Passalent L.
et al.
Bridging the Gap Between Symptom Onset and Diagnosis in Axial
Spondyloarthritis.
Arthritis Care Res (Hoboken) 2022;
74: 997-1005
DOI:
10.1002/acr.24751
Das in der Provinz Ontario etablierte und von der Regierung unterstützte
ISAEC (Interprofessional Spine Assessment and Education Clinics)-Programm
läuft folgendermaßen ab, erläutern die Forschenden:
Patientinnen und Patienten im Alter über 18 Jahre mit chronischen unteren
Rückenschmerzen werden von ihren primärärztlichen
Versorgerinnen und Versorgern überwiesen. Im Rahmen des Screeningprogramms
überprüfen dann Physiotherapeutinnen und -therapeuten bzw.
Chiropraktikerinnen und -praktiker anhand der ASAS (Assessment of Spondylarthritis
International Society)-Klassifikationskriterien das Risiko für
inflammatorisch bedingte Rückenschmerzen. Personen mit länger als 3
Monate andauernden Beschwerden und einem Symptombeginn im Alter unter 50 Jahren
werden im Anschluss an speziell rheumatologisch ausgebildete Physiotherapeutinnen
bzw. -therapeuten überwiesen, welche eine standardisierte Untersuchung
inklusive Anamnese, körperliche Beurteilung, Röntgen- und
Labordiagnostik vornehmen und bei Entzündungszeichen das Risiko für
eine axiale Spondyloarthritis beurteilen. Zusätzlich objektivieren auf dem
Gebiet der axialen Spondyloarthritis erfahrene Rheumatologinnen bzw. Rheumatologen
– unabhängig von den nichtärztlichen Untersuchenden aber in
Kenntnis der Untersuchungsbefunde – das Erkrankungsrisiko der Betroffenen.
Nun prüften die Forschenden, wie viele Werktage zwischen der
hausärztlichen Überweisung und dem ersten bzw. zweiten Screening in
der Regel vergehen, wie gut sich die Einschätzung der rheumatologisch
ausgebildeten Physiotherapeutinnen bzw. -therapeuten mit der der ärztlichen
Untersuchenden deckt und wie viel Zeit zwischen dem Symptombeginn und der
rheumatologischen Diagnose verstreicht.
Ergebnisse
Das Studienkollektiv bildeten 405 Personen mit unteren Rückenschmerzen
(55% Frauen, Durchschnittsalter 37 Jahre), die über einen Zeitraum
von 3 Jahren den gesamten Screeningprozess absolviert hatten. Die Beschwerden
dauerten im Median 5 Jahre und 14,1% der Betroffenen waren HLA-B27 positiv.
Zwischen der hausärztlichen Überweisung und dem ersten Screening
vergingen im Median 14 und zwischen dem ersten und zweiten Screening 15 Werktage.
Die Übereinstimmung der rheumatologisch ausgebildeten Physiotherapeutinnen
bzw. -therapeuten und der ärztlichen Untersuchenden im Hinblick auf die
Einschätzung des Risikos für eine axiale Spondyloarthritis betrug
insgesamt 82,7%. Die beste Kombination bezüglich
Sensitivität (68%), Spezifität (90%), positiven
(80%) und negativen Vorhersagewert (84%) erzielte das zweite
Screening. Insgesamt 63 Personen (15,6%) erhielten abschließend die
rheumatologische Diagnose „axiale Spondyloarthritis“. Die mediane
Symptomdauer betrug bei der nicht-radiologischen axialen Spondyloarthritis 2 Jahre,
bei der ankylosierenden Spondylitis 7 Jahre und bei mechanisch bedingten
Rückenschmerzen 5 Jahre.
Das beschriebene interprofessionelle Screeningprogramm beschleunigt die
Diagnostik bei Personen mit persistierenden unteren Rückenschmerzen,
meinen die Autorinnen und Autoren. Möglicherweise könne diese
Strategie sogar einen Paradigmenwechsel bei der axialen Spondyloarthritis im
Sinne einer Frühdiagnose einleiten. Auch bei anderen Formen
inflammatorischer Arthritiden halten sie entsprechende Initiativen für
erfolgversprechend.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell