Der Weg einer Methode bis zur klinischen Routine ist lang. Er beginnt in der Regel
mit einer klinisch relevanten Fragestellung und vorklinischen Entwicklungen und Studien,
gefolgt von entsprechenden klinischen Studien. Dabei dürfen die Instrumentierung und
Entwicklung geeigneter Datenanalyseprogramme nicht außer Acht gelassen werden. Letztlich
kann sich eine Methode aber nur in der klinischen Routine behaupten, wenn sie validierte
standardisierte Ergebnisse liefert. Der Erfolg fordert somit eine Vielzahl ineinandergreifender
Entwicklungsschritte.
Am Beispiel der kardiovaskulären Nuklearmedizin soll dargestellt werden, dass über
die wissenschaftliche und klinische Bedeutung hinaus die Eröffnung eines neuen Feldes
für die Nuklearmedizin auch weitergehende positive Konsequenzen hat.
In den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts hat die klinische Anwendung der Myokardszintigrafie
zu der wachsenden Bedeutung des Faches Nuklearmedizin beigetragen. Durch den Erfolg
und die Weiterentwicklung der interventionellen Kardiologie wurde die Ischämiediagnostik
ein wichtiger Bestandteil der klinischen Entscheidungsprozesse. SPECT in Kombination
mit Tc-99m-markierten Flussmarkern brachte den szintigrafischen Verfahren deutliche
Vorteile in Bezug auf die klinische Anwendung. Die Validierung und Standardisierung
der Myokardszintigrafie erfolgte in internationaler Zusammenarbeit zwischen Kardiologen
und Nuklearmedizinern, was zur engen Kooperation der Fächer führte. In der Konsequenz
wurde die Myokardszintigrafie in entsprechenden Leitlinien als Standardmethode verankert.
Durch die weitere Entwicklung, die EKG-getriggerte Datenakquisition, konnte die simultane
Beurteilung der myokardialen Perfusion und linksventrikulären Funktion realisiert
und die Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Echokardiografie und der MRT gesichert werden.
Eine pharmakologische Belastung mit Dipyridamol und Adenosin erweitert die Anwendung
auf Patienten mit eingeschränkter Mobilität. Die objektive Beurteilung der Szintigrafie
mit semiquantitativen Auswerteroutinen und standardisierter Polar-Map-Darstellung
erlaubte vergleichbare Aussagen zu Lokalisation, Schweregrad und Ausdehnung der Perfusionsdefekte
unter Ruhe und Belastungsbedingungen und damit auch zur Prognose für Patienten mit
KHK. Das hat den klinischen Stellenwert der Myokardszintigrafie erheblich gestärkt
und zu einer weltweiten klinischen Akzeptanz geführt.
Beigetragen hat dazu die nicht zuletzt durch die DGN organisierte strukturierte Weiterbildung
von Ärzten und MTRAs. In der Folge gewann die Quantifizierung der Myokardperfusion
mittels PET (regionale Bestimmung der „Koronarreserve“ unter Belastung) eine wissenschaftliche
Bedeutung. Die Genauigkeit der Methode und ihre prognostische Bedeutung mit verschiedenen
PET-Tracern wurden in zahlreichen Studien bewiesen. So ist die Messung der Koronarreserve
als Maß der Myokardischämie klinisch akzeptiert. In Deutschland gelang die Überführung
in die klinische Routine allerdings aus strukturellen Gründen nicht.
Neben der Perfusionsszintigrafie haben sich PET-Untersuchungen des Herzens in akademischen
Zentren für die Diagnostik der Gewebevitalität bewährt und zu der erfolgreichen Revaskularisierung
von Patienten mit fortgeschrittener ischämischer Herzinsuffizienz beigetragen.
Wissenschaftlich hat die Möglichkeit, die Stoffwechselaktivität im Herzen regional
zu messen, wesentlich zur Charakterisierung der inflammatorischen Reaktion nach einem
Herzinfarkt beigetragen. Da der Einsatz der [18F]Fluordesoxyglukose (FDG) nicht spezifisch für die Charakterisierung der myokardialen
Entzündung ist, wurden molekulare PET-Tracer entwickelt, um die myokardiale Heilung
der ischämischen Schädigung zu visualisieren. Vielversprechend sind neueste Studien
mit FAPI, die die aktive Narbenbildung des Myokards aufzeigen und als mögliche Biomarker
für Medikamentenstudien dienen können.
