Material und Methoden
Die vorliegende qualitative Studie möchte ein Verständnis davon
generieren, wie Menschen den Übergang zwischen der Behandlung in einer
akutpsychiatrischen Klinik und dem Arbeitsplatz erleben. Die vorliegende Arbeit ist
Teil einer vom Innovationsfonds geförderten cluster-randomisierten
Multicenterstudie (FKZ 01VSF17012), die auf 28 psychiatrischen Akutstationen im
Großraum München durchgeführt wurde [12]. Einschlusskriterium für die
Teilnahme an der Studie war das Vorliegen einer psychiatrischen Diagnose aus den
ICD-10 Kapiteln F2, F3, F4 oder F6, eine aktuelle stationäre Behandlung
sowie ein noch bestehendes (sozialversicherungspflichtiges)
Arbeitsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt. Für die Studie wurde
ein Ethikvotum bei der Ethikkommission der Technischen Universität
München eingeholt (437/18 S-KK). Alle teilnehmenden Patientinnen und
Patienten haben eine schriftliche Einverständniserklärung
abgegeben.
Feldzugang, Erläuterung des Forschungsinteresses und der Teilnahmebedingungen
sowie Gewinnung der Interviewpartnerinnen und -partner für die qualitative
Teilstudie erfolgten im Rahmen der genannten Studie [12]. Das Forschungsdesign der qualitativen Teilstudie orientierte sich an
der Methodologie der Grounded Theory nach Glaser und Strauss [13]
[14]
[15]. Für den
Forschungsprozess der Grounded Theory zentral ist das Prinzip des Theoretical
Samplings, d. h. der ineinander verwobene Prozess von Datenerhebung,
-analyse und Theoriegenerierung.
Das Datenmaterial wurde mithilfe von narrativen Interviews [13] mit zehn Patientinnen bzw. Patienten
erhoben, die – um möglichst das ganze Spektrum der Forschungsfrage
abzudecken – Betroffene aus unterschiedlichen Rückkehrsettings und
mit verschiedenen Krankheitskarrieren einbezog ([Abb. 1]). Die Auswahlkriterien berücksichtigten unter anderem die
Arbeitsbedingungen, den Erfolg der Rückkehr an den Arbeitsplatz, die Formen
der Unterstützung während des Transitionsprozesses sowie die Anzahl
vorausgehender klinischer Behandlungen (Erst- oder Mehrfachbehandlung).
Abb. 1 Samplestruktur der Interviews (eigene Darstellung).
Eröffnet wurden die Interviews mit einer Einstiegsfrage, die die Interviewten
stimulierte, die Geschichte ihres aktuellen
Beschäftigungsverhältnisses, ihr Krank-Werden und den Prozess ihrer
beruflichen Rückkehr darzustellen. Im anschließenden immanenten
Nachfrageteil wurden die Interviewten aufgefordert, die für den Zusammenhang
relevanten, bislang jedoch ausgeklammerten oder noch unklaren Bereiche zu schildern.
Der exmanente Nachfrageteil zielte schließlich auf eine Bilanzierung des
Rückkehrprozesses und fokussierte insbesondere die Förder- und
Hemmfaktoren sowie die Frage, wie die krankheitsbedingte Absenz thematisiert wurde.
Die Interviews (mit einer Dauer von etwa einer Stunde) wurden von der Erstautorin
zwischen Juni 2019 und Oktober 2020 durchgeführt und fanden entweder in der
eigenen Wohnung der Patienten oder in der Klinik statt. Aufgrund der Corona-Pandemie
wurden einige Interviews in öffentliche Parkanlagen verlagert.
Zudem wurden von der Erstautorin Experteninterviews [13] mit allen an der oben genannten Multicenterstudie beteiligten
Return-to-Work-Expertinnen und Experten (RTW-Expertinnen und Experten)
geführt, darunter zwei Sozialpädagogen, eine Psychologin und eine
Pädagogin. Die RTW-Expertinnen und Experten hatten im Rahmen der
Multicenterstudie den Auftrag, den Transitionsprozess zwischen Klinik und
Arbeitsplatz zu begleiten [16]. Bei der
Leitfadenkonstruktion war die Annahme, dass es sich hinsichtlich des
Rückkehrprozesses um einen interaktiven Prozess mit mehreren Beteiligten
(Personen, Institutionen, etc.) handelt, handlungsleitend. In insgesamt vier
Gruppeninterviews wurden die RTW-Expertinnen und Experten dazu befragt, wie sie den
Rückkehrprozess ihrer Patientinnen und Patienten erlebt haben, mit welchen
Förder- und Hemmfaktoren sie konfrontiert wurden und wie sie damit
umgegangen sind. Abgesehen vom zweiten Interviewtermin (hier war ein Experte
verhindert), nahmen alle RTW-Expertinnen und Experten an allen vier
Gruppeninterviews teil.
Alle Interviews wurden auf Tonband aufgezeichnet und transkribiert. Des Weiteren
wurden Patientenakten (Return-to-Work-Dokumentationsbögen) und
Teamprotokolle aus der oben genannten Multicenterstudie ergänzend in die
Analyse einbezogen.
Die Datenanalyse und die Entwicklung theoretischer Konzepte orientieren sich am
Prozess der Grounded Theory. Hierbei handelt es sich um ein rekonstruktives bzw.
interpretatives Verfahren [vgl. 13: 189ff]. Dies beinhaltet unter anderem die
Kodierung der Daten (offenes, axiales und selektives Kodieren) und das Verfassen von
Memos, die Anwendung des Kodierparadigmas sowie das Konzept der theoretischen
Sättigung [14]
[15]. Demgemäß endete der
Prozess der Datenanalyse, als im Material nichts Neues mehr hinsichtlich der
entwickelten Theorie entdeckt werden konnte. Die Datenanalyse erfolgte durch die
Erstautorin und wurde computergestützt mithilfe des Software-Programms
MAXQDA durchgeführt. Im Sinne der Qualitätssicherung wurden im
diskursiven Austausch innerhalb der Forschungsgruppe die Nachvollziehbarkeit und
Gültigkeit der Interpretationen geprüft.
Ergebnisse
Nachfolgend werden die aus dem mehrstufigen Kodierprozess hervorgegangenen
wichtigsten Kategorien vorgestellt. Dies umfasst die Darstellung des zentralen
Handlungsproblems (oder auch Schlüsselkategorie, die einen Großteil
der relevanten Konzepte integriert) mit dem die beteiligten Personen im Kontext
einer Berufswiedereintrittsphase nach einer psychischen Krise konfrontiert sind und
die Beschreibung der damit verknüpften Handlungsstrategien. Des Weiteren
werden die darauf einwirkenden Bedingungen und Faktoren und die Wirkungen, die sich
daraus ergeben, dargelegt.
Bestimmung der Arbeitsrolle, -leistung und -beziehungen als zentrales
Handlungsproblem
Eine Berufswiedereintrittsphase im Anschluss an eine stationäre
Behandlung in einem psychiatrischen Akutkrankenhaus beruht auf dem Wechsel von
der krankheitsbedingten Schonhaltung (Patientin/Patient) in die
leistungsorientierte Arbeitshaltung (Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer). Im
vorliegenden Material hat sich gezeigt, dass dieser Statuswechsel sowohl aus
Sicht der Betroffenen, als auch für weitere Beteiligte weder
selbstverständlich noch widerspruchsfrei ist:
I1: Klar, weil man halt auch immer in der Angst ist, dass man halt nicht mehr
reinkommt. Ich mein, nach jeder Episode ist man dann auch in so einer
Downphase und ähm denkt, man kommt beruflich nicht mehr rein und
ähm man ist jetzt das Leben ist zu Ende.
I5: Also ja, ich muss sagen, das ist auch nicht selbstverständlich.
Ich weiß es in anderen Firmen. Ich glaub, das darf ich sagen, bei
meiner Partnerin, die ist in einer sehr kleinen Firma, und der Chef, der hat
da überhaupt kein Verständnis für so was. Also der
würde denjenigen, äh, nach einer Zeit entlassen.
Diese Ungewissheit hinsichtlich des Statuswechsels wird auch von den
RTW-Expertinnen und Experten bestätigt:
I12: (…) Patienten, die unglaubliche Angst hatten und so, vor dem
ersten Arbeitstag, weil sie eben NICHT wussten, was sagen sie den Kollegen
oder was passiert, wenn sie jemand auf dem Gang treffen und der fragt
sie.
Für einige Patientinnen und Patienten war die aktuelle Krankheitsepisode
Anlass sich mit ihren Arbeitsbedingungen auseinander zu setzen.
Gleichermaßen hat sich in den Patienten- und RTW-Experteninterviews
gezeigt, dass auch seitens Anderer (z. B. Vorgesetzte, Kollegen) die
Arbeitssituation infrage gestellt wird. Aus den Schilderungen der Befragten ist
zu entnehmen, dass der Statuswechsel in vielen Fällen mit einer
Neupositionierung der Beziehung zur Arbeit oder der Neuverortung der
(erkrankten) Arbeitnehmer innerhalb des Arbeitskontextes einher geht. Die
beteiligten Personen müssen Antworten finden auf Fragen, wie
beispielsweise: Wie stehe ich bzw. er/sie zu den
Mitarbeitern/Kunden/externen Kooperationspartnern (bzw. vice
versa)? Kann ich bzw. er/sie die Berufsrolle etc. wieder
ausfüllen? Kann ich bzw. er/sie die Arbeitsaufgaben (ggf. auch
nach einer Übergangszeit) erfolgreich bewältigen?
Diese Neudeutung der Beziehung zur Arbeit umfasst unterschiedliche
Dimensionen:
-
Zugehörigkeit innerhalb eines Geflechts sozialer Beziehungen,
-
Neupositionierung von Arbeitsrollen,
-
Bewertung der Arbeitsinhalte, der Arbeitsabläufe und des
Arbeitsplatzes.
Psychisch-Krank-Werden als vorauslaufender Statuswechsel
In den hier untersuchten Fällen geht dem Handlungsproblem der
Neuverortung eine krankheitsbedingte Absenz bzw. eine stationäre
Behandlung in einem Akutkrankenhaus voraus. Dieser vorauslaufende Statuswechsel
des Krank-Werdens, der den Beginn oder die Intensivierung einer medizinischen
Behandlung markiert, weist im Vergleich zu anderen Transitionsprozessen, wie
beispielsweise der Übergang zwischen Studium und Berufspraxis, besondere
Merkmale auf. Erkennbar wird im Interviewmaterial, dass dies zum einen das
Ausmaß oder den Grad der Veränderung, der durch diesen
Übergang ausgelöst wird, betrifft: Psychische Krisen und
stationäre Aufnahmen reißen die Betroffenen aus ihrem Alltag
(I7: „Es ist so gewesen, als hätte man mich rausgerissen,
einen Reset gemacht“), durchkreuzen Zukunftspläne und
wecken Selbstzweifel hinsichtlich der Angemessenheit der bisherigen Lebensform,
Einstellungen und Absichten (I3: „Und auch gar kein Vertrauen in
mich, dass ich in irgendeiner Form in meine Rollen wieder äh
zurückkommen kann.“). In mehreren der hier berichteten
Fälle wird der Grad der Invasivität, d. h. der Einfluss
auf die aktuelle und die künftige Lebenssituation folglich als sehr hoch
beschrieben.
Zum anderen löst das Krankheitsereignis Furcht vor weiteren psychischen
Krisen aus. Die potentielle Wiederholbarkeit psychischer Krisen
(Krankheitsrückfall) wird in zahlreichen Interviews als bedrohliches
Zukunftsszenario wie auch aktuell zu lösendes Handlungsproblem
thematisiert:
I9: (…) bei mir diese Angst extrem hoch ist nach der letzten
Erfahrung, dass es nach dem Klinikaufenthalt einfach wieder schlechter gehen
kann (…).
Des Weiteren ist die Bewusstwerdung einer psychischen Krise oder die Deutung von
Symptomen in manchen Fällen enorm erschwert, wie die Schilderung einer
Befragten zeigt:
I7: (…) das war die Realität für mich. Genau
für mich. Und, äh ich bin immer mehr abgedriftet in diese
unreale Welt, sag ich jetzt mal.
Dadurch kann die Anerkennung des Statuswechsels von psychisch gesund zu psychisch
krank (und umgekehrt) mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein. Der
Anerkennungsprozess ist keine Selbstverständlichkeit, sondern zudem
abhängig davon, wie Dritte diesen Transitionsprozess werten, so die
Erfahrung eines Betroffenen:
I1: Ja, es war relativ schwierig. Also ich war ja damals, zu dem Zeitpunkt,
mit meiner Freundin ja grad mal sechs Monate zusammen. Und die hat das ja
nicht gewusst. Und, ähm, gut, ich hatte da jetzt relativ
Glück mit ihr. Die hat da relativ verständnisvoll reagiert.
Meine Schwester, die glaubt ja nicht so richtig an die psychischen
Erkrankungen, sondern die denkt, dass das vom alten Drogenkonsum
stammt.
Bei zahlreichen Personen ereignet sich dieser vorlaufende Statuswechsel des
Psychisch-Krank-Werdens auch im Kontext des Arbeitsplatzes, was in einigen
Fällen massive Auswirkungen auf das berufliche Selbstbild mit sich
führt. So berichtet eine befragte Person von einer veränderten
Situationswahrnehmung während ihrer Tätigkeit
(„verfolgt gefühlt“, „ich in so einer Art
Film drin wär“) und Fehler beim Deuten von Ereignissen
(„bis zum völligen
Realitätsverlust“):
I1: Ich hab mich verfolgt gefühlt, ich hab gedacht, dass ich in so
einem Film drin bin und beobachtet werde und die ganzen Leute von der Arbeit
so mitmachen und, dass die sich alle abgesprochen hätten und ich in
so einer Art Film drin wär. Und das hat mich dann irgendwie immer
weiter verrückt gemacht. Ich hab wirklich gedacht, dass von mir so
ein Film gedreht wird. Und das hat sich dann immer weiter rein- und ich
wollt halt auch immer mitspielen und das immer mitmachen halt einfach. Und
das war mir dann überhaupt gar nicht klar. Das ging aber dann noch
weiter bis zum völligen Realitätsverlust. (…) Und
ich wär‘ froh, wenn ich jetzt so einen Zustand nicht mehr
erreichen würde einfach. Dass man sagt, okay (atmet tief durch),
weil es halt dann doch schwierig ist. Man halt auch nicht so genau
weiß, was man macht.
