NOTARZT 2022; 38(03): 128-129
DOI: 10.1055/a-1824-8739
Aktuelles

Nachruf auf Dr. Siegfried Steiger

Die DRF Luftrettung trauert um ihren Gründungsvater und langjährigen Präsidenten, Dr. h.c. Siegfried Steiger.
Jörg Braun
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Abb. 1 Dr. h. c. Siegfried Steige

Dr. h. c. Siegfried Steiger wurde am 15. Dezember 1929 in Bad Brambach in Sachsen geboren. Nach der Flucht aus der ehemaligen DDR im Jahr 1952 kam Siegfried Steiger nach Winnenden und baute dort ein renommiertes Architekturbüro auf. Aus der Ehe mit seiner 1953 ebenfalls geflüchteten Ehefrau Ute entsprangen drei Kinder. Am 3. Mai 1969 verstarb ihr 8-jähriger Sohn Björn nach einem Verkehrsunfall. Eine für uns heute selbstverständliche Rettungskette gab es damals nicht, so traf der Krankenwagen erst 1 Stunde nach dem Unfallereignis ein, es erfolgte keine suffiziente Notfallbehandlung am Einsatzort, Björn verstarb im hämorrhagischen Schock. Nur wenige Wochen später gründete das Ehepaar Steiger die Björn Steiger Stiftung mit dem Ziel, die Notfallrettung in Deutschland zu verbessern. Steiger identifizierte systematisch eine Vielzahl von Schwachstellen, wie fehlende staatliche Zuständigkeit, fehlende Organisationsstrukturen und fehlende Finanzierung, machte diese öffentlich, initiierte Lösungsvorschläge und setzte viele davon mit seiner Stiftung auch noch selbst um. Der Architekt baute nicht nur Häuser, er wirkte mit der ihm eigenen Akribie und Hartnäckigkeit am Aufbau von Strukturen im Deutschen Rettungswesen maßgeblich mit. Beispielhaft seien die Initiierung der bundesweiten Notrufnummern 110/112, der Aufbau und der Betrieb von Notrufsäulen, die Entwicklung von Leitstellenstrukturen, BOS-Sprechfunkstandard sowie Handyortung durch Leitstellen genannt. Mit Fug und Recht wird Siegfried Steiger daher auch als einer der Architekten des deutschen Rettungswesens bezeichnet.

Siegfried Steiger war bodenständig und gleichzeitig Visionär und sein Name wird untrennbar auch mit der Geschichte der Luftrettung in Deutschland und Europa verbunden bleiben. Schon früh erkannte Siegfried Steiger das Potenzial des Einsatzes von Hubschraubern in der Notfallrettung und folgte damit der Vision des in die USA emigrierten ukrainischen Luftfahrtingenieurs Igor Sikorsky, der bereits in den 1950er-Jahren konstatierte: „If a Man is in Need of Rescue, an Airplane can come in and throw Flowers on him, and that’s just about all. But a direct Lift Aircraft could come in and save his Life.“ Während andere die Etablierung von Luftrettung noch für Spinnerei hielten, gründete das Ehepaar Steiger am 6. September 1972 die Deutsche Rettungsflugwacht e. V., die heutige DRF Luftrettung, als erste zivile Luftrettungsorganisation in Deutschland. Doch bereits vor dieser Gründung zeigte Siegfried Steiger einen außergewöhnlichen Einsatz für die Idee der Luftrettung: Als am 17.08.1971 der „Christoph 1“ in München abstürzte, wurde nach kurzfristigem Ersatz durch Bundeswehr und Bundesgrenzschutz am 27.12.1971 eine BO105 in Dienst gestellt, die eigentlich für den Standort Frankfurt vorgesehen war. Damit in Frankfurt am 15.08.1972 ebenfalls eine BO105 als „Christoph 2“ in Dienst gestellt werden konnte, verpfändete Siegfried Steiger kurzerhand sein Wohnhaus als Sicherheit und Christoph 2 begann seine Tätigkeit in Trägerschaft der Björn Steiger Stiftung, mitfinanziert durch den Bund und das Land Hessen. Am 19.03.1973 hob dann der erste Rettungshubschrauber der Deutschen Rettungsflugwacht, der heutige Christoph 41, zu seinem ersten Einsatz im Raum Stuttgart ab.

Beinahe 30 Jahre wurde die Deutsche Rettungsflugwacht nicht nur von Siegfried Steiger als Präsident geführt, sondern als Initiative der Björn Steiger Stiftung auch finanziell und inhaltlich mitgetragen und entwickelt. Ein besonderes Augenmerk legte Steiger neben der sächlichen Ausstattung auf die Aus- und Fortbildung des medizinischen Personals, dies lag ihm ganz besonders am Herzen. In damaliger Ermangelung rettungsdienstlicher Fortbildungskonzepte und Akademien wurden zahlreiche Standards zur Versorgung von Patienten in der Luftrettung vom damaligen medizinischen Beirat entwickelt, ja sogar eine eigene Schriftenreihe herausgegeben.

Steiger hatte jedoch noch einen weitaus umfassenderen Blick für die Möglichkeiten der Luftrettung: 1988 wurde er zu einem der Gründungsväter der Luxemburg Air Rescue (LAR). Und direkt nach der Wiedervereinigung Deutschlands war es wiederum Siegfried Steiger, der sich für die Weiterentwicklung der Luftrettung in den neuen Bundesländern persönlich einsetzte und dort zahlreiche Luftrettungsstandorte aufbaute. Auch am Aufbau und der Entwicklung der Luftrettung in Ungarn, in Polen und den baltischen Staaten war er mit beteiligt und ließ das in Deutschland gewonnene Know-how dort einfließen.

Das Ehepaar Steiger hat im deutschen wie europäischen Kontext eine herausragende Rolle insbesondere auch in der Entwicklung der Luftrettung eingenommen. Mit Hochachtung nehmen wir Abschied von Siegfried Steiger. Wir werden ihm sowie seiner Ehefrau Ute stets ein ehrendes Andenken bewahren und ihre Visionen einer modernen, leistungsfähigen Notfallmedizin und Luftrettung weiterentwickeln.



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Article published online:
08 June 2022

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