Rund 68 000-mal wird in Deutschland jährlich die Diagnose
Prostatakarzinom (ICD-10: C61) gestellt [1]. Ein
Viertel der Betroffenen (ca. 17 000) unterzieht sich einer radikalen
Prostatektomie (rPrE) [2]. Dabei werden neben dem
eigentlichen Tumorgewebe auch die Prostata mitsamt der Kapsel, der prostatische
Anteil der Harnröhre, Samenleiter, Samenbläschen und meist auch der
innere Blasenschließmuskel entfernt [3]
([Abb. 1] & [Abb. 2]). Der Zugangsweg ist zumeist
minimalinvasiv laparoskopisch abdominal, suprapubisch oder perineal. In einigen
Fällen ist ein vertikaler oder horizontaler abdominaler Schnitt
nötig.
Abb. 1 Harnblase und Prostata. Aufsicht auf Harnblase,
Bläschendrüsen und Prostata von hinten. Quelle: ©
Faller † A, Schünke M, Schünke G. Der Körper
des Menschen. 17. Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2016
Abb. 2 Ableitende Samenwege. Schematischer Überblick
über die ableitenden Samenwege in der Ansicht von vorn. Der
Samenleiter steigt bis zum Dach der Harnblase auf und überkreuzt
dort den Harnleiter. Harn- und Samenwege kommen in der Prostata zusammen.
Quelle: © Schwegler J, Lucius R. Der Mensch – Anatomie und
Physiologie. 6. Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2015
Die rPrE – eine sehr komplexe Operation
Intraoperativ wird zunächst ein Blasenkatheter gelegt, um später
darüber die Anastomose (Querverbindung) der Harnröhrenenden zu
vernähen. Der Katheter bleibt 3–10 Tage liegen und wird erst
entfernt, wenn die Anastomose verwachsen ist.
Durch die Entfernung des inneren Blasenschließmuskels am oberen Ende der
Prostata und des prostatischen Anteils der Harnröhre steigt das Risiko einer
postoperativen Harninkontinenz, denn dann muss der äußere,
willkürlich ansteuerbare Schließmuskel der Urethra allein dessen
Verschluss bewältigen. Inzwischen gibt es aber auch OP-Verfahren, die den
Erhalt des inneren Schließmuskels und seiner Verankerung im Beckenboden
ermöglichen.
Unmittelbar an der Prostatakapsel liegt außen beidseitig ein
neurovaskuläres Bündelgeflecht an. In ihm finden sich die Nn.
cavernosi und im weiteren Verlauf die Nn. erigentes. Sie versorgen die
Blutgefäße der Penisschwellkörper und steuern deren
Blutfluss bei einer Erektion. Soweit es nach Ausprägung des Tumors
möglich ist, wird ein sogenanntes „nervenschonendes“
Operationsverfahren angewendet: Bei Freilegung und Entfernung der Prostata wird das
neurovaskuläre Bündel möglichst beidseitig oder zumindest
einseitig von der Prostata abgeschält und so erhalten [3]
[4]. Die
Entscheidung darüber fällt zuweilen erst während der OP
über Schnellschnittanalysen. Die Entfernung des tumorösen Gewebes
hat natürlich Vorrang vor dem Erhalt von Nerven und Gefäßen:
Ist der Tumor auch bereits hier eingedrungen, besteht keine Chance auf Erhalt der
Erektionsfähigkeit.
Häufige postoperative Beschwerden
Durch die Einführung des nervenschonenden Verfahrens konnte die Rate der
erektilen Dysfunktion von 100% auf 19–40% reduziert werden
[4]
[5]. Die
häufigsten Komplikationen, die uns in unserer Praxis begegnen, sind die
Belastungsinkontinenz (24–87%), eine überaktive Blase
(12–41%) [6] sowie eine erektile
Dysfunktion (bis zu 92%) [7].
In der Regel wird nach der Entlassung aus dem Krankenhaus eine stationäre
Anschlussheilbehandlung angeordnet, in der ein intensives Beckenbodentraining,
Alltagsschulung und Beratung in Sexualfragen stattfindet [5]
[8]. Dennoch
haben einige Männer auch nach der Reha weiterhin Beschwerden und suchen
ambulant Physiotherapiepraxen auf. In diesem Fall geht es um die Verfestigung des
bereits Erlernten und die therapeutische Abklärung, ob der Beckenboden
tatsächlich korrekt angesteuert wird. Denn die Wahrnehmung und korrekte
Ansteuerung des Beckenbodens sind entscheidend, um ein effektives Training und damit
eine Linderung der Beschwerden zu erzielen [9].
Genau das ist aber für Betroffene die größte
Herausforderung.
Empathische Befundaufnahme in der Praxis
Die Patienten erzählen nicht immer spontan von sich heraus, wie stark
ausgeprägt ihre Problematik ist, insbesondere, wenn es um eine erektile
Dysfunktion geht. Daher ist es wichtig, dass das medizinische Fachpersonal explizit
diese tabuisierten Themen anspricht [10].
Erfragt werden sollte, ob eine Inkontinenz besteht, in welcher Ausprägung und
in welchen Situationen sie auftritt. Hilfreich bei der Erfassung von Blasenfunktion
und Inkontinenz kann ein Miktionsprotokoll, der 1-Stunde PAD Test sowie ein
24-Stunden PAD Test sein.
Auch um zu erfahren, in welchen Situationen der Urinverlust auftritt, muss der
Patient konkret danach gefragt werden. Aufgrund eines häufig unzureichenden
Körpergefühls oder aus Gründen der Scham fällt es
den Betroffenen oft schwer, die richtigen Worte zu finden. Die Inkontinenzprobleme
nehmen übrigens häufig im Tagesverlauf zu, weil der Beckenboden zum
Abend hin ermüdet.
Keine Scheu vor Fragen zur Sexualität!
Sexualität sollte auch in der Physiotherapie ohne Tabuisierung
angesprochen werden. In diesem Bereich besteht vonseiten der Betroffenen
häufig ein Therapiewunsch [5], wird
aber aus Scham von ihnen nicht thematisiert. Zudem sind sich
Therapeut*innen jeden Geschlechts oft sehr unsicher, ob sie diese
Problematik ansprechen sollen. Eine sexualtherapeutische Ausbildung ist aber
nicht erforderlich, um eine Sexualanamnese zu machen. Eine Einstiegsfrage kann
etwa lauten: „Sehr viele Patienten stellen nach einer operativen
Entfernung der Prostata fest, dass sie eine Erektion nur mit großer
Mühe oder gar nicht bekommen können. Wie ist das bei
Ihnen?“ Hilfreich zur Beantwortung rund um Fragen zur erektilen
Dysfunktion kann auch hier ein Fragebogen sein – hier bietet sich der
Fragebogen „International Index of Erectile Funktion (IIEF-5)“
an.
Klassifizierung der Inkontinenz
Klassifizierung anhand des PAD-Tests
Der PAD- oder Vorlagen-Test hilft bei der Beurteilung einer Harninkontinenz beim
ausgeheilten Patienten, also frühestens 6 Wochen nach seiner OP. Eine
trockene Inkontinenzeinlage wird vor und nach verschiedenen körperlichen
Aktivitäten des Patienten gewogen, um die Menge des ungewollt
abgegangenen Urins zu bestimmen. Üblich sind 2 Varianten mit 1 h
und mit 24 h Dauer [11]
[12]. Unmittelbar vor dem Test sollte der
Patient miktioniert, also Wasser gelassen haben.
Der einstündige Test hat 3 Phasen:
-
15 min: 500 ml Wasser trinken
-
15 min: Spaziergang inkl. Treppe auf- und absteigen
-
30 min für die restlichen Aktivitäten:
-
10-mal aufstehen und wieder setzen
-
10-mal stark husten
-
1 min auf der Stelle laufen
-
5-mal bücken (z. B., um etwas Kleines aufzuheben)
-
1 min Hände unter fließendem Wasser waschen.
Im Anschluss wird die (feuchte) Vorlage erneut gewogen: die Urinmenge ergibt sich
aus der Differenz zum Trockengewicht. Je nach Menge teilt man die Inkontinenz
nach der Klassifikation der International Continence Society (ICS) in 4 Grade
ein [13]:
-
Grad 1 → leichte Inkontinenz: bis 10 g
-
Grad 2 → mäßige Inkontinenz:
11–50 g
-
Grad 3 → schwere Inkontinenz: 51–100 g
-
Grad 4 → sehr schwere Inkontinenz:>100 g
Zum Schluss sollte der Patient erneut miktionieren und die Harnmenge notiert
werden.
Klassifikation nach Stamey
[14]
Für die Belastungsinkontinenz gibt es auch die einfachere Klassifikation
nach Stamey auf der Basis der Selbsteinschätzung des Patienten [14]:
-
Grad 1: Urinverlust bei plötzlichem Anstieg des abdominalen
Drucks, z. B. Husten, Niesen, Lachen
-
Grad 2: Urinverlust bei geringerer Belastung, z. B. Gehen,
Aufstehen von einem Stuhl oder aus dem Bett
-
Grad 3: Urinverlust ohne Beziehung zur Belastung oder
Körperposition, auch im Liegen
In der physiotherapeutischen Praxis wird man sich in der Regel auf einen
urologischen Vorbefund stützen können.
Therapie
Die Zielsetzung der Therapie erfolgt selbstredend befundspezifisch. Dennoch gibt es
einige Themen, die es sich lohnt, zu berücksichtigen:
-
Wahrnehmung und Ansteuerung des Beckenbodens erlernen
-
Kräftigung des Beckenbodens
-
Toilettenverhalten bei Miktion und Defäkation
-
Verhalten bei Drang
-
Belastungsmanagement im Alltag
-
Übertrag der Beckenbodenspannung in alltägliche und
belastende Situationen
-
Beratung für Erektionshilfen (z. B. Penispumpe, Penisring
etc.)
Wahrnehmung und Training des Beckenbodens
Beim Training des Beckenbodens besteht die größte Unsicherheit
der Betroffenen darin, ob sie ihren Beckenboden überhaupt richtig
ansteuern können. Die Ansteuerung ist aber die Voraussetzung für
ein zielgerichtetes Training und eine Verbesserung der Beschwerden.
Spezialisierte Beckenboden-Physiotherapeut*innen können dies im
Rahmen einer anorektalen digitalen Tastuntersuchung oder mittels perinealen
Ultraschalls via Biofeedback feststellen. Für
Physiotherapeut*innen ohne diese Möglichkeiten ist eine externe
Palpation am Perineum eine Alternative, um festzustellen, ob der Patient korrekt
aktiviert oder aber eine paradoxe Aktivierung mit Pressmanöver
durchführt.
Die externe Palpation kann in Seitenlage ([Abb.
3]) oder auch in Rückenlage erfolgen. Die Beine sind nach
vorne angewinkelt. Die oder der Therapeut*in legt die palpierenden
Finger an den Damm und fordert den Betroffenen auf, den Beckenboden anzuspannen.
Bei einer korrekten Spannung sollte sich der Damm nach kranial, vom Finger weg,
bewegen und sich bei einer Entspannung wieder „zurück auf den
Finger legen“. Die Glutealmuskulatur sollte dabei weitestgehend
entspannt sein.
Abb. 3 Palpation der korrekten Spannung des Damms in Seitenlage.
Quelle: © A. Schweitzer
Cave: Paradoxe Aktivierung durch Pressen!
Falls keine oder nur eine minimale Aktivierung oder sogar ein paradoxes
Pressmanöver spürbar ist, sollte der Patient (erneut)
über Anatomie, Physiologie und Funktion des Beckenbodens
aufgeklärt werden. Da der Beckenboden im Inneren des Körpers
verborgen liegt, ist er für den Laien oft nur schwer greifbar. Bilder
aus verschiedenen Perspektiven des knöchernen Beckens und Beckenbodens
mit und ohne Organe sowie Beckenmodelle sind hier sehr hilfreich.
Zur Wahrnehmung und Ansteuerung des Beckens und der Beckenbodenmuskulatur kann
man ein kleines Handtuch zu einer Rolle zusammenrollen und die Betroffenen
bitten, sich so darauf zu setzen, dass Anus, Damm und Peniswurzel Kontakt zur
Rolle haben ([Abb. 4]).
Abb. 4 Um die Beckenbodenmuskulatur besser wahrnehmen und
ansteuern zu können, ist eine Möglichkeit, sich auf eine
Handtuchrolle zu setzen. Durch Vor- und Zurückkippen sowie
seitliche Bewegungen werden knöcherne Strukturen und der
Beckenboden besser spürbar. Quelle: © A. Schweitzer
Durch den Gegendruck der Handtuchrolle soll das Erspüren des
knöchernen Beckens und des Beckenbodens erleichtert werden. Durch Vor-
und Zurückkippen des Beckens lassen sich die Knochenpunkte Symphysis
pubica und Os coccygis erspüren. Die Gewichtsverlagerung des Beckens von
links nach rechts macht die beiden Tubera ischiadica fühlbar. Zwischen
diesen vier Knochenpunkten ist der Beckenboden aufgespannt.
