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DOI: 10.1055/a-2014-6804
Adulte Dünndarminvagination ausgelöst durch einen Vanek-Tumor – ein Fallbericht
Small bowel intussusception in an adult patient due to Vanekʼs tumor – a case reportN/A
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Einleitung
Die Dünndarminvagination stellt beim adulten Patienten im Gegensatz zum pädiatrischen Patienten ein seltenes Krankheitsbild dar. Im Vergleich zur pädiatrischen Dünndarminvagination, welche in der Regel idiopathischer Genese beziehungsweise funktioneller Natur ist, liegt beim Erwachsenen meist ein pathologisches Korrelat zugrunde.
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Die Ätiologie der Dünndarminvagination ist, im Gegensatz zur Dickdarminvagination, in den meisten Fällen benigne [Abboud B. Vanekʼs tumor of the small bowel in adults. World J Gastroenterol. 2015; 21(16): 4802–4808.].
Man unterscheidet je nach klinischem Verlauf eine akute Form der Dünndarminvagination, welche sich als mechanischer Ileus präsentiert, von einer subakuten bzw. chronischen Form, die sich klassischerweise als Schmerzepisoden kombiniert mit Nausea und rektalen Blutabgängen manifestiert. In der klinischen Untersuchung lässt sich das Invaginat als walzenförmiger Tumor palpieren. Apparativ-diagnostisch ist die abdominelle Sonografie als Basisbildgebung die Methode der Wahl und sollte bei Unklarheiten durch die Computertomografie (CT) ergänzt werden.
Prinzipiell ist für das Entstehen einer Darminvagination ein sogenannter „lead point“ erforderlich, an dem sich der Darm teleskopartig ineinander stülpt. Als potenzieller „lead point“ kommen mehrere Ursachen infrage. Wir präsentieren einen Fall einer ileoilealen Invagination aufgrund eines Vanek-Tumors (VT).
Fallbeschreibung
Eine 53-jährige Patientin stellte sich mit diffusen Abdominalgien und Übelkeit in der chirurgischen Notaufnahme vor. Zusätzlich berichtete die Patientin über Stuhlverhalt seit 5 Tagen. In der klinischen Untersuchung zeigte sich ein weiches Abdomen ohne Peritonismus mit auskultatorisch reger Peristaltik und Pressstrahlgeräuschen. Die initiale Labordiagnostik ergab diskret erhöhte Entzündungsparameter mit einem CRP von 1,69 mg/dl (0–0,5 mg/dl) und Leukozyten von 11,2 G/l (4,0–10,0 G/l) bei ansonsten unauffälligen Laborparametern. Daraufhin wurde eine CT des Abdomens mit Kontrastmittelgabe zur weiterführenden Diagnostik veranlasst. Hierbei zeigte sich im rechten Mittelbauch eine pathologische Kokarde ([Abb. 1]).


Die oral davon gelegenen Dünndarmschlingen waren dilatiert, zusätzlich zeigte sich eine teleskopartige Einstülpung ([Abb. 2]). Auf Basis der vorliegenden Befunde wurde die Diagnose einer Dünndarminvagination gestellt. Als „lead point“ wurde ein intraluminaler Dünndarmpolyp vermutet. Differenzialdiagnostisch wurde auch ein Meckel-Divertikel in Betracht gezogen. In Zusammenschau der Befunde wurde die Indikation zur operativen Versorgung gestellt.


Intraoperativ fand sich, wie bereits CT-morphologisch suspiziert, eine Dünndarminvagination circa 70 cm vor dem ileozökalen Übergang mit massiv dilatierten Dünndarmschlingen ([Abb. 3]). Das betroffene Dünndarmsegment wurde nach oraler Dekompression reseziert und die Darmkontinuität mittels einer händischen Seit-zu-Seit Ileo-Ileostomie wiederhergestellt. Das Präparat wurde nach Resektion eröffnet, wobei sich ein gestielter intraluminaler Polyp zeigte ([Abb. 4]).




Die immunhistochemische Analyse ergab einen oberflächlich erodierten, submukös gelegenen Polypen vereinbar mit einem Vanek-Tumor. Differenzialdiagnostisch wurde auch ein gastrointestinaler Stromatumor (GIST) in Erwägung gezogen. Die molekularpathologische Aufarbeitung bestätigte schließlich die Diagnose des Vanek-Tumors. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos und die Patientin wurde nach erfolgtem Kostaufbau, Stuhlabgang und Mobilisierung am sechsten postoperativen Tag nach Hause entlassen.
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Diskussion
Der Vanek-Tumor wurde 1949 von Vanek als submuköses Granulom mit eosinophiler Infiltration erstmals beschrieben [Vanek, J., Gastric Submucosal Granuloma with Eosinophilic Infiltration. Am J Pathol 25, no. 3 1949: 397–411]. 1953 wurde von Helwig und Ranier die Bezeichnung inflammatorischer fibroider Polyp (IFP) eingeführt. Bisher ist man beim IFP von einer reaktiven, nicht neoplastischen Läsion ausgegangen. Rezente molekularpathologische Untersuchungen ließen jedoch Zweifel an dieser Annahme aufkommen. So konnte gezeigt werden, dass 70% aller IFPs eine platelet-derived growth factor receptor α (PDGFRA) aktivierende Mutation in Exon 12 und 18 aufweisen. Exon-18-Mutationen sind mit gastrischen IFPs assoziiert, während Exon-12-Mutationen überwiegend bei IFPs, welche im Dünndarm lokalisiert sind, vorkommen [Schildhaus, H.U. et al., Inflammatory fibroid polyps harbour mutations in the platelet-derived growth factor receptor alpha (PDGFRA) gene. J Pathol 2008; 216(2): 176–182]. Auch in unserem Fall ergab die histologische Aufarbeitung eine PDGFRA aktivierende Mutation in Exon 12. Dies stellt die reaktive Natur des IFP infrage und lässt auf eine neoplastische Genese schließen. Daher erscheint die Bezeichnung Vanek-Tumor der Entität eher gerecht zu werden und sollte präferenziell verwendet werden. Ähnliche PDGFRA aktivierende Mutationen wurden bereits beim GIST beschrieben. Im Unterschied zum GIST kommt es beim Vanek-Tumor dagegen nicht zu einem invasiven Wachstum oder einer Metastasierung. Außerdem zeigt der GIST grundsätzlich kein prominentes inflammatorisches Infiltrat. Spezifische immunhistochemische diagnostische Marker wie die Proto-Onkogene c-KIT (CD117) und DOG-1 finden sich ausschließlich in GIST, jedoch nicht beim Vanek-Tumor [Lasota, J. et al., Gain-of-function PDGFRA mutations, earlier reported in gastrointestinal stromal tumors, are common in small intestinal inflammatory fibroid polyps. A study of 60 cases. Mod Pathol 2009; 22(8): 1049–1056].
Im Gegensatz zur Dünndarminvagination bei pädiatrischen Patienten, bei denen konservative Therapieversuche zur Reposition oftmals ausreichend sind, stellt die Dünndarminvagination beim Erwachsenen eine OP-Indikation dar, da in der Regel pathologische Befunde als Ursache für die Invagination zugrunde liegen [Johan S et al., Vanekʼs tumor causing ileoileal intussusception in a middle-aged man. Oxf Med Case Reports. 2020; 2020(7): omaa050].
Bildgebende Verfahren sind in Ergänzung zur klinischen Untersuchung für die Diagnosestellung essenziell. Die Abdomen-CT erlaubt die genaue Lokalisierung der zugrunde liegenden Pathologie und ist für die weitere operative Strategiefindung hilfreich. Typische Anzeichen für eine Dünndarminvagination in der Abdomen-CT sind das sogenannte Schießscheiben- bzw. Kokarden-Phänomen, welches sich in den axialen Schnittbildern erkennen lässt. Während eine Dünndarminvagination mithilfe der CT zuverlässig diagnostiziert werden kann, besitzt der Vanek-Tumor selbst keine radiologischen Eigenschaften, die ihn als Ursache einer Dünndarminvagination von anderen Tumorentitäten des Dünndarms unterscheiden lassen. Er gehört zu den benignen Entitäten, die durch ihr vermehrtes Volumen im Bereich der Invagination an einen Vanek-Tumor denken lassen sollten. Darüber hinaus müssen andere Dünndarmraumforderungen wie beispielsweise der GIST bedacht werden, der häufiger ist, aber bildgebend ununterscheidbar bleibt. Auch Meckel-Divertikel, Darmduplikaturen sowie Hämangiome kommen als Ursache für eine Dünndarminvagination infrage – bisweilen sind bei diesen Krankheitsbildern begründete Vermutungen aufgrund ihrer Position in Relation zur Bauhin’schen Klappe beziehungsweise ihres Kontrastmittelaufnahmeverhaltens möglich. Zusätzlich zur CT bietet die Magnetresonanztomografie (MRT) vor allem in der subakuten Situation eine Möglichkeit, um Ursachen der adulten Dünndarminvagination zu differenzieren. Ein großer Vorteil der MRT ist die im Vergleich zur CT deutlich bessere Abgrenzbarkeit der Darmstrukturen voneinander, sowie die bessere Differenzierung der Pathologie von der Darmstruktur selbst, sodass mit einer höheren Spezifität Strukturen voneinander unterscheidbar sind. Prinzipiell könnte der Vanek-Tumor ein spezifisches Signalverhalten – im Unterschied zu beispielsweise dem GIST – aufweisen. Aufgrund seiner Seltenheit ist darüber jedoch bisher nichts Genaueres bekannt. Die MRT wäre somit der CT vorzuziehen, in der akuten Situation des mechanischen Ileus erscheint dies allerdings aufgrund der oftmals eingeschränkten Verfügbarkeit und längeren Akquisitionsdauer problematisch. Andere Marker über die Bildgebung hinaus, die für die präoperativen differenzialdiagnostischen Überlegungen hilfreich sein könnten, gibt es nicht. Insbesondere ist die Lokalisation der Invagination typischerweise endoskopisch nicht zugänglich.
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Schlussfolgerung
Im Gegensatz zu pädiatrischen Patienten stellt die Dünndarminvagination bei adulten Patienten ein seltenes Krankheitsbild dar. In der Regel liegt der adulten Dünndarminvagination ein pathologischer Befund zugrunde, sodass beim Erwachsenen im Unterschied zum Kind immer eine operative Sanierung angestrebt werden sollte. Besteht das klinische Bild einer mechanischen Magen-Darm-Passagestörung, erlaubt die Computertomografie eine schnelle und verlässliche Diagnose und damit eine rasche Therapieeinleitung. Ein mechanischer Dünndarmileus als Folge einer Invagination bedingt durch einen IFP/Vanek-Tumor ist eine Rarität. Auf Basis rezenter molekularbiologischer Untersuchungen scheint es sich beim IFP um eine PDGFRA-Mutation ausgehende benigne Neoplasie zu handeln. Daher sollte der Begriff Vanek-Tumor präferenziell verwendet werden. Aufgrund des benignen Verhaltens ist eine Dünndarmteilresektion des betroffenen Darmabschnitts ohne onkologische Erweiterung ausreichend. Zur Sicherung der Diagnose ist die Bestimmung von c-KIT (CD117) sowie des PDGFRA-Mutationsstatus obligater Bestandteil der postoperativen immunhistochemischen Aufarbeitung. Die Aufklärung der molekularen Pathogenese hat keinen chirurgisch-therapeutischen Paradigmenwechsel zur Folge.
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Korrespondenzadresse
Publikationsverlauf
Eingereicht: 24. Oktober 2022
Angenommen nach Revision: 15. Januar 2023
Artikel online veröffentlicht:
02. März 2023
© 2023. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).
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