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DOI: 10.1055/a-2031-7989
Runder Tisch zum deutschen Hämophilieregister (DHR), drohender Praxenkollaps, Stand und Zukunft der ambulanten hämostaseologischen Versorgung in Deutschland
- Runder Tisch zum Deutschen Hämophilieregister (DHR)
- KBV-Krisensitzung am 18.08.2023: Drohender Praxenkollaps – Forderungen der Praxen zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in Deutschland
- Hämostaseologische Versorgung im niedergelassenen Bereich: Kritische Stellungnahme seitens des BDDH-Vorstandes.
Runder Tisch zum Deutschen Hämophilieregister (DHR)
„Gutta cavat lapidem non vi sed saepe cadendo” – steter Tropfen höhlt den Stein. Die konstruktive Kritik des BDDH mag dazu beigetragen haben, dass nun ein „Runder Tisch zum Deutschen Hämophilieregister (DHR)“ durch das DHR selbst einberufen wurde. Seitens des BDDH-Vorstandes werden Georg Goldmann und Christoph Sucker teilnehmen, außerdem Wolfgang Mondorf, der seit langem an der Verbandsarbeit partizipiert. Wir hoffen, im Sinne der BDDH-Mitglieder und der Ärzteschaft das Verhältnis zum DHR zu verbessern, so dass eine sinnvolle Umgestaltung des DHR erfolgen kann. Wir werden im Verlauf erneut hierzu berichten.
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KBV-Krisensitzung am 18.08.2023: Drohender Praxenkollaps – Forderungen der Praxen zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in Deutschland
Bei einer Krisensitzung der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am 18.08.2023 in Berlin waren sich hunderte niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeuten und Berufsverbände einig. Mit einem einstimmigen und unmissverständlichen Votum haben sie klare Forderungen an die Politik verabschiedet, unter anderem eine tragbare Finanzierung der ambulanten Versorgung und einen Kurswechsel in der Digitalisierung. Auch der BDDH war, vertreten durch Jürgen Koscielny, vor Ort und unterstützt die Aktion. Um einen drohenden Praxiskollaps abzuwenden wurden folgende gemeinsame Forderungen der Praxen an die Politik gerichtet:
Tragfähige Finanzierung: Retten Sie die Praxen aus den faktischen Minusrunden und sorgen Sie für eine tragfähige Finanzierung, die auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung insbesondere Inflation und Kostensteigerungen unmittelbar berücksichtigt.
Abschaffung der Budgets: Beenden Sie die Budgetierung, damit auch Praxen endlich für alle Leistungen bezahlt werden, die sie tagtäglich erbringen.
Ambulantisierung: Setzen Sie die angekündigte Ambulantisierung jetzt um – mit gleichen Spielregeln für Krankenhäuser und Praxen!
Sinnvolle Digitalisierung: Lösen Sie mit der Digitalisierung bestehende Versorgungsprobleme. Sorgen Sie für nutzerfreundliche und funktionstüchtige Technik sowie die entsprechende Finanzierung, und belassen Sie die datengestützte Patientensteuerung in ärztlichen und psychotherapeutischen Händen.
Mehr Weiterbildung in Praxen: Stärken Sie die ärztliche und psychotherapeutische Weiterbildung! Diese muss – um medizinisch und technisch auf dem aktuellen Stand zu sein – schwerpunktmäßig ambulant stattfinden. Beziehen Sie auch hier die niedergelassene Vertragsärzte und Psychotherapeutenschaft ein.
Weniger Bürokratie: Schnüren Sie das angekündigte Bürokratieabbaupaket, damit wieder die Medizin im Vordergrund steht und nicht der „Papierkram“.
Keine Regresse: Schaffen Sie die medizinisch unsinnigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab! Die Arzneimittelregresse müssen weg!
Das Bundesgesundheitsministerium, insbesondere der Ressortchef Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, wurde aufgefordert, bis zum 13. September 2023 zu den einzelnen Forderungen Stellung zu beziehen und konkrete Umsetzungsschritte zu benennen.
Weitere Informationen und auch die Aufzeichnung der Krisensitzung finden sich unter: https://www.kbv.de/html/praxenkollaps.php.
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Hämostaseologische Versorgung im niedergelassenen Bereich: Kritische Stellungnahme seitens des BDDH-Vorstandes.
In einer Krisensitzung am 18.08.2023 forderte die Ärzteschaft, vertreten durch die Kassenärztliche Bundesversorgung, dringlich rasche Maßnahmen der Politik ein, um den drohenden Praxiskollaps zu verhindern. Wie oben ausgeführt, trägt der BDDH diese Forderungen uneingeschränkt mit.
Wie ist es aktuell um die hämostaseologische Versorgung im niedergelassenen bzw. im ambulanten Bereich gestellt? Um es auf einen Punkt zu bringen: Es besteht ein erheblicher Druck auf die Leistungserbringer, auch in unserem Fachbereich.