Visualisieren hilft beim Training
Um den Beckenboden zu trainieren, wird der Betroffene aufgefordert, den Anus zu
verschließen und nach kranial zu heben, als wolle er Winde
zurückhalten. Dann soll er sich vorstellen, er würde die
Sitzbeinknochen aufeinander zu bewegen und den Damm nach kranial heben. Zuletzt
soll er mit der Vorstellung arbeiten, er könne die Harnröhre
verschließen und nach innen zur Blase ziehen, als wolle er Urin
zurückhalten.
Wichtig: Nach jeder Aktivierung soll der Beckenboden auch wieder entspannen
dürfen!
Das Training von Synergisten des Beckenbodens kann ebenso wie die
Kräftigung der hüftumgebenden Muskulatur dem Beckenboden helfen,
kräftiger zu werden [15]. Insbesondere
die Kräftigung der Hüftaußenrotatoren ist von Vorteil.
Teile des M. levator ani setzen am Arcus tendineus, einer verstärkten
Faszie des M. obturatorius internus und M. levator ani, an.
Für das Training der Hüftaußenrotatoren begibt sich der
Patient z. B. in Seitenlage und bindet bei Bedarf ein Gymnastikband oder
einen Therapie-Loop um die Knie ([Abb. 5]).
Das oben liegende Bein führt er nun entweder gegen die Schwerkraft oder
gegen den Widerstand des Bands in Außenrotation und legt es langsam
wieder ab. Zusätzlich kann eine Präkontraktion des Beckenbodens
erfolgen, bevor die Außenrotation eingeleitet wird.
Abb. 5 Ein Training der Hüftaußenrotatoren
unterstützt die Kraft des Beckenbodens. Eine Möglichkeit
des Trainings ist in Seitenlage gegen den Widerstand eines
Therapie-Loops. Quelle: © A. Schweitzer
Kniebeugen als Alltagstraining
Die Kniebeuge ist eine alltagszentrierte Kräftigungsübung
für die hüftumgebende Muskulatur und den Beckenboden.
Insbesondere der Wechsel vom Sitz zum Stand stellt für viele Betroffene
nach einer Prostatektomie eine große Herausforderung dar. Der
Beckenboden bekommt durch die Sitzfläche eine
Unterstützungsfläche, die beim Aufstehen plötzlich
entfällt. In diesem Moment muss der Beckenboden zeitgerecht Verschluss
und Stützfunktion erfüllen können, ansonsten kommt es
zum Urinverlust. Aufstehen oder Hinsetzen ist ein Bewegungsübergang, der
sehr häufig am Tag durchgeführt wird.
Mit einem Gymnastikband oder Loop um die Knie wird ein zusätzlicher Reiz
für die Hüftaußenrotatoren gegeben ([Abb. 6]). Durch unterschiedliche Höhen
der Sitzfläche kann die Übung leichter oder schwerer gemacht
werden. Auch hier ist besonders in der frühen Phase der Rehabilitation
eine Präkontraktion des Beckenbodens vor dem Aufstehen sinnvoll.
Abb. 6 Kniebeugen sind alltagszentrierte
Kräftigungsübungen für die hüftumgebende
Muskulatur und den Beckenboden. Mit einem Loop um die Knie wird ein
zusätzlicher Trainingsreiz für die
Hüftaußenrotatoren gegeben. Quelle: © A.
Schweitzer
Einschätzen der intraabdominalen Druckverhältnisse
Viele Patienten können nicht einschätzen, wie sich die
Druckverhältnisse im Bauch auf den Beckenboden auswirken. Hier ist das
Sitzpendel eine einfache, aber wirksame Übung, um einzuschätzen
und zu lernen, wie sich eine Veränderung der intraabdominalen
Druckverhältnisse auf den Beckenboden auswirkt ([Abb. 7]). Das Sitzpendel ist zudem eine gute
Einstiegsübung für die Kräftigung der
Bauchmuskulatur.