Die Anwendung von PET in der klinischen Forschung hat die kardiovaskuläre Nuklearmedizin
in Deutschland in den letzten 20 Jahren geprägt und international Beachtung gefunden.
Damit ist die Nuklearmedizin zu einem wichtigen Partner in kardiologischen Wissenschaftsprojekten
geworden, insbesondere in der Translation von Tracer-Methoden zur Erkennung entzündlicher
Prozesse im Myokardium und in Gefäßen.
Die Anwendung der PET/CT-Untersuchungen hat die hohe diagnostische Wertigkeit der
multimodalen Bildgebung von Perfusion und Koronaranatomie aufgezeigt. Die vergleichsweise
hohen Kosten und Logistikanforderungen haben jedoch in Deutschland die PET-Perfusionsuntersuchungen
nur auf wissenschaftliche Fragestellungen beschränkt.
Entsprechende Ausführungen ließen sich für die nuklearmedizinische Hirndiagnostik
machen. Als Stichworte seien die Amyloid-Diagnostik und die Hirnrezeptordiagnostik
genannt. Hier hat die Nuklearmedizin ihre Aufgaben gemacht. Dem allgemeinen Einsatz
steht bei der Amyloid-Diagnostik derzeit die nicht breite Verfügbarkeit entgegen.
In der Rezeptordiagnostik ist die Zahl der Patienten mit klinischer Fragestellung
limitiert. Dafür leistet diese Diagnostik in der klinischen Forschung wesentliche
Beiträge. Auf Entwicklungen im Bereich der Onkologie und Neuromedizin wird andernorts
eingegangen.
Präklinische Forschung
Die nuklearmedizinische Forschung hat durch die Einführung des Begriffs „Molecular
Imaging“ vor etwa 20 Jahren dank der Tracer-Methoden stark an Bedeutung gewonnen.
Die Validierung dieser molekularen Marker erforderte den Aufbau präklinischer Zentren
mit entsprechender Infrastruktur und Expertise für die Bildgebung an Kleintieren.
An vielen deutschen Universitätskliniken wurden diese Zentren durch Förderungen der
DFG und anderer Institutionen in den letzten 20 Jahren an nuklearmedizinischen Kliniken
etabliert.
Ermöglicht wurde diese Bildgebung durch die Entwicklung dedizierter Geräte wie mikroPET,
mikroSPECT, PET/CT und PET/MR. In den letzten Jahren wurden zusätzlich optische Verfahren
eingesetzt. Dadurch wurde es möglich, in Tierversuchen mit Mäusen und Ratten molekulare
Radiopharmazeutika zu untersuchen. Die Anwendungsbereiche waren und sind weiterhin
vor allem die aus der Onkologie, den Neurowissenschaften und der Kardiologie. Wichtig
waren erste Validierungen der Methodologie, um die Laboruntersuchungen der Bildgebungsmethodik
und den klinischen Untersuchungen anzupassen.
Damit wurde die präklinische Bildgebung ein wichtiger Aspekt der translationalen Medizin,
um neue Tracer-Konzepte im Tiermodell vor der klinischen Anwendung zu validieren und
zu optimieren. In den Neurowissenschaften stand die Charakterisierung neurodegenerativer
Prozesse im Vordergrund. Hier war und ist die Herausforderung, in einem translationalen
Prozess passende Tiermodelle zu entwickeln.
Beispielhaft sei die Amyloid-Bildgebung genannt, daneben auch Tracer zur Charakterisierung
des Alpha-Synuclein und Tau-Proteins. Tracer der Neuroinflammation wurden und werden
evaluiert, um die Beziehung von Neurodegeneration und Inflammation durch die Bildgebung
zu adressieren. Ebenso profitierten die Schlaganfalldiagnostik und Forschung von der
experimentellen Bildgebung.
In der Kardiologie ist eine der Herausforderungen, entzündliche Veränderungen in den
Gefäßen durch molekulare Marker frühzeitig zu erkennen und möglicherweise den „instabilen
Plaque“ zu diagnostizieren. Das Ziel ist die Identifikation des Risikopatienten vor
Eintreten eines Herzinfarktes. Bei dieser Suche wurde eine Vielzahl molekularer Zielstrukturen
identifiziert, die im Laufe einer Plaque-Bildung in der Gefäßwand überexprimiert werden.
Dabei wurden zahlreiche Tracer experimentell untersucht und die gesteigerte Tracer-Aufnahme
in der arteriosklerotisch veränderten Gefäßwand nachgewiesen. Gleichzeitig wurde jedoch
deutlich, dass die räumliche Auflösung der PET-Bildgebung nicht ausreicht, um die
Gefäßstrukturen im Tier oder Menschen mit ausreichender Spezifizität darzustellen.
Als Zwischenergebnis kann eine erhöhte Akkumulation von FDG und F-18-Fluoriden in
atherosklerotischen Plaques mit PET am Menschen gewertet werden. Mit dem Einsatz von
PET/MR war eine anatomische Zuordnung der Tracer-Aufnahme zu weiteren Biomarken der
Gefäßstrukturen möglich. Erste klinische Studien mit PET/MR in Patienten mit Plaques
der Karotisarterie bestätigten die präklinischen Ergebnisse.
Die Auswirkungen eines ischämischen Infarktes im Maus- und Rattenmodell wurden mit
einer Vielzahl neuer Tracer untersucht. Diese Untersuchungen, z. B. mit Integrinen,
Chemokin-Rezeptoren (CXCR4), Somatostatin-Analoga und Inhibitoren des Fibroblast-Aktivierungsproteins
FAPI, waren Grundlagen für erste klinische Anwendungen zur Einführung neuer Biomarker.
Primär für onkologische Fragestellungen entwickelt, sind sie auch von Interesse für
die medikamentöse Therapie bei Patienten mit Herzinfarkt. Untersuchungen mit FAPI
deuten darauf hin, dass dieser Tracer möglicherweise die myokardiale Fibrose auch
in nicht ischämischen Herzerkrankungen nachweisen kann. Dieser Tracer, der in der
Onkologie seine Hauptanwendung finden wird, ist ein weiterer Beweis für die international
viel beachtete Tracer-Entwicklung in Deutschland.
Der Schwerpunkt der präklinischen Forschung der Nuklearmedizin hat sich auf die Erkennung
und Therapie onkologischer Erkrankungen bezogen. PET-Untersuchungen wurden erfolgreich
für die Erkennung der tumorspezifischen Überexpression von Proteinen eingesetzt. Sie
haben das Potenzial der Radiopharmazeutika bei der spezifischen und sensitiven Identifikation
für therapeutische Zielstrukturen aufgezeigt. Basierend auf diesen Tierversuchen,
welche die radiopharmazeutische Entwicklung neuer Tracer begleitet haben, wurden neue
Liganden für die ersten klinischen Anwendungen optimiert. Damit wurde deutlich, dass
die präklinische Infrastruktur für die wissenschaftliche Profilierung einer akademischen
Radiopharmazie unerlässlich ist. Radiopharmazeutisch markierte Medikamente wurden
und werden in der Erprobung neuer Wirkstoffe im Tiermodell eingesetzt, um Verteilung
und Pharmakokinetik in der Entwicklungsphase zu optimieren. Damit konnten Brücken
zur pharmazeutischen Forschung der Industrie entwickelt werden, die in einen Zulassungsprozess
neuer Medikamente führen und das Gebiet der „Companion Diagnostics“ für die Nuklearmedizin
öffnen können.
Molekulare Bildgebung, auch mit konventionellen Stoffwechselmarkern wie F-18-FDG,
C-11-Azetat, F-18-FET etc., wurde und wird in der onkologischen Grundlagenforschung
eingesetzt. Damit soll auch die Interaktion des „Metaboloms“ mit dem Tumorwachstum
und dem Therapieansprechen definiert werden.
In der präklinischen Bildgebung hat sich, ebenso wie in der Klinik, der multimodale
Ansatz bewährt, der die räumlich-anatomische Zuordnung der regionalen Tracer-Aufnahme
unterstützt. Der Einsatz von PET/MR erlaubt, die Gewebecharakterisierung von MR mit
der Markierung tumorspezifischer Zielstrukturen zu verbinden und damit attraktive
Verfahren für die klinische Anwendung zu entwickeln. Die radiopharmazeutische Forschung
in Deutschland hat sich durch den konsequenten Einsatz von Tumor-Tiermodellen in der
Tracer-Entwicklung international etabliert.
