Dr. Franz Pfister, MBA Digital Helix GmbH, München; Foto: ©Robert Haas
PD Dr. Urban Fietzek Neurologische Klinik und Poliklinik der Universität München;
Foto: ©Schön Klinik München Schwabing
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, Ihnen das vorliegende Themenheft über Anwendungen Künstlicher Intelligenz
(KI) in der Neurologie und Psychiatrie präsentieren zu können. Wenn sich ein medizinisches
Fach für den Nutzen der Methoden der KI anbietet, so sind es wohl jene, die sich der
Diagnostik und Therapie der Erkrankungen des Organs verschrieben haben, das unsere
ganz natürliche Intelligenz hervorbringt.
Unsere Erfahrungen in dem Methodengebiet der Datenwissenschaften, welches viele der
Leserinnen und Leser der Nervenheilkunde eher wohl aus der Presse, denn aus dem Studium
kennen, wollen wir mit Ihnen teilen. Buzzwords wie Deep learning, Algorithmen, Big
Data erzeugen eine neue Sprache, die jene verunsichert, die sich nicht tagtäglich
damit beschäftigen. Es geht uns hier also um den Abbau von Berührungsängsten und den
Aufbau einer kritischen Sicht auf neue, datengetriebene Methoden, die ungeahnte Möglichkeiten
bieten, sich aber auch leicht einem konventionellen und ungeschultem Denken verschließen.
Kein Tag vergeht, in dem uns die Presse nicht mit Artikeln zu digitalen Sprachmodellen
wie ChatGPT in der Schule oder der Universität, zu digital algorithmisierten Musik-
und Kunstproduktion oder dem DeepFake-Bild eines Prominenten bedient. Es wird das
Bild einer zunehmenden inhumanen und ungemütlichen Welt gezeichnet, in der wir Menschen
von autonom agierenden Maschinen abhängen und abgehängt werden.
Ob und wann sich eine solche Dystopie ereignen wird, darüber haben andere wie George
Orwell oder William Gibson klarsichtige Romane geschrieben. Heute evident ist: Ein
sich Zurücklehnen oder gar ein Zurückdrehen des Rades der Zeit kann keine Option sein.
Unser Grundverständnis dieser neuen Technologien ist nicht die Idee, dass uns die
KI überflüssig machen wird. Sie bietet uns vielmehr vielfache Chancen, zu einem vielschichtigen
und damit informierten Verständnis unserer Welt zu gelangen. Wir möchten dazu in diesem
Themenheft der Leserschaft in unterschiedliche Bereiche niederschwelllig Einblick
geben.
In dem einführenden CME-zertifizierten Beitrag geben Tim Wiegand et al. den Leserinnen
und Lesern einen Überblick über die Methodik des sich entwickelnden Feldes, um sich
mit den wichtigsten Begriffen und Konzepten bekannt zu machen. In einer zweiten Übersichtsarbeit
bieten Katharina Ernst und Jan Rémi einen Überblick zu konkreten Umsetzungen wissenschaftlicher
Arbeiten mit den Methoden der KI in unterschiedlichen Bereichen der Neurologie.
Das Thema Parkinson und die Erfassung der motorischen Symptome mit Hilfe von Sensoren
wird von Urban Fietzek und Koautoren vorgestellt. Auch hier bieten die technologischen
Fortschritte bei der objektiven und automatisierten Erfassung von Bewegungsstörungen
ein hohes Transformationspotenzial. Dennis Hedderich und Benedikt Wiestler zeigen
in ihrem Artikel, wie KI unsere Art und Weise, neuroradiologisches Bildmaterial auf
klinisch relevante Information zu untersuchen, verändern kann.
Mira Fischer und Alexander Jäck betrachten die Möglichkeiten, Sprachanalysen mit Methoden
der KI für das Verständnis von kognitiven Störungen zu nutzen. Lisa Hahn et al. stellen
in ihrem Beitrag aus der Psychiatrie die Ergebnisse ihrer weit beachteten PRONIA-Studie
vor, die sich mit der Transition und der psychosozialen Funktionsbeeinträchtigung
bei klinischen Hochrisikopatienten für Psychose beschäftigt.
Wie werden diese neuen Entwicklungen in unseren Alltag Einzug nehmen? Der Gesetzgeber
hat die Möglichkeit der digitalen Gesundheitsanwendung geschaffen. Mathias Sander
erklärt Hintergründe und was auf uns zukommt.
Wir hoffen so, Ihnen eine spannende Lektüre bieten zu können, die nach vorne weist
und Ihnen Lust auf weitere Beschäftigung mit dem Zukunftsthema Künstliche Intelligenz
macht.
Franz M. J. Pfister und Urban M. Fietzek, München