Ein Nachwort gründet auf dem Vergangenen, Geleisteten und Geschehenen. Gleichzeitig
fordert es auf, Perspektiven in den Blick zu nehmen.
Was wird aus dieser Zusammenstellung, diesem Essay deutlich? Die Nuklearmedizin hat
die Inhalte und den Begriff nuklear in der Gesellschaft auf nationaler und internationaler Ebene verteidigt. Der Wert
einer friedlichen Nutzung der Kernenergie, hier in der medizinischen Forschung und
der klinischen Anwendung, ist überzeugend.
Nach der Entwicklung zu einer Eigenständigkeit des Faches haben sich die Kooperationen
und Schnittmengen mit benachbarten und neuen Disziplinen verschoben und vergrößert.
Das bedeutet für ein kleines Fach eine besondere Herausforderung. Ein Beispiel ist
die Endokrinologie, die in Zusammenhang mit Schilddrüsenerkrankungen ursprünglich
für das Fach die lebensnotwendigen Aufgaben gestellt hatte. Jetzt besteht die Dominanz
einer Bildgebung, wie sie auch in der Radiologie zu Hause ist. Das wird durch die
Hybridverfahren unübersehbar und verstärkt. Neben der Anwendung verlangt diese nach
einer Anpassung der Kommunikation, von der Kita bis zur Selbstständigkeit, der Selbstverantwortung
im Beruf, von der Lehre bis zur Aus- und Fortbildung. Die Stärkung der forschenden
Messtechnik und der Radiopharmazie bietet in der gesamtwirtschaftlichen Landschaft
in Deutschland Perspektiven.
Nuklearmedizin ist molekulare Medizin, sie ist immer individualisiert und präzise
gewesen. Screeningverfahren verbieten sich schon wegen der Nutzung der Radioaktivität
und der damit verbundenen Strahlenexposition. Die Individualisierung erfolgt über
die Kenntnis und die folgende Darstellung biochemischer Prozesse, die für einen pathologischen
Prozess, einen Krankheitsverlauf charakterisierend sind. Radiochemie und Radiopharmazie
haben Innovationen in der Methodik und im Substrat erreicht, die im Vergleich zu Nachbardisziplinen
ein Alleinstellungsmerkmal darstellen.
Optische Methoden, Lumineszenz und Fluoreszenz, Optoakustik und Ramanspektroskopie
faszinieren und öffnen Perspektiven in der präklinischen Forschung. Hier stellen sich
Fragen und die Herausforderung der Suche nach Kooperationen mit der Expertise, die
in benachbarten Disziplinen zu Hause ist. Daraus folgt die mögliche Integration von
Methoden in die eigene Disziplin. NMR, KST oder MRT lassen grüßen; MRS scheint vergessen.
Gleichzeitig hat die Nuklearmedizin weitgehend den Parameter Zeit zur Beschreibung
der Abfolge biologischer Ereignisse aufgegeben, wie er in der Funktionsdiagnostik
genutzt wird.
Die Akquisition von Daten erfolgt häufig an einem standardisierten, nicht individualisierten
Zeitpunkt, sie liefert ein eingefrorenes Bild. Und dieser Zeitpunkt wird auch durch
die physikalische Halbwertszeit der verwendeten Isotope, nicht durch die Biologie
der Prozesse, bestimmt. Neue Methoden des Total-Body-PET sind hier Lichtblicke.
Die Notwendigkeit der Standardisierung wird umgesetzt in der interdisziplinären Formulierung
qualifizierter Leitlinien, in der Regel in Kooperation mit weiteren Disziplinen. Ein
erfolgreich gestarteter, unumgänglicher Weg in der klinischen Medizin bedarf dieser
verstärkten Unterstützung.
Molekulare Medizin, wie wir sie den Grundlagen der Radiopharmazie und Radiochemie
verdanken. Aktuell beweisen Moleküle, Viren, dass sie globale Veränderungen verursachen
können. Verdichtet wird das für unser Fach in der Theranostik, derzeit ein Zauberwort.
Das überzeugt inhaltlich und ökonomisch. Theranostik schafft Patientennähe und ist
segensreich im Sinn der klinischen Nuklearmedizin. Nuklearmedizin ist kein Selbstzweck,
sie dient Patientinnen und Patienten. Diese Ziele können wir nur in Gemeinsamkeit
erreichen.
Otmar Schober, Münster