Rofo 2022; 194(11): 1271-1274
DOI: 10.1055/a-1931-7020
DRG-Mitteilungen

Anforderungen an Bürgschaftserklärungen und andere Sicherheitsleistungen für MVZ GmbHs

 

I. Einleitung

Gemäß § 95 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB V kann nicht nur ein einzelner Arzt eine vertragsärztliche Zulassung erwerben, sondern auch ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), welches als juristische Person des Zivilrechts insofern gleichberechtigt mit den Vertragsärzten ist. Dabei können sowohl arztgruppengleiche als auch fachübergreifende MVZ gegründet werden (vgl. dazu Schaks NZS 2016, 761 (762)). Bei dem MVZ handelt es sich um eine ärztlich geleitete Einrichtung, in der Vertragsärzte und/oder angestellte Ärzte tätig werden können. Voraussetzung für das Tätigwerden von angestellten Ärzten ist, dass diese wie die Vertragsärzte, über eine Arztregistereintragung verfügen (§ 95 Abs. 1 SGB V). Der jeweils örtlich zuständige Zulassungsausschuss der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) entscheidet über die Zulassung des MVZ zu der vertragsärztlichen Versorgung.


#

Bei der Betrachtung eines MVZ existieren drei Ebenen, nämlich die Gründerebene (die Gesellschafter), die Betreiberebene (der Träger bzw. die Trägergesellschaft) und die Arztebene (die in dem MVZ tätigen Ärzten und Psychotherapeuten). Zwischen den verschiedenen Beteiligten ist klar zu differenzieren. Zwar werden auch die in dem MVZ angestellten Ärzte mit der Zulassung des MVZ zur vertragsärztlichen Versorgung Mitglieder der zuständigen KV. Zugelassen i. S.v. § 95 Abs. 1 SGB V wird aber das MVZ selbst, nicht sein Träger bzw. Gründer (NK-MedizinR/Steinmeyer SGB V § 95 Rn. 29). Das führt dazu, dass auch nur das – rechtsfähige – MVZ selbst Träger von Rechten und Pflichten und im sozialgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig ist (vgl. Becker/Kingreen/Joussen, 8. Aufl. 2022, SGB V § 95 Rn. 2–16; LSG Berlin-Brandenburg 27.01.2010 – L 7 KA 139/09 B ER; dazu auch Schäfer GesR 2010, 351).

Für die Gründung einer MVZ-Trägergesellschaft kommen als Gesellschaftsformen eine Personengesellschaft – insbesondere die Gesellschaft bürgerlichen Rechts –, eine eingetragene Genossenschaft, eine GmbH (jedoch nicht als Aktiengesellschaft) oder eine öffentlich rechtliche Rechtsform (insoweit zulässig Eigenbetrieb, Regiebetrieb, Kommunalunternehmen oder Anstalt des öffentlichen Rechts und Gemeinsames Kommunalunternehmen) in Betracht, § 95 Abs. 1a S. 3 SGB V. Gegründet werden kann ein MVZ von zugelassenen Ärzten und Psychotherapeuten, von zugelassenen Krankenhäusern, Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen (nur fachbezogen), von anerkannten Praxisnetzen, gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen oder von Kommunen, § 95 Abs. 1a S. 1 f. SGB V. Gesellschafter der MVZ-Trägergesellschaft können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein – dies auch gemischt. Jedoch können an einer Trägergesellschaft eines MVZ nur solche natürlichen oder juristischen Personen als Gesellschafter beteiligt werden, die dem genannten Gründerkreis aus § 95 Abs. 1a S. 1 f. SGB V angehören. Der jeweilige Gesellschafter selbst – unabhängig davon ob natürliche oder juristische Person – muss somit die Gründereigenschaft erfüllen.

Mit der Zunahme von Gesellschaftsbeteiligungen durch sog. Investoren, erfreut sich die Rechtsform der GmbH für MVZ-Trägergesellschaften immer größerer Beliebtheit. Dies ist den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) deutschlandweit im Generellen und in Bayern im Besonderen ein Dorn im Auge. Denn die KVen befürchten eine Gefährdung des Patientenwohls durch vermeintlich gesteigerte wirtschaftliche Interessen, welche durch die Beteiligung von Investoren an den Trägergesellschaften entstünden.

Insofern legen die KVen, welche als Körperschaften des öffentlichen Rechts einen erheblichen Selbstverwaltungsspielraum besitzen, gesetzliche Regelungen sowie eigene Bestimmungen dahingehend aus, dass die Gründung und das Betreiben der vermeintlich rein gewinnorientierten MVZs durch Trägergesellschaften, deren Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen sind, erschwert wird.

Ein Werkzeug stellt insoweit das Stellen einer in den Augen der jeweiligen KV geeigneten Sicherheit durch die MVZ-Trägergesellschaften dar. Denn eine der Gründungsvoraussetzungen für ein MVZ in der Rechtsform einer GmbH ist neben einem geeigneten Gründer, dass die Gesellschafter eines Versorgungszentrums selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen oder andere Sicherheiten gem. § 232 BGB für Forderungen der KV und Krankenkassen gegen das MVZ aus dessen vertraglicher Tätigkeit abgegeben haben, § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V. Zusätzlich wurde seitens der KV Bayern auch eine von dem MVZ selbst gestellte Bürgschaft zur Absicherung sämtlicher Forderungen der KV gegenüber dem MVZ nach dessen Gründung gefordert.

II. Voraussetzungen gem. § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V

Zulässige Sicherheiten im Sinne des SGB V sind selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen oder andere Sicherheiten, welche abschließend in § 232 BGB aufgeführt sind.

Durch einen Bürgschaftsvertrag gem. § 765 Abs. 1 BGB verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Die Bürgschaft besteht damit als vertraglich begründetes Rechtsverhältnis allein zwischen Gläubiger und Bürgen, dient der Sicherung einer Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner, den „Dritten“, und findet ihren Anlass zumeist in einer Rechtsbeziehung zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner. Diese Dreiecksbeziehung stellt eine Form der Personalsicherheit dar, d. h. eine persönliche Verpflichtung des Bürgen, für deren Erfüllung dieser nach Maßgabe der §§ 767 ff. BGB mit seinem gesamten Vermögen einzustehen hat. Dabei kann die Bürgschaft auch für eine künftige oder bedingte Verbindlichkeit übernommen werden, § 765 Abs. 2 BGB.

Die sog. selbstschuldnerische Bürgschaft stellt noch eine Verschärfung dar. Denn eine solche liegt vor, wenn der Bürge auf die ihm grundsätzlich nach § 771 BGB zustehende Einrede der Vorausklage verzichtet oder er kraft Gesetzes als Selbstschuldner haftet. In diesem Fall kann der Gläubiger ohne weiteres direkt den Bürgen in Anspruch nehmen.

Das Erfordernis einer zusätzlichen Sicherheit zur Gründung einer MVZ-Trägergesellschaft in Form einer GmbH ist dem Umstand geschuldet, dass bei in der Rechtsform einer Personengesellschaft betriebenen MVZs eine Haftung der Gesellschafter mit dem Privatvermögen besteht, während die Haftung bei der Rechtsform einer GmbH auf das Gesellschaftsvermögen derselben beschränkt ist. Mit der Voraussetzung gem. § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V beabsichtigte der Gesetzgeber insofern die haftungsrechtliche Gleichstellung zwischen den in der Rechtsform der GmbH organisierten Versorgungszentren und den als Personengesellschaft betriebenen Kooperationsformen vertragsärztlicher Tätigkeit (vgl. Dahm MedR 2008, 257 (259)).

Gesetzlich nicht näher geregelt ist die Höhe der beizubringenden Bürgschaft. Entgegen der Auffassung einiger KVen bedeutet dies jedoch nicht, dass sie in unbegrenzter Höhe oder für einen unbegrenzten Zeitraum zu erbringen ist. Dies widerspräche dem Gesetzeszweck, dem es um die Gleichstellung mit den Personengesellschaften geht und nicht um eine Schlechterstellung der GmbH. Somit stellt sich auch die Frage, wann eine KV eine entsprechende Bürgschaft zurückzugeben hat, da damit keine endlose und unbegrenzte Haftungsabsicherung verbunden sein kann. Eine Bürgschaft kann lediglich für diejenigen Forderungen notwendig sein, welche während der Zugehörigkeit des jeweiligen MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung begründet worden sind (vgl. auch NK-MedizinR/Steinmeyer SGB V § 95 Rn. 32). Sind sämtliche Verbindlichkeiten erfüllt, welche im Zusammenhang mit der Teilhabe des MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung stehen, ist die Bürgschaft unverzüglich zurückzugeben.


#

III. Absicherungsmöglichkeiten gem. § 232 BGB

Zudem ist – was seitens der KVen ebenfalls gern übersehen wird – gesetzlich ausdrücklich geregelt, dass anstelle einer Bürgschaft auch andere Sicherheitsleistungen erbracht werden können, welche sich aus § 232 BGB ergeben. Diese spielen in der Praxis jedoch eine untergeordnete Rolle.

Demnach kann eine Sicherheit durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren, durch Verpfändung von Forderungen, die in das Bundesschuldbuch oder in das Landesschuldbuch eines Landes eingetragen sind, durch Verpfändung beweglicher Sachen, durch Bestellung von Schiffshypotheken an Schiffen oder Schiffsbauwerken, die in einem deutschen Schiffsregister oder Schiffsbauregister eingetragen sind, durch Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken, durch Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen Grundstück besteht, oder durch Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken geleistet werden, § 232 Abs. 1 BGB. Absatz 2 regelt, dass dann, wenn die Sicherheit nicht in dieser Weise geleistet werden kann, die Stellung eines tauglichen Bürgen zulässig ist.

Die Arten der Sicherheiten sind vielfältig und teilweise mit einem geringeren finanziellen Aufwand verbunden, als das Stellen einer Bankbürgschaft. Denn die Kosten für eine solche Bankbürgschaft liegen in der Regel bei etwa zwei Prozent der gesicherten Summe pro Jahr, was bei der Absicherung des Gesellschaftsvermögens und von Verbindlichkeiten einer größeren MVZ GmbH gegenüber der zuständigen KV und/oder den Krankenkassen sicherlich einen erheblichen Kostenfaktor darstellt. Darüber hinaus wird eine solche Bankbürgschaft selbstverständlich nur bei Vorliegen einer entsprechenden Bonität bewilligt. Auch dies senkt die Hürden – gerade für neu gegründete Trägergesellschaften – offensichtlich nicht.


#

IV. BSG Urteil zur Ungleichbehandlung von MVZ-Trägergesellschaften

Demnach stellt die Beibringung einer Sicherheit in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärung oder einer anderen Absicherungsmöglichkeit bereits eine zwingende Gründungsvoraussetzung bei Gründung eines MVZ dar.

In den Abrechnungsbestimmungen der KVen, den Honorarverteilungsmaßstäben (HVM), welche diese aufgrund ihrer Selbstverwaltungskompetenz eigenständig ausgestalten können, verlangen einige KVen jedoch auch nach der Gründung zusätzliche Sicherheiten von bestimmten MVZ-Trägergesellschaften. Über den HVM wird die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) an die Ärzte und Psychotherapeuten verteilt. Das MGV ist ein festes Geldvolumen, das die jeweilige KV von den Krankenkassen erhält. Die Berechnung der MGV richtet sich nach Empfehlungen und Vorgaben der Bundesebene, wird jedoch in den weiteren Details mit den Krankenkassen auf Landesebene im sogenannten Honorarvertrag mit der KV vereinbart. Die Verteilung der MGV an die Vertragsärzte und Psychotherapeuten wird sodann im HVM geregelt, welcher von der Vertreterversammlung der jeweiligen KV beschlossen wird.

Die KV Bayern verlangte in einem nun von dem Bundessozialgericht (BSG) entschiedenen Fall von einer MVZ GmbH, deren Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen waren, die Vorlage einer das Risiko vollständig absichernden Bankbürgschaft zur Sicherung von Abschlagszahlungen der KV Bayern an die MVZ GmbH (BSG, Urt. v. 07.09.2022, Az.: B 6 KA 10/21 R; Entscheidungsgründe des Urteils noch nicht veröffentlicht). Eine Auszahlung von Abschlagszahlungen wurde davon abhängig gemacht, dass das MVZ selbst eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft beibringe.

Das BSG entschied insoweit, dass die Gewährung von Abschlagszahlungen an die MVZ GmbH nicht von der Vorlage einer solchen Bankbürgschaft abhängig gemacht werden durfte, da die KV Bayern die MVZ GmbH ungerechtfertigt gegenüber MVZ-Trägergesellschaften benachteiligte, deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind.

