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DOI: 10.1055/a-2015-0616
Schwierigkeiten im Patientenmanagement bei vermeintlich unauffälliger MR-Prostatografie
Patient management difficulties in case of supposed negative prostate mpMRIN/A
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Einleitung
Die multiparametrische MRT der Prostata (mpMRT; MR-Prostatografie) ist mittlerweile fester Bestandteil nationaler und internationaler Leitlinien zur Prostatakarzinomdiagnostik [Mottet N et al. Eur Urol 2020]. Der hohe negativ prädiktive Wert der mpMRT ermöglicht eine gute Triagierung zur Biopsieentscheidung. Dennoch können abhängig von der Qualität und Erfahrung klinisch signifikante Prostatakarzinome in einer mpMRT übersehen werden. Neben der T2- und DCE-Bildgebung hat insbesondere die Diffusionsbildgebung (DWI) zur Detektion maligner Läsionen und zur Beurteilung der Aggressivität des Prostatakarzinoms (PCa) einen hohen Stellenwert [Boschheidgen M et al. Eur Radiol 2021], kann aber Abweichungen vom klassischen PCa-Signalverhalten der fokalen Signalabsenkung in der ADC-Karte und Signalanhebung in den hohen b-Wert-Bildern (b-Wert ≥1400) [Turkey B et al. Eur Urol 2019] aufweisen. Zum einen ist die Bildqualität entscheidend, die u.a. stark abhängig von den scannerspezifischen Protokollparametern sowie der Feldstärke ist. Zudem ist die DWI-Sequenz anfällig für Bewegungs- und Suszeptibilitätsartefakte, sodass Befunde qualitätsbedingt nicht dargestellt, missinterpretiert oder auch überbewertet (falsch positiver Malignitätsverdacht) werden können [Boscheidgen et al. Eur J Radiol 2021; Franiel et al. Fortschr Röntgenstr 2021]. Darüber hinaus gibt es auch benigne Veränderungen, die eine Signalanhebung in den hohen b-Wert-Bildern zeigen (z.B. atypische Hyperplasieknoten), und Tumoren, die wiederum keine Signalanhebung in den hohen b-Wert-Bildern zeigen [Quentin et al. Eur Radiol 2014]. Folglich kann es in Einzelfällen Konstellationen geben, bei denen das klinische Bild ggf. nicht zur Bildgebung und/oder Histologie nach erfolgter MRT/US-Fusionsbiopsie passt [Kasprowski et al. Fortschr Röntgenstr 2021]. Die Transitionszone (TZ) ist gegenüber der peripheren Zone (PZ) häufig schwieriger zu beurteilen [Yu J et al. 2017 Br J Radiol]. Die anatomischen T2-gewichteten Bilder haben deshalb nach PI-RADS in der TZ gegenüber der PZ, in der die DWI in der finalen Bewertung führend ist, einen höheren Stellenwert [Purysko A et al. 2020 Radiographics]. Die urologische Leitlinie empfiehlt, um den Einfluss von Ungenauigkeiten zu minimieren, weiterhin die systematische Biopsie, zusätzlich zur MRT-gesteuerten gezielten Biopsie bei auffälligen Befunden in der MRT. Aber auch bei unauffälliger mpMRT (PI-RADS 1–2) soll aufgrund des Restrisikos (ca. 10–16%) für signifikante Tumoren eine systematische Biopsie zusätzlich zu PSA-Kontrollen angeboten werden [S3-Leitlinie Prostatakarzinom v6.01 2021].
