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DOI: 10.1055/a-1808-2722
Hormonelle Kontrazeption und Thrombose
Hormonal Contraception and Venous ThromboembolismZusammenfassung
Hormonelle Kontrazeption und Thromboembolie-Risiko Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva (KK) erhöhen das VTE-Risiko signifikant. Gestagen-Monopräparate sind mit Ausnahme der 3-Monatsspritze nicht mit einem erhöhten VTE-Risiko assoziiert und können bei Frauen mit vorausgegangener VTE oder thrombophilen Risikofaktoren mit Wunsch nach hormoneller Verhütung angewandt werden.
Individuelle Risikofaktoren und hormonelle Kontrazeption Vor der Verschreibung einer hormonellen Kontrazeption soll eine sorgfältige Erhebung des VTE-Risikos erfolgen. Eine entsprechende Checkliste findet sich auf der Internetseite des BfArM. Eine routinemäßige Testung auf hereditäre Thrombophilie wird nicht empfohlen.
Kontrazeption unter Antikoagulation Orale Antikoagulanzien sind plazentagängig und prinzipiell embryotoxisch und erfordern somit die Anwendung einer sicheren Empfängnisverhütung. Eine häufige Nebenwirkung unter oraler Antikoagulanzientherapie ist das Auftreten einer Hypermenorrhö. Die hormonelle Kontrazeption kann bei bestehender Antikoagulation auch mit einem Kombinationspräparat fortgeführt werden, sofern spätestens 6 Wochen vor Beendigung der Antikoagulation die Umstellung auf eine östrogenfreie Form der Kontrazeption erfolgt.
Hormonassoziierte VTE und Rezidivrisiko VTE, die bei Frauen unter Verwendung von hormonellen Kontrazeptiva aufgetreten sind, gelten als provozierte Ereignisse. Das Rezidivrisiko einer hormonassoziierten VTE ist nach Absetzen der Antikoagulation und Umstellung auf eine östrogenfreie Form der Kontrazeption gering, sodass eine Antikoagulationsdauer von 3–6 Monaten in der Regel ausreichend ist. Nach hormonassoziierter VTE wird während einer künftigen Schwangerschaft und im Wochenbett eine medikamentöse VTE-Prophylaxe empfohlen.
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Abstract
The use of combined hormonal contraceptives (CHC) is a well-established risk factor for venous thromboembolism (VTE). The VTE risk depends on the specific combination of oestrogen and gestagen components. Progestin-only contraceptives with the exception of depot medroxyprogesterone acetate are not associated with a significant VTE risk and can therefore be offered to women with known thrombophilia or a prior VTE. The recent German S3 guideline “Contraception” advises to carefully assess individual VTE risk factors before prescribing CHC. According to recent data there is no evidence suggesting that VTE risk is increased during oral anticoagulation. To reduce the risk of vaginal bleeding complication and the risk of unplanned pregnancy, the use of CHC can be continued under anticoagulation treatment provided that the patient is switched to an oestrogen-free contraception no later than six weeks before the end of anticoagulation. The risk of recurrence is low in women with hormone-associated VTE. Anticoagulation is therefore in general discontinued after 3–6 months. Thromboprophylaxis with low molecular heparin is recommended for women with prior hormone-associated VTE during pregnancy and the postpartum period.
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Abkürzungen
Stand der Dinge
Venöse Thromboembolien (VTE) stellen nach Myokardinfarkt und Schlaganfall die dritthäufigste kardiovaskuläre Erkrankung in Mitteleuropa dar. Während des reproduktionsfähigen Alters erleiden vor allem junge Frauen bis zu einem Alter von 35 Jahren häufiger VTE-Ereignisse als gleichaltrige Männer. Dies beruht im Wesentlichen auf frauenspezifischen Risikofaktoren wie die Verwendung von hormonellen Kontrazeptiva und Schwangerschaften. Etwa 20 Mio. Frauen befinden sich im reproduktiven Alter. Ein Drittel von ihnen verwendet kombinierte hormonelle Kontrazeptiva (KK), die überwiegend aus Ethinylestradiol (EE) und einem synthetischen Gestagen bestehen. Bei den KK wird das Risiko einer VTE durch den verwendeten Gestagenanteil beeinflusst. KK mit niedrigerer Östrogendosis und Levonorgestrel als Gestagen haben das geringste VTE-Risiko. In 2 Rote-Hand-Briefen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aus den Jahren 2014 und 2018 wurde auf das erhöhte VTE-Risiko von KK aufmerksam gemacht. Erst kürzlich wurde die AWMF-S3-Leitlinie zur hormonellen Empfängnisverhütung aktualisiert.
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Hormonelle Kontrazeption und Thromboembolie-Risiko
Die Geschichte der hormonellen Kontrazeption begann 1951, als dem Chemiker Carl Djerassi die synthetische Herstellung des Progesteron-ähnlichen Wirkstoffs Norethisteron gelang. Im Jahr 1960 erfolgte die Markteinführung des ersten Kombinationskontrazeptivums in den USA. Heutzutage machen KK den größten Anteil der angewandten Methoden der Schwangerschaftsverhütung aus. In Deutschland verwenden ca. 6,8 Mio. Frauen KK, von denen 1,8 Mio. jünger als 20 Jahre sind [1]. Die Zusammensetzung der KK hat sich in den letzten 60 Jahren gewandelt. Moderne KK enthalten eine Kombination aus Östrogen (meist EE in einer Dosierung von 20–35 µg) und einem synthetisch hergestellten Gestagen. Die Höhe der Östrogendosis sowie die Art des Gestagens in den Kombinationspräparaten bestimmen das Risiko für thromboembolische Komplikationen. Unter den KK haben Präparate, die eine niedrige Östrogendosis sowie Levonorgestrel als Gestagen enthalten, das geringste VTE-Risiko. Bei den Pillenpräparaten der neueren Generation (sog. 3./4.-Generationspräparate) werden andere Gestagenkomponenten wie Desogestrel, Gestoden, Drospirenon und Dienogest verwendet, wodurch das VTE-Risiko zum Teil signifikant höher ist [2] ([Tab. 1]). Ein erhöhtes VTE-Risiko ist nicht nur für die oral applizierbaren KK, sondern auch für die transdermal und transvaginal eingesetzten Kombinationspräparate beschrieben.
Gestagenkomponente innerhalb des KK |
jährliches VTE-Risiko |
Vergleichskollektiv (keine hormonelle Kontrazeption) |
2 pro 10 000 Frauen |
KK mit Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat |
5–7 pro 10 000 Frauen |
KK mit Etonogestrel oder Norelgestromin |
6–12 pro 10 000 Frauen |
KK mit Dienogest |
8–11 pro 10 000 Frauen |
KK mit Drospirenon, Gestoden oder Desogestrel |
9–12 pro 10 000 Frauen |
KK mit Chlormadinon oder Nomegestrol |
noch nicht bekannt |
KK beeinflussen das Hämostase-System und verschieben das Gleichgewicht zwischen prokoagulatorischen und antikoagulatorischen Gerinnungsfaktoren in Richtung einer erhöhten Koagulabilität. Neueren Daten zufolge weisen Frauen, die KK einnehmen, im Vergleich zu Frauen, die rein Gestagen-haltige Präparate verwenden, deutlich höhere Spiegel des Geschlechtshormon-bindenden Globulin (SHBG) auf. Erhöhte Spiegel von SHBG resultieren in einer Resistenz gegen aktiviertes Protein C (sog. APC-Resistenz) und beeinflussen die Aktivitäten des Gerinnungsinhibitors Protein S sowie von Prothrombin [4].
Zwei neuere kombinierte Pillenpräparate enthalten statt EE die natürlichen Östrogene Estradiol (E2) oder Estradiolvalerat. E2 führt im Gegensatz zu EE zu einer geringeren Rezirkulation von Östrogen in der Leber und somit zu einer geringeren Gerinnungsaktivierung [5]. Die ersten klinischen Daten zeigen für die Kombination von Estradiolvalerat/Dienogest kein höheres VTE-Risiko im Vergleich zu konventionellen KK mit Levonorgestrel-Komponente [6].
Das Risiko für Thromboembolien ist in den ersten Monaten der Anwendung am höchsten und sinkt im Verlauf des ersten Einnahmejahres ab. Für Frauen, die ein KK anwenden, bleibt selbst bei langjähriger Anwendung ein etwa 3- bis 8-fach erhöhtes VTE-Risiko bestehen im Vergleich zu Frauen, die nicht hormonell verhüten [7].
