CC BY-NC-ND 4.0 · Handchir Mikrochir Plast Chir 2023; 55(05): 330-335
DOI: 10.1055/a-2055-1592
Originalarbeit

Mittelfristige Ergebnisse nach perkutaner Nadelfasziotomie bei Morbus Dupuytren

Medium-term Results after percutaneous Needle Fasciotomy in Dupuytren’s Disease
Emmanouil Nichlos
1   Klinik für Plastische, Hand und Rekonstruktive Chirurgie, Varisano Krankenhaus, Bad Soden, Bad Soden, Germany
,
Olaf Wölfle
1   Klinik für Plastische, Hand und Rekonstruktive Chirurgie, Varisano Krankenhaus, Bad Soden, Bad Soden, Germany
,
Ingo Marzi
2   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Germany
,
Johannes Frank
2   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Germany
,
Katharina Sommer
2   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Der Morbus Dupuytren führt bei betroffenen Patienten häufig zu einer zunehmenden Extensionseinschränkung der Finger. Da die Inzidenz im Alter zunimmt, ist auf Grund des demographischen Wandels mit einer Zunahme von diesen Dupuytren’schen Kontrakturen zu rechnen. Deshalb besteht weiterhin der Bedarf an einer einfachen und patientenorientierten Behandlung.In dieser Studie wurden die kurz- und mittelfristigen Ergebnisse nach perkutaner Nadelfasziotomie (PNF) untersucht.

Patienten und Methoden An der Studie nahmen insgesamt 40 Patienten teil, bei denen 65 Finger mittels PNF behandelt wurden. Es wurde das totale passive Extensionsdefizit (TPED), das passive Extensionsdefizit der einzelnen Gelenke (PED), der Buck-Gramcko-Score, die Rezidivrate, der DASH-score und die Patientenzufriedenheit untersucht. Hierbei wurde ein Rezidiv als Verschlechterung des TPED um 30° oder mehr definiert. Das mittlere Patientenalter betrug 65,9 Jahre. Die Mehrzahl der Patienten war männlich (82%).

Ergebnisse Direkt nach der Intervention zeigt sich eine signifikante Verbesserung der Streckfähigkeit (TPED vor PNF 74,6°±41,1 Standardabweichung (SD) auf 32,8°±29,0 SD nach Intervention), die sich bei der Nachuntersuchung nach 30,2±13,9 SD Monaten im Durchschnitt wieder leicht verschlechtert zeigte (TPED 52,7°±40,2 SD). Die Rezidivrate betrug 29,7%, wobei ein höheres Tubiana-Stadium vor der Prozedur mit einer signifikant höheren Redzivrate einherging. Trotzdem zeigte sich eine hohe Patientenzufriedenheit und fast alle Patienten würden retrospektiv die PNF erneut durchführen lassen.

Schlussfolgerung Die PNF stellt weiterhin trotz relativ hoher Redzidivrate eine effektive und patientenorientierte Behandlung der Dupuytren’schen Kontraktur dar.


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Abstract

Background Dupuytren’s disease often leads to an increasing limitation in finger extension in affected patients. As the incidence rises with age, the number of cases is expected to rise in the future due to the demographic change. Therefore, an easy and patient-oriented treatment is required. In the following study, we investigated the short and medium-term results after percutaneous needle fasciotomy (PNF).

Patients and Methods Overall, 65 fingers of 40 patients were treated with PNF. We evaluated the total passive deficit of extension (TPED), the passive deficit of extension of the joints (PED), the Buck-Gramcko score, rate of recurrence, DASH score and patient satisfaction. The average age of the patients was 65,9 years. Most of the patients (82%) were male.

Results Directly after the PNF, extension in the treated fingers improved significantly (TPED before PNF 74,6°±41,1 SD to 32,8°±29,0 SD after the procedure). By the time of the follow-up examination (30,2±13,9 SD months), TPED had increased again (52,7°±40,2 SD). The rate of recurrence was 29,7%, and a higher Tubiana stage before the procedure correlated significantly with a higher recurrence rate. Nevertheless, patients demonstrated a very high level of satisfaction with the procedure and almost all patients would choose to undergo PNF again.

Conclusion Although it is associated with a relatively high recurrence rate, PNF represents an effective and patient-oriented treatment of Dupuytren’s contracture.


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Einleitung

Der Morbus Dupuytren (MD) ist eine genetische Störung, die vor allem in der nordeuropäischen Bevölkerung auftritt [1]. In der Population mit asiatischer oder afrikanischer Abstammung ist diese Erkrankung eher selten anzutreffen, wobei auch hier vermehrt Fälle beschrieben werden [2] [3]. Die Prävalenz steigt mit dem Alter; so zeigen in der Population der 55 Jährigen in den westlichen Ländern 12% Zeichen des MD. Dies steigt mit zunehmendem Alter, so dass bei den über 75jährigen bereits zu 29% ein MD zu finden ist [1].

Kennzeichen des MD ist eine zunehmende Fibrosierung der Palmaraponeurose, die Stränge und Knoten bildet [4]. Diese Fibrosierung zieht sich weiter nach distal bis in den Bereich der Finger [5]. So entwickelt sich häufig eine störende Bewegungseinschränkung der betroffenen Finger, die „Dupuytren´sche Kontraktur (DK). Trotz dieser störenden Bewegungseinschränkung, kommt es nur in den seltensten Fällen zu lokalen Beschwerden. Am häufigsten von der Kontraktur betroffen sind die Metakarpophalangealgelenke (MCP) sowie das proximale Interphalangealgelenk (PIP) [6].

Bei störender Kontraktur bestehen unterschiedlichste Behandlungsoptionen, sie reichen von der Bestrahlung über die minimalinvasive Therapie mit Kollagenase und Nadelfasziotomie bis zur offenen Fasziotomie. Dabei ist im Hinblick auf die aktuelle Datenlage noch nicht eindeutig, welche Therapieoption optimal ist. So ist die Effektivität der Bestrahlung bei MD bislang nicht bewiesen und die Strahlenbelastung ist ein negativer Aspekt dieser Behandlung [7]. Aktuell wird die offene chirurgische Fasziotomie als Goldstandard angesehen [4]. Die Nachteile der offenen Fasziotomie sind vor allem die relative lange Rekonvaleszenzzeit und das Risiko der Gefäß- oder Nervenverletzung während der Prozedur. Die lokale Injektion mit Kollagenase bietet ebenfalls einen nachgewiesenen positiven Effekt auf die Beweglichkeit der betroffenen Finger, jedoch ist aktuell, zumindest in Europa, diese Behandlungsalternative kaum durchführbar, da der Bezug von Kollagenasen schwierig und die Kosten extrem sind [8]. Die Nadelfasziotomie ist eine einfach zugängliche Behandlungsalternative, die wie die Injektion von Kollagenase in der Praxis unter lokaler Anästhesie durchgeführt werden kann. Als möglich Komplikationen werden hier ebenfalls wie bei den zwei vorherigen Therapien die Verletzung von Nerven und Sehnen beschrieben [9] [10]. Hauptkritikpunkt an dieser Prozedur ist vor allem die beschriebene Rezidivrate von etwa 80% nach 5 Jahren im Vergleich zu 20% bei offener partieller Fasziektomie [11].

Wegen der demographischen Veränderungen ist zu erwarten, dass die Inzidenz des MD und die Komorbiditäten der Patienten mit zunehmendem Alter ansteigen. Somit ist der Bedarf für einfach zugängliche und durchzuführende Prozeduren wie der Nadelfasziotomie zur Behandlung der Kontraktur gegeben.

In der folgenden Studie wurden die kurz- und mittelfristigen Ergebnisse nach perkutaner Nadelfasziotomie, insbesondere die Patientenzufriedenheit und Rezidivrate, retrospektiv evaluiert.


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Patienten und Methoden

Vor Beginn der Studie wurde die Zustimmung der zuständigen Ethikkommission eingeholt (Ethikvotum Nummer 314/15). Es wurden alle Patienten in die Studie eingeschlossen, die sich zwischen September 2011 und Juni 2015 einer perkutanen Nadelfasziotomie unterzogen.

Patienten wurden vor, direkt nach und 11 bis 56 Monate nach der Prozedur untersucht. Die Daten der Untersuchungen vor und nach der Nadelfasziotomie wurden hierfür aus den Patientenakten entnommen. Für die Nachuntersuchung wurden die Patienten einbestellt. Dabei wurde die Händigkeit der Patienten abgefragt. Das Tubiana-Stadium wurde zu allen drei Zeitpunkten bestimmt. Darüber hinaus wurden das totale passive Extensionsdefizit (TPED) sowie das passive Extensionsdefizit für die einzelnen Gelenke (PED) und der Buck-Gramcko-Score bestimmt. Ein Rezidiv wurde als Verschlechterung des TPED von 30° oder mehr gewertet und hierüber wurde die Rezidivrate bestimmt. Die visuelle Analogskala (VAS) zur Beurteilung der Schmerzen wurde ebenfalls vor und nach der Prozedur erhoben.

Am Tag der Nachuntersuchung wurden der DASH-Fragebogen sowie die Patientenzufriedenheit erhoben. Hierzu wurde von den Patienten eine Note für die perkutane Nadelfasziotomie zwischen 1 und 4 vergeben, wobei 1 einem sehr zufriedenstellenden Ergebnis entspricht und 4 ein nicht zufriedenstellendes Ergebnis. Auch wurde am Tag der Nachuntersuchung die Bereitschaft abgefragt, diese Prozedur erneut durchführen zu lassen.

Für die statistische Analyse wurde der nicht parametrische Wilcoxon-Whitney-Mann-U-Test für 2 Gruppen und bei mehreren Gruppen der Kruskal-Wallis-Test gefolgt vom Dunn-Test durchgeführt. Die Korrelation zwischen Tubiana-Stadium vor Nadelfasziotomie und Rezidivrate wurde durch den Chi-Quadrat Test evaluiert. P-Werte von≤0,05 wurden als statistisch signifikant gewertet.

Patientendaten

Im Zeitraum von September 2011 bis Juni 2015 wurden 40 Patienten in unsere Studie aufgenommen. Die Altersverteilung lag zwischen 40 und 90 Jahren, wobei das Durchschnittsalter 66,4 Jahre±8,5 SD betrug. Von den behandelten Patienten waren 33 (82%) männlich und 7 weiblich (18%). Die Zeitpanne bis zur Kontrolluntersuchung lag zwischen 11 und 56 Monaten und betrug im Mittel 30,2±13,9 SD Monate.

In 20 Fällen wurde die perkutane Nadelfasziotomie nur an der rechten Hand durchgeführt. 16 Patienten erhielten diese Prozedur ausschließlich an der linken Hand. In 4 Fällen wurden beide Hände behandelt. Die Mehrzahl der Patienten, nämlich 36, waren Rechtshänder und 4 Patienten Linkshänder.


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Verteilung

In Summe wurden insgesamt 65 Finger behandelt, da bei 18 Patienten mehr als ein Finger von einer Dupuytren’schen Kontraktur betroffen war. Die Seitenverteilung der behandelten Finger war fast identisch mit 33 behandelten Fingern an der linken und 32 behandelten Fingern an der rechten Hand.

Der am häufigsten betroffenen Finger war der Kleinfinger mit 44,6%, gefolgt vom Ringfinger mit 36,9% und dem Mittelfinger mit 16,9%. Es wurde in unserer Studie lediglich 1 Daumen (1,5%) mittels Nadelfasziotomie behandelt. Es befand sich kein Patient mit Nadelfasziotomie des Zeigefingers in dieser Studie. Bei der Berechnung des Tubiana-Stadiums, TPED, des PED von MCP und PIP sowie bei der Rezidivrate wurden in der Folge nur die Finger berücksichtigt.


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Tubiana-Stadium

Vor Durchführung der Nadelfasziotomie war Tubiana-Stadium II am häufigsten in 43,8% (n=28) vertreten, gefolgt von Stadium I in 25% (n=16) und Stadium III mit 18,8% (n=12). Am seltensten wurde Tubiana-Stadium IV mit nur 12,5% (n=8) in dieser Studie behandelt ([Abb. 1a]).

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Abb. 1 A Tubiana-Stadium bei Behandlung (n=64); B Totales passives Extensionsdefizit der behandelten Finger vor und nach PNF sowie am Tag der Nachuntersuchung (n=64, *p<0,001); C Passives Extensionsdefizit der MCP vor PNF, nach PNF und am Tag der Nachuntersuchung (n=64, *p<0,001); D Passives Extensionsdefizit der PIP vor PNF, nach PNF und am Tag der Nachuntersuchung (n=64, * *p<0,01)

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Ergebnisse

Extensionsdefizit

Das totale passive Extensionsdefizit (TPED) des Metakarpophalangeal- (MCP), proximalen Interphalangeal- (PIP) und distalen Interphalangealgelenks (DIP) zusammengenommen betrug vor Intervention 74,6°±41,1 SD mit einem Minimum (Min) von 20° und einem Maximum (Max) von 185° ([Abb. 1b]). Nach der Nadelfasziotomie verbesserte sich das TPED der Finger signifikant und halbierte sich auf 32,8° (0°− 150°,±29,0 SD, p<0,001). Zum Nachuntersuchungszeitpunkt zeigte sich dann eine erneute Verschlechterung mit einem TPED von 52,7° (0°− 165°,±40,2 SD). Zusammenfassend ließ sich somit mittelfristig in unserer Studie eine Verbesserung der Bewegung von 21,9° durch die Nadelfasziotomie erzielen.

Bei der einzelnen Betrachtung des MCP und PIP zeigen sich analoge Ergebnisse zum TPED. Das passive Extensionsdefizit (PED) des MCP betrug vor der Behandlung 41,7° (10°− 80°,±17,2 SD) und verbesserte sich nach der Behandlung signifikant auf 8,2° (0°− 45°,±12,5 SD, p<0,001). Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung war erneute eine Zunahme der Bewegungseinschränkung mit 22,1° (0°− 80°,±21,8 SD) zu verzeichnen ([Abb. 1c]). Das PED des PIP betrug präoperativ 34,2° (0°-55°,±24,2 SD) und verbesserte sich nach der Behandlung auf 17,2° (0°− 55°,±13,9 SD). Auch hier zeigte sich wiederum eine Verschlechterung am Tag der mittelfristigen Nachuntersuchung auf 27,4° (0°-85°,±20,6 SD) ([Abb. 1d]). In Bezug auf den einzigen behandelten Daumen war nach der Nadelfasziotomie eine freie Bewegung zu vermerken, die sich bis zur Nachuntersuchung nicht verschlechterte.

Bei der Evaluation des Buck-Gramcko-Scores war eine signifikante Verbesserung nach Nadelfasziotomie von 12,5 (6–15,±2,9 SD) vor der Prozedur auf 15,0 (8–15,±1,3 SD) nach der Prozedur zu verzeichnen ([Abb. 2a], p<0,001). Am Tag der Untersuchung zeigt sich dem TPED entsprechend eine Verschlechterung auf 14,0 (6–15,±2,3 SD) ([Abb. 2a], p<0,01).

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Abb. 2 A Buck-Gramcko-Score vor PNF, nach PNF und am Tag der Nachuntersuchung (n=65, *p<0,001, **p<0,01); B Rezidivanteil aufgeschlüsselt nach betroffenem Finger (n=64); C Korrelation zwischen Tubiana-Stadium und Rezidiv (n=64)

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Rezidivrate

Insgesamt zeigte sich mittelfristig eine Rezidivrate von 29,7% (19 von 64 behandelten Fingern) in unserer Gruppe nach Nadelfasziotomie. Am häufigsten betroffen war der Kleinfinger in 57,9% (n=11) aller Rezidive gefolgt vom Ringfinger mit 26,3% (n=5). Am seltensten betroffen war der Mittelfinger mit 15,8% (n=3). Bei der Betrachtung der einzelnen Finger zeigt sich, dass ein Rezidiv bei 37,9% der behandelten Kleinfinger, bei 27,3% der behandelten Mittelfinger und bei 20,8% der behandelten Ringfinger zu verzeichnen war ([Abb. 2b]).

Beim Vergleich des Tubiana-Stadiums mit der Rezidivrate am Tag der Nachuntersuchung zeigte sich eine signifikante Erhöhung der Rezidive bei höherem Tubiana-Stadium. Im Einzelnen war im Stadium I eine Rate von 12,5%, im Stadium II eine Rate von 21,4%, im Stadium III eine Rate von 58,3% und im Stadium IV eine Rate von 50% an Rezidiven zu verzeichnen ([Abb. 2c]).


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DASH/VAS/Patientenzufriedenheit

Der DASH-score nach Nadelfasziotomie belief sich im Mittel auf 11,8 Punkte±14,7 SD und schwankte zwischen 0 und 68,3 Punkten.

Bei der Beurteilung der Schmerzen gaben 35 der 40 behandelten Patienten keinerlei Schmerzen vor der Behandlung mittels PNF an (VAS 0). Nur 4 Patienten berichteten vor der Nadelfasziotomie über Schmerzen (VAS 3,8 (1–7)). In all diesen Patienten verbesserten sich die Beschwerden nach der Nadelfasziotomie. Drei Patienten berichteten über eine VAS von 0 nach Fasziotomie und ein Patient eine Verbesserung auf 2. Einer der 40 untersuchten Patienten beklagte nach der Nadelfasziotomie Schmerzen der Stärke 2 auf der VAS, obwohl er vor der Prozedur keinerlei Beschwerden gehabt hatte. Trotz dieser Tatsache bewertete der Patient die Prozedur mit einer 2 und würde die Prozedur erneut durchführen lassen.

Insgesamt gaben 39 der 40 Patienten an, dass sie die perkutane Nadelfasziotomie retrospektiv betrachtet wieder durchführen lassen würden. Nur ein Patient gab an, eine andere Methode vorzuziehen. Die perkutane Nadelfasziotomie wurde im Durchschnitt von den Patienten mit einer Note von 2,15 bewerten.


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Diskussion

Der Morbus Dupuytren ist eine Erkrankung, die vor allem die ältere männliche Bevölkerung in Nordeuropa betriff und zu Funktionseinschränkungen im Bereich der Hände führen kann [1]. Auf Grund des demographischen Wandels ist mit einer Zunahme der Erkrankung zu rechnen. Deshalb sind einfache, gut verfügbare Therapieoptionen wichtig, um Patienten mit Dupuytren’schen Kontrakturen zu behandeln.

In unserer retrospektiven Studie haben wir die kurz- und mittelfristigen Ergebnisse von 40 Patienten nach Nadelfasziotomie analysiert. Insgesamt wurden 64 kontrakte Finger und 1 Daumen mit dieser Methode behandelt.

Das Durchschnittsalter der Patienten in unserer Studie betrug 66,4 Jahre und der überwiegende Anteil war männlich mit 83%. Ähnliche Zahlen sind auch in der Literatur zu finden. Hier wurden z. B. in einer europäischen Studie das Durchschnittsalter für die Diagnose eines Morbus Dupuytren mit 61,9 Jahren angegeben und von den Probanden waren 81%,die eine operative Intervention erhielten, männlich [12].

In unsere Studie wurden Patienten mit MD in allen Tubuiana-Stadien aufgenommen. In der Literatur zeigt sich, dass PNF vor allem bei Patienten mit Tubiana-Stadium I und II durchgeführt wird und schwerere Stadien häufiger mit einer offenen partiellen Fasziektomie oder Dermatofasziektomie behandelt werden [12]. Generalisiert lässt sich feststellen, dass die Rezidivrate des MD mit Invasivität der Prozedur abnimmt [13]. Hier zeigt sich auch unsere Studie in Einklang mit der Literatur und dem erwarteten Ergebnis, dass die Rezidivrate bei PNF bei höheren Stadien signifikant ansteigt.

Nichts desto trotz kann die PNF auch in höheren Stadien durchgeführt werden. Der klare Vorteil der PNF ist die einfache Verfügbarkeit, da sie in der Ambulanz ohne stationären Aufenthalt durchgeführt werden kann. Darüber hinaus wird kein Operationssaal oder eine Regionalanästhesie oder Vollnarkose benötigt.

Interessant ist der Bericht von Patel und Patel, die die PNF als Lösungsversuch bei medizinischen Engpässen hier im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie sehen [14]. So ist auch hier der Vorteil der Nadelfasziotomie in der einfachen Verfügbarkeit und Durchführbarkeit der Methode bei relativ geringem Aufwand für die Nachbehandlung zu sehen.

Ähnlich einfach ist die Anwendung von Kollagenase, die aus Clostridium histolyticum gewonnen wird, jedoch deutlich kostspieliger und aktuell in Deutschland nicht einfach verfügbar ist. Weiterhin muss bemerkt werden, dass das deutliche teurer Verfahren in ersten Vergleichsstudien keine Vorteile in Bezug auf die Rezidivrate zeigte [13].

Postinterventionell fanden sich kurzfristig sehr gute Ergebnisse mit einer Verbesserung des mittleren TPED von 74,6° auf 32,8°. Jedoch zeigte sich in unserer Studie im Verlauf bei der Nachuntersuchung, die im Durchschnitt nach 30,2 Monaten stattfand, eine erneute Verschlechterung auf 52,7° und somit ein Verlust von 20° der Streckfähigkeit des betroffenen Fingers. Von diesem Verlauf sind auch alle Fingergelenke individuell betrachtet betroffen. Insgesamt waren 29,7% der Patienten von einem Rezidiv betroffen, definiert als eine Verschlechterung des TPED von 30° und mehr. Dies scheint ein sehr gutes Ergebnis zu sein. Jedoch war die Zeitspanne bis zur Nachuntersuchung mit 2,3 Jahren kurz. In einer Studie von Rjissen und Mitarb. war nach 5 Jahren eine Rezidivrate on 84,9% nach PNF zur verzeichnen [11]. In der gleichen Studie zeigten Patienten, die sich einer offenen Fasziotomie unterzogen, lediglich eine Rezidivrate von 20,9%. Trotz dieser schlechteren Ergebnisses der PNF verglichen mit der offenen Fasziotmie, gaben 53% der Patienten an, bei Rezidiv erneut eine PNF anstelle einer offenen Fasziotomie durchführen lassen zu wollen. Auch in unserer Studie war die Patientenzufriedenheit sehr groß. So gaben 39 der 40 Patienten an, dass sie erneut eine Nadelfasziotomie wünschen würden. Ein Grund hierfür könnte unter anderem die deutlich kürzere Rekonvaleszenzzeit der PNF im Vergleich zur offenen Fasziotomie sein [4]. Deutlich bessere Ergebnisse zeigte die Studie von Moog und Mitarb., in der lediglich eine Rezidivrate von 18,9% beschrieben ist, wobei hier sogar ein Rezidiv als Zunahme der Kontraktur um nur 20° definiert wurde [15]. In dieser Studie zeigt sich jedoch ein deutlich höherer Anteil an Fingern im Tubiana-Stadium I verglichen mit unserer Studie, die auch in unserer Untersuchung eine deutlich geringere Rezidivrate als die höheren Tubiana-Stadien aufweist. Auch die Studie von Zachrisson und Mitarb. beschreibt deutlich bessere Ergebnisse nach Nadelfasziotomie im Vergleich zu unseren Daten [16]. Hier verbesserte sich das TPED von 52° vor der Prozedur auf 20° nach der Prozedur und verschlechterte sich dann nach einer mittleren Nachuntersuchungszeit von 6,5 Jahren nur leicht auf 23°. Auch hier liegt jedoch die intiale Bewegungseinschränkung mit einem TPED von 52° deutlich unter der unseres Patientengutes mit 74,6°. In der Nachuntersuchung von Pess und Mitarb., die nach 3 bis 6,2 Jahren nach Nadelfasziotomie stattfand, zeigte sich, eine erneute Verschlechterung der Beweglichkeit mit 26% Korrekturverlust für das MCP und 69% für das PIP Gelenk [10]. Im Vergleich hierzu zeigt sich bei uns ein deutlich höherer Korrekturverlust sowohl für das MCP als auch für das PIP mit 41,5% bzw. 60,0%.Somit bleibt auch in unserer Studie das Hauptproblem der PNF die relativ hohe Rezidivrate Interessant wären Studien zur Wirksamkeit bezüglich Rezidiven nach PNF in Kombination mit Bestrahlung, medikamentöser Therapie oder anderer Strategien wie Lipofiling. Letzteres scheint ein vielversprechender Ansatz zur Rezidivprophylaxe zu sein, auch wenn es bislang noch an großen Studien fehlt [17].

In unserer Studie fand sich neben der erneuten Verschlechterung der Beweglichkeit darüber hinaus ein Patient mit einer Zunahme der Schmerzen auf VAS 2 nach PNF im Verbleich zu VAS 0 vor PNF. Trotzdem war der Patient zufrieden mit der Prozedur. In einer Registerstudie von Therkelsen und Mitarb., zeigten 110 von 2257 behandelten Patienten eine milde Komplikation, die im Zusammenhang mit der PNF gesehen werden konnte, was 4,9% entspricht [18]. Hier wurden auch Infektionen und Sehnenrupturen mit eingeschlossen. Größere Komplikationen, die eine operative Revision nach sich gezogen hätten, wurden in dieser Studie nicht beobachtet. Somit zeigt sich, dass die PNF trotz relativ hoher Rezidivrate auf Grund ihrer nur selten auftretenden milden Komplikationen eine gute Option zur Behandlung des Morbus Dupuytren darstellt.


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Schlussfolgerung

Auf Grund der steigenden Inzidenz der Dupuytren’schen Kontraktur, die durch die demographischen Änderungen bedingt ist, ist die Notwendigkeit für ein einfach zugängliche und durchführbare Behandlungsoptionen gegeben.

Unsere Ergebnisse unterstützen weiterhin die Effektivität der perkutanen Nadelfasziotomie als eine gute, kosteneffektive Therapieoption mit einer hohen Akzeptanz bei Patienten.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. Katharina Sommer
Universitätsklinikum Frankfurt
Klinik für Unfall-, Hand-, und Wiederherstellungschirurgie
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt am Main
Germany   

Publication History

Received: 26 February 2022

Accepted: 19 November 2022

Article published online:
10 July 2023

© 2023. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

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Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 A Tubiana-Stadium bei Behandlung (n=64); B Totales passives Extensionsdefizit der behandelten Finger vor und nach PNF sowie am Tag der Nachuntersuchung (n=64, *p<0,001); C Passives Extensionsdefizit der MCP vor PNF, nach PNF und am Tag der Nachuntersuchung (n=64, *p<0,001); D Passives Extensionsdefizit der PIP vor PNF, nach PNF und am Tag der Nachuntersuchung (n=64, * *p<0,01)
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Abb. 2 A Buck-Gramcko-Score vor PNF, nach PNF und am Tag der Nachuntersuchung (n=65, *p<0,001, **p<0,01); B Rezidivanteil aufgeschlüsselt nach betroffenem Finger (n=64); C Korrelation zwischen Tubiana-Stadium und Rezidiv (n=64)