Gesundheit gibt es nur in einer gesunden Umwelt und in gesunden Ökosystemen. Dass
wir aktuell weit von einer gesunden Welt entfernt sind, zeigt sich in zahlreichen
Bereichen der Medizin [1]: In Deutschland nehmen Allergien und Zoonosen stark zu, das Risiko für Pandemien
steigt, Hitzewellen fordern Tausende Tote und, so Modellierungsstudien, etwa 100.000
Menschen sterben jedes Jahr zu früh aufgrund von Luftverschmutzung. Hinzu kommen Krankheitslasten,
die teils auch durch unseren Lebensstil bedingt sind und der zahlreiche sogenannte
nicht-übertragbare Krankheiten zur Folge hat, etwa Adipositas, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die zunehmende Krankheitslast ist auch eine Konsequenz dessen, dass wir die Grenzen
unserer ökologischen Systeme erreicht und vielfach überschritten haben [2]
[3]. Zum Überschreiten dieser Grenzen trägt auch der Gesundheitssektor massiv bei: So
ist der Gesundheitsbereich für etwa fünf Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich
(in Deutschland ca. 0,71 t/Einwohner). Genaue Zahlen fehlen bislang allerdings, denn
es mangelt an etablierten Instrumenten und Anreizen zu ihrer Erhebung. Aktuellen Schätzungen
nach entstehen etwa ein Drittel dieser Emissionen direkt im Umfeld der Gesundheitseinrichtungen,
zwei Drittel sind dem sogenannten Scope III zuzuordnen [4].
Was bedeutet das für die Art und Weise, wie wir Medizin machen? Zunächst sollten wir
bedenken, dass die Kosten zur Einhaltung des 1,5 ̊-Zieles des Pariser Klimaschutzabkommens
weitaus niedriger sind als die Kosten dafür, sich bei Überschreitung dieses Ziels
an die grundlegend verändernde Natur anzupassen [5], was auch für den Gesundheitssektor gilt: Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien
zum Beispiel bei den Investitionen ist aufgrund niedrigerer Energie- und Klimaanpassungskosten
gesamtwirtschaftlich und medizinisch sinnvoll und geht mit niedrigeren Betriebskosten
einher. Daher müssen Investitionen im Gesundheitssektor an ambitionierte Nachhaltigkeitskriterien
gekoppelt werden (zum Beispiel klimaneutrales Bauen [6], kreislaufwirtschaftliche Produktion). Da die Investitionskosten über die Länder
getragen werden, die Betriebskosten aber über die Krankenkassen (duale Krankenhausfinanzierung),
bestehen derzeit wenige Anreize für die Länder, die höheren Investitionskosten zu
übernehmen. Weitere Fehlanreize ergeben sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot in den
Sozialgesetzbüchern und der Notwendigkeit, ausgeglichene Bilanzen oder sogar Gewinne
zu erzielen. Beides soll eigentlich helfen, dass Gesundheitseinrichtungen effizient
arbeiten und Prozesse verschlankt werden. Gleichzeitig führt es aber dazu, dass Umweltkosten
in alle Teile der Welt oder auf zukünftige Generationen ausgelagert werden.
Auf der Einnahmenseite können die Gesundheitseinrichtungen meist nur über die Fallzahlen
Steigerungen erzielen. Es gilt also, möglichst viele Patientinnen und Patienten in
möglichst kurzer Zeit zu behandeln. Dadurch wird einerseits eine Spezialisierung und
damit Professionalisierung, andererseits aber auch eine Überversorgung (und damit
der Ressourcenverbrauch) begünstigt. Auf der Ausgabenseite gelingen Kostenreduktionen
indem Personalkosten gespart und im Einkauf die billigsten Produkte bevorzugt werden.
Je besser einem Hersteller gelingt, Kosten für Umweltschäden oder Mitarbeitergesundheit
zu externalisieren, desto billiger kann er das Produkt anbieten. Aufgrund des ökonomischen
Drucks im Gesundheitssystems gibt es also einen inhärenten Anreiz, Nachhaltigkeit
zu vermeiden. Einwegartikel haben in diesem Zuge eine explosionsartige Verbreitung
im Gesundheitswesen gefunden. Dadurch wird die Wertschöpfung aus den Krankenhäusern
hin zu den Herstellern verlagert und der Ressourcenverbrauch steigt weiter an.
Hier gilt es, einen an Therapiezielen und Nachhaltigkeitskriterien orientierten Einsatz
von Material und Instrumenten auf Basis hygienischer Konzepte zu ermöglichen, deren
Evidenz unabhängig von industrieller Einflussnahme belegt werden muss. Einkäufer müssen
argumentieren, dass das nachhaltigste Produkt am Ende das wirtschaftlichste ist. Wie
das geht zeigt ZUKE green, ein Netzwerk für nachhaltige Beschaffung im Gesundheitswesen
(https://www.zukunft-krankenhaus-einkauf.de/zuke-green/. Das KLIKgreen-Projekt hat
gezeigt, dass Emissionsreduktionen auch mit Betriebskosteneinsparungen einhergehen
können [7].
Um eine schnelle Reduktion der Emissionen zu erreichen, müssen sowohl die Leistungsvergütung
als auch die Bereitstellung von Investitionsmitteln an das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen
geknüpft werden. Der dafür notwendige Reformprozess muss dabei die Lebensfähigkeit
des Gesundheitssystems, das Wohl der Patientinnen und Patienten sowie die sachgerechte
Patientenversorgung immer im Blick haben. Damit eine Transformation zu klimagerechter,
ressourcenschonender sowie resilienter Gesundheitsversorgung auch in Deutschland gelingen
kann, braucht es Handlungswillen aus dem Gesundheitssektor selbst. Positionierungen
von ärztlichen Fachgesellschaften, Bundesärztekammer, Landesgesundheitsministerien
und Pflegeverbänden aus den letzten Jahren zeigen deutlich, dass das Bewusstsein über
die Dringlichkeit zu handeln enorm gewachsen ist. Dies bestätigen insbesondere die
Beschlüsse des 125. Deutschen Ärztetages [8]. Die größte Herausforderung besteht nun darin, vom Wissen endlich ins Handeln zu
kommen, das heißt die Umsetzungskompetenz im Gesundheitssektor zu fördern und darauf
hinzuwirken, vorhandene Ressourcen für Klimaschutzmaßnahmen zu mobilisieren. Aufgrund
der Dringlichkeit der planetaren Krisen muss der Transformationsprozess tiefgreifend
und grundsätzlich stattfinden und damit alle Aspekte von Planetary Health einbeziehen.
Dafür müssen in den Gesundheitseinrichtungen Entscheiderinnen und Entscheider die
Relevanz verstehen, alle für sie relevanten Handlungsfelder und der Klimaanpassung
(Adaptation) kennen und in der Lage sein, geeignete Ansätze für ein Gelingen der Transformation
umzusetzen.