Aktuelle Urol 2022; 53(05): 386-388
DOI: 10.1055/a-1846-8876
Referiert und kommentiert

Kommentar zu Mutterschutz, Elternzeit und Arbeitsschutzmaßnahmen in der Urologie

Contributor(s):
Marie-Claire Rassweiler-Seyfried
1   Klinik für Urologie und Urochirurgie, Universitätsklinikum Mannheim GmbH, Mannheim, Deutschland
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Das Thema Operieren in der Schwangerschaft, kurz auch OPidS genannt, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Es gibt in Deutschland hierzu eine dezidierte Webseite (https://www.OPidS.de) mit vielen Informationen für ärztliche Kolleginnen, die weiterhin in der Schwangerschaft operativ tätig sein wollen. Europaweit gibt es diesbezüglich noch viele Unterschiede, sowohl was die Zeit, Bezahlung und Arbeit in der Schwangerschaft und Mutterschutz angehen. Erschreckend erscheint, dass europaweit nur Polen und Deutschland detaillierte Kriterien für den Strahlenschutz im Operationssaal vorgeben, und nur Deutschland dies in im Strahlenschutzgesetz (StrlSchG §78) verankert hat. Hier darf die Röntgenstrahlenexposition des ungeborenen Kindes nicht 1mSv bis zum Ende der Schwangerschaft überschreiten. Die Messungen erfolgen durch ein Zweitdosimeter in Gebärmutterhöhe. Die Strahlenexposition der werdenden Mutter ist arbeitswöchentlich zu ermitteln und ihr mitzuteilen. Wichtig ist, dass bei Bekanntgabe der Schwangerschaft zumindest in Deutschland eine individuelle Gefährdungsbeurteilung, auch für den Operationssaal, mit konkreten Schutzmaßnahmen durchgeführt wird. Schwangeren Ärztinnen sollte heute eine Alternative zum oftmals zu voreilig ausgesprochenen Beschäftigungsverbot bei Interventionen geboten werden [1]. Die 3 wichtigsten Punkte bei der Gefährdungsbeurteilung umfassen das Anästhesieverfahren ohne Narkosegase, Infektionen bei Stichverletzungen und Vermeidung bzw. Reduktion von Röntgenstrahlen.

Aber nicht nur die Möglichkeit, weiterhin operativ in der Schwangerschaft tätig zu sein, ist europaweit unterschiedlich, sondern auch der Zeitraum des Mutterschutzes. Diese Zeit variierte in der Studie von 8–26 Wochen für den Mutterschutz, wobei meist eine weitere Freistellung möglich ist. Das Gehalt variiert hier dementsprechend auch von keiner Bezahlung (Griechenland) bis zu 32 Wochen 60% des Gehaltes (Polen).

Obwohl durch Studien bekannt ist, dass Nachtarbeit und Arbeitswochenstunden >32 h mit einer erhöhter Frühgeburtlichkeit und geringem Geburtsgewicht einhergeht, gibt es nur in 5/12 untersuchten europäischen Ländern Regularien bez. (Nacht-)Dienste in der Schwangerschaft.

Obwohl die Voraussetzungen hinsichtlich Arbeitszeit und Tätigkeit im operativen Bereich geschaffen wurden und auch die Bezahlung im internationalen Vergleich adäquat erscheint, ist die schwangere Kollegin im OP noch immer eine Seltenheit.

Schlussendlich ist es wichtig, schwangere Kolleginnen zu motivieren und zu unterstützen, wenn sie während der Schwangerschaft operativ tätig sein wollen. Hierzu gehört v.a. die Endourologie, auch mit Röntgendurchleuchtung, wenn dies von der Schwangeren ebenfalls gewünscht ist. Leider scheitern Vorhaben oft an der Unwissenheit und Angst vor Haftung des Arbeitgebers und der unterschiedlichen Landesvorgaben trotz der Novellierung des Mutterschutzgesetzes. So operieren Schwangere im Norden Deutschlands wesentlich häufiger in der Schwangerschaft als im Süden. Ziel ist es natürlich nicht nur in Deutschland, aber auch europaweit einheitliche Richtlinien bzw. Empfehlungen für Schwangere zu generieren. Diese sollen sowohl den Schwangeren ermöglichen, operativ tätig zu bleiben, als auch dem Arbeitgeber klare Definitionen an die Hand geben, um eine gesetzliche Haftbarkeit unter Einhaltung der vorgegeben Schutzmaßnahmen nach Gefährdungsbeurteilung auszuschließen. Immerhin wollen bis zu 75% der Urologinnen in Deutschland auch in der Schwangerschaft operativ tätig bleiben [2]. Das Wohle des Schwangeren und des ungeborenen Kindes natürlich immer vorausgesetzt.



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Article published online:
02 September 2022

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