Eine andere Stelle aus dem Datenmaterial legt nahe, dass diese Störungen
nicht nur für das Selbst im Sinne eines
„Sich-Selbst-Fremdwerdens“ folgenreich sind, sondern sich auch
mit und vor Kollegen ereignen und zu einem „Anderen-Fremdwerden“
führen können:
I5: Und Kollegen kriegen des halt auch mit, weil die merken halt so der ist
unkonzentriert, macht Leichtsinnsfehler, beim Mittagessen, er beteiligt sich
nicht so an Gesprächen. Und, äh, ja. Und eben auch, dass ich
im Büro dann sehr ruhig bin. Normalerweise, man hat ja auch mal dann
Smalltalk oder so, dass ich mich dann zurückhalte.
I13: Ich hab jetzt eine Klientin, die ist äh, in ihrer, man
weiß nicht so genau, ob das eine manische Phase war oder eine
psychotische Phase, ähm die ist in einem ambulanten Pflegedienst und
hat eine Schubkarre gefunden auf dem Weg in die Arbeit, so eine olle. Hat
die dann mitgenommen. Dann hat sie noch olle Kanister gefunden. Und ist
damit dann halt in die Arbeit. Und äh, hat dann äh irgendwas
gefaselt von Bombe und so weiter und so fort. Und das ist der, das ist der
mords peinlich. Also das ist so schambesetzt.
Mögliche Handlungsstrategien und deren Konsequenzen
Im vorliegenden Datenmaterial ereignet sich der vorausgehende Statuswechsel des
Krank-Werdens häufig innerhalb oder aufgrund der Arbeit. Nur wenige
Patientinnen und Patienten haben berichtet, dass sich das Krankheitsereignis
vollständig außerhalb des Arbeitskontextes ereignet hat und auch
keine Bewältigungsarbeit innerhalb dessen erforderlich war. Die
dafür notwendige Bewältigungsarbeit, so konnte aus den
Interviews geschlossen werden, fällt dabei nicht nur auf die betroffene
Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer zurück, sondern es sind unter
Umständen zahlreiche Akteure auch aus unterschiedlichen Institutionen
eingebunden (z. B. Kollegen, Vorgesetzte, Betriebsmediziner,
Personalabteilung, niedergelassene Therapeuten, Mitarbeiter der Klinik und des
Integrationsfachdiensts).
Die Analyse der Rückkehr-Erzählungen und die Ergebnisse aus den
Experteninterviews zeigen: Der Wechsel vom Krank-Geschrieben-Sein in den Status
der Arbeitsfähigkeit und die dafür herangezogenen
Bewältigungsmaßnahmen sind unter anderem abhängig vom
verfügbaren Wissen, den Fähigkeiten und den individuellen
Ressourcen, z. B. Strategien zur Stressreduktion am Arbeitsplatz oder
Berufsbiographie-Arbeit. Darüber hinaus wirken
betriebsübergreifende strukturellen Faktoren (wie
Fachkräftemangel) sowie betriebsinterne Bedingungen (wie
Betriebsgröße, Unternehmenskultur) auf die Bereitschaft der
Beteiligten sich auf Veränderungen einzulassen und an der Bereitstellung
wohlwollender Hilfsangebote aktiv mitzuarbeiten, so die Erfahrung der befragten
RTW-Expertinnen und Experten:
I13: Ja weil das auch in in so Firmen, wie äh also städtische
Unternehmen, ne, die können das eher mal kompensieren als wie in den
wirtschaftlich orientierten Unternehmen. Und bei den, bei den
städtisch also bei den städtischen oder staatlichen,
ähm Einrichtungen, da da gibt es auch, da gibt es auch gar nicht so
die Schwierigkeiten. Also die machen ihr Verfahren, die sind offen.
Im vorliegendem Datenmaterial zeigt sich, je nachdem ob bzw. in welchem Umfang
(kurz- oder langfristig) und in welcher Form dabei eine Veränderung der
Arbeitsrolle, -beziehungen und -inhalte als sinnvoll erachtet wird, dass
verschiedene Handlungsmaßnahmen zur Umsetzung der angestrebten
Veränderungen denkbar sind. Diese reichen von Beziehungs-, Informations-
und Reflexionsarbeit, über Erwartungs- und Emotionsmanagement bis hin
zur Veränderung der Arbeitsaufgaben, des Arbeitstempos und der
Arbeitsumgebung. Im nachfolgenden Beispiel zeigt sich dies als wechselseitig
aufeinander abgestimmte Reflexions- und Informationsarbeit:
I9: Es war ein bisschen seltsam natürlich, ja, weil man doch wieder
ins Umfeld kommt und irgendwie alles gleich ist und man jetzt nicht so genau
weiß, was denken die Kolleginnen über einen, äh wer
weiß alles Bescheid jetzt genau und wer nicht. Und ähm ich
bin ja von Anfang an offen mit dem Thema umgegangen, aber trotzdem habe ich
es nicht jedem erzählt und äh wusste jetzt nicht, wer
weiß was und wer denkt was über einen. Und ähm meine
Chefin, wenn die jetzt das Ganze ein bisschen auf mich anpasst so, ist dann,
klingt das dann nach einer Extrawurst oder ja. Hab mir auch gedacht, soll
ich das jetzt annehmen so oder soll ich jetzt sagen, nee ich möchte
wie jeder andere auch behandelt werden. Ähm letztendlich bin ich
schon wie jeder andere behandelt worden, aber es ist einfach, es war halt in
ständiger Absprache und Rücksprache mit mir, ob es
für mich so in Ordnung ist.
Die Neupositionierung der Beziehung zur Arbeit wie auch die dafür als
notwendig erachteten Handlungsmaßnahmen werden seitens der beteiligten
Personen entweder, wie im oberen Beispiel („in ständiger
Absprache und Rücksprache mit mir“), interaktiv
ausgehandelt, stillschweigend hingenommen oder machtvoll vorausgesetzt (I6:
„Wir wollen dich hier nich- mehr“).
Demgemäß, so kann aus den Interviews geschlossen werden,
unterliegt der Statuswechsel einem Wahrnehmungs- und Deutungsprozess. Er kann
zwischen den Beteiligten im Hinblick auf die entwickelten Maßnahmen, die
eingesetzten Ressourcen, das Ziel und die Erfolgsaussicht sowie auf die
Erwartungshaltung gegenüber den beteiligten Personen enorm variieren.
Dies kann unter Umständen zu erheblichen Spannungen führen, was
sich anhand des nachfolgenden Beispiels deutlich zeigt:
I6: (…) wir ham uns alle an einen Tisch gesetzt, alle TAs, alle
Ärzte, und haben eine Besprechung gemacht. Was steht an, was muss
gemacht werden, wer macht was. Ja und ich sitz- dann da, war wie immer die
Erste, weil keiner kam pünktlich. Ähm die Ärztin kommt
rein, guckt mich an: ‘Oh nein, nicht DU. Kannst gleich wieder gehen. Wir
wollen dich hier nich-mehr, wir wollen keinen Psycho.ʼ Okay. Die anderen waren
allerdings sehr nett, dacht- ich mir, jung naiv wie ich war, ähm das
wird schon. (…) Und dann hat sich halt in den Tagen danach immer mehr
raus kristallisiert, dass diese, ähm, Wiedereingliederung und diese
Rechte, die ich da hab, nur MICH interessieren. Ich war nämlich am
dritten Tag schon wieder für Spätdienst eingeteilt, alleine.
Ähm, der geht so neun Stunden. Ähm, zur Entlastung der andren
Kolleginnen, weil ich war ja jetzt so lang nicht da. Und dann kann das ja nicht
sein, dass ich mich jetzt weiterhin auf die faule Haut lege. Das war dann so der
erste Zeitpunkt, wo ich mir dann schon Gedanken gemacht hab, okay, wo gehe ich
hin? Wechsle ich die Stelle?
In dem Beispiel werden die ursächliche Bedingung für die
Rückkehr (krankheitsbedingte Absenz) und das Ziel (Wiederaufnahme der
Tätigkeit, Reintegration in ein Arbeitsteam und in die
Arbeitsabläufe) von manchen Kolleginnen und Kollegen anders gedeutet
(„Wir wollen dich hier nich- mehr“; „auf die
faule Haut legen“) und die dafür herangezogenen
Maßnahmen (zwischenzeitliche Reduktion der Arbeitszeit) werden
konterkariert. Eine (Wieder-)Aneignung der Arbeit seitens der betroffenen
Arbeitnehmerin wird aufgrund der Missachtungserfahrungen verhindert.
Im oben genannten Beispiel löst die Befragte die Diskrepanz zwischen dem
erwarteten Rückkehrprozess und der tatsächlichen
Realität schließlich, indem sie nach Alternativen Ausschau
hält – was letztlich zur Kündigung führt. Durch
die Auflösung des Arbeitsverhältnisses (hier durch die
betroffene Arbeitnehmerin) fallen zwar einerseits die krankmachenden
Arbeitsbedingungen weg; andererseits geht auch die Arbeitskraft verloren und es
besteht die Gefahr, dass durch das Wegbrechen der geregelten Tagesstruktur und
der sozialen Kontakte die psychische Gesundheit negativ beeinflusst wird. In
anderen Fällen wird dieser Umstand auch noch durch die damit
einhergehende Prekarisierung der ökonomischen Lebensbedingung weiter
verschärft.
Die Analyse weiterer Rückkehr-Erzählungen und die Ergebnisse aus
den Experteninterviews legen jedoch auch nahe: Wenn es gelingt,
möglichst alle beteiligte Personen in den Transitionsprozess zu
involvieren und im Rahmen eines gemeinschaftlichen Deutungsprozesses einen, auf
die jeweilige Situation abgestimmten und an den Bedürfnissen des
betroffenen Mitarbeiters orientierten, Rückkehrprozess zu erarbeiten und
erfolgreich umzusetzen, wird die (Wieder-)Aneignung bzw. die notwendige
Abgrenzung von der Arbeit befördert. Der Genesungsprozess wird
unterstützt (I2: „umso schneller ich wieder ins normale Leben
find, also ich einsteig-, also umso schneller bin ich wieder gesund
eigentlich.“) und die Arbeitsleistung bleibt erhalten. Zudem
kann dies zu einer erhöhten Bindung an den Betrieb führen, wie
das nachfolgende Beispiel eindrucksvoll belegt:
I5: „Weil wirklich alle, von allen Seiten krieg ich
Unterstützung. Auch von Kollegen, die in ganz anderen Abteilungen
sind. Da kenn ich einen, der ist sehr sehr weit oben angesiedelt, der auch
sagt: ‘Wenn irgendwas ist, äh, kommste zu mirʼ, und der
Connections hat. Und halt einfach, dass man nach einem Rat suchen kann. Die
Kollegen, mein Chef selber, der sagt auch, ich kann auch, wenn ich will, am
Sonntagabend anrufen. Also das ist halt schon so ein bisschen,
Schlaraffenland sag ich mal. (lacht) (…) Und ich find das alles so
toll. Und weiß, dass die Kollegen da, äh, sehr viel Arbeit
hat, hatten, weil sie das mit auffangen müssen. Und dass ich jetzt
halt mich einsetzen will. Also nicht tausendprozentig, sondern eben
schön langsam aufbauen, dass ich, dass ich wieder fit werde. Und
dann, äh, Unterstützung für die Firma bin. Ich
glaub-, so viel Entgegenkommen der Firma, das ist schon Wahnsinn. Und des
möcht- ich halt irgendwo zurückgeben dann. Ja. Ja, des ist
schon, des ist schon schön, ja, das es so ist. Ja.“
Diskussion
Ziel der vorliegenden qualitativen Studie war es aufzuzeigen, wie Menschen den
Übergang zwischen der Behandlung in einer akutpsychiatrischen Klinik und dem
Arbeitsplatz erleben und wie die Beteiligten mit den Herausforderungen umgehen.
Aus Studien ist bekannt, dass Patientinnen und Patienten, die aus einer
psychiatrischen Akutklinik entlassen werden und an den Arbeitsplatz
zurückkehren möchten, in der Regel vor mehrfachen Herausforderungen
stehen: Prozesse der Reintegration an den Arbeitsplatz erfolgen oftmals parallel zum
Aufbau des ambulanten Versorgungsnetzes und zur Wiederaufnahme von alltagsbezogenen
Arbeiten, wie Haushaltsführung oder Kindererziehung [16]. Zudem muss das – im Zuge der
Krisensituation – zerbrochene Selbstbild [17]
[18] bzw. das Fremdwerden der
eigenen Biographie [19] bewältigt
sowie die (teils schambehaftete) eigene psychiatrische Hospitalisierung verarbeitet
werden. Verschiedene Studien haben bereits auf die Wechselwirkung zwischen psychisch
erkrankter Mitarbeiterin bzw. erkranktem Mitarbeiter, Arbeitssetting und
Versorgungssystem während des Rückkehrprozesses an den Arbeitsplatz
hingewiesen [exemplarisch 9, 11, 20]. Betriebsübergreifende strukturelle
Faktoren, wie rechtliche Rahmenbedingungen und Fachkräftemangel, sowie
betriebsinterne Bedingungen, wie Unternehmenskultur, Betriebsgröße,
Erfahrungen mit der betrieblichen Wiedereingliederung, wirken dabei auf die
Bereitschaft der Beteiligten, sich auf Veränderungen einzulassen und an der
Bereitstellung wohlwollender Hilfsangebote aktiv mitzuarbeiten [21]. Diese unterschiedlichen
betriebsübergreifenden wie auch -internen Bedingungen, die auf den
jeweiligen Rückkehrprozess einwirken, spiegeln sich – wenngleich
hier nicht umfassend behandelt – auch in den Erfahrungen der befragten
RTW-Expertinnen und Experten wider. Die vorliegende Analyse fokussiert
stärker die Mikroebene des beruflichen Wiedereintritts, d. h. die
Interaktion zwischen den beteiligten Personen. Die Analyse zeigt – so das
Fazit aus den hier berichteten Erfahrungen der Patientinnen und Patienten sowie der
RTW-Expertinnen und Experten –, dass das Zusammenspiel der beteiligten
Akteure maßgeblich für den Rückkehrprozess ist. Die
vorliegenden Studienergebnisse generieren dabei ein tieferes Verständnis
dieses komplexen Zusammenspiels. Wesentlich ist dabei, wie die Beteiligten den
Rückkehrprozess deuten und welche Handlungsaufforderungen infolge dessen an
die Beteiligten adressiert werden.