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Fallvorstellung
Ein 50-jähriger Patient erhielt aufgrund eines erhöhten PSA-Wertes (PSA-Werte: 5,1 ng/ml und 5,9 ng/ml ca. 2 Monate vorher) eine mpMRT der Prostata. Der Befund wurde durch eine lokale Radiologie in die PI-RADS-Kategorie 2 eingeordnet (PSA-Dichte 0,25 ng/ml/cm3; Prostatavolumen 20 ml) ([Abb. 1]). Da der Patient daraufhin keine weiteren urologischen Kontrolluntersuchungen wahrgenommen hat, erfolgte erst 4,5 Jahre später eine Kontrolluntersuchung, bei der ein weiterer deutlicher PSA-Anstieg auf 49 ng/ml aufgefallen war. In einer erneuten mpMRT wurde ein größenprogredienter Knoten in der TZ bei insgesamt gestiegenem Prostatavolumen auf 28 ml (PSA-Dichte 1,75 ng/ml/cm3) beschrieben und der Befund wurde wiederum als PI-RADS 2 gewertet ([Abb. 2]). Eine weitere Kontrolle mit dann anschließender Vorstellung in unserem Institut erfolgte erst weitere 3 Jahre später, da der Patient eine systematische Biopsie verweigerte und weitere urologische Kontrollen nicht wahrgenommen hat. Der PSA-Wert war auf nun 83 ng/ml gestiegen.




Die MRT-Bilder zeigten einen relativ glatt berandeten, vergleichsweise homogenen T2w-hypointensen Knoten in der TZ mit deutlicher Größenprogredienz im Vergleich zu den MRT-Aufnahmen vor 3 und 7,5 Jahren ([Abb. 3]). In der ADC zeigte sich die Läsion gering hypointens (ADC-Werte: 1130 × 10-6 mm 2/s in der RESOLVE-DWI und 950 × 10-6 mm 2/s in der ZOOMit-DWI) mit nur flauer Signalhyperintensität in den hohen b-Wert-Bildern (b2000). Das Prostatavolumen betrug nun 39 ml (PSA-Dichte 2,13 ng/ml/cm3). Des Weiteren zeigte sich jedoch auch eine progrediente T2w-Signalabsenkung per continuitatem angrenzenden in der PZ posteromedial medioapikal links mit früharterieller, fokaler Kontrastmittelaufnahme und Diffusionsrestriktion als Hinweis auf zonenübergreifendes, infiltratives Wachstum ([Abb. 4]). Insgesamt ergibt sich daraus eine PI-RADS-Klassifikation von 5. Ein eindeutiges extraprostatisches Wachstum oder eine Infiltration der Samenbläschen waren nicht nachweisbar, eine mikroskopische, fokale extrakapsuläre Ausdehnung kann jedoch mittels mpMRT bei solch ausgedehnten Veränderungen mit teils deutlichem Kapselkontakt bildgebend nicht ausgeschlossen werden (MRT-Staging: mind. T2c; ggf. T3a).




Aufgrund des hohen PSA-Wertes, atypischer MRT-Darstellung sowie der weiterhin reservierten Haltung des Patienten zur Biopsie, wurde zum weiteren Staging eine PSMA-PET durchgeführt, in der sich eine deutliche 18F-PSMA-Mehrspeicherung im gesamten Knoten in der TZ links sowie der angrenzenden PZ zeigte. Es ließen sich trotz des hohen PSA-Wertes keine lymphogenen oder ossären Metastasen nachweisen ([Abb. 5]). Die MRT/US-Fusionsbiopsie ergab schlussendlich ein azinäres Adenokarzinom (Gleason-Score 4+5=9, International Society of Urological Pathology Grad 5). Die im Anschluss durchgeführte radikale Prostatovesikulektomie bestätigte den Befund (pT3a N0 L1 V0 Pn1 R1; Gleason-Score 4+5=9).


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Diskussion
Der dargestellte Fall verdeutlicht mehrere relevante und gravierende Fallstricke in der interdisziplinären Prostatakarzinomdiagnostik und im Management von Patienten mit mpMRT-Untersuchungen der Prostata. Untersuchungs-/Befundqualität, Biopsiequalität, Erfahrung/Expertise aber auch urologische Anbindung können Fehlerquellen mit ungünstigem Verlauf für den Patienten darstellen. Unauffällige MRT-Untersuchungen können dazu führen, dass Patienten eine weitere PSA-Nachsorge vernachlässigen oder sich auch trotz klinisch auffälligem Befund nicht biopsieren lassen wollen. Nichtsdestotrotz kann bei einem steigenden PSA-Wert und persistierendem klinischen Verdacht auf ein Prostatakarzinom (aktuell) nicht auf eine Biopsie verzichtet werden.
Um Diagnoseverzögerungen zu vermeiden ist es wichtig, auf Diskrepanzen zwischen Klinik und Bildbefund zu achten und das weitere Vorgehen entsprechend in interdisziplinärer Rücksprache anzupassen. Eine Verlaufskontrolle nach 12 Monaten kann zum Beispiel bei PI-RADS-3-Befunden (oder bei „unklaren“ PSA-Erhöhungen ggf. bereits nach 6 Monaten) sinnvoll sein, um eine Dynamik von Läsionen zu beurteilen [Boschheidgen et al. Sci Rep 2022]. Benigne Veränderungen wie Hyperplasieknoten oder Prostatitis können so von im Verlauf wachsenden Karzinomen unterschieden werden. Sollte die MRT im Verlauf jedoch weiterhin nicht konklusiv sein und der PSA-Wert kontinuierlich steigen, wäre spätestens dann eine mpMRT-gezielte Biopsie (bei vorhandenen Targets) in Kombination mit einer systematischen Biopsie zum sichereren Karzinomausschluss oder Nachweis leitliniengemäß Standard und Pflicht [S3-Leitlinie Prostatakarzinom v6.01 2021]. Die MR-Prostatografie kann sicherlich grundsätzlich die Anzahl unnötiger Biopsien bei qualitativer Akquisition und negativem Ergebnis reduzieren, bei einem negativen Vorhersagewert von circa 90% ist der Ausschluss eines signifikanten Karzinoms jedoch nicht möglich [Mottet N et al. Eur Urol 2020].
PCa zeigen in der TZ in den T2-Bildern klassischerweise eine unscharfe Berandung mit fehlender oder unterbrochener Umrandung („Kapsel“), linsenförmiger Ausdehnung mit fokal homogener moderater T2-Signalabsenkung mit geringerer Intensität im Vergleich zur Muskulatur und dem anterioren Stroma, was in der PI-RADS-Bewertung direkt zu einer Klassifikation PI-RADS 4 und bei einer Größe über 1,5 cm oder infiltrativem bzw. kapselüberschreitenden Wachstum zu einer Klassifikation 5 führt [Purysko A et al. 2020 Radiographics]. Zusätzlich zeigt sich bei signifikantem PCa korrelierend natürlich eine deutliche Diffusionsstörung und fokale Mehrperfusion. Darüber hinaus gibt es jedoch auch PCa in der TZ mit atypischen Merkmalen, wie einer eher scharfen Berandung oder eher unklaren T2-Inhomogenitäten mit dann wegweisender Diffusionsrestriktion und/oder atypischer Mehrperfusion. Aber auch eindeutige T2-Veränderungen können ohne korrelierende deutliche Diffusionsstörung oder Mehrperfusion auftreten [Yu J et al. 2017 Br J Radiol]. Diese Heterogenität der Prostata, insbesondere in der TZ, kann besonders bei weniger erfahrenen Radiologen zu Schwierigkeiten in der Befundung führen [Gatti et al. Abdom Radiol 2019]. Unter anderem können diffusionsrestriktive atypische Hyperplasieknoten, fokal T2-abgesenkte stromale Hyperplasien und/oder leukozytäre/entzündliche (ggf. chronischen) Infiltrate die Beurteilung relevanter Karzinome in der TZ erschweren [Kasprowski et al. Fortschr Röntgenstr 2021]. Bei gering diffusionsgestörten, großen, scharf berandeten Knoten käme als Differenzialdiagnose in seltenen Fällen auch ein Fibromyom infrage, was jedoch nicht durch die hier präsentierte Klinik und das infiltrative Wachstum als erklärender Befund Sinn macht.
Neben den bildmorphologischen Pitfalls kann oft auch die Bildqualität zu Fehleinschätzungen führen. Die DWI-Sequenzen sind hierbei besonders anfällig für Artefakte durch Luft im Rektum, Bewegung oder Fremdmaterial bspw. bei Hüftimplantaten [Boscheidgen et al. Eur J Radiol 2021]. Neuere Sequenztechniken wie das Readout-segmented multi-shot echo-planar Imaging (rs-EPI) und die Zoomed/Parallel transmit EPI (z/ptx-EPI) können Vorteile in der Bildqualität gegenüber der Single-shot EPI (ss-EPI) Sequenz bieten [Klingebiel M et al. Eur J Radiol 2020].
Eine PET-Untersuchung mittels PSMA-(Prostata-spezifisches-Membran-Antigen)-Liganden ist zur Detektion eines biochemischen Karzinomrezidives in den aktuellen Leitlinien zum PCa verankert und findet zunehmend auch Anwendung bei Patienten mit hohem Risiko auf eine Metastasierung zur präoperativen Metastasendetektion [S3-Leitlinie Prostatakarzinom v6.01 2021]. In der Primärdetektion vor histologischer Sicherung hat sich die mpMRT bzgl. ihrer hohen Ortsauflösung, der muliparametrischen Betrachtungsmöglichkeit, der Verfügbarkeit sowie der fehlenden Strahlenexposition etabliert. Nichtsdestotrotz können sich die beiden Verfahren in Einzelfällen auch in der Primärdiagnostik sinnvoll ergänzen, sollten aber immer interdisziplinär diskutiert werden. Im vorliegenden Fall spielt insbesondere die individuelle Risikostratifizierung mittels klinischen und MR-tomografischen Parametern eine entscheidende Rolle, wonach der Patient mindestens 5 Jahre früher hätte biopsiert werden müssen [Radtke et al. Eur Urol 2017].
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Schlussfolgerung
Trotz des hohen negativen Vorhersagewertes der mpMRT können klinisch signifikante Prostatakarzinome der MR-Diagnostik entgehen. Die TZ stellt aufgrund ihrer Heterogenität häufig eine größere Herausforderung dar. Atypische Befunde oder insuffiziente Bildqualität können darüber hinaus die Einordnung anhand der PI-RADS-Klassifikation erschweren und bei insuffizienter klinischer Anbindung und Nachsorge zu einem Diagnose-/Therapieverzug klinisch signifikanter PCa führen. Daher sollte bei Diskrepanzen von klinischen Angaben/Befunden und dem MRT-Befund (steigende bzw. deutlich erhöhte PSAD) immer der Fall sorgfältig überprüft (ggf. Expertenzweitmeinung einholen), interdisziplinär diskutiert und ggf. zunächst zumindest kurzfristig verlaufskontrolliert werden. Eine (systematische und gezielte) Biopsie ist obligatorisch, wenn klinisch ein persistierend hoher Verdacht auf ein signifikantes PCa, wie im vorliegenden Fall, vorliegt.
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Keypoints
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Prostatakarzinome in der Transitionszone (TZ) können aufgrund der Heterogenität der Hyperplasie und/oder koinzidentellen Prostatitis oder mangelnder Untersuchungs-/Befundqualität eine Herausforderung darstellen.
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Atypische Befunde erschweren darüber hinaus die PI-RADS-Befundung und können bei fehlender klinischer Anbindung zu einem Diagnose-/Therapieverzug führen.
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Ein unklarer PSA-Anstieg, der nicht durch die Bildgebung erklärt werden kann, ist selten, muss aber durch eine weiterführende Diagnostik mit einer Prostatabiopsie zur Minimierung des Restrisikos für ein klinisch signifikantes Prostatakarzinom weiter abgeklärt werden.
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 24 July 2022
Accepted after revision: 15 January 2023
Article published online:
16 March 2023
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