Einleitung
Die diffuse alveoläre Hämorrhagie (DAH) beschreibt eine Subgruppe der pulmonalen Blutungen.
Sie kann bei verschiedenen Grunderkrankungen auftreten und potenziell lebensbedrohlich
sein [Reisman S et al. AJR Am J Roentgenol 2021; 216: 1500–1509]. Nach ihrer Genese
kann sie in 4 Subgruppen eingeteilt werden: immunassoziiert, assoziiert mit kongestivem
Herzversagen, sonstige Ursachen (beispielsweise Infektionen, Trauma oder medikamentös-toxisch)
und idiopathisch. Bei den meisten Fällen ist jedoch die Pathogenese unbekannt [Park
JA. Int J Mol Sci 2021; 22]. Klinisch präsentieren sich die Patienten mit Atemnot,
Hämoptysen und Anämie [Qi Y. et al. Transl Pediatr 2021; 10: 2921–2928]. Zur Diagnostik
der DAH gehört eine Bronchoskopie. Diese dient dem Nachweis einer Hämorrhagie in der
bronchoalveolären Lavage (BAL), sowie dem Ausschluss von makroskopisch sichtbaren
Blutungen [Ioachimescu OC et al. Cleve Clin J Med 2008; 75: 258, 260, 264–5]. Ebenso
kann die Projektionsradiografie des Thorax diagnostisch eingesetzt werden. Diese weist
typischerweise bipulmonale Konsolidierungen mit zentraler Betonung auf [Reisman S
et al. AJR Am J Roentgenol 2021; 216: 1500–1509]. Die Computertomografie (CT) zeigt
in der akuten Phase zentral betonte Milchglastrübungen, die in Konsolidierungen übergehen
können und Ausdruck einer subtotalen Füllung der Alveolen mit Blut sind. Ebenfalls
kann das „dark-bronchus-sign“ vorliegen, welches eine scheinbare Hervorhebung segmentaler
und subsegmentaler Bronchien beschreibt. Dabei wirken die luftgefüllten Bronchien
durch das umgebende dichteangehobene Lungenparenchym dunkler als in der gesunden Lunge.
Innerhalb von 2–3 Tagen kann das „crazy-paving“-Muster auftreten, das durch eine landkartenartige
Verteilung von Milchglasarealen mit Überlagerung durch verdickte Intra-, sowie Interlobärsepten
gekennzeichnet ist [Marten K et al. AJR Am J Roentgenol 2005; 184]. Betroffene Patienten
zeigen hohe Mortalitätsraten und benötigen eine zielgerichtete Therapie. Diese besteht
aus supportiven Maßnahmen, der Behandlung der Grunderkrankung (meist durch Immunsuppressiva)
und lokaler Hämostase [Park JA. Int J Mol Sci 2021; 22].
Fallbeschreibung
Wir berichten über einen 18-jährigen Patienten, der mit Belastungsdyspnoe zur stationären
Behandlung aufgenommen wurde. Anamnestisch ist eine chronisch-intermittierende DAH
idiopathischer Genese bekannt, die bei Bedarf mit Prednisolonstößen therapiert wurde.
Die Erstvorstellung des Patienten erfolgte im Alter von 7 Jahren bei Belastungsdyspnoe
und Eisenmangelanämie. Damals fielen in der Projektionsradiografie perihiläre, retikuläre
Zeichnungsvermehrungen auf ([Abb. 1]A). CT-morphologisch wurden diffuse Milchglastrübungen bipulmonal beschrieben ([Abb. 1]B). Die Diagnose der alveolären Hämorrhagie konnte damals mithilfe einer BAL gesichert
werden.
Abb. 1 Initiale Bildgebungen A) Projektionsradiografie des Thorax in a.p. vom Aufnahmetag des Patienten. Hier fällt
eine perihiläre, retikuläre Zeichnungsvermehrung beidseits auf. B) CT-Thorax im Lungenfenster mit diffusen Milchglasarealen in beiden Lungenflügeln.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme wurden Hämoptysen verneint. Eine initial angefertigte Projektionsradiografie
des Thorax war unauffällig. Bei einer Bronchoskopie am Folgetag konnte makroskopisch
eine DAH beschrieben werden. 9 Tage nach Aufnahme erfolgte bei neu aufgetretenen Hämoptysen
eine CT. Diese stellte ein deutliches Bild einer DAH mit zentral betonten Milchglasarealen,
die subtotal die einzelnen Alveolen ausfüllen, und den Einblutungen entsprechen, ([Abb. 2]) dar. Ebenso lag das „dark-bronchus-sign“ ([Abb. 2] Pfeil) vor. Im Verlauf des Aufenthaltes erhielt der Patient 2 Erythrozytenkonzentrate
bei ausgeprägter Anämie. Zusätzlich erfolgte eine Prednisolontherapie, unter der sich
die Symptome rasch besserten.
Abb. 2 CT-Thorax aus dem initial beschriebenen stationären Aufenthalt im Lungenfenster nach
Auftreten der Hämoptysen. In axialer (A) und koronarer (B) Darstellung zeigen sich zentral betonte Milchglasareale in beiden Lungenflügeln.
Ebenso erkennbar ist das „dark-bronchus-sign“ (Pfeil).
Ca. 4 Monate später stellte sich der Patient wegen nächtlich aufgetretenen Hämoptysen
und Dyspnoe erneut in unserer zentralen Notaufnahme vor. Ambulant war in der Zwischenzeit
eine immunsuppressive Dauertherapie mit Mycophenolat-Mofetil eingeleitet worden. Das
initiale Röntgen zeigte im Vergleich zu den bekannten Voruntersuchungen deutlich progrediente
Konsolidierungen in beiden Lungenflügeln mit zentraler Betonung ([Abb. 3]C). Die zeitnah durchgeführte CT bestätigte den Progress der bekannten alveolären
Einblutungen ([Abb. 3]A+B). Aufgrund einer hypoxämischen, respiratorischen Insuffizienz wurden eine High-Flow-Sauerstofftherapie
und eine Prednisolonstoßtherapie eingeleitet. Eine symptomatische Eisenmangelanämie
wurde mit Eiseninfusionen behandelt. Hierunter besserte sich der Zustand des Patienten.
Entsprechend des klinischen Zustandes waren unter der o.g. Therapie die Konsolidierungen
im Röntgen regredient ([Abb. 3]D). Die zwischenzeitlich angesetzte immunsuppressive Dauertherapie wurde von Mycophenolat-Mofetil
auf Hydroxychloroquin umgestellt und der Patient wurde beschwerdefrei in die Häuslichkeit
entlassen.
Abb. 3 Bildaufnahmen aus dem zweiten stationären Aufenthalt A und B) CT Thorax in axialer und koronarer Darstellung mit ausgeprägten zentral betonten
Milchglasarealen, bei ausgeprägten Hämoptysen C) Projektionsradiografie des Thorax bei stationärer Aufnahme und ausgeprägten Hämoptysen.
Passend dazu liegen bipulmonale Konsolidierungen vor. D) Projektionsradiografie des Thorax nach Eskalation der immunsuppressiven Therapie
und Besserung der Symptomatik. Die vorbeschriebenen Konsolidierungen zeigen sich regredient.
Diskussion
Der oben beschriebene Fall dokumentiert den Krankheitsverlauf einer DAH mit idiopathischer
Genese. Auffällig ist, dass der Patient in seinem jungen Alter trotz immunsuppressiver
Therapie an wiederkehrender Belastungsdyspnoe und Hämoptysen leidet. Symptomatisch
konnte dem Patienten bisher gut mit supportiven Maßnahmen geholfen werden. CT-morphologisch
zeigt sich dieser Fall, typisch für eine DAH, mit bipulmonalen zentral betonten Milchglasarealen.
Diese gehen besonders in der zuletzt beschriebenen Bildgebung ([Abb. 3]A–C) in Konsolidierungen über. Dabei füllen diese die Alveolen nicht komplett aus. Bemerkenswert
an dem beschriebenen Fall ist, dass sich trotz des langfristigen Krankheitsverlaufs
keine ausgeprägten Zeichen einer Lungenfibrose zeigen. Möglicherweise lässt sich dieser
Umstand auf die immunsuppressive Therapie des Patienten zurückführen. Autoimmunologische
Erkrankungen mit Schädigung der alveolären Basalmembran konnten als Ursache für die
Symptomatik ebenso wie eine infektiöse oder toxische Genese ausgeschlossen werden.
Zusätzlich wurden malige und kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Störungen der Blutgerinnung
ausgeschlossen. Damit liegt bei diesem, wie bei den meisten bekannten Fällen der DAH
[Park JA. Int J Mol Sci 2021; 22], eine idiopathische Genese zugrunde.
Schlussfolgerung
Der beschriebene Fall soll auf die DAH als seltene Ursache rezidivierender Belastungsdyspnoe
und Hämoptysen aufmerksam machen. Dabei kann sie sich entsprechend ihrer Genese klinisch
unterschiedlich präsentieren und potenziell lebensbedrohlich sein. CT-morphologisch
stellen sich die Einblutungen als bipulmonale, zentrilobuläre Milchglasareale mit
subtotaler Ausfüllung der Alveolen dar. Ebenfalls kann das „dark-bronchus-sign“ auf
segmentaler und subsegmentaler Ebene im entsprechenden klinischen Kontext hinweisend
für eine DAH sein. Werden diese charakteristischen Muster im entsprechenden klinischen
Kontext in der CT erkannt, sollte an eine DAH als Differenzialdiagnose gedacht werden.