In dem Merkblatt der KV Bayern (KVB) „Allgemeine Informationen zum Thema Medizinische Versorgungszentren (MVZ) Kassenärztliche Vereinigung Bayerns Stand: 10.05.2021“ heißt es zur Zulassung eines MVZ in der Rechtsform einer GmbH noch gesetzestextkonform:

„Für die Zulassung von MVZ, die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet werden, ist ferner Voraussetzung, dass jeder Gesellschafter jeweils eine selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung abgibt, mit welcher die Forderungen der KVen und Krankenkassen gegen das MVZ aus der vertragsärztlichen Tätigkeit des MVZ gesichert werden (z. B. Regressforderungen). Alternativ ist die Abgabe gleichwertiger anderer Sicherheitsleistungen nach § 232 BGB möglich. Die Möglichkeit der Abgabe anderer Sicherheitsleistungen nach § 232 BGB wurde insbesondere für die Kommunen/öffentlich-rechtlichen Träger geschaffen, die zur Gründung von MVZ berechtigt sind. Mit der Erweiterung der Sicherheitsleistungen auch auf solche des § 232 BGB werden Schwierigkeiten vermieden, welche sich in der Praxis aus einer Beschränkung der nach § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V geforderten Sicherheitsleistung auf die Abgabe einer selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärung für Kommunen wie öffentlich-rechtliche Träger durch den Gesellschafter ergeben könnten.“

Als weitere Voraussetzungen wurde jedoch konstatiert:

„Für ein MVZ, das in der Organisationsform einer juristischen Person des Privatrechts betrieben wird, werden Abschlagszahlungen gemäß den Abrechnungsbestimmungen der KVB nur dann geleistet, wenn deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind und diese zur Sicherung von Forderungen der Krankenkassen und der KVB selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen abgegeben haben. Sind bei einem MVZ, das in der Organisationsform einer juristischen Person des Privatrechts betrieben wird, die Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen, leistet die KVB Abschlagszahlungen nur dann, wenn das MVZ zur Sicherung von Forderungen der KVB und der Krankenkassen aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank, die im Gebiet der Europäischen Union ansässig ist, in Höhe von fünf Abschlagszahlungen beigebracht hat. Die Beibringung dieser selbstschuldnerischen Bankbürgschaft durch das MVZ stellt – im Unterschied zu den selbstschuldnerischen Bürgschaften der Gesellschafter – keine Zulassungsvoraussetzung dar, sondern ist Voraussetzung für die Leistung der Abschlagszahlungen der KVB. Die Abschlagszahlungen können in den Fällen, in denen nicht ausschließlich natürliche Personen Gesellschafter des MVZ in Trägerschaft einer juristischen Person des Privatrechts sind, nicht unter Verweis darauf eingefordert werden, dass die Gesellschafter ihrerseits bereits selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen im Rahmen des Zulassungsverfahrens abgegeben haben.“

Grundlage dieses Hinweises ist § 5 Abs. 1a S. 1 der Abrechnungsbestimmungen der KVB, wonach Abschlagszahlungen für ein MVZ, das in der Organisationsform einer juristischen Person des Privatrechts betrieben wird, nach § 5 Abs. 1 nur dann geleistet werden, wenn deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind und diese zur Sicherung von Forderungen der Krankenkassen und der KVB selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen abgegeben haben. Sind bei einem MVZ, das in der Organisationsform einer juristischen Person des Privatrechts betrieben wird, die Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen, leistet die KVB Abschlagszahlungen gem. § 5 Abs. 1a S. 2 der Abrechnungsbestimmungen nur dann, wenn das MVZ zur Sicherung von Forderungen der KVB und der Krankenkassen aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank, die im Gebiet der Europäischen Union ansässig ist, in Höhe von fünf Abschlagszahlungen beigebracht hat.

Die KVB differenziert somit zwischen Gesellschaften, deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind und solchen, die auch juristische Personen unter ihren Gesellschaftern besitzen. Bei Gesellschaften, deren Gesellschafter (auch) juristische Personen sind, wird die Zahlung von Abschlagszahlungen davon abhängig gemacht, dass eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft durch das MVZ selbst gestellt wird – und zwar unabhängig von der Stellung einer Sicherheit zur Gründung des MVZ, nämlich zusätzlich dazu zur Absicherung möglicher Forderungen der KVB gegen das MVZ aufgrund geleisteter Abschlagszahlungen. Der Verweis darauf, dass die Gesellschafter der MVZ-Trägergesellschaft ihrerseits bereits selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen im Rahmen des Zulassungsverfahrens abgegeben haben, soll nicht ausreichend sein.

Im Gegensatz dazu ist nach Auffassung der KVB bei Gesellschaften mit ausschließlich natürlichen Personen als Gesellschaftern eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft durch die Gesellschafter der MVZ-Trägergesellschaft ausreichend, was bereits Zulassungsvoraussetzung ist.

Das mit dem Sachverhalt vorhergehend befasste Sozialgericht München (Urt. v. 21.05.2019, Az.: S 20 KA 1091/13) und auch das Bayerische Landessozialgericht (Urt. v. 07.10.2020, Az.: L 12 KA 37/19) sahen diese Praxis der KVB als zulässig an. Ein Anspruch auf Abschlagszahlungen bestehe grundsätzlich nur dann, wenn die KV in ihren Honorarregelungen solche Abschlagszahlungen vorsehe. Die KV habe für die Regelung von Abschlagszahlungen einen weiten Gestaltungsspielraum. Insofern sei auch die Differenzierung zwischen Personengesellschaften mit rein natürlichen Personen als Gesellschaftern und solchen mit Gesellschaftern in Form von juristischen Personen wirksam. Denn die KVB habe kraft ihrer bestehenden körperschaftlichen Normsetzungsbefugnis im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums den grundsätzlichen Anspruch auf Abschlagszahlungen und dessen Modifikationen in § 5 ihrer Abrechnungsbestimmungen geregelt (Bayerisches Landessozialgericht, Urt. v. 07.10.2020, Az.: L 12 KA 37/19). Im Kern erhalte ein MVZ, das in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1a S. 2 der Abrechnungsbestimmungen falle und keine selbstschuldnerische Bankbürgschaft beibringe, mit Erlass des Honorarbescheides trotzdem das vollständige Honorar für die im Quartal erbrachten Leistungen. Es gehe nur um die von der KVB im Rahmen ihrer autonomen satzungsrechtlichen Rechtsetzung eingeräumte Möglichkeit für die zugelassenen Leistungserbringer, Abschlagszahlungen auf das zu erwartende Honorar zu erhalten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Abschlagszahlungen zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die KVB noch keinerlei Prüfung vorgenommen habe, ob die zu erwartenden vertragsärztlichen Leistungen überhaupt bzw. in Übereinstimmung mit den vertragsärztlichen Vorschriften erfolgt seien oder erfolgen. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung i. S. d. Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) liege nicht vor, da die unterschiedliche Behandlung bei der Gewährung der Abschlagszahlungen nicht an personenbezogene Merkmale anknüpfe, sondern überwiegend verhaltensbezogene Umstände aufgreife, die zudem von den Betroffenen beeinflusst werden können. Von daher rechtfertige bereits ein sachlich einleuchtender Grund die Ungleichbehandlung.

Das BSG dagegen hat einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG angenommen, welcher gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Nach Auffassung der Bundessozialrichter fehlt es für die Ungleichbehandlung an einem erforderlichen sachlichen Grund. Die Überzeugung der KVB, dass eine Ungleichbehandlung dadurch gerechtfertigt sei, dass die Haftung einer GmbH auf das Stammkapital iHv. 25.000,00 Euro begrenzt sei, während natürliche Personen unbegrenzt haften, sei unzutreffend. Denn auch die GmbH hafte mit ihrem gesamten Gesellschaftsvermögen, auch wenn die GmbH Gesellschafter nicht persönlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Dabei habe die KVB jedoch nicht dargelegt, dass Rückforderungen gegenüber MVZ-Trägergesellschaften, deren Gesellschafter (auch) GmbHs seien, häufiger fruchtlos verliefen als gegenüber anderen Gesellschaften. Nach Auffassung der KVB kam es auf diesen Punkt nicht an, was jedoch dazu führt, dass es gerade an einem sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung fehlt. Die KVB hat somit durch die eigenen Abrechnungsbestimmungen von den bundesgesetzlich bestehenden Zulassungsvoraussetzungen für MVZs in der Rechtsform einer GmbH gem. § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V abweichende untergesetzliche Vorgaben geschaffen. Denn das Bundesgesetz, wonach die in der Rechtsform einer GmbH geführten MVZ nur zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden können, wenn die Gesellschafter selbstschuldnerische Bürgschaften oder gleichwertige andere Sicherheitsleistungen nach § 232 BGB abgeben, verlangt gerade nicht die Vorlage einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft und differenziert auch nicht danach, ob die Gesellschafter einer MVZ-Träger-GmbH natürliche oder juristische Personen sind.