Eine Berufswiedereintrittsphase im Anschluss an eine stationäre Behandlung in
einem psychiatrischen Akutkrankenhaus lässt sich aus einer
sozialwissenschaftlichen Perspektivierung heraus als Statuspassage
[22]
[23]
begreifen. Der Begriff Statuspassage, der maßgeblich von Glaser und
Strauss geprägt wurde, beschreibt allgemein Prozesse und Mechanismen des
Übergangs innerhalb eines gesellschaftlichen Feldes oder zwischen
verschiedenen Feldern. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich mit jedem
Statuswechsel die normativen Erwartungen verändern, die an die Person
gestellt werden [22: 47]. Mit Ebaugh [23]
weitergedacht, umfasst eine Statuspassage dabei nicht nur das Erlernen einer neuen
Rolle oder das Anpassen an neue Verhältnisse, sondern einen gleichzeitig
ablaufenden Loslösungsprozess von alten Verhältnissen
(„disengagement“, „disidentification“ [23: 4]). Wie
bei jedem Statuswechsel [22]
[23], so verändern sich auch im Zuge
einer Berufswiedereintrittsphase im Anschluss an eine stationäre Behandlung
in einem psychiatrischen Akutkrankenhaus die normativen Erwartungen, so die
Ergebnisse der vorliegenden Studie. Im vorliegenden Datenmaterial zeigt sich dieser
Statuswechsel als Übergang von der krankheitsbedingten Schonhaltung
(Patientin/Patient) in die leistungsorientierte Arbeitshaltung
(Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer). Die Neupositionierung der Beziehung zur
Arbeit ist dabei – vor allem für die erkrankten Mitarbeiter, aber
auch für Andere – das zentral zu lösende Handlungsproblem
([Abb. 2]). Dies schließt sowohl
die Neuverortung der rückkehrenden Person innerhalb eines Geflechts sozialer
Beziehungen sowie die Neuausrichtung der Arbeitsrolle ein, als auch eine
Neubewertung der Arbeitsinhalte, der Arbeitsabläufe und des
Arbeitsplatzes.
Abb. 2 Neupositionierung der Beziehung zur Arbeit als zentral zu
lösendes Handlungsproblem, eigene Darstellung.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studien zeigen, dass hierbei der
Rückkehrprozess maßgeblich von der Art und Weise beeinflusst wird,
wie die Beteiligten diesen Prozess mit Sinn ausstatten, und welche
Handlungsaufforderungen infolge dessen an die Beteiligten adressiert werden. Konkret
geht es darum, wie die beteiligten Akteure (Patienten, Vorgesetzte,
Gesundheitsexperten, etc.) jeweils die Phase der Absenz und den Genesungsprozess
deuten und wie sie sich über den Rückkehrprozess
verständigen. Sofern die Passage des Psychisch-Krank-Werdens im
Arbeitskontext direkt sicht- bzw. erlebbar wurde, spielt auch die Art und Weise, wie
Vorgesetzte, Kollegen usw. dieses Ereignis deuten bzw. damit umgehen, eine
bedeutsame Rolle. Für das Zusammenspiel aus mentaler Störung,
Leistungsabfall und erschüttertem Selbstbild erweist sich das von Corbin und
Strauss [17] entwickelte Konzept der
Gescheiterten Performanz als weiterführend. Der Ansatz
verknüpft das Scheitern von sozialen Handlungen (wie z. B. das
Scheitern einer Kommunikation mit einer Kundin oder einem Kunden) mit
gestörten Körpern und zerbrochenen Selbstbildern. Eine
Gescheiterte Performanz kann dabei durch mentale oder physische Prozesse
verursacht werden, wie z. B. Konzentrationsschwierigkeiten während
eines Kundengesprächs. Das Scheitern von sozialen Handlungen, so Corbin und
Strauss, wird dabei seitens der Beteiligten als folgenreich für den weiteren
Verlauf bewertet (inkl. der Notwendigkeit von Bewältigungsarbeit). In
Anlehnung an das Konzept lassen sich die entsprechenden Stellen im Datenmaterial
differenzieren, „als Scheitern für sich selbst, für
andere, vor anderen, durch andere oder mit anderen sowie als
Scheitern des Erscheinungsbildes der Performanz oder des
Ausführenden“ [17: 76] (in den oben aufgeführten Zitaten
zeigt sich dies z. B. als Abdriften in eine unreale Welt oder als fehlende
Beteiligung an Gesprächen). Als grundlegender Einflussfaktor auf den
beruflichen Rückkehrprozess erweist sich demnach, wie dieses Scheitern der
beruflichen Performanz im Sinne eines „Sich-Selbst-Fremdwerdens“
oder „Anderen-Fremdwerdens“ retrospektiv gerahmt wird.
Der Rückkehrprozess an den Arbeitsplatz wird dabei umso komplexer, je
unterschiedlicher die Rückkehrerwartungen sind, die die beteiligten Akteure
aufgrund von differenten Informationen und Deutungen entwickelt haben. Die Analyse
der Rückkehr-Erzählungen hat gezeigt, dass differente
Rückkehrerwartungen zu erheblichen Spannungen führen können.
Ohne den Versuch die Beteiligten zu koordinieren, schlägt dann jeder Versuch
eines abgestimmten Rückkehrprozesses fehl. Insofern die notwendige
Bewältigungsarbeit nicht nur auf die betroffene Arbeitnehmerin bzw.
Arbeitnehmer zurückfällt, ist für die Entwicklung eines
bedürfnisorientierten Rückkehrprozesses jedoch eine gelingende
Kommunikation sowie größtmöglicher Konsens über die
erforderlichen Handlungsmaßnahmen unabdingbar. Auf dieses Kernproblem haben
bereits vorangehende Studien hingewiesen. [11]
[20]
[24].
Die Studienergebnisse zeigen folglich, dass der Übergang zwischen Klinik und
Arbeitsplatz weit mehr als den Genesungsprozess und die Anpassung von
Arbeitsabläufen und -inhalten umfasst. Eine gelingende Statuspassage setzt
einen gemeinschaftlichen Deutungsprozess voraus, der sich an den
Bedürfnissen der zurückkehrenden Mitarbeiterin oder des
zurückkehrenden Mitarbeiters orientiert bzw. diese zum Thema macht. Dabei
benötigt ein Teil der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine
Hilfe; ein Teil schafft es ohne Hilfe nicht, erfolgreich an den Arbeitsplatz wieder
zurückzukehren. Angesicht des nicht unerheblichen Anteils an Patientinnen
und Patienten, deren Wiedereinstieg an den Arbeitsplatz im Anschluss an eine
stationäre Behandlung nicht gelingt [5], sind adäquate Unterstützungsangebote an der genannten
Schnittstelle zu etablieren. Seitens der Betroffenen wird allerdings
bemängelt, dass sie durch das Hilfesystem nicht gut auf die Rückkehr
an den Arbeitsplatz vorbereitet werden [25]
[26]
[27]. Für akutstationär
behandelte Patientinnen und Patienten mit bestehendem Arbeitsverhältnis gibt
es kaum entsprechende Unterstützungsangebote, da Leistungen zur beruflichen
Teilhabe in Deutschland überwiegend im klassischen Rehabilitationssektor zur
Verfügung gestellt werden [28].
Stationäre wie auch ambulante medizinisch psychotherapeutische Leistungen
zeichnen sich oftmals durch ein Nichtthematisieren bzw. durch ein Umdeuten der
Problemlagen in Richtung Personalisierung und Familialisierung aus [29]. Diese unterschiedlichen Bedingungen in den
medizinischen Versorgungsstrukturen und in den Betrieben, spiegeln sich –
wenngleich hier nicht umfassend behandelt – auch in den Erfahrungen der
befragten RTW-Expertinnen und Experten wider. Für die Patienten und
Patientinnen mit Unterstützungsbedarf, so eine RTW-Expertin, ist das
„A und O [ist] der Kontakt MIT dem Patienten IN der Klinik.
(…) Also erst Beziehungsaufbau, dann die Öffnung, dass der RTW
mit dem Arbeitgeber sprechen kann.“ Ob aktuell entwickelte
Return-to-Work-Interventionen die oben genannten Aspekte in ausreichendem
Maße berücksichtigen, ist offen.
Stärken und Limitation
Die Identifizierung vergleichbarer Themen bzw. Probleme mit dem die beteiligten
Personen – aus unterschiedlichen Rückkehrsettings mit
verschiedenen Krankheitskarrieren – im Kontext einer
Berufswiedereintrittsphase nach einer psychischen Krise konfrontiert sind,
unterstreicht die Generalisierbarkeit des Handlungsproblems. Als zentrales
Handlungsproblem (oder auch Schlüsselkategorie) wurde die Bestimmung der
Arbeitsrolle, -leistung und –beziehungen in Verbindung mit einer
erforderlichen Deutungsarbeit aller Beteiligten herausgearbeitet, die
schließlich einen Großteil der relevanten Konzepte integrieren
konnte.
Wie bereits beschrieben, fokussiert die vorliegende Analyse stärker die
Mikroebene des beruflichen Wiedereintritts, d. h. die Interaktion
zwischen den beteiligten Personen. Dadurch ergeben sich auch
forschungspraktische Beschränkungen. Institutionelle Einflüsse
auf die Berufswiedereintrittsphase, die sich beispielsweise aufgrund der
Größe oder der Lage der Betriebe ergeben, werden dabei nicht
berücksichtigt. Gleichermaßen wurden die verschiedenen Formen
kognitiver bzw. emotionaler Beeinträchtigungen oder deren Schweregrade
nicht ausreichend berücksichtigt, sodass dazu keine differenzierten
Aussagen möglich sind.
Konsequenzen für Klinik und Praxis
Es besteht die Notwendigkeit für eine bessere Vernetzung und Kooperation
des Gesundheitssystems mit dem Arbeitsbereich, speziell im Rahmen der
akutstationären Versorgung. Ein akutstationäres
Entlassmanagement sollte u. a. auch sektorenübergreifende
Unterstützungsangebote vorhalten, die an den Erwartungshaltungen der
Beteiligten ansetzen und einen gemeinschaftlichen Deutungsprozess
befördern bzw. in Gang setzen.
Nachfolgende Studien, die sich mit dem beruflichen Rückkehrprozess von
Personen mit einer psychischen Erkrankung befassen, sollten das Zusammenspiel
der beteiligten Akteure (Betroffenen, Kollegen, Vorgesetzte,
Gesundheitsexperten) und deren Deutungsarbeit stärker
berücksichtigen.