Nach heutigem Kenntnisstand erhöhen Kontrazeptiva mit alleiniger Gestagenkomponente (d. h. orale Präparate mit Desogestrel oder Levonorgestrel bzw. Levonorgestrel-haltige Intrauterin-Devices) das VTE-Risiko nicht signifikant. Entsprechend der erst kürzlich publizierten S3-Leitlinie zur hormonellen Empfängnisverhütung können rein Gestagen-haltige Kontrazeptiva somit bei Frauen mit erhöhtem VTE-Risiko oder VTE in der Vorgeschichte angewendet werden [8]. Dies gilt jedoch nicht für Depot-Medroxyprogesteronacetat (DMPA; sog. 3-Monatsspritze), für das ein erhöhtes VTE-Risiko beschrieben ist.
KK erhöhen das VTE-Risiko sowohl in oraler und parenteraler Anwendung relevant. Das VTE-Risiko ist hierbei bei den modernen KK der 3. und 4. Generation höher als unter KK, die Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat als Gestagenkomponente enthalten. Gestagen-Monopräparate sind mit Ausnahme der 3-Monatsspritze nicht mit einem erhöhten VTE-Risiko assoziiert und können bei Frauen mit erhöhtem VTE-Risiko angewandt werden.
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Individuelle Risikofaktoren und hormonelle Kontrazeption
Bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren wie höheres Lebensalter, hereditäre Thrombophilie, Adipositas, positive Familienanamnese für VTE, Immobilisierung und Nikotinkonsum wird das VTE-Risiko zusätzlich beeinflusst. Das individuelle VTE-Risiko sollte bei jeder Neuverordnung eines KK durch sorgfältige Anamneseerhebung evaluiert werden. Das BfArM bietet hierfür eine entsprechende Checkliste sowie eine Karte für Anwenderinnen an [9]. Die aktuelle AWMF-Leitlinie „Hormonelle Empfängnisverhütung“ empfiehlt individuelle Risikofaktoren in die Risikobewertung einzubeziehen [8]. Einen Überblick über Risikofaktoren und empfohlene Konsequenzen gibt [Tab. 2].
VTE-Risikofaktor |
Risikoerhöhung |
Empfehlung |
Lebensalter > 35 Jahre |
gering bis mittel |
ausführliche Risikoberatung; prinzipiell alle Formen der Kontrazeption möglich (sofern keine weiteren Risiken) |
BMI > 35 kg/m2 |
gering bis mittel |
ausführliche Risikoberatung; möglichst Verzicht auf KK |
Rauchen |
gering bis mittel |
ausführliche Risikoberatung; möglichst Verzicht auf KK (insbesondere, wenn Alter > 35 und/oder 15 Zigaretten/Tag) |
prolongierte Immobilität, große chirurgische Eingriffe |
mittel bis hoch |
ausführliche Risikoberatung; kein Neubeginn auf KK; konsequente VTE-Prophylaxe bei KK-Anwenderinnen |
positive Eigenanamnese für VTE |
mittel (bei risikoassoziierter VTE); hoch (bei hormonassoziierter oder spontaner VTE) |
Verzicht auf KK; ggf. Einholung hämostaseologischer Expertise; ggf. Thrombophilie-Screening |
positive Familienanamnese für VTE; bei Verwandten ersten Grades mit VTE vor dem 45. Lebensjahr |
mittel (bei risikoassoziierter VTE); hoch (bei hormonassoziierter oder spontaner VTE) |
Verzicht auf KK; ggf. Einholung hämostaseologischer Expertise; ggf. Thrombophilie-Screening |
asymptomatische Thrombophilie bzw. bei erstgradigen Verwandten mit bekannter Thrombophilie |
gering bis hoch (abhängig vom thrombophilen Defekt und von der Manifestation in der Familie) |
kritische Indikationsstellung für Thrombophilie-Screening bei asymptomatischen Patienten; bei Nachweis einer Thrombophilie hämostaseologische Beratung vor Verordnung eines KK |
BMI = Body-Mass-Index; KK = kombiniertes hormonelles Kontrazeptivum.
Mindestens eine hereditäre Thrombophilie lässt sich bei 3–9 % der mitteleuropäischen Bevölkerung nachweisen. Am häufigsten sind die Heterozygotie für eine Faktor-V-Leiden (FVL) -Mutation (ca. 2–7 %) oder Prothrombin-G20 210A-Mutation (ca. 1–2 %) [10]. Trotz der hohen Prävalenz ist das absolute VTE-Risiko bei den Betroffenen niedrig, sofern nicht weitere Risikofaktoren vorliegen. Die Arbeitsgruppe um Hugon-Rodin errechnete für die Anwendung von KK bei Frauen mit einer FVL-Mutation ein bis zu 45-fach erhöhtes VTE-Risiko. Das Risiko erhöhte sich hierbei deutlich bei Einnahme eines KK mit dem Gestagen Drospirenon und war bei den Pillenpräparaten der ersten und zweiten Generation (Norgestimat, Norethisteron, Levonorgestrel) weniger stark erhöht [11].
Vor Verschreibung eines KK soll eine individuelle Erhebung des VTE-Risikos erfolgen. Ein generelles Thrombophilie-Screening vor Erstverordnung eines KK ist nicht sinnvoll. Frauen mit bekannter Thrombophilie und positiver Familienanamnese für VTE sollte möglichst kein KK verordnet werden. Ist die Verordnung eines KK unumgänglich, sollten eine hämostaseologische Abklärung und die Verordnung eines KK mit Levonorgestrel als Gestagenkomponente erwogen werden. Bei schwerer hereditärer Thrombophilie sollte auf KK verzichtet werden.
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Kontrazeption unter Antikoagulation
Bei Auftreten einer VTE unter hormoneller Kontrazeption wird von ärztlicher Seite häufig die Empfehlung ausgesprochen, die hormonelle Kontrazeption aufgrund der VTE-Risikoerhöhung unmittelbar zu beenden. Die Entscheidung beruht vermutlich auf Empfehlungen der WHO und entsprechenden Leitlinien, die mittlerweile als überholt gelten. Zudem wird in den entsprechenden Fachinformationen der KK eine vorausgegangene VTE als Kontraindikation aufgeführt, bei den Gestagen-Monopräparaten besteht hierzu ein Warnhinweis. Dieses Vorgehen ist jedoch unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte problematisch. Das Absetzen einer hormonellen Kontrazeption führt zu einer Abbruchblutung, die unter höher dosierten Antikoagulanzien in der Initialphase (Apixaban, Rivaroxaban) oder einer überlappenden Antikoagulation (niedermolekulares Heparin (NMH) plus Vitamin-K-Antagonist (VKA)) stärker ausfallen kann als in der Phase der Erhaltungstherapie. In einer retrospektiven Studie wurde die Inzidenz für eine schwere Hypermenorrhö bei Frauen unter Antikoagulation mit Rivaroxaban, Apixaban und Warfarin untersucht [12]. Bei 30 % der Frauen trat innerhalb von 6 Monaten nach Beginn der oralen Antikoagulation eine Hypermenorrhö auf, die eine medikamentöse bzw. chirurgische Intervention erforderte. Das Risiko einer Hypermenorrhö war hierbei unter der Einnahme von Rivaroxaban 1,4-fach höher im Vergleich zu Apixaban und Warfarin.
Nach Absetzen der hormonellen Kontrazeption steigt zudem das Risiko für eine ungewollte Schwangerschaft, die wiederum das VTE-Risiko erhöht. Zudem sind sowohl die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) als auch VKA plazentagängig und somit potenziell embryotoxisch. Die AWMF-S3-Leitlinie fordert somit für alle Frauen, die unter einer oralen Antikoagulanzientherapie stehen, eine sichere Empfängnisverhütung [8].
In der Post-hoc-Subgruppenanalyse der EINSTEIN-TVT- und EINSTEIN-PE-Studie wurde das VTE-Rezidivrisiko von Frauen vor dem 60. Lebensjahr mit und ohne Hormontherapie verglichen. Es zeigte sich kein Hinweis für eine erhöhte Rate an VTE-Rezidiven unter fortgeführter Hormontherapie (3,7 % vs. 4,7 %; HR 0,56; 95 %-KI 0,23–1,39) [13]. Nach aktueller Einschätzung wird der prothrombogene Effekt der KK durch eine volltherapeutische Antikoagulation kompensiert, sodass eine fortgeführte Verhütung mit einem KK unter Antikoagulationsschutz als unbedenklich gilt. Zur Minimierung des VTE-Risikos unter Antikoagulation empfiehlt die AWMF-S3-Leitlinie ein Gestagen-Monopräparat oral oder als Intrauterin-Device oder eine Kupferspirale als Mittel der ersten Wahl. Entscheidet sich die Patientin nach entsprechender Aufklärung zusammen mit ihrem Arzt für eine weitere Verhütung mit einem KK, so ist eine Umstellung auf ein Präparat mit Levonorgestrel als Gestagenkomponente zu empfehlen ([Tab. 3]).
