Rofo 2023; 195(11): 1001-1008
DOI: 10.1055/a-2088-9543
Review

PSMA-Hybridbildgebung in der Diagnostik des Prostatakarzinoms – aktuelle Anwendungen und Perspektiven

Article in several languages: English | deutsch
1   Department of Diagnostic and Interventional Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
,
2   Department of Nuclear Medicine, University Hospital Essen, Germany
,
Farzad Shenas
1   Department of Diagnostic and Interventional Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
,
Amir Karimzadeh
1   Department of Diagnostic and Interventional Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
,
Ivayla Apostolova
1   Department of Diagnostic and Interventional Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
,
Susanne Klutmann
1   Department of Diagnostic and Interventional Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
,
Gerhard Adam
1   Department of Diagnostic and Interventional Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
,
1   Department of Diagnostic and Interventional Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Das Prostatakarzinom (PCa) ist das häufigste Malignom des Mannes und die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache der männlichen Bevölkerung in Deutschland. Die Bildgebung des prostataspezifischen Membranantigens (PSMA) mittels Hybridverfahren wie der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) in Kombination mit der CT oder MRT stellt eine vergleichsweise neue Methode dar, die in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung in der Diagnostik des PCa gewonnen hat.

Methode Aktuelle Anwendungen der PSMA-Hybridbildgebung wurden basierend auf den deutschen und europäischen Leitlinien zum Thema Prostatakarzinom erörtert und um neue Entwicklungen basierend auf einer Literaturrecherche in PubMed aus 10/22 ergänzt.

Ergebnisse Die PSMA-PET/CT weist sowohl im Primärstaging von Hochrisikoprostatakarzinomen als auch beim Rezidiv nach Primärtherapie höhere Detektionsraten von Metastasen als die etablierten Methoden (CT, MRT und Skelettszintigrafie) auf. Trotz vielversprechender Ergebnisse prospektiver Studien in beiden Szenarien und dem deutlichen Einfluss der PSMA-PET auf Therapieentscheidungen liegen aktuell noch keine Analysen bezüglich ihres Einflusses auf das PCa-spezifische Überleben und das Gesamtüberleben vor. Daher wird in den meisten Situationen eine „kann“-Empfehlung für die PSMA-PET/CT ausgesprochen. Neue Behandlungsstrategien wie die metastasengerichtete Therapie oder die PSMA-Radioligandentherapie erweitern jedoch bereits jetzt schon den Einsatzbereich der PSMA-PET und verankern sie weiter im klinischen Alltag.

Schlussfolgerung Die PSMA-Hybridbildgebung stellt in verschiedenen Stadien des PCa die sensitivste Staging-Methode dar und ermöglicht damit die Entwicklung neuer Behandlungskonzepte. Prospektive Analysen sind jedoch notwendig, um ihren Einfluss auf das Patientenüberleben zu evaluieren.

Kernaussagen

  • Die PSMA-PET/CT ist der konventionellen Bildgebung beim Staging von Hochrisikoprostatakarzinomen überlegen.

  • Im biochemischen Rezidiv kann die PSMA-Hybridbildgebung bereits bei niedrigen PSA-Werten Filiae erkennen.

  • Therapieentscheidungen werden häufig durch Erkenntnisse aus der PSMA-PET/CT beeinflusst.

Zitierweise

  • Koehler D, Berliner C, Shenas F et al. PSMA hybrid imaging in prostate cancer – current applications and perspectives. Fortschr Röntgenstr 2023; 195: 1001 – 1008


