Rofo 2022; 194(05): 457-459
DOI: 10.1055/a-1811-3253
RöFo 100 Jahre Organ der DRG

Weiterbildung, Digitalisierung und Chancengleichheit in der Radiologie – ein Gespräch mit dem DRG-Präsidenten Professor Dr. med. Jörg Barkhausen und Dr. med. Isabel Molwitz, der Vorsitzenden des Forums Junge Radiologie

 

    Während der Corona-Pandemie hat die Digitalisierung in vielen medizinischen Fächern einen starken Aufschwung erfahren, so auch in der Radiologie. Das Forum Junge Radiologie der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) arbeitet gerade an der digitalen Plattform „Raducation“, die der radiologischen Weiterbildung dient. Damit sollen sich Radiolog*innen beispielsweise gezielt und standardisiert auf ihre Facharztprüfung vorbereiten können. Welche Inhalte hat diese Plattform? Welche anderen Weiterbildungsinitiativen innerhalb der DRG gibt es? Wo steht die Radiologie bei der akademischen Lehre und wie ist es derzeit um die Chancengleichheit bestellt? Welche zentralen Ziele verfolgt der DRG-Präsident? Über diese und viele weitere Fragen rund um das spannende Fach sprechen wir in der dritten Folge des Jubiläumspodcasts „100 Jahre RöFo & DRG“ mit Herrn Professor Dr. med. Jörg Barkhausen, dem Präsidenten der Deutschen Röntgengesellschaft, und mit Dr. med. Isabel Molwitz, der Vorsitzenden des Forums Junge Radiologie der DRG. Lesen Sie hier einen Ausschnitt des Gesprächs.


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    Prof. Dr. med. Jörg Barkhausen Quelle: UKSH, Campus Lübeck, Klinik für Radiologie
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    Dr. med. Isabel Molwitz Quelle: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

    Herr Professor Barkhausen, Sie sind bis 2023 Präsident der DRG. Welche zentralen Ziele haben Sie sich in Ihrer Arbeit gesetzt?

    Die Ziele, die wir verfolgen, muss man in allen Bereichen betrachten. Einerseits Krankenversorgung, aber auch Forschung und auch Lehre. Wir sind eine wissenschaftliche Fachgesellschaft und müssen diese 3 Bereiche definitiv abdecken. In der Krankenversorgung ist es mir besonders wichtig, dass wir es schaffen, die aktuellen Leitlinien auch wirklich in der klinischen Patientenversorgung zu implementieren. Hier hat es in den vergangenen Jahren relevante Veränderungen gegeben und wir müssen jetzt als Radiolog*innen dafür sorgen, dass diese Veränderungen auch bei den Patient*innen ankommen. Ein wichtiges Beispiel ist die Diagnostik der koronaren Herzerkrankung. Vor 10 Jahren waren bei dieser Erkrankung die Herzkatheteruntersuchungen das einzige diagnostische Verfahren, das klinisch wirklich relevant war und in den Leitlinien verankert war. Das hat sich komplett geändert und inzwischen sind die radiologischen Verfahren CT und MRT die Methoden der ersten Wahl zumindest in den Leitlinien. In der klinischen Routine ist das aber noch nicht angekommen. Und das ist eine der wichtigsten Aufgaben, die wir in den nächsten Jahren schaffen müssen, die Umsetzung dieser Leitlinien in der Patientenversorgung zu ermöglichen.

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    Wie ist es um die Forschung bestellt?

    In der Forschung gibt es ganz, ganz große Herausforderungen und ein Dokument, das ich außerordentlich schätze, ist das Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, da es wirklich einen Paradigmenwechsel einleitet. Das Gutachten trägt die Überschrift „Digitalisierung für Gesundheit“ und setzt den Akzent, dass wir es schaffen müssen, die vorhandenen Daten auch zur Verbesserung des Gesundheitssystems zu nutzen. In der Radiologie sind wir seit vielen Jahren digitalisiert. Das heißt, wir speichern unsere Bilder und unsere Befunde als digitale Dokumente. Aber wir sind noch lange nicht digital, weil wir es noch nicht geschafft haben, diese Informationen, die vorliegen, auch wirklich digital auszuwerten und zu nutzen.

    Und welche zentralen Ziele verfolgen Sie im Bereich der Lehre?

    Beim Thema Lehre möchte ich kurz anmerken, dass wir außerordentlich von der Corona-Pandemie profitiert haben, weil wir gezwungen worden sind, neue Wege zu gehen. Die Radiologie war darauf relativ gut vorbereitet, da wir schon vorher in der deutschen Röntgengesellschaft eine Lehr- und Lernplattform hatten. Mit einer wirklich großen Kraftanstrengung haben wir es geschafft, innerhalb kürzester Zeit ein digitales Lehrangebot für die Studierenden zu schaffen. Das war ein riesiger Erfolg und es ist ein Projekt, das wir jetzt auch konsequent weiter fortentwickeln wollen. Und ich glaube, wir werden an dieser Stelle nie mehr zurückkehren zu einem reinen präsenzbasierten Lehrangebot, sondern diese digitalen Techniken werden dauerhaft integraler Bestandteil der Lehre bleiben. Und das ist eine tolle Entwicklung, an der wir gerne auch weiterarbeiten wollen.

    Herr Professor Barkhausen, Sie erwähnten, dass beim Thema akademische Lehre gerade in Zeiten der Corona-Pandemie im Bereich der Digitalisierung viel passiert ist. Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Was sind da Projekte, die die DRG in den nächsten Jahren angehen möchte?

    Also wir möchten auf jeden Fall ein Konzept weiterentwickeln, was das Beste aus beiden Welten vereint. Digitale Angebote sind bei den Studierenden sehr, sehr willkommen. Während ich mein Wissen im Studium aus Büchern gewonnen habe, ist das, glaube ich, in der aktuellen Generation an Studierenden nicht mehr der Weg der Wissensvermittlung, sondern da spielen ganz klar digitale Medien die entscheidende Rolle. Und da müssen wir Angebote schaffen. Das funktioniert auch ganz hervorragend auf verschiedenen Ebenen. Trotzdem brauchen wir die Interaktion mit den Studierenden in Seminaren und anderen Präsenzveranstaltungen, wobei ich inzwischen nicht mehr die klassische Vorlesung als das zentrale Element sehe. Dort wird reine Wissensvermittlung betrieben und das kann man inzwischen auch komplett digital abhandeln. Wir brauchen neue Formate, bei denen wir mehr in die Interaktion mit den Studierenden kommen und wo auch der Mehrwert einer Präsenzteilnahme den Studierenden von vornherein sehr, sehr schnell klar wird.

    Bleiben wir beim medizinischen Nachwuchs: Ein wichtiger Baustein innerhalb der DRG, liebe Frau Dr. Molwitz, ist das Forum Junge Radiologie. Wo sehen Sie als Vorsitzende des Forums in erster Linie dessen Stärke?

    Die zentralen Aufgaben und Stärken des Forums sehe ich im Netzwerk. Wir sind seit unserer Gründung im Mai 2018 mittlerweile über 2000 Kolleg*innen im Forum Junge Radiologie.

    Das beinhaltet Kolleg*innen aus allen Standorten der Unikliniken und nicht nur der Unikliniken, sondern auch der Maximalversorger ebenso wie Kolleg*innen von kleineren Krankenhäusern und auch Praxen. Das bedeutet, wir können uns untereinander austauschen. Daraus resultiert dann auch die Meinungsbildung unter den Assistent*innen. Also, das Forum ist auch eine Interessensvertretung der jungen Leute.

    Ein weiterer zentraler Baustein ist das Engagement für die radiologische Weiterbildung.

    So haben wir in der TaskForce Weiterbildung gemeinsam mit Expert*innen aus den Arbeitsgemeinschaften der DRG und den Schwestergesellschaften das Weiterbildungscurriculum Radiologie entwickelt, ein Zusammenschluss von Lernzielen, mit denen wir alle Bereiche der Radiologie abdecken möchten, die relevant für eine hochqualitative Facharztausbildung sind. Das Ziel dieses Curriculums ist es zum einen, die Ausbildungsqualität weiter zu standardisieren und zum anderen die Ausbildung auch zu strukturieren. Denn dies war einer der Hauptwünsche der Assistent*innen in einer Weiterbildungsumfrage, die wir seitens des Forums Junge Radiologie durchgeführt haben. Das Curriculum besteht aus 21 Themenbereichen, jeweils strukturiert nach kognitiven theoretischen und praktischen Lernzielen, und bietet damit die Möglichkeit, sich strukturiert auf die Facharztprüfung vorzubereiten. Sie müssen sich vorstellen, bisher war es so, dass jeder Kollege und jede Kollegin sich vor der Prüfung darüber Gedanken gemacht hat „Was muss ich lernen?“, sich Prüfungsprotokolle angesehen hat und sich dann einen eigenen Lernplan erstellt hat, sodass jeder und jede erneut diesen Aufwand für die Prüfungsvorbereitung hatte. Mit dem Curriculum bietet sich jetzt für alle ein einheitlicher Überblick über für die Facharztprüfung relevante Inhalte.