Kontrazeption vor dem VTE-Ereignis |
Kontrazeption unter fortgeführter Antikoagulation |
Kontrazeption nach Beendigung der Antikoagulation |
keine |
östrogenfreie Methode (außer: DMPA); KK vermeiden, da nach Beendigung der Antikoagulation nicht fortzuführen |
östrogenfreie Kontrazeption (außer: DMPA) |
kombiniertes hormonelles Kontrazeptivum |
Umstellung auf östrogenfreie Kontrazeption oder KK weiter und Umstellung auf östrogenfreie Methode spätestes 6 Wochen vor Beendigung der Antikoagulation |
östrogenfreie Kontrazeption (außer: DMPA) |
Gestagen-Monotherapie (oral oder als IUD; außer: DMPA) |
Weiterführung |
östrogenfreie Kontrazeption (außer: DMPA) |
Barrieremethoden (z. B. Kondom) |
Umstellung indiziert zur Erhöhung der kontrazeptiven Sicherheit; möglichst östrogenfreie Methode (außer: DMPA) |
östrogenfreie Kontrazeption (außer: DMPA) |
IDU = Intrauterin-Device; DMPA = Depot-Medroxyprogesteronacetet (sog. 3-Monatsspritze).
Das VTE-Rezidivrisiko ist unter Antikoagulation und fortgeführter Hormontherapie nicht erhöht. Tritt unter Einnahme eines KK eine VTE auf, so kann die Einnahme des KK unter Antikoagulanzientherapie beibehalten werden unter der Voraussetzung, dass spätestens 6 Wochen vor Absetzen der Antikoagulation auf eine östrogenfreie Kontrazeption umgestellt wird.
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Hormonassoziierte VTE und Rezidivrisiko
Das VTE-Rezidivrisiko und die davon abgeleitete Dauer der Antikoagulation hängen entscheidend davon ab, ob die VTE im Rahmen einer Risikosituation aufgetreten ist oder unprovozierter Genese war. Entsprechend aktueller Risikobewertung gelten KK als schwache, transiente Risikofaktoren für eine VTE [14]. Grundsätzlich haben Frauen nach einem VTE-Ereignis ein geringeres Rezidivrisiko als gleichaltrige Männer. Das Rezidivrisiko ist dabei nach hormonassoziierter VTE geringer als nach spontaner VTE (HR 0,5; 95 %-KI 0,3–0,8) [15]. In Abwägung von Nutzen und Risiken empfehlen aktuelle Leitlinien, die Antikoagulation nach KK-assoziierter VTE bei fehlenden persistierenden Risikofaktoren nach 3–6 Monaten zu beenden [16] [17]. Wurde eine Empfängnisverhütung mit einem KK fortgeführt, so ist darauf zu achten, diese spätestens 6 Wochen vor Ende der Antikoagulanzientherapie auf eine östrogenfreie Verhütungsmethode umzustellen. Während einer künftigen Schwangerschaft sowie im Wochenbett liegt das absolute VTE-Rezidivrisiko nach einer vorausgegangenen VTE mit hormonellem Risikofaktor bei ca. 4 %. Das aktuelle Positionspapier der Arbeitsgruppe Women´s Health der Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung empfiehlt somit bei vorausgegangener hormonassoziierter VTE eine medikamentöse Thromboseprophylaxe mit NMH in der Schwangerschaft und im Wochenbett. Die medikamentöse Prophylaxe sollte im ersten Trimenon initiiert und bis mindestens 6 Wochen postpartal fortgeführt werden [18].
Ist eine VTE unter Verwendung von hormonellen Kontrazeptiva aufgetreten, so ist das Rezidivrisiko nach Beendigung der Antikoagulation gering. Eine zeitlich begrenzte Antikoagulationsdauer von 3–6 Monaten ist bei Fehlen weiterer Risikofaktoren somit in der Regel ausreichend.
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Zitierweise für diesen Artikel
Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 705–709. DOI: 10.1055/a-1293-0851
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Publication History
Article published online:
12 April 2022
© 2021. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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