Fallbericht
Ein 5 Jahre alter Patient stellte sich mit Fieber seit 6 Tagen, Konjunktivitis und
Husten vor. Zudem sind ein dunkler Urin und ein entfärbter Stuhl aufgefallen. Die
weitere Eigen- und Familienanamnese war unauffällig. Es bestand ein Kawasaki-Syndrom
mit begleitendem cholestatischem Ikterus. Eine Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS),
hochdosierten intravenösen Immunglobulinen und Kortikosteroiden führte zur Entfieberung
und über 7 Wochen zum Rückgang der Cholestase.
Klinik
In der klinischen Untersuchung zeigte sich ein 5-jähriger Junge in reduziertem Allgemeinzustand,
mit ikterischem Hautbild und ikterischen und geröteten Konjunktiven. Die Schleimhäute
waren trocken, der Hautturgor reduziert. Auffällig war zudem ein rechtsseitiger Bauchschmerz
mit leichter Abwehrspannung. Im Verlauf entwickelte der Patient bei anhaltendem Fieber
multiple Schleimhautauffälligkeiten mit Lacklippen und Erdbeerzunge, ein feinfleckiges
Exanthem, eine Lymphadenopathie und somit das Komplettbild eines Kawasaki-Syndroms
([
Abb. 1
]). Im Verlauf folgte eine Desquamation der Fingerkuppen.
Abb. 1 Abgebildet sind beispielhaft klinische Symptome unseres Patienten, aufgenommen bereits
in der Heilungsphase: (a) ikterische gerötete Konjunktiven, (b) gerötete und trockene
Lacklippen, (c) Erdbeerzunge. [rerif]
Labor
Es zeigte sich das typische Labor eines Kawasaki-Syndroms ([
Tab. 1
]) mit deutlich erhöhtem CRP-Spiegel von 110 mg/l sowie einer Anämie und einer Granulozytose,
im Verlauf eine Thrombozytose. Laborchemisch fielen deutliche Cholestasezeichen auf
mit Erhöhung des Gesamtbilirubins (maximal 8,72 mg/dl) und des direkten Bilirubins
(maximal 7,57 mg/dl) sowie erhöhter GGT (bis 1502 U/l) und AP (1015,0 U/l). Des Weiteren
bestand ein erhöhter Lipasewert mit 158 U/l, erhöhte ASAT (bis 296 U/l) und ALAT (bis
342 U/l). In den serologischen Untersuchungen vor Immunglobulingabe ergab sich kein
Anhalt für eine Virushepatitis A, B oder C, Infektionen mit EBV, CMV oder Mykoplasmen.
Antinukleäre Antikörper (ANA) und Anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper (ANCA)
waren negativ. Alpha-1-Antitrypsin war nicht erniedrigt, die Kupferausscheidung im
Spontanurin war unauffällig. Auffällig war vor der intravenösen Immunglobulingabe
eine Hypergammaglobulinämie (IgG 18,4 g/l; Norm: 6,4–14,2 g/l). Troponin mit 5,3 ng/l
(Norm: < 2,0 ng/l) und das NT-proBNP mit 849 pg/ml (Norm: < 125 pg/ml) waren ebenfalls
erhöht.
Tab. 1
Die Tabelle zeigt exemplarisch Werte der laborchemischen Diagnostik. Eine Therapie
mit Immunglobulinen erfolgte an Tag 6. Kortikosteroide und ASS wurden von Tag 7 bis
51 verabreicht.
Tag
|
Norm
|
1
|
5
|
6
|
7
|
9
|
13
|
16
|
51
|
Hämoglobin (g/dl)
|
11,5–13,5
|
11
|
10,7
|
10,8
|
9,1
|
9
|
8,9
|
9,1
|
13,4
|
Thrombozyten (tsd/μl)
|
150–450
|
479
|
491
|
537
|
573
|
737
|
921
|
851
|
449
|
Leukozyten (tsd/μl)
|
5,00–14,50
|
12,39
|
17,06
|
15,78
|
12,29
|
23,76
|
37,46
|
18,56
|
7,32
|
Harnstoff (mg/dl)
|
12–46
|
19,6
|
|
14,7
|
|
21,8
|
|
|
21,74
|
CRP (mg/l)
|
< 5,00
|
111,23
|
50,16
|
51,02
|
46,35
|
19,52
|
11,24
|
4,93
|
2,44
|
Bilirubin gesamt (mg/dl)
|
0,20–1,00
|
8,72
|
6,02
|
5,68
|
5,72
|
/
|
3,54
|
2,02
|
0,71
|
Bilirubin direkt (mg/dl)
|
< 0,25
|
7,57
|
5,07
|
4,80
|
4,76
|
5,1
|
2,66
|
1,59
|
0,33
|
GOT/AST (U/l)
|
< 47
|
115
|
183
|
202
|
230
|
296
|
172
|
63
|
115
|
GPT/ALT (U/l)
|
< 38
|
148
|
155
|
138
|
149
|
215
|
294
|
240
|
104
|
GGT (U/l)
|
4–22
|
314
|
463
|
520
|
489
|
648
|
1233
|
1357
|
445
|
Lipase (U/l)
|
< 60
|
151
|
|
205
|
115
|
19
|
|
31
|
30
|
Alkalische Phosphatase (U/l)
|
93–309
|
|
|
|
|
1015
|
832
|
576
|
721
|
Cholinesterase (kU/l)
|
3,90–11,50
|
|
|
3,48
|
3,70
|
3,99
|
|
|
8,0
|
Bildgebung
In der Abdomen-Sonografie zeigte sich eine Hepatomegalie mit Hyperechogenität ohne
weitere Cholestasezeichen. Gallenblase und Milz waren unauffällig.
Initial zeigte sich echokardiografisch eine auffällige rechte Koronararterie mit distaler
Erweiterung bei normwertigem Z-Score (Z + 1,6), welche sich im Verlauf unauffällig
darstellte.
Therapie
Nach immunmodulierender Behandlung mit Immunglobulinen (2 g/kg KG), ASS (15 mg/kg
KG/d, dann 5 mg/kg KG) und Prednisolon (2 mg/kg KG/d) bei Kobayashi-Score von > 5,
kam es zur prompten Entfieberung und Normalisierung der Entzündungswerte. Protrahiert
waren das Bilirubin und die Transaminasen rückläufig ([
Tab. 1
]). 7 Wochen nach Immunglobulin-Gabe zeigte sich eine Normalisierung des Bilirubins.
Weiterhin erhöht blieben die Transaminasen, GGT und alkalische Phosphatase.
Diskussion
Das Kawasaki-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, die Diagnosestellung ist jedoch
kritisch, um das Risiko von Koronararterienaneurysmen durch rechtzeitige Behandlung
deutlich zu verringern. Das Kawasaki-Syndrom ist charakterisiert durch tägliches,
antibiotikaresistentes Fieber über mehr als 5 Tage mit mindestens 4 von 5 klinischen
Kriterien: bilaterale bulbäre nicht eitrige konjunktivale Injektion, Beteiligung der
Mundschleimhaut (Lacklippen, Himbeerzunge), periphere Ödeme, polymorpher Hautausschlag
und zervikale Lymphadenitis [1]. Seltener beobachtet werden Arthritis [2], Tonsillopharyngitis und ein Gallenblasenhydrops [3]. Die Diagnose eines inkompletten Kawasaki-Syndroms kann gestellt werden, wenn 2
oder 3 der Hauptmerkmale in Verbindung mit einem Echokardiogramm, das Anomalien der
Koronararterien zeigt oder mindestens 3 der folgenden Laborbefunde vorliegen: Hypalbuminämie,
Anämie, Thrombozytose > 450 000/μL, Leukozytose > 15 000/μL, Erhöhung der Alanin-Aminotransferase
(ALT/GPT) und sterile Pyurie [4].
Der erhebliche Ikterus des Patienten veranlasste zur Untersuchung mehrerer Differenzialdiagnosen:
infektiöse Hepatitis, nicht infektiöse Ursachen wie Autoimmunerkrankungen (z. B. primär
sklerosierende Cholangitis, Autoimmunhepatitis), Morbus Wilson, maligne oder andere
biliäre Obstruktion, für die es sämtlich keine wegweisenden Befunde gab. Lediglich
ein bereits vor Immunglobulintherapie erhöhtes Gesamt-IgG legt eine autoimmune Genese
nahe, da jenes nicht zu einem Kawasaki-Syndrom passen würde. Spezifische Autoantikörper
(Anti-nukleäre oder Anti-Neutrophilen-zytoplasmatische Antikörper) waren jedoch nicht
nachweisbar.
Wenngleich auch in Standardwerken zur Kinderrheumatologie wie dem Textbook of Pediatric
Rheumatology [5] eine Cholestase als Symptom des Kawasaki-Syndroms nicht aufgeführt wird, existieren
Fallberichte und Fallserien. Eine retrospektive Analyse von 118 Kawasaki-Fällen des
Colorado Kinderkrankenhauses zwischen 2009 und 2011 zeigte einen Ikterus bei 3 der
118 Patienten [6]. Nicht genannt ist, ob eine direkte oder rein indirekte Hyperbilirubinämie vorlag.
Die Autoren weisen darauf hin, dass im Zusammenhang mit Fieber bei einem Ikterus immer
auch an ein Kawasaki-Syndrom gedacht werden soll. Hierzu gibt es eine Analyse von
24 Fällen aus 2 italienischen Zentren, die bei febrilem Ikterus als zweithäufigste
Ursache nach einer viralen Hepatitis ein Kawasaki-Syndrom beobachteten [7]. Eine spanische Fallserie, beschrieb 31 Fälle mit Kawasaki-Syndrom zwischen 2000–2010,
von denen sich 3 (9,7 %) mit einen Ikterus präsentierten. In allen 3 Fällen zeigte
sich eine Cholestase ohne sonografisches Korrelat im Sinne einer morphologischen Pathologie
von Leber, Gallenblase oder -gängen [8]. Bauchschmerz und Abwehrspannung wurden wie bei unserem Patienten in einigen weiteren
Fällen beobachtet [9], [10]. Gastrointenstinale/abdominelle Symptome gehören nicht zu den Diagnosekriterien
eines Kawasaki-Syndroms, was die Diagnosestellung weiterhin verzögern kann.
In einer Literaturübersicht zu 33 veröffentlichten Fällen mit Kawasaki-Syndrom mit
hepatobiliärer Beteiligung war das Durchschnittsalter der pädiatrischen Patienten
mit 5,26 Jahren höher als gewöhnlich beim Kawasaki-Syndrom berichtet [11]. Auch unser Patient war mit 5 Jahren eher im höheren Altersspektrum. Von den Patienten
mit hepatobiliären Auffälligkeiten wiesen 73 bzw. 27 % ein klassisches bzw. inkomplettes
Kawasaki-Syndrom auf. Die häufigsten klinischen Symptome waren bei 76 % der Patienten
Gelbsucht und bei 48 % abdominelle Schmerzen. Sofern angegeben, wiesen die Patienten
einen Anstieg des direkten Bilirubins und des Gesamtbilirubins auf. Insgesamt waren
bei 91 % der Patienten die Leberenzymwerte erhöht. Die γ-Glutamyltranspeptidase-Aktivität
wurde bei 24 Patienten untersucht, die alle einen erhöhten Wert aufwiesen. Alle 33
Patienten wurden mit IVIG und oraler Acetylsalicylsäure behandelt, was zur Entfieberung
bei all diesen Patienten und bei 96 % zu rascher Rückbildung des Ikterus führte. Nicht
in allen Fällen war die Abdomensonografie auffällig: 33 % der Patienten zeigten eine
Hepatomegalie, 18 % eine verdickte Gallenblasenwand und bei einem Patienten wurde
eine intrahepatische Gallengangsstauung gesehen. In 2 Fällen bestand zusätzlich ein
Gilbert-Meulengracht-Syndrom. Bei einem 4,5-jährigen Patienten mit nach Therapie persistierend
erhöhten Transaminasen wurde später die Diagnose einer primär sklerosierenden Cholangitis
gestellt. Eine außergewöhnlich hohe Zahl der Patienten hatte eine kardiale Beteiligung
(45 %, Koronaraneurysmen 39 %).
Insgesamt ist die Physiopathologie der Hyperbilirubinämie und der cholestatischen
Leberschädigung beim Kawasaki-Syndrom nicht zufriedenstellend geklärt. Vaskulitis-assoziierte
Entzündungen und Obstruktionen in Leber und Gallenblase werden als Ursache für erhöhte
Transaminasewerte und Cholestase erwogen. Daher sollte bei diesen Patienten unbedingt
eine zugrundeliegende Komorbidität als Ursache des ausgeprägten Ikterus bei Kawasaki
in Betracht gezogen werden.
Beim febrilen Ikterus, insbesondere ohne sonografisch nachgewiesener cholestatischer
Genese, ist das Kawasaki-Syndrom eine wichtige Differenzialdiagnose. Bei in der Literatur
nun gehäuften Nachweisen ist eine Beschreibung dieses Symptoms in Lehrbüchern zumindest
zu evaluieren. Patienten mit hepatobiliärer Beteiligung beim Kawasaki-Syndrom scheinen
häufiger auch eine kardiale Beteilung zu zeigen. Da der Ikterus eine seltene Manifestation
beim Kawasaki-Syndrom ist, sollten Komorbiditäten ausgeschlossen und auch im Verlauf
weiterhin erwogen werden und bei anhaltenden Laborauffälligkeiten durch weitere Diagnostik
gezielt eruiert werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Eine Einwilligung der Eltern des Patienten zur Veröffentlichung des Fallberichts liegt
vor.