Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2022; 50(06): 414-415
DOI: 10.1055/a-1970-5058
Kompendium

Auswirkungen von Tierversuchen auf die Gesundheit, Fruchtbarkeit und Milchleistung von Milchkühen

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Tierversuche sind notwendig, um komplexe physiologische Zusammenhänge zu untersuchen sowie evidenzbasiertes Wissen zu erlangen. Sie können jedoch auch zu einem gestörten Tagesablauf der Tiere sowie Stress und Schmerzen führen, wodurch negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistung der Tiere möglich sind. Ziel dieser Studie war zu untersuchen, wie die negativen Auswirkungen eines intensiven Tierversuchsprotokolls die Gesundheitsmerkmale und Produktionsmerkmalen von Milchkühen beeinflussen. Dazu wurde ein umfangreiches Versuchsprotokoll an einer Gruppe von Milchkühen in der Transitphase durchgeführt.

Material und Methoden Die Studie wurde über einen Zeitraum von einem Jahr an einer Milchviehherde mit 660 Deutsch-Holstein-Kühen mit einer mittleren 305-Tage-Milchleistung von ca. 10 800 kg durchgeführt. Aus bestimmten Tieren der Herde wurden zwei Gruppen gebildet. Die eine Gruppe (EXP-Gruppe) bestand aus 87 Milchkühen, die in den letzten 28 Tagen keiner medizinischen Behandlung außer maximal eine antibiotische Therapie erhielten. An den Kühen dieser Gruppe wurden nach einem Versuchsprotokoll zahlreiche Maßnahmen durchgeführt. 206 andere Kühe dienten als Kontrollgruppe (CTR-Gruppe).

Das Versuchsprotokoll der EXP-Gruppe bestand aus regelmäßigen klinischen Untersuchungen, Blutentnahmen aus der V. jugularis, Injektionen in die V. jugularis, Urinsammlungen, Ultrasonographien der Leber sowie transkutanen Leberbiopsien. Es begann 14 Tage vor der Abkalbung und endete 42 Tage nach der Abkalbung.

Anschließend wurden verfahrensbedingte Effekte mit potenziellen negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Produktion erfasst und Daten über die Gesundheit, Fruchtbarkeit und Milchleistung erhoben sowie zwischen den beiden Gruppen verglichen.

Ergebnisse und Diskussion Die meisten Komplikationen traten im Zusammenhang mit den transkutanen Leberbiopsien auf und zeigten sich meist als eine diffuse Entzündung des Hautschnitts oder einer Abszedierung der Haut oder Unterhaut.

Die Milchleistung der EXP-Gruppe ging zu Beginn und zum Ende der Laktation zurück, was zu einer niedrigeren 305-d-Milchleistung als in der CTR-Gruppe führte. Milchfett- und somatische Zellgehalte waren im Gegensatz zur Kontrollgruppe erhöht. Die Erstbesamungsrate sowie die Zeit bis zur Trächtigkeit wurden nicht beeinflusst, während ein positiver Effekt auf die Totgeburtenrate mit weniger Totgeburten beobachtet werden konnte.

Zu berücksichtigen ist, dass eine Gewöhnung der Kühe an die Handhabung sowie die Fixierung vor der Studie mögliche risikomindernde Maßnahmen für unerwünschte Auswirkungen auf die Tiere sein könnten, da Stressreaktionen und defensives Verhalten durch Training und sanften Umgang mit den Kühen reduziert werden kann.

Zusätzlich sollte beachtet werden, dass die Auswirkungen dieser Studie kombinierte additive Effekte von jeglichen Schritten des Tierversuches darstellen und sich nicht auf einen medizinischen Eingriff allein rückschließen lassen. Daher ist es schwierig eine Aussage zu treffen, welche der durchgeführten Maßnahmen die größten negativen Effekte auf die Gesundheit, Milch- und Reproduktionsleistung von Kühen besitzt.

Der Rückgang der Totgeburtenrate lässt sich auf die frequente und qualifizierte Tierbeobachtung durch geschultes Personal während des gesamten Tierversuches zurückführen.

FAZIT

Diese Studie zeigt auf, dass intensive Tierversuchsprotokolle zu deutlich negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und Produktion führen. Aber auch positive Effekte auf kalbungsbedingte Merkmale sind möglich, welche durch die intensive Überwachung der Tiere möglich sind.

Daher sollten die negativen und positiven Aspekte der Versuchsverfahren in der Planungsphase einer Studie berücksichtigt werden, um Auswirkungen solch intensiver Versuchsprotokolle auf das Wohlergehen der Tiere und die Produktionsleistung besser abschätzen zu können.

Inken Leggeri, Gießen



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
14. Dezember 2022

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