 2021 werden in Hessen durch das Hessische Ministerium
für Soziales und Integration Personalstellen zum Aufbau kommunaler
Gesundheitsstrategien auf Kreisebene gefördert [48 ]. Die Förderung der
Personalstellen „Gesundheitskoordination“ baut auf dem
Programm „Bildung regionaler Gesundheitsnetze“ aus dem Jahr
2019 auf. Ziel der Förderung ist es, eine regionale Gesamtstrategie
„Gesundheit“ aufzubauen. Die vom Land geförderten
„Gesundheitskoordinatorinnen“ und
„Gesundheitskoordinatoren“ fungieren als
Geschäftsstellen für „kommunale Gesundheits- und
Präventionskonferenzen“, welche unterschiedliche
gesundheitliche Versorgungsangebote auf Kreisebene sowie
Präventionsmaßnahmen koordinieren und miteinander vernetzen.
Im Fokus der fachübergreifend arbeitenden Stelle steht hierbei stets
die Umsetzung eines „Health in all policies“-Ansatzes, um
ein Denken von Gesundheit als Querschnittsthema in allen Politikfeldern zu
fördern und in den kommenden Jahren vergleichbare Strukturen in
allen ländlich strukturierten Räumen Hessens aufzubauen
[48 ].
In Hessen bestehen sechs regionale Gesundheitskonferenzen, die sich auf die
sechs Versorgungsregionen nach dem Hessischen Krankenhausgesetz beziehen, in
denen insbesondere sektorenübergreifende Themen diskutiert werden.
Darüber hinaus erfolgt ein jährlicher Austausch mit dem
Gemeinsamen Landesgremium nach § 90a SGB V sowie mit den auf Ebene
der Landkreise und kreisfreien Städte des Versorgungsgebiets
vorhandenen Gesundheitskonferenzen. Damit wird ein durchgehender
Kommunikationsfluss sichergestellt. Unter dem Dach der
Landesrahmenvereinbarung Prävention werden darüber hinaus
aktuell Überlegungen unter den Partnern getätigt, wie auf
Landesebene der „Health in all Policies“-Ansatz
verstärkt umgesetzt werden kann.
Die zentralen Ergebnisse zu gesetzlich verankerten Gesundheitskonferenzen
sowie Gesundheitskonferenzen und -regionen auf Basis landesweiter
Förderprogramme werden in den [Tab.
1 ]
[2 ]
[3 ] dargestellt. [Tab. 1 ] zeigt deren zentrale Merkmale
auf, wie etwa Förder- bzw. Rechtsgrundlagen, Ansiedelung der
Netzwerkkoordination und Gremienstruktur. [Tab. 2 ] stellt eine Auswahl der durch die Gesundheitskonferenzen
und -regionen bearbeiteten Themenschwerpunkte dar. In [Tab. 3 ] wiederum wird die Flankierung
und Unterstützung der Netzwerkstrukturen auf kommunaler Ebene durch
die Landesebene aufgeführt.
3.3 „Verwandte“ regionale Gesundheitsnetzwerke in weiteren
Bundesländern
3.3.1 Brandenburg
In Brandenburg wurden im Rahmen der GKV-Strukturförderung auf
kommunaler Ebene sieben Strukturaufbauprozesse angestoßen [49 ]. Bereits seit 2000 wurden zu Beginn
des Gesundheitszieleprozesses unter Moderation des Ministeriums für
Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz
Kooperationsstrukturen zur Bearbeitung der fünf definierten
Handlungsfelder aufgebaut. Diese beinhalten zumeist ein fachlich und
landespolitisch beratendes Plenum, einen Steuerkreis sowie Arbeitsgruppen.
Eine enge Verzahnung mit der Gesundheitsberichterstattung und Evaluation von
Maßnahmen und Strukturen anhand dieser wird befürwortet
[50 ].
3.3.2 Freie Hansestadt Bremen
In der Freien Hansestadt Bremen werden Koordinierungsstellen und
Ansprechpersonen in Schulen und Quartieren auf Initiative der senatorischen
Behörden und unter Beteiligung von Krankenkassen im Rahmen des
Präventionsgesetzes gefördert [51 ]
[52 ]. Inhaltlicher Fokus ist in beiden Projekten die
Förderung von Gesundheitskompetenz und der Ausbau von
Vernetzungsstrukturen in Bremen und Bremerhaven. Eine
ressortübergreifende Begleitung und Beratung erfolgt in beiden
Projekten durch einen Beirat bzw. ein Steuergremium. Die
Folgeförderung und Ausweitung des Projekts
Gesundheitsfachkräfte an Schulen übernahm ab Februar 2021
die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz allein.
Die Projektkoordination übernimmt die Landesvereinigung für
Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Nds. Bremen e. V.
gemeinsam mit dem Gesundheitsamt Bremen. Das Projekt
Gesundheitsfachkräfte im Quartier wird finanziert durch die
Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz und die
Koordination des Projekts liegt bei der LVG & AFS.
3.3.3 Mecklenburg-Vorpommern
In Mecklenburg-Vorpommern wurde 2008 das Aktionsbündnis
für Gesundheit auf Initiative des Gesundheitsministeriums
gegründet und 2016 als Gremium zur Gesundheitszieldefinition in die
Landesrahmenvereinbarung aufgenommen. Seit Übergabe der
Gesundheitsziele an den zuständigen Minister im September 2020
bereitet die Steuerungsgruppe des Aktionsbündnisses weitere Schritte
vor, die unter Einbeziehung der Mitglieder umgesetzt werden sollen.
Perspektivisch sollen die Gesundheitsziele allen Akteuren im Land als
Orientierung und Qualitätskriterium dienen. Die Arbeit des
Aktionsbündnisses und seiner Steuerungsgruppe wird durch Mitarbeiter
des zuständigen Ministeriums koordinierend
unterstützt. Mitglied im Netzwerk des
Aktionsbündnisses sind u. a. Öffentlicher
Gesundheitsdienst, kommunale Spitzenverbände, Leistungserbringer,
Sozialleistungsträger und Landesverbände.
3.3.4 Rheinland-Pfalz
Verschiedene Programme in Rheinland-Pfalz führen zu Engagement
und Strukturaufbau im Bundesland. Neben optionalen regionalen
Gesundheitskonferenzen [53 ] bieten
gesetzlich verankerte Pflegekonferenzen Möglichkeiten zur
verbesserten Versorgungssituation [54 ]. Das GKV-Bündnis fördert auch hier
landesspezifische Programme [55 ] sowie
Strukturen in drei Kreisen.
3.3.5 Saarland
Im Saarland setzt der Verein für Prävention und
Gesundheit (PuGiS e. V.) das Aktionsbündnis „Das
Saarland lebt gesund!“ auf der Landes- und kommunalen Ebene um. Es
wird anteilig durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und
Gesundheit sowie das sog. GKV-6 Bündnis finanziert. Zielstellungen
sind u. a. der landesweite Aufbau gesundheitsförderlicher
kommunaler Strukturen sowie die flächendeckende Etablierung und
Weiterentwicklung gesundheitsfördernder Maßnahmen. Alle
fünf saarländischen Landkreise und der Regionalverband
Saarbrücken sind Kooperationspartner. Von 52 saarländischen
Städten und Gemeinden sind aktuell 39 im Netzwerk aktiv. Auf
Landes-, Landkreis- aber auch auf Ebene der Städte und Gemeinden
existieren Lenkungskreise, die sich aus relevanten Partnern zusammensetzen.
Seit 2017 erfolgt im Saarland zudem die Umsetzung der
Landesrahmenvereinbarung. Jährlich tagt diesbezüglich eine
Landespräventionskonferenz und schreibt das sog. Eckpunktepapier
„Prävention“ fort. Weiterhin haben alle vier
antragsberechtigten Gebietskörperschaften einen Antrag auf
GKV-Strukturförderung gestellt [49 ], sind bewilligt worden und bringen sich inhaltlich in die
Arbeit der Lenkungskreise des Aktionsbündnisses von „Das
Saarland lebt gesund!“ ein.
3.3.6 Sachsen
In Sachsen wurden auf freiwilliger Basis in allen Landkreisen und
kreisfreien Städten regionale Arbeitsgemeinschaften für
Gesundheitsförderung (RAG) oder ähnliche
Arbeitsgemeinschaften mit unterschiedlichen Arbeitsstrukturen eingerichtet.
Größtenteils hat sich die Koordination und Organisation
durch das jeweilige Gesundheitsamt bei den RAG bewährt. Neben ihrer
Steuerungsfunktion setzen die RAG ihre abgestimmten Konzepte der kommunalen
Gesundheitsförderung um [56 ].
Die Umsetzung wird auf der Grundlage einer Förderrichtlinie des
Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und
Gesellschaftlichen Zusammenhalt gefördert [57 ]. Seit 2016 erfolgt in Sachsen die
Umsetzung der Landesrahmenvereinbarung (LRV). Im LRV-Strategiekonzept ist
die kommunale Ebene als Dachsetting strategisch mit inhaltlichen sowie
strukturellen Zielen und Maßnahmen, wie der Unterstützung,
Beratung und Qualifizierung beim Strukturaufbau zur kommunalen
Gesundheitsförderung, untersetzt. Vertretungen der Kommunalen
Spitzenverbände sind aktiv in die LRV-Arbeitsgruppen eingebunden
[58 ]
[59 ]. Von insgesamt zehn
antragsberechtigten Landkreisen und zwei antragsberechtigten kreisfreien
Städten erhalten derzeit drei dieser Gebietskörperschaften
eine Strukturförderung durch das GKV-Bündnis für
Gesundheit [49 ].
3.3.7 Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt sind Gesundheitsziele die Grundlage
gesundheitsförderlicher Regionalentwicklung: 1998 mit
Gesundheitsexperten entwickelt, 2003 im Auftrag des Gesundheitsministeriums
von der Landesvereinigung für Gesundheit modifiziert, orientieren
sich die Ziele seitdem an Prävention und
Gesundheitsförderung. Landesweit verfolgen Arbeitskreise aus
regionalen Akteuren eigenständig die Zielerreichung. Eine alle zwei
Jahre stattfindende Landesgesundheitskonferenz bündelt Erkenntnisse
und Erfahrungen und setzt neue Impulse. Parallel dazu entwickeln lokale,
regionale oder auf Landkreisebene agierende Akteure und kommunale
Entscheidungsträgerinnen und -träger vorrangig über
Projektansätze, Strukturen zur Steuerung und Umsetzung von
Gesundheitsthemen. Seit Verabschiedung des Präventionsgesetzes
finden sich zunehmend regionale Ansätze gesundheitszielspezifischer
Arbeit.
3.3.8 Schleswig-Holstein
Über partizipative Gesundheitsforen wurde in
Schleswig-Holstein der Gesundheitszieleprozess vertieft. Ressort-
und sektorenübergreifende Arbeitsgruppen unter Moderation des
Ministeriums für Justiz und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein
übernahmen die Umsetzung. Finanzmittel wurden landesseitig zur
Verfügung gestellt [60 ].
Außerdem werden vier Gebietskörperschaften im Rahmen der
GKV-Förderung durch die Landesvereinigung für Gesundheit
Schleswig-Holstein begleitet [49 ].
Hier befinden sich Gesundheitskonferenzen und runde Tische in intensiven
Planungsprozessen mit der lokalen Gesundheitsplanung. Dabei variieren die
Größe und Struktur der Sozialräume stark.
3.3.9 Thüringen
In Thüringen sollen zur Umsetzung eines der
Gesundheitsteilziele „Kommunale Netzwerkstrukturen“
ebensolche zum Thema Gesundheit etabliert und durch den ÖGD
koordiniert werden. Im Jahr 2004 wurde das Projekt „Runde Tische
Gesundheit“ ins Leben gerufen [61 ] und als „Netzwerke Gesunde Kommune“
weiterentwickelt und verstetigt. Die prozessbegleitende Koordinierungsstelle
für Gesundheitliche Chancengleichheit ist seit 2008 im
institutionellen Haushalt der Landesvereinigung für
Gesundheitsförderung Thüringen e. V. durch
Förderung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit,
Frauen und Familie verstetigt. Die Zielsetzung wurde im Strategiepapier der
Landesgesundheitskonferenz Thüringen von 2017 [62 ] sowie dem Beschluss 1/2018
ÖGD „Stärkung der kommunalen
Gesundheitsförderung in Thüringen“ bestärkt
[63 ]. Vielerorts bilden sich
Netzwerke im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention
mit heterogenen regionsspezifischen und
bedarfs-/bedürfnisorientierten Schwerpunkten [64 ]. Integrierte
ressortübergreifende Strategien sind dabei bei allen
Ansätzen konzeptionell verankert. Im Rahmen der
GKV-Strukturförderung wurden in Thüringen in sechs
Gebietskörperschaften Strukturaufbauprozesse angestoßen bzw.
mit bereits bestehenden Netzwerkaktivitäten zum Themenkomplex
Gesundheitsförderung und Prävention verknüpft.
3.3.10 Strukturen zum landesweiten Austausch
In Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen bestehen aktive Strukturen zum
landesweiten Austausch. So findet in Bremen der Austausch beispielsweise
über einen projektbezogenen und ressortübergreifenden
Projektbeirat und Steuerkreis sowie das Programm „Wohnen in
Nachbarschaft“ statt [65 ], in
Mecklenburg-Vorpommern über regelmäßige
Plenumssitzungen des Aktionsbündnisses Gesundheit [66 ]. In Rheinland-Pfalz tagen auf Basis
der Landesrahmenvereinbarung z. B. das
Landespräventionsnetzwerk Kommunale Gesundheitsförderung
sowie die Landespräventionskonferenz als übergeordnetes
Entscheidungsgremium [67 ]. In Sachsen
finden mindestens zwei Mal jährlich bei der Landesvereinigung
für Gesundheitsförderung Vernetzungstreffen mit Vertretungen
des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und der Regionalen
Arbeitsgemeinschaften für Gesundheitsförderung (RAG) statt
[68 ]. Alle zwei Jahre formuliert
wiederum in Sachsen-Anhalt die Landesgesundheitskonferenz auf Basis der
Gesundheitsberichterstattung des Landes entlang definierter Themen Ziele,
deren Umsetzung landesweit über Arbeitskreise und unter Einbindung
regionaler Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger
eigenständig erfolgt. Seit 2018 beruft das Ministerium für
Arbeit, Soziales und Integration außerdem ad hoc Runde Tische
für die Bearbeitung von Handlungsbedarfen ein. Und in
Thüringen besteht ein Angebot zur Teilnahme an den zweimal
jährlich stattfindenden Arbeitsgruppen „Kommunale
Gesundheitsförderung“ (für die Akteure der
Gesundheitsförderung Thüringens) sowie
„Interkommunaler Austausch“ (für begleitete
Modellkommunen) [69 ] .
Eine wichtige Aufgabe bei der Unterstützung von
Netzwerkaktivitäten auf kommunaler Ebene in den entsprechenden
Bundesländern nehmen auch die Landesvereinigungen für
Gesundheit und die von der GKV und den Ländern sowie der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
geförderten bzw. unterstützten Koordinierungsstellen
Gesundheitlicher Chancengleichheit auf Landesebene [70 ] wahr. Sie unterstützen die
Netzwerkarbeit vor Ort, dienen aber darüber hinaus als
Multiplikatoren und fördern den fachlichen Austausch und Transfer,
z. B. über die Weitergabe von Fachinformationen oder
über Veranstaltungen.
4. Diskussion
Obwohl von Landesseite geförderte bzw. landesseitig gesetzlich verankerte
Gesundheitskonferenzen und Gesundheitsregionen zum Teil bereits langjährig
bestehen, lag bisher kein detaillierter Überblick unter Mitwirkung der
einzelnen Bundesländer vor. Die vorliegende narrative
Übersichtsarbeit hat daher zum Ziel, den Stand von Gesundheitskonferenzen
und -regionen als Instrument regionaler Planung und Steuerung im Gesundheitswesen
zu
erfassen sowie zu diskutieren.
Gesundheitskonferenzen und -regionen können – so zeigt sich –
einen wichtigen Beitrag zur zukunftsfähigen Weiterentwicklung des
Gesundheitswesens leisten, indem sie tragfähige Netzwerkstrukturen unter
Einbindung vor Ort relevanter Akteure und Berufsgruppen etablieren und so auf mehr
Kooperation und Netzwerkbildung im regionalen Gesundheitswesen hinwirken. Ihr
Alleinstellungsmerkmal liegt dabei darin, dass durch die im Rahmen von
Gesundheitskonferenzen und -regionen ablaufenden Planungs- und Steuerungsprozesse
die häufig unverbundenen, nebeneinander bestehenden regionalspezifischen
Vorsorge- und Versorgungsstrukturen im medizinischen und pflegerischen Bereich sowie
im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention im Sinne eines
regionalen Gesamtansatzes weitentwickelt werden. Gesundheitskonferenzen und
-regionen können damit als „Dach“ gesundheitsbezogener
Aktivitäten fungieren. Dabei geht es beim Aufbau entsprechender
Netzwerkstrukturen nicht um den Ersatz bestehender Ansätze im Sinne
konkurrierender Netzwerkarbeit, sondern um eine Zusammenführung und
Koordination sowie die Überwindung bestehender Schnittstellenverluste an
Sektoren- und Ressortgrenzen. Eine zentrale Rolle in diesem Prozess nimmt die Kreis-
(Flächenländer) bzw. Bezirksebene (Stadtstaaten) als Dachsetting
ein, indem sie Gesundheitskonferenzen oder -regionen amtsübergreifend [71 ] initiiert und in fachlicher Anbindung an
den Öffentlichen Gesundheitsdienst moderiert bzw. umsetzt.
Gesundheitsämter „[…] besitzen den Zugang zu und die
Kompetenz zur anwendungsorientierten Aufbereitung der Gesundheitsdaten der
örtlichen Bevölkerung. Sie sind in die Strukturen vor Ort mit einer
Art „Drehscheibenfunktion“ für viele kommunale Dienste
eingebunden und pflegen vielfache Arbeitsbeziehungen zu anderen kommunalen
Behörden wie dem Schul-, Sozial- oder Jugendamt [und nicht zuletzt
verfügen Sie…] über Zugangsmöglichkeiten zu den
verschiedenen, auch vulnerablen Zielgruppen und Lebenswelten vor Ort (v. a.
Kindertagestätten, Schulen, Alten- und Pflegeheimen, Wohnbezirken, Stadt-
oder Gemeindeteile)“ [72 ]. Der Beirat
zur Beratung zukunftsfähiger Strukturen im Öffentlichen
Gesundheitsdienst in Umsetzung des Paktes für den Öffentlichen
Gesundheitsdienst führt aus: „Es bedarf auch auf kommunaler Ebene
fester, flächendeckender Leit- und Koordinierungsstellen. Dies
ermöglicht eine fächerübergreifende Zusammenarbeit mit
staatlichen Partnern und Organisationen der Zivilgesellschaft. Diese Kooperationen
müssen nachhaltig und belastbar angelegt sein, um in Krisensituationen
kurzfristig darauf zurückgreifen zu können. Beispiele sind regionale
Gesundheitskonferenzen und die Gesundheitsregionenplus “ [73,
S.13]. Entsprechende Netzwerke unterstützen die kommunale Ebene dabei, sich
für die Weiterentwicklung der Strukturen im Sinne kommunaler Daseinsvorsorge
verantwortlich zu zeigen.
Es zeigt sich, dass Gesundheitskonferenzen, Gesundheitsregionen und verwandte
regionale Gesundheitsnetze in einer Vielzahl der Landkreise und kreisfreien
Städte bzw. auf Bezirksebene in Stadtstaaten in allen deutschen
Bundesländern zu finden sind (vgl. [Abb.
1 ]) [10 ]. Die Einrichtung von
Gesundheitskonferenzen und -regionen basiert dabei aktuell sowohl auf entsprechenden
Rechtsgrundlagen der Länder als auch auf landesweiten
Förderprogrammen. Durch verbindliche Rechtsgrundlagen wurden
Gesundheitskonferenzen in Nordrhein-Westfalen, der Freien und Hansestadt Hamburg,
dem Land Berlin und Baden-Württemberg dauerhaft und flächendeckend
auf Kreis- bzw. Bezirksebene eingerichtet. In den Bundesländern Bayern,
Niedersachsen und Hessen basieren sie auf Förderprogrammen mit begrenzter
Laufzeit. Bayern strebt eine gesetzliche Verstetigung der
Gesundheitsregionenplus an [74 ]. Deren Einrichtung soll nach den aktuellen Überlegungen eine
Dienstaufgabe der Gesundheitsämter werden. Darüber hinaus haben
bundesweit einzelne Landkreise, kreisfreie Städte bzw. Stadtbezirke
verwandte Netzwerkstrukturen, zum Beispiel mithilfe der
GKV-Strukturförderung [49 ], aufgebaut.
Die Analyse der vorab genannten Strukturen ergab deutliche Unterschiede im Hinblick
auf die erreichte Flächendeckung mit Gesundheitskonferenzen und
Gesundheitsregionen. Die Einführung auf Basis verbindlicher Rechtsgrundlagen
geht dabei mit einer Flächendeckung in den entsprechenden
Bundesländern einher. Eine gesetzliche Verankerung von
Gesundheitskonferenzen und -regionen als Pflichtaufgabe wirkt zudem darauf hin, dass
auch finanzschwächere Kreise (Flächenländer) bzw. Bezirke
(Stadtstaaten), oder solche unter Haushaltsaufsicht tätig werden
können und dass die Aufgabenwahrnehmung erheblich unabhängiger von
zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln auf Landesebene erfolgen kann.
Keine Flächendeckung verzeichnen die Bundesländer mit landesweitem
Förderprogramm, wenngleich mittlerweile ebenfalls hohe Beteiligungsquoten
erreicht werden konnten (etwa 80%, vgl. [Tab. 1 ]). Diese sind Hinweis darauf, dass auf kommunaler Ebene teilweise
eine hohe Motivation zur Einrichtung entsprechender Strukturen besteht –
unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Pflichtaufgabe oder freiwilliges
Engagement handelt. In den Bundesländern mit verwandten Ansätzen
besteht bislang keine so hohe Flächendeckung. Im Allgemeinen zeigt sich,
dass Förderrichtlinien mit begrenzter Laufzeit geringere Perspektiven
für eine Verstetigung entsprechender Strukturen mit sich bringen,
Fluktuation z. B. bei den Personalstellen der Netzwerkkoordination
begünstigen können und als ein tendenziell hemmender Faktor
für eine stabile und dauerhafte Netzwerkarbeit eingeschätzt werden
[75 ].
Die Ausgestaltung der Gesundheitskonferenzen und -regionen unterscheidet sich
zwischen den Bundesländern sowie auch zwischen den Kreise
(Flächenländer) bzw. Bezirke (Stadtstaaten) innerhalb eines
Bundeslandes zum Teil erheblich (vgl. [Tab.
1 ]). Zu den gemeinsamen Kennzeichen zählt eine regionale
Netzwerkkoordination, die über gesetzliche Regelungen bzw. über
Förderungen von Landesseite als Vollzeit bzw.- Teilzeitstelle zumeist am
öffentlichen Gesundheitsdienst eingerichtet wird. In den diskutierten
verwandten regionalen Gesundheitsnetzwerken fehlt demgegenüber
häufig eine entsprechende Personal- bzw. Geschäftsstelle auf
operativer Ebene bzw. deren Förderung/Gegenfinanzierung. Die durch
die Förderprogramme und gesetzlichen Grundlagen der Länder
definierten übergeordneten Aufgaben sind vielfältig und reichen von
der Erhebung gesundheitlicher Bedarfe in der Bevölkerung sowie der
vorhandenen regionalen Strukturen der Gesundheitsversorgung und Vorsorge,
über den Aufbau von Netzwerkstrukturen zur verbesserten Koordination und
Kooperation der regionalen Akteure bzw. Einrichtungen, bis hin zur Erarbeitung von
Konzepten und Beschlussfassungen zur strategischen Weiterentwicklung der regionalen
Gesundheitsversorgung und Vorsorge einschließlich der Festlegung
prioritärer Handlungsfelder, Zielgruppen und Settings sowie
schließlich der Konzeption bedarfsbezogener Maßnahmen und
Kooperationsprojekte und deren Umsetzung (vgl. [Tab. 1 ]). Nicht zuletzt widmen sich Gesundheitskonferenzen und
Gesundheitsregionen dem Aufbau einer Öffentlichkeitsarbeit zur
Bekanntmachung des Netzwerks und der gesundheitsbezogenen Kommunikation mit der
Bevölkerung.
Die Arbeit spielt sich innerhalb der regionalspezifisch organisierten Netzwerk- und
Gremienstrukturen ab, welche zumeist aus einem Hauptgremium (z. B.
Gesundheitskonferenz, Plenum, Gesundheitsforum) mit daran angegliederten
Arbeitsgruppen sowie teils aus zusätzlichen Lenkungs- oder Steuerungskreisen
bestehen. Es zeigt sich zudem eine Anbindung der Gesundheitskonferenzen und
-regionen an die Kommunalpolitik, etwa indem Landrätinnen oder
Landräte bzw. Oberbürgermeisterinnen oder Oberbürgermeister
bzw. die für Gesundheit zuständige Stadträtinnen oder
Stadträte den Vorsitz innehaben. Nicht zuletzt ist zentrales gemeinsames
Merkmal aller Gesundheitskonferenzen und Gesundheitsregionen das Konsensprinzip,
nach welchem die strategische und inhaltliche Ausrichtung des Netzwerks in
gemeinsamer Abstimmung unter den beteiligten Akteuren und Einrichtungen festgelegt
wird [12 ]. Das Konsensprinzip erhöht
die Akzeptanz getroffener Entscheidungen bei den Akteuren. Gleichzeitig beinhaltet
es insbesondere bei strittigen Fragestellungen die Gefahr, einen Konsens nur im
Sinne des „kleinsten gemeinsamen Nenners“ zu finden. In jenem Fall
können Steuerungswirkung, aber auch Innovationskraft, nur in geringerem
Ausmaß entfaltet werden. Durch unterschiedliche Meinungen, Perspektiven und
Zuständigkeiten kann die Bindungswirkung von Gesundheitskonferenzen und
-regionen folglich eingeschränkt sein.
Entsprechend ihres regionalbezogenen Ansatzes bearbeiten die Gesundheitskonferenzen
und -regionen ein breites Themenspektrum mit dem Ziel, Schnittstellen und Synergien
zu nutzen sowie bedarfsbezogen bestehenden Herausforderungen im regionalen
Gesundheitswesen zu begegnen. Wie [Tab. 2 ]
aufzeigt, wird ein breites Spektrum an Zielgruppen, Settings und gesundheitlichen
Problemlagen sowie Bedarfe in den Blick genommen. In der
Gesundheitsförderung und Prävention stehen neben Themen der
Ernährungs- und Bewegungsförderung die sozialraum- bzw.
soziallagenorientierte Gesundheitsförderung bei vulnerablen
Bevölkerungsgruppen, die Förderung der psychischen Gesundheit,
Angebote der Kinder- und Jugendgesundheit (gesundes Aufwachsen) sowie der Gesundheit
von Seniorinnen und Senioren (gesundes Älterwerden) im Vordergrund.
Querschnittsthemen bilden beispielsweise die Förderung der
Gesundheitskompetenz und der Aufbau integrierter kommunaler Strategien bzw.
Präventionsketten. Im Themenfeld Gesundheitsversorgung bildet neben der
ambulanten haus- und fachärztlichen sowie der sektorenübergreifenden
Versorgung, der Hebammenversorgung, der psychotherapeutischen Versorgung und der
Versorgung in Bezug auf weitere relevante Gesundheitsberufe insbesondere die
Entwicklung innovativer, sektorenübergreifender oder integrierte
Versorgungsansätze und die Erarbeitung von Konzepten zur Nachwuchsgewinnung
in den Gesundheitsberufen einen Schwerpunkt. Im Bereich Pflege steht neben der
allgemeinen Sicherung der pflegerischen Versorgung etwa durch Konzepte zur
Erhöhung der Attraktivität des Berufs und der Nachwuchsgewinnung,
die generalistische Pflegeausbildung, die Einführung von Pflegekonferenzen
sowie die Hospiz- und Palliativversorgung im Fokus. Kennzeichnend ist, dass sich
Gesundheitskonferenzen und -regionen vorrangig nicht nur einem der Bereiche
Prävention und Gesundheitsförderung, Gesundheitsversorgung und
Pflege widmen, sondern das Zusammenwirken der unterschiedlichen Berufsgruppen der
gesundheitlichen Vorsorge und Versorgung übergreifend im Sinne eines
„Gesamtansatzes“ [12 ] in den
Blick nehmen. So werden beispielsweise unter dem Dach von Gesundheitskonferenzen und
-regionen Pflegekonferenzen durchgeführt [vgl. [76 ], gesundheitlichen Folgen des Klimawandels
etwa durch die Erarbeitung von Hitzeaktionsaktionsplänen begegnet oder auch
Bürgerbeteiligungsverfahren gestärkt. Der strategischen Festlegung
der bearbeiteten Themen geht im Regelfall eine strukturierte Erfassung von
regionalen Bedarfen und Strukturen unter Einbindung relevanter Akteure voraus.
Die Bundesländer leisten häufig einen wichtigen Beitrag zur
Unterstützung bei der Bearbeitung der vielfältigen Themen im Rahmen
der Qualitätsentwicklung und -sicherung insb. durch fachliche
Unterstützungsleistungen für die Gesundheitskonferenzen und
-regionen im Rahmen landesseitig eingerichteter Fachstellen oder Ansprechpartner
(vgl. [Tab. 3 ]). Die
Unterstützungsleistungen reichen dabei von Schulungen und Fortbildungen der
regionalen Netzwerkkoordinationskräfte über Veranstaltungen zum
Erfahrungsaustausch unter den Gesundheitskonferenzen und -regionen bis hin zu
fachlicher Einzelberatung zu Themen des Netzwerkaufbaus, dem Einwerben von
Fördermitteln oder zu Fachthemen wie der ärztlichen Versorgung und
der Bereitstellung von themenbezogenen Handlungsleitfäden zum praktischen
Vorgehen. Insbesondere die Förderung des Wissenstransfers spielt beim Aufbau
von Gesundheitskonferenzen und -regionen eine wichtige Rolle im Hinblick auf
Möglichkeiten der Übertragung von „good practice“,
da Gesundheitskonferenzen und -regionen oftmals vergleichbare Herausforderungen und
Problemlagen bearbeiten und somit Lösungswege entlang der
regionalspezifischen Strukturen häufig „nur noch“ angepasst
werden müssen. Landesseitig kann zudem die Außendarstellung von
Gesundheitskonferenzen und -regionen durch eine gemeinsame
Öffentlichkeitsarbeit gestärkt werden. Nicht zuletzt bieten sich
durch Netzwerkstrukturen auf kommunaler Ebene wie Gesundheitskonferenzen und
-regionen ideale Möglichkeiten, relevante Gesundheitsthemen oder Kampagnen
wie etwa zur Corona-Schutzimpfung von der Landes- auf die kommunale Ebene zu
disseminieren. Durch Kenntnis über regionale Besonderheiten können
durch Gesundheitskonferenzen und -regionen Gruppen zielgerichteter und zielsicherer
angesprochen werden. Auch können beispielsweise landesseitig
Projektförderungen für die entsprechenden Netzwerke erschlossen bzw.
zur Verfügung gestellt werden. Das vorhandene regionale Wissen der
Gesundheitskonferenzen und -regionen kann zudem Einfluss auf die
Landesgesundheitspolitik nehmen, etwa indem sie an den in vielen
Bundesländern eingerichteten Landesgesundheitskonferenzen mitwirken oder aus
der Arbeit der Gesundheitsregionen bzw. -konferenzen Empfehlungen erarbeitet und an
die Landesebene kommuniziert.
Gesundheitskonferenzen und -regionen – so lässt sich zusammenfassend
auf Basis bisheriger Ergebnisse bestehender Netzwerkstrukturen konstatieren
– bieten vielfältige Chancen für die bedarfsgerechte
Weiterentwicklung von kommunaler Planung und Steuerung im Gesundheitswesen.
Gesundheitsregionen und -konferenzen können einen wichtigen Beitrag leisten,
um zentrale Herausforderungen im Gesundheitswesen vor dem Hintergrund der
demographischen Entwicklung erfolgreich begegnen zu können. So erfordern
z. B. die Sicherung und Weiterentwicklung der wohnortnahen medizinischen und
pflegerischen Versorgung – wie eingangs ausgeführt –
u. a. eine Weiterentwicklung sektoren- und
berufsgruppenübergreifender Ansätze und Synergien vor Ort. Zum
anderen bieten Gesundheitskonferenzen und -regionen eine geeignete Plattform, um
gesundheitsförderliche Strukturen auf kommunaler Ebene, z. B.
über Präventionsketten [77 ]
nachhaltig zu verankern und zu koordinieren. Aber auch in Krisensituationen bieten
bestehende Netzwerkstrukturen ideale Möglichkeiten, um in kurzer
Reaktionszeit Abstimmungen zwischen relevanten Akteuren realisieren und konzertiert
agieren zu können [vgl. 73] – wie sich zuletzt in der
Corona-Pandemie gezeigt hat [19 ].
Aus den dargestellten Ergebnissen ergeben sich unter Einbezug der
Evaluationsergebnisse zu Gesundheitskonferenzen und -regionen aus den
Bundesländern [14 ]
[15 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ]
eine Reihe von Ansatzpunkten zu den benötigten Rahmenbedingungen bei der
Einrichtung von Gesundheitskonferenzen und -regionen:
Zum einen erscheint es unstrittig, dass zum Strukturaufbau im Rahmen von
Gesundheitskonferenzen und -regionen eine regionale
Netzwerkkoordination für das Management des Netzwerks
benötigt wird, welche dauerhaft über eine angemessene
personelle Ausstattung verfügt, um u. a. einen
Überblick über lokale Bedarfe und Strukturen im Rahmen des
Netzwerkaufbaus zu erarbeiten und den darauffolgenden Prozess der
Erarbeitung von Lösungswegen in den Gremien der
Gesundheitskonferenzen und -regionen zu moderieren und bei der Initiierung
von Maßnahmen und Projekten zu unterstützten.
Es ist hilfreich, wenn die regionale Netzwerkkoordination neben den
überfachlichen Aufgaben wie z. B. Moderation,
Koordination und Öffentlichkeitsarbeit auch bei der
Facharbeit in den Bereichen Gesundheitsversorgung
einschließlich Pflege sowie Gesundheitsförderung und
Prävention mitwirkt [78 ].
Eine Anbindung der regionalen Netzwerkkoordinationsstelle an
den Öffentlichen Gesundheitsdienst erscheint insgesamt
zielführend – nicht nur zur fachlichen
Unterstützung, sondern auch aufgrund der Wahrnehmung der
Gesundheitsämter als neutrale Stelle ohne Partikularinteressen.
Entsprechende Aufgaben der Vernetzung, Steuerung und Koordination werden
zudem im Leitbild für einen modernen Öffentlichen
Gesundheitsdienst, welches 2018 durch die Gesundheitsministerkonferenz
einstimmig begrüßt wurde, zu den Kernaufgaben des
Öffentlichen Gesundheitsdienstes gezählt [7 ]
[73 ]. Hierfür ist – wie für andere
Aufgabenbereiche auch [vgl. 71] – auf eine adäquate
Ausstattung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zu achten. Ohne
entsprechende personelle Ressourcen kann den Aufgaben der Vernetzung,
Steuerung und Koordination nicht adäquat entsprochen werden.
Zudem binden erfolgreiche Gesundheitskonferenzen und -regionen neben
den regionalen Akteuren des Gesundheitswesens u. a. auch
lokalpolitische Akteure und die Kommunalverwaltungen ein. Die
öffentliche Wahrnehmung von Gesundheitskonferenzen und -regionen
sowie die Bindungswirkung ihrer Entschlüsse profitiert insgesamt
erheblich vom politischen Rückhalt z. B. durch
Übernahme des Vorsitzes. Die Einbindung der Kommunalpolitik kann
zudem einen Beitrag zur Umsetzung des „Health in all
policies“-Gedanken leisten.
Nicht zuletzt deuten entsprechende Dokumentationen der Ergebnisse und
Evaluationsergebnisse der Bundesländer darauf hin, dass neben der
dauerhaften Finanzierung von Personal- und Sachmitteln
für regionale Netzwerkkoordinationsstellen die zusätzliche
Bereitstellung kommunaler oder landesseitiger
Projektfinanzierungen die Entwicklung von Gesundheitskonferenzen
und -regionen positiv beeinflussen kann, etwa um Kooperationsprojekte zu
etablieren. Aktuell erfolgt die Finanzierung von Kooperationsprojekten der
Gesundheitskonferenzen und -regionen primär aus GKV-Mitteln, welche
jedoch schwerpunktmäßig auf den Bereich
Gesundheitsförderung und Prävention abzielen [79 ]. In den Bereichen
Gesundheitsversorgung und Pflege bestehen vergleichsweise weniger
Finanzierungsmöglichkeiten für regionale
Kooperationsprojekte.
Weitere praktische Empfehlungen zum Aufbau von Gesundheitskonferenzen und -regionen
einschließlich Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und
-sicherung finden sich in Praxisleitfäden einzelner Bundesländer
[45 ]
[80 ]
[81 ].
Um die Aufgabe dauerhaft innerhalb der Strukturen des Öffentlichen
Gesundheitsdienstes zu etablieren, wird aus Public Health-Sicht empfohlen:
Eine gesetzliche Verankerung sowie eine ausreichende personelle und sachliche
Ausstattung sowie eine klare Aufgabenbeschreibung der Gesundheitskonferenzen
und regionen ist anzustreben. Insbesondere an einer angemessenen personellen
und sachlichen Ausstattung zur Wahrnehmung der Aufgaben des ÖGD
mangelt es aktuell [82 ]. Allerdings
können die notwendigen Ressourcen für Vernetzungsaufgaben im
Rahmen von Gesundheitskonferenzen und -regionen aktuell nur schwerlich
beziffert werden. Es mangelt an einer transparenten Aufstellung. Im
vorliegenden Beitrag wurden lediglich die Förderprogramme
näher betrachtet und die Höhe der Fördersummen
ermittelt. Da es sich um Anteilsfinanzierungen handelt, blieben die
tatsächlich eingesetzten Mittel bzw. Vollkosten unklar. Deshalb
können die hier ausgewiesenen Summen bestenfalls als erste
Orientierungsgröße dienen. Unter Berücksichtigung
der jeweiligen landesspezifischen Besonderheiten (z. B.
Finanzausgleich zwischen Land und kommunaler Ebene), aber auch weiterer
Faktoren (z. B. Aufgaben, Einwohnerzahlen, Mitversorgungseffekte)
sind für eine aussagekräftigere Abschätzung des
notwendigen Kostenrahmens weitere Arbeiten notwendig.
Außerdem sollten die Ergebnisse der Arbeit von Gesundheitskonferenzen
und -regionen im Sinne der Qualitätssicherung und -entwicklung
obligatorisch dokumentiert und regelmäßig evaluiert werden,
um Erfolgsfaktoren und Barrieren zu identifizieren und Empfehlungen
für die Weiterentwicklung abzuleiten.
Vertiefender Forschungsbedarf besteht zudem u. a. in der
Herausarbeitung von Motivlagen der Mitwirkenden in Gesundheitskonferenzen
und -regionen sowie dem Beteiligungs- und Entscheidungsverhalten regionaler
Akteure im Rahmen von Gesundheitskonferenzen und -regionen. Dabei
wäre auch zu analysieren, in welchem Spannungsverhältnis
u. a. Steuerung und Innovationskraft zum aktuell etablierten
Konsensprinzip bei Entscheidungen stehen. Denn aktuell ist die Frage,
wieviel Steuerung wirklich möglich ist, nicht abschließend
beantwortet. In der Umsetzung des Leitbilds für einen modernen
Öffentlichen Gesundheitsdienst werden in Bezug auf
Steuerungsfunktionen des ÖGD über Gesundheitskonferenzen und
-regionen notwendigerweise auch Kompetenzfragen zu klären sein.
Schließlich ist zu empfehlen, in einen regelmäßigen
Fachaustausch zu Gesundheitsregionen und -konferenzen zwischen den
Bundesländern einzutreten, bzw. diesen zu intensivieren. Der
vorliegende Überblick kann hierfür eine erste Grundlage
bilden.