#

V. Fazit

Den KVen steht bereits ein weitgehender Spielraum bei der Ausgestaltung ihrer Richtlinien und Bestimmungen für die Abrechnung aufgrund ihrer Stellung als Körperschaften des öffentlichen Rechts zu. Dennoch sind die gesetzlichen Vorgaben zu beachten.

Die KV Bayern beabsichtigte oder schaffte zwangsläufig eine Schlechterstellung von GmbH Trägergesellschaften, deren Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen sind. Damit sollte offenbar eine Abschreckung von Investoren erreicht werden. Eine sachliche Rechtfertigung für die Schlechterstellung von MVZ mit Beteiligten in Form von juristischen Personen bestand und besteht nicht. Selbstverständlich hätte den betreffenden MVZ GmbHs nach den Abrechnungsbestimmungen der KVB eine Honorarzahlung unabhängig von der Vorlage einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft zugestanden. Jedoch keine Abschlagszahlung auf die zu erwartenden Honorarzahlungen der Gesamtvergütung, was bekanntlich einen erheblichen finanziellen Nachteil bedeutet, da sämtliche Betriebskosten vollständig seitens der GmbH hätten vorfinanziert werden müssen. Eine solche Vorfinanzierung dürfte für die wenigsten MVZ-Trägergesellschaften finanziell zu stemmen sein, was somit zu einer erheblichen Benachteiligung der MVZ-Trägergesellschaften mit Beteiligung juristischer Personen sowie teilweise faktisch deren Verdrängung aus der vertragsärztlichen Versorgung bedeutet hätte.

Nach diesseitiger Auffassung dürfte die rechtswidrige Praxis der in diesem Sinne vorgegangenen KVen dazu führen, dass diese nicht nur unverzüglich betreffende selbstschuldnerische Bankbürgschaften an die betroffenen MVZ-Trägergesellschaften herauszugeben haben, sondern darüber hinaus für den finanziellen Aufwand nachträglich aufkommen müssen. Voraussetzung des Rückgabeanspruchs ist ein Erlöschen der Forderung. Doch auch ein Erlöschen der Bürgschaftsverpflichtung reicht für eine Rückgabe der Bürgschaftsurkunde aus (BSG BeckRS 2019, 35523 Rn 39; LG Kiel WM 1984, 805; Gerth Kreditwesen 1980, 1110). Da vorliegend kein Recht der betreffenden KVen bestand und besteht, eine selbstschuldnerische Bürgschaft anzufordern, ist die – rechtswidrige – Bürgschaftsverpflichtung ex tunc weggefallen.

In Betracht kommen neben dem Herausgabeanspruch betreffend die Bürgschaftsurkunde wohl Ansprüche der betroffenen MVZ-Trägergesellschaften auf Zahlung der für das Stellen der selbstschuldnerischen Bankbürgschaft für jeweils fünf Abschlagszahlungen angefallenen Kosten von durchschnittlich 2 Prozent der abgesicherten Summe pro Jahr. Da es sich insoweit um nicht zu vernachlässigende Beträge handelt, sollte das Stellen einer entsprechenden Forderung von betroffenen MVZs bzw. deren Trägergesellschaften ernsthaft erwogen werden.

Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Christina Feldmeier-Budelmann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht

Rechtsanwälte Wigge
Großer Burstah 42
20 457 Hamburg
Telefon: (040) 3398 705-90
Telefax: (040) 3398 705-99
E-Mail: hamburg@ra-wigge.de
www.ra-wigge.de


#
#

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
25. Oktober 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany