Phlebologie 2022; 51(05): 256-258
DOI: 10.1055/a-1905-0524
Fortbildung in Bildern

Pudendale Varikosis – ein Überblick

Pudendal Varicosities – an Overview

Authors

  • Andreas H. Dietrich

    1   Praxis für Haut- und Venenerkrankungen, Hautarzt Oberland, Gmund am Tegernsee, Deutschland
  • Jasmin Schießl

    1   Praxis für Haut- und Venenerkrankungen, Hautarzt Oberland, Gmund am Tegernsee, Deutschland
 

Zusammenfassung

Die pudendale Varikosis ist eine medial der Adduktorenkanäle gelegene Varikosis. Häufig ist ein Auftreten in der Schwangerschaft mit überwiegend spontaner Regression postpartal. Meist besteht ein asymptomatischer Verlauf, in wenigen Fällen können aber auch Druckgefühl, Juckreiz, Schmerzen und Dyspareunie auftreten. Bei pudendaler Varikosis außerhalb der Schwangerschaft sollte ein pelvines Stauungssyndrom ausgeschlossen werden. Typisch sind Menstruationszyklus-abhängige Unterleibs- und Beinschmerzen. Zur Diagnostik der Refluxquelle eignet sich eine MR-Angiografie. Die Therapie erfolgt in der Regel ambulant und minimalinvasiv. Die isolierte pudendale Varikosis (keine Schwangerschaft, Ausschluss pelvines Stauungssyndrom erfolgt) kann mittels Sklerotherapie (Goldstandard) durch eine sequenzielle Therapie schonend und nebenwirkungsarm therapiert werden.


Abstract

Pudendal varicosis is a varicosis located medial to the adductor channels. Frequent occurrence is during pregnancy with predominantly spontaneous regression postpartum. There is usually an asymptomatic course, but in fewer cases there may be a sensation of pressure, itching, pain, and dyspareunia. In cases of pudendal varicosis outside pregnancy, pelvic congestion syndrome should be excluded. Typically, there is menstrual cycle – dependent abdominal and leg pain. MR angiography is suitable for diagnosing the source of reflux. Therapy is usually outpatient and minimally invasive: Isolated pudendal varicosis (no pregnancy, pelvic congestion syndrome excluded) can be treated by sclerotherapy (gold standard) using gentle sequential therapy with minimal side effects.


Die pudendale Varikosis ist eine medial der Adduktorenkanäle gelegene Varikosis. Sie drainiert meist nicht in das System der Vena femoralis, sondern hauptsächlich in das System der Vena iliaca interna. Der Begriff „pudendale Varikosis“, umgangssprachlich auch als „genitale Krampfadern“ bezeichnet, wird häufig als Überbegriff gebraucht. Je nach Ausdehnung kann eine Unterteilung in Vulvavarikosis, genitale Varikosis und perineale Varikosis erfolgen [1].

Die pudendale Varikosis tritt häufig in der Schwangerschaft auf (Prävalenz ca. 10%) [2]. Ein Auftreten im Rahmen eines pelvinen Stauungssyndroms kommt ebenfalls vor. Außerdem ist ein isoliertes Auftreten möglich. Bis zu 20% der Oberschenkelvarizen zeigen einen Nicht-Saphena-Reflux, der mit pelvinem Reflux kombiniert sein kann [3].

Anatomisch bestehen Verbindungen über die Vena pudenda externa und Vulvavarizen zur Vena iliaca interna sowie über uterovaginale Venen zur Vena ovarica und Vena cava inferior. Bei perinealer Varikosis bestehen Verbindungen über den Plexus venosus rectalis in die Vena portae, Vena iliaca interna und Vena pudenda interna ([Abb. 1]) [4] [5].

Zoom
Abb. 1 Venöse Drainage der Organe des weiblichen Beckens. Ansicht von links. Dargestellt ist die rechte Vena iliaca interna. Der Abfluss erfolgt im Allgemeinen über 4 Plexus. Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere Organe. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 5. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018.

Inspektorisch lässt sich die pudendale Varikosis am ehesten im Stehen mit guter seitlicher Belichtung oder in Seitenlage (perineale Varikosis) diagnostizieren. Bei der isolierten Vulvavarikosis muss gegebenenfalls gezielt nachgefragt werden.

Bei pudendaler Varikosis, die außerhalb der Schwangerschaft auftritt und mit Beschwerden einhergeht, sollte an ein pelvines Stauungssyndrom (Synonyme: Beckenvenensyndrom, „Pelvic Congestion Syndrome“) gedacht werden. Betroffen sind meist junge schlanke multipare Frauen. Bei Patientinnen mit chronischen therapieresistenten Unterleibsschmerzen findet sich in 11% ein pelvines Stauungssyndrom als Ursache [6].

Als Ursache wird die anatomische Besonderheit der Mündung der Vena ovarica sinistra vermutet. Diese mündet im Gegensatz zur Vena ovarica dextra nicht direkt in die Vena cava inferior, sondern nimmt einen Umweg über die Vena renalis sinistra, in die sie meist rechtwinklig einmündet. Durch diesen Umweg entsteht beim Stehen ein höherer Säulendruck, der eine Erweiterung der Venen begünstigt. Der entstehende Reflux in den Venenplexus der Geschlechtsorgane kann die entsprechenden Symptome auslösen. Als weitere Ursache wird die verstärkte Östrogenwirkung während der Menstruation und Schwangerschaft vermutet. Symptome der pudendalen Varikosis sind chronische Schmerzen im Unterbauch und im unteren Rückenbereich. Diese können dumpf, stechend oder pochend sein. Typischerweise werden die Symptome beim Stehen, beim Geschlechtsverkehr oder bei der Menstruation verstärkt.

Die pudendale Varikosis während der Schwangerschaft ist häufig asymptomatisch und deshalb wahrscheinlich unterdiagnostiziert. Gelegentlich können jedoch Druckgefühl im Unterbauch, Juckreiz, Schmerzen beim Gehen oder Sitzen und Dyspareunie auftreten. Das Auftreten von Thrombophlebitis oder spontanen Blutungen ist selten [7].

In der Diagnostik kommen die farbkodierte Duplexsonografie, die MR-Angiografie oder die Phlebografie zur Anwendung.

Mittels MR-Angiografie lassen sich asymptomatische Insuffizienzen bei 63% der uni- oder multiparen Frauen sowie bei 10% der nulliparen Frauen nachweisen [8]. Außerdem kann ein erhöhter 17-beta-Östradiol-Quotient aus Oberschenkel- und Kubitalvenenblut Hinweise auf ein pelvines Stauungssyndrom geben [9].

Die farbkodierte Duplexsonografie hilft dabei, Umgehungskreisläufe zu diagnostizieren. Hierzu zählt der sogenannte „Spontan-Palma“, welcher bei okkludierten Beckenvenen als suprapubische variköse Kollaterale das Abflussgebiet des einen mit dem des anderen Beines verbindet. Funktionell relevante Umgehungskreisläufe dürfen keinesfalls unbeabsichtigt ausgeschaltet werden.

Auch vermeintliche Crossenrezidive nach Cross- und Saphenektomie können durch pudendale Varikosis verursacht sein. Hier sollte prä- oder intraoperativ die pudendale Varikosis behandelt beziehungsweise mitbehandelt werden, um „Pseudo-Crossenrezidive“ zu vermeiden.

Die Indikation zur Therapie der pudendalen Varikosis besteht bei lokalen Beschwerden, Komplikationen und sekundärer Stammveneninsuffizienz der Saphenavenen. Ästhetische Gründe können ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

Die Therapie des pelvinen Stauungssyndroms erfolgt in den meisten Fällen ambulant und minimalinvasiv (mittels Kathetertechnik). Zur Anwendung kommen zum Beispiel die videoassistierte endoskopische Ligatur, Coiling, Clipping oder Sklerosierung.