Einleitung

Das Prostatakarzinom (PCa) ist der häufigste maligne Tumor des Mannes [1]. Die damit verbundene Mortalität sank in den letzten Jahrzenten progredient ab und liegt niedriger als bei vielen anderen Malignomen [2]. Trotz dieser positiven Entwicklung verbleibt das PCa die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache der männlichen Bevölkerung in Deutschland [1]. Um das Überleben und die Lebensqualität der Patienten weiter zu verbessern, ist eine möglichst genaue Erfassung des Krankheitsgeschehens von großer Bedeutung. Die Darstellung des prostataspezifischen Membranantigens (PSMA) hat hierfür in den letzten Jahren einen immer bedeutenderen Stellenwert eingenommen. PSMA (Synonym: Glutamatcarboxypeptidase II) ist ein Transmembranprotein, das 1987 erstmals auf Prostatakrebszellen nachgewiesen wurde [3]. Seine Funktion in der Prostata und dem PCa ist noch nicht vollständig verstanden. Allerdings weisen bisherige Erkenntnisse auf eine Rolle in der Aufnahme von Folsäure hin, was einen Vorteil in der DNA-Synthese bedeuten kann [4]. PSMA stellt eine besonders günstige Zielstruktur für die molekulare Bildgebung und Therapie dar, da es von PCa im Vergleich zu normalem Prostatagewebe meist deutlich überexprimiert wird und seine Ausbildung mit dem Tumorgrad (Gleason Score) korreliert [5] [6]. Allerdings bilden neben der Prostata auch weitere Gewebe wie die Speicheldrüsen, der Dünndarm, die Nieren und Teile des Nervensystems PSMA [7] [8] ([Abb. 1a, b]). Ebenso kommt es in den Endothelien neu gebildeter Blutgefäße anderer solider Tumoren vor und kann bei reaktiven Prozessen exprimiert werden [8] [9] ([Abb. 1c, d]). Diese unspezifischen Anreicherungen können in Fällen mit ansonsten kurativem Behandlungskonzept zu einem diagnostischen Dilemma führen. Für die korrekte Interpretation der PSMA-Bildgebung, z. B. mittels Positronen-Emissions-Tomografie (PET), ist daher die Kombination mit einer weiteren Schnittbilddiagnostik (CT oder MRT) zur Evaluation morphologischer Charakteristika im Sinne eines Hybridverfahrens unabdingbar [10] [11].

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Abb. 1 CT des Abdomens mit Kontrastmittel in portalvenöser Phase a und Fusionsbild einer [18F]PSMA-1007 PET/CT b mit moderater PSMA-Expression eines Ganglion coeliacum (Pfeil). CT des Thorax mit Kontrastmittel in portalvenöser Phase c und Fusionsbild einer [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET/CT d mit geringer PSMA-Expression einer Rippenfraktur (Pfeil).

Zur Darstellung von PSMA werden vor allem niedermolekulare PSMA-Inhibitoren verwendet. Sie zeichnen sich durch eine gute Bindung mit folgender Internalisierung sowie eine günstige Ausscheidungsdynamik aus [12]. Die erste dieser Substanzen, die in der klinischen Routine eingesetzt wurde, war [68Ga]Ga-HBED-CC (entspr. [68Ga]Ga-PSMA-11) [13]. In den letzten Jahren konnten noch weitere PSMA-Liganden etabliert werden [12] [14]. Diese unterscheiden sich u. a. in ihren Exkretionswegen, wobei eine nierendominante von einer leberdominanten Ausscheidung differenziert wird ([Abb. 2]). Bei der renalen Exkretion kann die Aktivität des Radiopharmakons in den ableitenden Harnwegen zu falsch positiven Befunden oder zur Maskierung angrenzender Tumormanifestationen führen. Um den Einfluss der Urinausscheidung zu minimieren, wurden verschiedene Ansätze in der PET-Akquisition verfolgt. So können sehr frühe Aufnahmen innerhalb der ersten Minuten nach Applikation PSMA-positive Läsionen visualisieren, bevor die Urinaktivität ein relevanter Faktor wird [15]. Die Gabe von Diuretika sowie der Einsatz einer zusätzlichen Spätphase sind weitere Möglichkeiten, um den Einfluss von Urinartefakten zu minimieren [16]. Demgegenüber stehen neuere Radioliganden, die nur eine geringe Aktivität in den ableitenden Harnwegen nach den empfohlenen uptake-Zeiten aufweisen [14] [17]. Hierdurch sind PSMA-positive Läsionen, die nahe an Harnblase oder Ureter liegen (Lokalrezidive oder lokoregionäre Lymphknotenmetastasen), leichter zu identifizieren [18]. Allerdings kommt es bei 18F-gekoppelten Radioliganden, zu denen auch das primär hepatisch ausgeschiedene [18F]PSMA-1007 zählt, häufiger zu unspezifischen Anreicherungen in nichtmalignen Strukturen wie Ganglien, Lymphknoten oder Knochen, was zu falsch positiven Befunden führen kann [19]. Bei allen Vor- und Nachteilen der verschiedenen Liganden bleibt jedoch zu sagen, dass aktuelle Analysen bisher keine signifikanten Unterschiede in den Detektionsraten zwischen verschiedenen Substanzen, unabhängig ihres gekoppelten Radionuklids oder ihres Ausscheidungsweges, zeigen konnten [19] [20].

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Abb. 2 Maximumintensitätsprojektionen (MIP) einer [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET a sowie einer [18F]PSMA-1007 PET b desselben Patienten im Verlauf von 11 Monaten. a zeigt die vornehmlich renale Ausscheidung von [68Ga]Ga-PSMA-I&T mit deutlicher Aktivität in den ableitenden Harnwegen und geringer Aufnahme in der Leber. b zeigt die vornehmlich hepatische Ausscheidung von [18F]PSMA-1007 mit geringer Aktivität in den ableitenden Harnwegen und hoher Aufnahme in der Leber.

Die Indikationen der PSMA-Hybridbildgebung sind vielfältig und entwickeln sich parallel zu neuen therapeutischen Möglichkeiten immer weiter. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, die aktuellen Einsatzbereiche der PSMA-PET sowie neue Entwicklungen darzustellen.


Material und Methoden

Die aktuellen Anwendungen der PSMA-Hybridbildgebung werden basierend auf den Empfehlungen der deutschen S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom von 2021 [21] und der zuletzt 2022 aktualisierten Leitlinie der European Association of Urology (EAU) zum Thema Prostatakarzinom [22] erörtert. Des Weiteren werden neue Entwicklungen im Feld basierend auf einer Literaturrecherche in PubMed in 10/2022 berücksichtigt.