Abb. 7 Der Patient neigt bei der Übung
„Sitzpendel“ den Oberkörper vor und
zurück. Dabei erlebt er, wie stark die Bauchmuskeln angespannt
und der Beckenboden zeitgerecht aktiviert werden. a Der Patient
neigt sich mit aufrechtem Oberkörper nach hinten. b Der
Patient befindet sich zwischen der Rück- und Vorneige in einer
senkrechten Position. c Der Patient neigt sich mit aufrechtem
Oberkörper nach vorne. Quelle: © A. Schweitzer
In aufrechter Körperhaltung sitzend, die Füße auf dem
Boden, wird der Oberkörper nach vorne und hinten geneigt. Dabei erlebt
der Patient, wie stark die Bauchmuskulatur angespannt und der Beckenboden
zeitgerecht aktiviert wird oder es zu einem unerwünschten
Pressmanöver und somit zu Druck nach kaudal im Beckenboden kommt. Durch
den Synergismus des M. transversus abdominis mit dem Beckenboden wird das
Training des Beckenbodens erleichtert [16]. Je
nach Bewegungsausmaß der Vor- und Rückneige kann die
Intensität der Übung individuell angepasst werden.
Mit dem Training schon vor der OP beginnen!
Man sollte mit der Therapie des Beckenbodens nicht warten, bis das Kind absehbar
postoperativ in den Brunnen fällt! Bei einer anstehenden Knie- oder
Hüft-OP ist es im Optimalfall ebenfalls angebracht, die betroffene
Muskulatur schon im Vorfeld zu trainieren. Da der Patient seine rPrE schon in seiner
Vorstellung in vielen Fällen als dramatischen Lebenseinschnitt erlebt,
können Therapeut*innen ihn leichter im präoperativen Vorfeld
dazu motivieren, sich den erwartbaren Realitäten zu stellen. Die OP selbst
wird besonders bei minimalinvasivem Vorgehen vom Patienten dramatisch
unterschätzt. Sie dauert üblicherweise 2, mit Lymphadenektomie 3
Stunden.
Auch wenn das in der Regel ärztlicherseits schon erfolgt ist:
Bestätigen Sie dem Patienten nochmals, dass durch diese OP weder das
Berührungsempfinden der Eichel noch die Libido oder die Fähigkeit
zum Orgasmus beeinträchtigt wird! Nur der Samenerguss wird danach Geschichte
sein, weil das dafür benötigte System durch Entfernen von
Samenleiter und Samenbläschen postoperativ nicht mehr vorhanden ist. In der
üblichen Anschlussbehandlung wird der operierte Patient zwar auch
über Erektionshilfen wie Penispumpen, Penisringe und pharmakologische
Hilfsmittel wie die SKAT-Injektion oder PDE-5-Hemmer informiert. Dieses Wissen
sollte aber auch Therapeut*innen zu Verfügung stehen.
Allgemeine Mobilisations- und Kräftigungsübungen für das
Becken und die Hüftmuskulatur zur Verbesserung der
Durchblutungsfähigkeit des Beckenbodens sowie Mobilisationsübungen
für den thorakolumbalen und lumbosakralen Übergang können so
bereits präoperativ verinnerlicht werden, um die postoperative
Rehabilitation zu erleichtern.
Fazit
Das wesentliche Ziel beim Beckenbodentraining ist das Erlernen der korrekten
Ansteuerung und Wahrnehmung des Beckenbodens. Ist das erreicht, steht einem Training
zur Kräftigung und Entspannung des Beckenbodens nichts mehr im Wege. Im
Übungsprogramm sollte befundspezifisch erarbeitet werden, wann und in
welchen Situationen belastende Inkontinenzepisoden eintreten. Betrachtet man diese
Situationen gemeinsam mit dem Patienten genauer, kann man ihm gezielte Hinweise zur
Entlastung geben. Wie kann er diese Situation zu einer Übungssituation
machen, um im Alltag zielgerichtet funktionell zu trainieren? Welche
Bewegungsalternativen stehen dem Patienten zur Verfügung? Die Frage nach
erektiler Dysfunktion und deren Ausprägung gehört unbedingt in die
Anamnese! Helfen Sie Ihrem Patienten, offen über seine Problematik zu
sprechen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Weiterleitung an eine Sexualtherapie
oder speziell ausgebildete Beckenbodenphysiotherapie ist jederzeit möglich.
Speziell ausgebildete Beckenboden-Physiotherapeut*innen sind auf dieser
Therapeutenliste der AG GGUP – Gynäkologie Geburtshilfe Urologie
Proktologie im Deutschen Verband für Physiotherapie ZVK e.V. zu finden:
https://www.ag-ggup.de/therapeutenliste/therapeutenliste-beckenboden/.
Literatur
Literaturverzeichnis am Ende der HTML-Version unter
www.thieme-connect.de/products/ejournals/msk