Insbesondere erhebliche Versäumnisse der Gesundheitspolitik und die zurückliegende Corona-Pandemie haben in den vergangenen Jahren zu einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung der Praxen, auch im Bereich der Hämostaseologie geführt. Praktisch alle Praxiskosten sind erheblich angestiegen: Hierzu zählen insbesondere gestiegene Miet- und Energiekosten, ansteigende Gehälter von Mitarbeitern und – last but not least – in der Hämostaseologie massiv gestiegene Laborkosten, insbesondere Reagenzienkosten, welche dazu führen, dass viele Labortests nicht mehr wirtschaftlich erbracht werden können. Eine Gegenfinanzierung seitens der Gesundheitspolitik erfolgte in keinster Weise; gerade im Laborsektor wurde die um teilweise 50% gestiegenen Reagenzien- und Materialkosten in keinster Weise kompensiert. Stattdessen wird seit Jahren eine Quotierung der Laborleistungen vorgenommen, was die Situation weiter verschärft. Zudem gefährdet, gerade im Raum Berlin, die Einführung eines zusätzlichen Laborquotierung über das individuelle Praxisbudget (piLAB) die Durchführung wichtiger Laboruntersuchungen. Tragfähige Finanzierung ist somit dringend einzufordern. Und es wäre, auch ohne eine umfangreiche Neuordnung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) und der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), so einfach: Eine Reduktion der Abstaffelung für Laborleistungen könnte einfach eingesetzt werden, um eine partielle Gegenfinanzierung der erhöhten Laborkosten zu ermöglichen. Warum diese Aspekte nicht erkannt werden und keine entsprechenden Maßnahmen seitens der Politik veranlasst werden, ist nicht ersichtlich.
Hinzu kommt, dass auch die patientennahen Leistungen in keinster Weise besser vergütet werden als vor der Pandemie. Auch hier sind die Kosten für den Leistungserbringer gestiegen – durch höhere Personal-, Raum- und Energiekosten, um nur einige Faktoren zu nennen. Diese Mehrkosten, die teilweise durch die Politik verursacht oder zumindest nicht durch die Politik eingedämmt wurden, fallen allein dem Leistungserbringer zur Last. Es findet keinerlei Kompensation statt.
Praxen stehen mit den Problemen der Finanzierung der erheblich gestiegenen Kosten allein da. Und werden zudem durch weitere „innovative Entwicklungen“ gefordert: Die zunehmende Bürokratie bedingt, dass die Tätigkeit in den Praxen sich immer mehr auf Verwaltungsaufnahmen konzentriert und patientennahe Tätigkeiten immer weiter reduziert werden müssen. Das führt, trotz steigenden Arbeitsaufwandes für die Mitarbeiter der medizinischen Einrichtung zu Frustration und zu Konflikten mit Patienten, die zunehmend weniger individuell betreut werden können. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen, die sich der jetzige Bundesgesundheitsminister, Karl Lauterbach, und sein Vorgänger, Jens Spahn, auf die Fahnen geschrieben haben, stellt eine Entlastung für die medizinischen Einrichtungen, sondern in der aktuellen Form eine erhebliche Mehrbelastung dar. Wenngleich viele Einrichtungen noch nicht wesentlich mit den digitalen Anwendungen der Gematik arbeiten, in deren Entwicklung sie auch nicht eingebunden wurden, sind schon erhebliche Kosten angefallen, die wiederum nicht adäquat kompensiert wurden.
Und macht man dann dennoch scheinbar alles richtig – dann drohen immer noch Budgetierung, Wirtschaftlichkeitsprüfung und Regresse. Dass man sich mittlerweile bei einer Prüfstelle einfinden muss, wenn man einem Hämophilie-Patienten ein indiziertes Präparat verschreibt, ist nur ein Beispiel für die groteske Entwicklung.
Zusammengefasst gibt es, wie in sonstigen Fachgebieten, erhebliche Probleme im Bereich der ambulanten hämostaseologischen Betreuung in Deutschland. Auch bei intensivem Nachdenken fällt einem eigentlich keine einzige politische Maßnahme ein, welche die Situation der Praxen in den letzten Jahren verbessert hat. Trotz des drohenden Kollaps der ambulanten Versorgung in Deutschland, befasst sich die Politik lieber mit Themen wie „Affenpocken-Impfung“, „Hitzeschutzplänen“ und nicht kontrollierbaren „Rauchverboten in Kraftfahrzeugen“, anstatt das System zu retten. Dies führt zu Frustration und Resignation – und einer weiteren Abwärtsentwicklung der ambulanten Medizin in Deutschland. Leitragende sind letztendlich die Patienten, für die im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit immer weniger Zeit und Raum bleibt.
Für den Vorstand des BDDH:
PD Dr. Jürgen Koscielny
Dr. Günther Kappert
PD Dr. Christoph Sucker
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Publication History
Article published online:
19 October 2023
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