Als Therapie der Wahl der Pudendavarikosis gilt die Sklerotherapie. Hierbei sind viele Varianten beschrieben. Die Punktion kann im Stehen oder im Liegen erfolgen, wobei die Injektion dann meist in horizontaler Beinposition erfolgt. Als Sklerosierungsmittel wird in der Regel Aethoxysklerol eingesetzt, entweder flüssig oder als Schaum (nach Tessari) 0,5–1%ig. Eine postinterventionelle Kompression kann erwogen werden. Eine sequenzielle Therapie mit Verteilung der Sklerotherapie auf mehrere Sitzungen kann sinnvoll sein. Das dient der Reduktion von Schmerzen durch Verödungsreaktionen und damit der Vermeidung von Einschränkungen im Alltag.

Eine alternative Therapie wäre auch die ambulante Phlebektomie der pudendalen Varizen, wenn diese auf den Leistenbereich und proximalen Oberschenkel begrenzt sind. Der Eingriff wird ambulant in Lokalanästhesie durch minimale Hautschnitte mit Phlebektomiehaken durchgeführt. Es kommt nur zu geringer Narbenbildung, und die Komplikationsrate ist bei erfahrenen Operateuren sehr niedrig [10].

Fall aus der Praxis

Eine 32-jährige Multipara (2 Schwangerschaften) stellt sich mit Schweregefühl und Schwellneigung im rechten Bein vor. Es besteht Dyspareunie. Zyklusabhängige Unterleibsschmerzen werden verneint. In der duplexsonografischen Diagnostik kann eine pudendale Varikosis mit sekundärer Stammveneninsuffizienz der Vena saphena parva über die Vena femoropoplitea diagnostiziert werden ([Abb. 2] und [Abb. 3]). Als Therapie erfolgt die endovenöse Thermoablation (Radiofrequenzablation mittels Venclose) der Vena saphena parva und Vena femoropoplitea ([Abb. 4]). Über den Katheter erfolgt zusätzlich eine Sklerotherapie der pudendalen Varikosis mit 3ml Aethoxysklerol (1%) -Schaum. Im Abstand von 4 Wochen erfolgen 2 weitere Sitzungen Sklerotherapie (sequenzielle Therapie). Sechs Monate nach Abschluss der Behandlung zeigt sich keine therapiebedürftige Varikosis mehr. Die Patientin war nach Abschluss der Behandlung wieder komplett beschwerdefrei.

Zoom
Abb. 2 Duplexsonografie der Vena saphena parva rechts mit langem Reflux nach Wadendekompression.
Zoom
Abb. 3 Duplexsonografie der Vena saphena parva rechts mit erweitertem Durchmesser auf Wadenmitte (6,2mm).
Zoom
Abb. 4 Endovenöse Thermoablation der Vena saphena parva rechts – intraoperatives Setting.


Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Andreas H. Dietrich
Hautarzt Oberland, Praxis für Haut- und Venenerkrankungen
Tegernseer Str. 3
83703 Gmund am Tegernsee
Deutschland   

Publication History

Article published online:
10 August 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom
Abb. 1 Venöse Drainage der Organe des weiblichen Beckens. Ansicht von links. Dargestellt ist die rechte Vena iliaca interna. Der Abfluss erfolgt im Allgemeinen über 4 Plexus. Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere Organe. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 5. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018.
Zoom
Abb. 2 Duplexsonografie der Vena saphena parva rechts mit langem Reflux nach Wadendekompression.
Zoom
Abb. 3 Duplexsonografie der Vena saphena parva rechts mit erweitertem Durchmesser auf Wadenmitte (6,2mm).
Zoom
Abb. 4 Endovenöse Thermoablation der Vena saphena parva rechts – intraoperatives Setting.