Primärstaging nach Erstdiagnose eines Prostatakarzinoms

Patienten mit dem erstmaligen Nachweis eines Prostatakarzinoms mit höhergradigem Risikoprofil (Gleasons Score ≥ 8 oder klinische Einschätzung des Primarius als cT3 / cT4) sollen leitliniengerecht eine MRT oder CT der Beckenorgane und bei einem PSA-Wert > 10 ng/ml oder Knochenschmerzen zusätzlich eine Skelettszintigrafie zum Staging erhalten [21]. In ähnlicher Weise empfiehlt die EAU-Leitlinie diese Kombination aus morphologischer Bildgebung und Szintigrafie bei Hochrisikoprostatakarzinomen (Gleason Score ≥ 8 oder PSA-Wert > 20 ng/ oder ≥ cT2c-Primarius) [22]. Im Gegensatz zu diesem Vorgehen bietet die PSMA-Hybridbildgebung die Evaluation des Primarius, der Lymphwege, des Skelettsystems und der viszeralen Organe (insbesondere in der Kombination mit einer kontrastmittelgestützten CT/MRT) in einer Untersuchung. Aus der klinischen Alltagserfahrung der Autor:innen möchten wir insbesondere auf die Nachteile einer geteilten Schnittbildgebung/Skelettszintigrafie hinweisen, die häufig örtlich und zeitlich getrennt stattfinden. Hierdurch besteht die Gefahr, dass die separaten Beurteilungen gegenseitig nicht berücksichtigt werden und unklare Einschätzungen hervorbringen können. In Bezug auf die Hybridbildgebung nicht zu unterschlagen sind Nachteile in der Verfügbarkeit des Verfahrens gegenüber der konventionellen Bildgebung. Durch die jedoch zunehmende Literaturevidenz zugunsten der PSMA-Hybridbildgebung findet sich in der aktuellen S3-Leitlinie der Hinweis auf die diagnostische Überlegenheit der PSMA-PET/CT bei der Metastasen-Detektion, die bisher allerdings nur in einer „kann“-Empfehlung für Patienten mit einem Hochrisikokarzinom mündete [21]. Eine führende Entscheidungsgrundlage stellte hierbei die randomisierte, kontrollierte proPSMA-Studie dar. In dieser Analyse wies die PSMA-PET/CT bei Hochrisikopatienten eine weit höhere Sensitivität (85 % vs. 38 %) und Spezifität (98 % vs. 91 %) für die Detektion von Metastasen auf als die Kombination aus CT plus Skelettszintigrafie [23]. Eine Überlegenheit der PSMA-Hybridbildgebung gegenüber konventionellen Methoden im Primärstaging von Hochrisikopatienten zeigte auch die PROSTAGE-Studie [24]. Bei alleiniger Betrachtung der diagnostischen Performance in der Detektion von Lymphknotenmetastasen im Vergleich zur Histologie konnte in folgenden prospektiven Auswertungen jedoch nur eine geringere Sensitivität (ca. 40 %) bei weiterhin hohen Spezifitäten (95 %–98 %) ermittelt werden [25] [26]. Eine wichtige Ursache hierfür liegt in der limitierten Auflösung der PSMA-PET/CT, die zu geringen Detektionsraten von Mikrometastasen in kleinen Lymphknoten führt. Demgegenüber bleibt jedoch ein solider positiv prädiktiver Wert der Methode (54–87 %) [25] [26].

Zusammenfassend liegt die Stärke der PSMA-Hybridbildgebung weniger im Ausschluss von Filiae als viel mehr in der Detektion von Metastasen außerhalb des Standardtherapiefeldes, wodurch Behandlungskonzepte optimiert werden können. Ihr Einfluss auf klinische Endpunkte wie das PCa-spezifische Überleben steht allerdings aktuell noch aus. Zudem gibt es bisher keine ausreichende Evidenz bezüglich ihres Stellenwerts bei Karzinomen mit niedrigerem Risikoprofil, z. B. im Rahmen der aktiven Überwachung.


Biochemisches Rezidiv des Prostatakarzinoms

Trotz der insgesamt guten Prognose des Prostatakarzinoms gegenüber vielen anderen Malignomen [2] kommt es bei einem großen Teil der Patienten zu einem Rezidiv [27] [28]. Das sogenannte biochemische Rezidiv (BCR) wird als erneuter PSA-Anstieg auf > 0,2 ng/ml nach radikaler Prostatektomie, bzw. > 2 ng/ml über dem Nadir nach primärer Radiatio in mindestens 2 Messungen definiert [21] und stellt die bisher wahrscheinlich häufigste Indikation zur PSMA-PET dar. Im Falle eines BCR gilt generell eine „kann“-Empfehlung für die Durchführung der PSMA-PET/CT [21]. Die EAU gibt zusätzlich die starke Empfehlung zur PSMA-PET/CT nach primärer Radiatio [22]. In beiden Leitlinien wird hierbei die Notwendigkeit einer therapeutischen Konsequenz der Hybridbildgebung betont [21] [22]. Als Ursachen für einen erneuten PSA-Anstieg kommen sowohl lokal begrenzte Tumormanifestationen (Lokalrezidiv und/oder lokoregionäre Lymphknotenmetastasen) als auch der Übergang zu einer systemischen Erkrankung mit Fernmetastasen in Betracht. Zur Differenzierung zwischen diesen Entitäten werden aktuell vor allem klinische Parameter wie der initiale Gleason Score, die Zeit von der Primärtherapie zum BCR und die PSA-Verdopplungszeit herangezogen [21]. Der Nutzen der Skelettszintigrafie in der Rezidivdiagnostik ist äußerst limitiert, da sie Metastasen in der Regel erst bei hohen PSA-Werten oder einer raschen Zunahme des PSA nachweisen kann [29]. Sie sollte deshalb lediglich bei symptomatischen Patienten oder einem PSA > 10 ng/ml eingesetzt werden [21]. Retrospektive Auswertungen zeigten eine signifikant höhere Sensitivität und Spezifität der PSMA-PET/CT in der Detektion von Metastasen im Vergleich zur Skelettszintigrafie [30]. Darüber hinaus ist die PSMA-Hybridbildgebung nicht auf die Diagnostik von ossären Filiae beschränkt und kann bereits im frühen Krankheitsverlauf Korrelate für ein BCR identifizieren. In einer großen Metaanalyse zeigte die PSMA-PET/CT in 45 % der Fälle bereits bei einem PSA-Anstieg auf 0,2–0,49 ng/ml ein positives Ergebnis. Mit zunehmenden PSA-Werten verbesserten sich die Detektionsraten so weit, dass ab einem PSA > 2,0 ng/ml sogar in 95 % der Fälle ein pathologisches Korrelat für das BCR erkannt werden konnte [31] ([Abb. 3]). Neuere prospektive Studien bestätigten diese hohen Detektionsraten bei niedrigen PSA-Werten [32] [33], was für weitere Therapieentscheidungen von Relevanz sein kann. Denn Patienten mit einem BCR nach Prostatektomie sollte leitliniengerecht eine möglichst frühzeitige (PSA < 0,5 ng/ml) Salvage-Strahlentherapie angeboten werden [21]. In prospektiven Studien konnte gezeigt werden, dass Therapieentscheidungen bei BCR in > 30 % der Fälle durch Erkenntnisse aus der PSMA-Hybridbildgebung beeinflusst wurden [33] [34] [35]. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass eine negative Untersuchung die Salvage-Therapie nicht verzögern sollte [21] [22]. Ähnlich wie im Primärstaging gilt es mithilfe der PSMA-Hybridbildgebung Patienten zu identifizieren, die nicht von üblichen Therapiekonzepten profitieren. Die Gefahr fehlgerichteter Therapien, wie einer Salvage-Radiatio bei unentdeckter Metastasierung außerhalb des Beckens oder einer Systemtherapie bei lokoregionär begrenzter Erkrankung, ließe sich durch eine genaue Bildgebung minimieren. Betrachtet man die zunehmende Vielzahl der urologischen und onkologischen Behandlungsmöglichkeiten im Rezidivfall (z. B. abwartendes Verhalten, Salvage-Strahlentherapie, individuelle operative Metastasentherapie oder Hormon-/Chemotherapie), so kann die Bildgebung einen wesentlichen Beitrag zur individuellen Therapieentscheidung liefern. Dies spiegelt sich besonders in aktuellen Behandlungsstrategien oligometastasierter Fälle wider. Die sogenannte metastasengerichtete Therapie (MGT) soll mittels Radiatio oder operativen Verfahren gezielt Metastasen behandeln und die Notwendigkeit einer Systemtherapie verzögern. In einer retrospektiven Analyse von Steuber et al. zeigte sich, dass die MGT das krebsspezifische Überleben gegenüber der Androgendeprivationstherapie (ADT) verlängerte [36]. Mit der höheren Genauigkeit der PSMA-gerichteten Hybridbildgebung ist anzunehmen, dass sich Behandlungsergebnisse noch weiter verbessern. In einer Post-hoc-Auswertung der prospektiven ORIOLE-Studie zeigte sich eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens, wenn alle PSMA-positiven Läsionen mittels gezielter Bestrahlung konsolidiert worden waren [37]. Die Verknüpfung zwischen PSMA-Bildgebung und Intervention ist noch enger bei der sogenannten „radioguided surgery“ (RGS). Hierfür erhalten Patienten mit PSMA-positiven Filiae präoperativ einen γ-emittierenden Radioliganden wie [99 mTc]Tc-PSMA-I&S, um diese Läsionen intraoperativ mittels γ-Sonde zu identifizieren. Während bei der Salvage-Lymphknotenentfernung ohne PSMA-Markierung in bis zu 20 % der Fälle keine Lymphknotenmetastasen entdeckt werden konnten, war es möglich, die Zahl der negativen Operationen mittels PSMA-RGS auf ca. 6 % zu senken [38]. Erste Ergebnisse bezüglich klinischer Endpunkte der MGT sind bereits vielversprechend. Allerdings stehen prospektive Analysen zur abschließenden Bewertung der Techniken noch aus.

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Abb. 3 [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET/CT eines Patienten mit biochemischem Rezidiv (PSA = 0,88 ng/ml) eines Prostatakarzinoms 12 Jahre nach Prostatektomie. Deutliche PSMA-Expression eines 6 mm großen Lymphknotens (Pfeile) angrenzend an die Externagefäße rechts. In der histologischen Aufarbeitung des Befundes wurde das Vorliegen einer Lymphknotenmetastase bestätigt. Abgrenzbarkeit des Befundes in der Maximum intensity projection (MIP) a, kontrastmittelgestützten CT b, PET/CT Fusion c und axialen PET d.

Bildgebung und Therapie mit PSMA-Radioliganden – „Theranostik“

Alternativ zu den bisher beschriebenen Radionukliden wurden auch PSMA-Inhibitoren entwickelt, die mit α- oder β-Strahlern zu therapeutischen Zwecken gekoppelt werden können. Die Fähigkeit eines PSMA-Liganden sowohl in der Therapie als auch in der Diagnostik eingesetzt zu werden ist die Grundlage der „Theranostik“. Die hierfür am häufigsten verwendeten Substanzen sind PSMA-617 [39] und PSMA-I&T [40] gekoppelt mit Lutetium-177 (177Lu), einem β--Strahler mit einer Halbwertszeit von ca. 6,6 Tagen. [177Lu]Lu-PSMA-617 (Pluvicto) wurde Ende 2022 als Arzneimittel zur Behandlung des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) durch die Europäische Arzneimittelagentur zugelassen [41]. Die PSMA-Radioligandentherapie (PSMA-RLT) kann bei Patienten mit mCRPC indiziert sein, die auf Basis der Empfehlung einer interdisziplinären Tumorkonferenz nach Ausschöpfung aller leitliniengerechten Therapiealternativen einen Krankheitsprogress aufweisen [21]. Die Grundlage für eine PSMA-RLT ist das Vorhandensein PSMA-positiver Läsionen in der prätherapeutischen Hybridbildgebung, eine ausreichende Knochenmarksreserve sowie eine adäquate Nieren- und Leberfunktion [42]. Die aktuelle Datenlage unterstützt die PSMA-RLT zunehmend. In der prospektiven VISION-Trial konnte im Vergleich der [177Lu]Lu-PSMA-617-Therapie zu einer Kontrollgruppe mit alleiniger „best supportive care“ ein signifikant verlängertes Patientenüberleben um mehrere Monate gezeigt werden [43]. Im Verhältnis zu einer systemischen Chemotherapie mit Cabazitaxel zeigte die PSMA-RLT zudem ein besseres laborchemisches Ansprechen bei geringerer Toxizität [44]. Damit stellt die PSMA-RLT ein nebenwirkungsarmes palliatives Therapiekonzept dar, das einen Krankheitsprogress verzögern kann ([Abb. 4]).

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Abb. 4 [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET/CT eines Patienten mit disseminierten Knochenmetastasen eines Prostatakarzinoms, die eine deutliche PSMA-Expression aufweisen. Darstellung des Befundes vor a und nach b 2 Zyklen mit [177Lu]Lu-PSMA-617. Abfall des PSA hierunter von 84 ng/ml auf 23 ng/ml.

Einflussfaktoren auf die Detektionsrate der PSMA-PET

Die Ausbildung von PSMA auf PCa-Zellen unterliegt multiplen Einflussfaktoren. Immunhistochemisch besteht, wie einleitend erwähnt, eine Korrelation zwischen dem Gleason Score und der Expression von PSMA [5] [6]. Trotzdem kann es bei relevanten Karzinomen (Gleason Score ≥ 7) zu PET-negativen Befunden kommen. Ein möglicher Grund hierfür ist eine heterogene PSMA-Ausprägung mit einem zu hohen Anteil PSMA-negativer Zellen [45] [46]. Dieser nimmt zwar mit steigendem Gleason Score ab, jedoch finden sich z. T. auch bei höhergradigen Tumoren relevant PSMA-negative Areale [45] [46]. Aktuelle Einschätzungen eines möglichen Cut-offs, ab dem mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit negativer PSMA-PET zu rechnen wäre, existieren nicht. Allerdings ist davon auszugehen, dass ein einzelner Faktor wie das PSMA-Expressionsmuster für eine valide Einschätzung zumeist nicht ausreichend ist. Viel eher sind multiple Parameter notwendig, um die Detektierbarkeit eines PCa abzuleiten. Der PSA-Wert repräsentiert hierfür einen weiteren Baustein. In multiplen Auswertungen zeigte sich eine positive Korrelation zwischen ihm und der Detektionsrate der PSMA-PET, was insbesondere im Szenario des BCR beschrieben wurde [31]. Ähnliches gilt auch für die PSA-Verdopplungszeit. In aktuellen prospektiven Studien zeigte sich eine höhere Rate an PET-positiven Befunden bei einem schnellen Anstieg des PSA [33] [35].

Neben diesen tumoreigenen Einflussgrößen kann die PSMA-Expression iatrogen durch eine ADT moduliert werden. Der Androgenrezeptor spielt eine zentrale Rolle in der Tumorentwicklung und Tumorregulation des PCa. Androgene bewirken eine Suppression der PSMA-Transkription, was umgekehrt zu einer Hochregulierung durch eine ADT führen kann [47]. Das klinische Bild stellt sich allerdings deutlich komplexer dar. Bisherige Studien zeigten unter kurzzeitiger ADT von wenigen Tagen bis Wochen sowohl Zu- als auch Abnahmen der PSMA-Ausbildung in der PET/CT [48] [49]. Das Nebeneinander einer vermehrten PSMA-Expression und einer Abnahme des Tumorvolumens unter der Therapie ist ein möglicher Grund hierfür. Passend zu dieser Theorie führt eine Langzeittherapie mittels ADT bei kastrationssensiblen Patienten zu einer Abnahme positiver Läsionen in der PSMA-PET [50]. PSMA-positive Herde, die in diesen Fällen abgrenzbar sind, könnten damit ein erster Hinweis auf kastrationsresistente Klone sein [50]. Insgesamt ist der Einfluss der ADT auf die PSMA-Bildgebung äußerst komplex und belastbare Studien fehlen bisher, um sicher beurteilen zu können welche Veränderungen unter der Behandlung zu erwarten sind. Daher wird in einem gemeinsamen Konsensus der EAU und der European Association of Nuclear Medicine (EANM) empfohlen, eine PSMA-PET entweder vor Beginn einer systemischen Therapie oder frühestens 3 Monate nach Start einer ADT bei hormonsensitiven Patienten einzusetzen [51].


Zusammenfassung

Die Etablierung der PSMA-Radioliganden markiert einen Meilenstein in der Diagnostik des Prostatakarzinoms. Ihre überlegene Genauigkeit gegenüber bisherigen Verfahren hat bereits bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden und Therapiekonzepte. Hochwertige Langzeitanalysen bezüglich der Auswirkungen der PSMA-PET auf das prostatakarzinomspezifische Überleben oder das Gesamtüberleben von Patienten stehen allerdings noch aus und werden in den kommenden Jahren erwartet.



Conflict of Interest

The authors declare that they have no conflict of interest.


Correspondence

Dr. Daniel Koehler
Department of Diagnostic and Interventional Radiology and Nuclear Medicine, University Medical Center Hamburg-Eppendorf
Martinistr. 52
20246 Hamburg
Germany   
Phone: +49/15 22/2 82 36 86   

Publication History

Received: 24 November 2022

Accepted: 28 April 2023

Article published online:
22 June 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Contrast enhanced CT of the abdomen a and fusion image of a [18F]PSMA-1007 PET/CT b showing moderate PSMA expression of a celiac ganglion (arrow). Contrast-enhanced CT of the thorax c and fusion image of a [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET/CT d showing low PSMA expression of a fractured rib (arrow).
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Fig. 2 Maximum intensity projections (MIP) of a [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET a and a [18F]PSMA-1007 PET b of the same patient after 11 months. a shows the predominantly renal excretion of [68Ga]Ga-PSMA-I&T with high activity in the urinary bladder and low uptake in the liver. b demonstrates the predominantly hepatic excretion of [18F]PSMA-1007 with low activity in the urinary bladder and high uptake in the liver.
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Fig. 3 [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET/CT of a patient with biochemical recurrence (PSA = 0.88 ng/ml) of prostate cancer 12 years after prostatectomy. Intense PSMA expression of a 6 mm lymph node (arrow) next to the external iliac vessels on the right. The corresponding histopathological evaluation confirmed prostate cancer metastasis. Visualization of the lesion on the maximum intensity projection (MIP) a, contrast-enhanced CT b, PET/CT fusion image c, and axial PET d.
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Fig. 4 [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET/CT of a patient with disseminated prostate cancer metastases to the bones with high PSMA expression. PET/CT before a and after b 2 cycles of [177Lu]Lu-PSMA-617. Decrease of the PSA after therapy from 84 ng/ml to 23 ng/ml.
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Abb. 1 CT des Abdomens mit Kontrastmittel in portalvenöser Phase a und Fusionsbild einer [18F]PSMA-1007 PET/CT b mit moderater PSMA-Expression eines Ganglion coeliacum (Pfeil). CT des Thorax mit Kontrastmittel in portalvenöser Phase c und Fusionsbild einer [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET/CT d mit geringer PSMA-Expression einer Rippenfraktur (Pfeil).
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Abb. 2 Maximumintensitätsprojektionen (MIP) einer [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET a sowie einer [18F]PSMA-1007 PET b desselben Patienten im Verlauf von 11 Monaten. a zeigt die vornehmlich renale Ausscheidung von [68Ga]Ga-PSMA-I&T mit deutlicher Aktivität in den ableitenden Harnwegen und geringer Aufnahme in der Leber. b zeigt die vornehmlich hepatische Ausscheidung von [18F]PSMA-1007 mit geringer Aktivität in den ableitenden Harnwegen und hoher Aufnahme in der Leber.
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Abb. 3 [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET/CT eines Patienten mit biochemischem Rezidiv (PSA = 0,88 ng/ml) eines Prostatakarzinoms 12 Jahre nach Prostatektomie. Deutliche PSMA-Expression eines 6 mm großen Lymphknotens (Pfeile) angrenzend an die Externagefäße rechts. In der histologischen Aufarbeitung des Befundes wurde das Vorliegen einer Lymphknotenmetastase bestätigt. Abgrenzbarkeit des Befundes in der Maximum intensity projection (MIP) a, kontrastmittelgestützten CT b, PET/CT Fusion c und axialen PET d.
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Abb. 4 [68Ga]Ga-PSMA-I&T PET/CT eines Patienten mit disseminierten Knochenmetastasen eines Prostatakarzinoms, die eine deutliche PSMA-Expression aufweisen. Darstellung des Befundes vor a und nach b 2 Zyklen mit [177Lu]Lu-PSMA-617. Abfall des PSA hierunter von 84 ng/ml auf 23 ng/ml.