    Und dabei soll es nicht bleiben. Das Curriculum ist für uns letztlich die Grundlage unseres größeren Projektes, nämlich der Entwicklung der digitalen Lehrplattform „Raducation“, die der radiologischen Weiterbildung dient. In diesem Projekt, an dem wir aktuell in der TaskForce Weiterbildung arbeiten, möchten wir für alle Lernziele des Curriculums passende digitale Lehrinhalte zur Verfügung stellen. Denn wir sind eine Generation, in der die meisten von uns bereits mit einem Online-Lehrprogramm, einer App, für die Staatsexamina gelernt haben.

    In der sich nun in Programmierung befindlichen digitalen Lehrplattform hinterlegen wir für alle Lernziele bereits bestehende digitale radiologische Lehrinhalte verschiedenen Schwierigkeitniveaus, also „Fit für den Dienst“ für die Kollegen*innen, die erstmal nur ihren ersten Nachtdienst überstehen möchten, und „Fit für den Facharzt“ für die Kollegen*innen, die für die Facharztprüfung lernen möchten. Es wird auch Möglichkeiten geben sich zu markieren, welche Lernziele man bereits gelernt hat und was man noch lernen möchte. Damit möchten wir die Prüfungsvorbereitung erleichtern, die Weiterbildung digitalisieren und so auch die Vorreiterrolle der Radiologie in Hinsicht auf digitale Lehre weiter ausbauen.

    Werfen wir nochmal einen Blick auf das Thema Weiterbildung von Radiolog*innen im Beruf. Lieber Herr Professor Barkhausen, welche Rolle spielt dabei die DRG-eigene Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Radiologie?

    Die Akademie ist ein wesentlicher Baustein auch in dem Konzept, das Frau Molwitz gerade vorgestellt hat, weil wir auch dort Inhalte generieren, die weiterbildungsrelevant sind und das Konzept der digitalen Weiterbildungsplattform „Raducation“ mit Leben füllen. Darüber hinaus ist die Akademie sicherlich ein tolles Beispiel, wie sich Online-Weiterbildung entwickeln kann. Wir haben angefangen mit kleinen Gruppen. Inzwischen sind diese Seminare, die regelmäßig angeboten werden, extrem gut besucht und viele Kolleg*innen sind regelmäßige Abonnenten, weil sie wissen, dass ihnen in der Akademie qualitativ extrem hochwertige Informationen in sehr komprimierter Weise angeboten werden.

    Man kann sich einfach drauf verlassen, wenn man am Dienstagabend die Akademie online einschaltet, dass man erstklassige Inhalte präsentiert bekommt – in einer Form, die ansprechend ist und auch absolut praxisrelevant. Also ein perfektes Format, das sowohl für die Weiterbildung als auch für die Fortbildung der Kolleg*innen in der klinischen Patientenversorgung genutzt werden kann.

    Erfahren Sie mehr im dritten Teil des Jubiläumspodcasts „100 Jahre RöFo & DRG – Der Jubiläumspodcast “. Diesen finden Sie auf
    www.thieme.de/roefo-podcast .
    Oder scannen Sie einfach den QR-Code ein.

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    Das Gespräch führte Friederike Gehlenborg, Thieme Communications.


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    Publication History

    Article published online:
    04 May 2022

    © 2022. Thieme. All rights reserved.

    Georg Thieme Verlag KG
    Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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    Prof. Dr. med. Jörg Barkhausen Quelle: UKSH, Campus Lübeck, Klinik für Radiologie
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    Dr. med. Isabel Molwitz Quelle: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
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