Aktuelle Rheumatologie 2023; 48(02): 89
DOI: 10.1055/a-2016-2263
Editorial

Kein Ergebnis ist auch ein Ergebnis!

G. Keyßer
 

Die moderne Genetik hat ermöglicht, dass die Suche nach Assoziationen zwischen Genen und Autoimmunerkrankungen mittlerweile über das gesamte menschliche Genom ausgedehnt werden kann. Sogenannte „genome-wide association studies“ (GWAS) beschreiben dabei eine Vielzahl von genetischen Markern, die sich mit unterschiedlich starker Signifikanz bei Patienten häufiger oder seltener finden als bei einem gesunden Vergleichskollektiv. Die meisten dieser Marker sind „single nucelotide polymorphisms“ (SNPs)- also Varianten im genetischen Code, die sich nur auf ein einziges Nukleotid beziehen. Derartige GWAS operieren mit sehr großen Datenmengen, deren Interpretation mitunter schwierig ist. Nicht immer ist die gefundene Abweichung relevant, und nicht immer ist sie an anderen Patientenkollektiven reproduzierbar. Die Ursachen dafür können vielfältig sein: Zum einen können die untersuchten Kollektive tatsächlich genetische Verschiedenheiten aufweisen, zum anderen können Unterschiede in den Stichprobengrößen zu Unterschieden im Signifikanzniveau führen. Außerdem können externe Risikofaktoren für eine Autoimmunerkrankung geographische Unterschiede aufweisen (Keimspektrum, chemische Noxen, UV-Strahlung u.a.m.). Daher können genetische Hintergründe in unterschiedliche Regionen eine andere pathogenetische Bedeutung aufweisen. Nicht zu vergessen ist außerdem, dass genetische Unterschiede zwischen Kranken und Gesunden umso schärfer herausgearbeitet werden können, je besser die Patienten charakterisiert sind. Stützt man sich bei der Diagnose einer Erkrankung lediglich auf einen ICD-Code, der irgendwann in die Krankenakte eingetragen wurde, oder wurden die Patienten tatsächlich von Spezialisten gesehen und für die Analyse rekrutiert? Deswegen ist es üblich, eine an einer Population gefundene genetische Assoziation („discovery cohort“) an einer anderen, unabhängigen Stichprobe zu überprüfen („replication cohort“).


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G. Keyßer

Genetische Polymorphismen für das Cardiomyopathy Associated Protein 5 (CMYA5), auch Myospryn genannt, waren in mehreren Arbeiten als assoziiert mit der rheumatoiden Arthritis (RA) beschrieben worden, auch wenn eine GWAS an über 100 000 Proben diese Kopplung nicht reproduzieren konnte. Zur Überprüfung dieser Diskrepanz wurde in der hier vorliegenden Arbeit von Zamanpoor et al. [1] eine große Stichprobe untersucht: 2731 RA-Patienten und 1783 gesunde Kontrollen. Die DNA-Proben stammten aus mehreren Kollektiven, die in Australien, Neuseeland, England und den Niederlanden rekrutiert worden waren. Alle Patienten waren von Rheumatologen gesehen worden und erfüllten die aktuellen Klassifikationskriterien für eine RA. Interessanterweise wurde die beschriebene Assoziation nur an einer Stichprobe, jedoch nicht an 4 Vergleichsgruppen gefunden, insgesamt also ein Zusammenhang zwischen dem beschriebenen SNP und einer rheumatoiden Arthritis verworfen. Als die Aussage limitierender Faktor muss jedoch berücksichtigt werden, dass im Patientenkollektiv nicht zwischen CCP-Antikörper positiven und –negativen Patienten unterschieden wurde, obwohl naheliegt, dass diese beiden Unterarten der RA in ihrer Genetik verschieden sein könnten.

Dennoch liefert diese Arbeit ein wichtiges Negativ-Ergebnis ab. Dieser Fakt ist in Zeiten von Bedeutung, in denen eine immer weiter perfektionierte kommerzielle Genom-Analytik für sich in Anspruch nimmt, auf Bestellung genetische Risikoprofile zu erstellen, auch wenn deren Bedeutung für die Einzelperson oft mehr als fraglich ist.

Gernot Keyßer


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  • Literatur

  • 1 Zamanpoor M, Natsha AA, Hamid G. et al Association Analysis of CMYA5 rs4704591 Polymorphism with Rheumatoid Arthritis in Caucasians. Akt Rheumatol 2021; 46 118–123

Korrespondenzadresse

apl. Prof. Dr. med. G. Keyßer
Universitätsklinikum Halle (Saale), Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II
Ernst-Grube-Straße 40
06120 Halle

Publication History

Article published online:
03 April 2023

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Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Zamanpoor M, Natsha AA, Hamid G. et al Association Analysis of CMYA5 rs4704591 Polymorphism with Rheumatoid Arthritis in Caucasians. Akt Rheumatol 2021; 46 118–123

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