Die präklinische Forschung hat wesentlich zu dem Erfolg der Kombination von Diagnostik
und Therapie (Theranostik) beigetragen. Hier gilt es, neue Radiopharmazeutika für
beide Anwendungen zu optimieren und die für die klinische Anwendung notwendigen Daten
der Pharmakokinetik und Dosimetrie zu erheben. Auf diesem Gebiet hat die Nuklearmedizin
in Deutschland von der engen Verzahnung präklinischer und klinischer Forschung profitiert
und damit eine Spitzenposition in der internationalen Nuklearmedizin erworben.
Forschungsstrukturen
Die Nuklearmedizin hat in den letzten 20 Jahren von weitgehenden Maßnahmen der regionalen
und bundesweiten Wissenschaftsförderung profitiert. Als technisch innovatives Fachgebiet,
das Beiträge zur Grundlagenforschung und angewandten klinischen Forschung bietet,
wurde die Nuklearmedizin in vielen nationalen und europäischen Verbünden gefördert.
Neben DFG-Einzelanträgen hat sich die Nuklearmedizin in Forschergruppen und Sonderforschungsbereichen
mit Sprecherfunktion etabliert. Dazu zählen viele weitere Projekte und Beteiligungen.
Die Nuklearmedizin in Deutschland hat die interdisziplinäre, technisch orientierte
Forschung in Deutschland vorangetrieben und erfolgreich im Wettbewerb mit anderen
Fächern umgesetzt. Die zunehmende Bedeutung der Bildgebung in der „personalisierten
Medizin“ hat zu neuen Fördermaßnahmen auf europäischer Ebene geführt: Sie erlaubt
es nuklearmedizinischen Gruppen, in internationalen Netzwerken der EU-Förderung teilzunehmen.
Auch innerhalb der ERC-Förderung haben deutsche Gruppen erfolgreiche Anträge gestellt
und damit die wissenschaftliche Wettbewerbsfähigkeit demonstriert. Neben dieser projektbezogenen
Förderung wurden DFG-Programme etabliert, um technische Neuentwicklungen zu fördern,
wie am Beispiel des PET/MR. Dadurch wurde die Nuklearmedizin in Deutschland sehr früh
in die Lage versetzt, diese innovativen Technologien wissenschaftlich einzusetzen
und an der weltweiten Validierung teilzunehmen.
Durch die Exzellenzinitiative an deutschen Universitäten wurden langfristige Förderprogramme
initiiert. Auch hier haben deutsche Gruppen in Clusteranträgen große Förderungen für
die Nuklearmedizin einwerben können und damit den akademischen Bezug dieses Fachgebiets
klar demonstriert. Das Gleiche trifft auf zahlreiche Förderungen innerhalb der deutschen
Gesundheitszentren sowie Schwerpunktprogramme zu. So fördert das Konsortium für translationale
Krebsforschung Onkologie (DKTK) gezielt einen Schwerpunkt Bildgebung und Radioonkologie.
Eigenständige wissenschaftliche Universitätsinstitute wie das European Institute for
Molecular Imaging (EIMI), Münster, und das Werner Siemens Imaging Center (WSIC), Tübingen,
stellen einen Aufbruch in ambitionierte Forschungsstrukturen dar.
Gerade die Interdisziplinarität der Nuklearmedizin unterstützt die wissenschaftliche
Attraktivität dieses Faches. Es erscheint jedoch wichtig, die Ausbildung des akademischen
Nachwuchses tatkräftig in dieser Richtung zu unterstützen, um das Fach und seine Vertreter
im Wettbewerb für wissenschaftliche Profilierung zu stärken und nicht nur als Methode,
die Forschung anderer Fachgebiete in der Funktion einer Dienstleistung, zur Verfügung
zu stehen. Hier haben sich die Nachwuchsakademien der DFG in den letzten 10 Jahren
bewährt, um den Nachwuchs in der Projektforschung zu stärken und für die kompetitive
Antragsstellung auf nationaler und europäischer Ebene vorzubereiten.
Mit der Entwicklung von „Molecular Imaging“ haben sich neue Interessensgruppen innerhalb
der Fachgebiete Radiologie, Nuklearmedizin und Radioonkologie gebildet, die an dieser
Entwicklung teilnehmen wollten. In dieser Folge haben sich die Amerikanische und Europäische
Gesellschaft für Nuklearmedizin umbenannt und den Begriff „Molecular Imaging“ zu einem
Teil ihres Fachgebiets in ihrer Benennung gemacht. Das ist schon zuvor für unser,
dieses Journal vor 15 Jahren umgesetzt worden: damals noch im Schattauer-Verlag: Nuklearmedizin
– Nuclear Medicine – Molecular Imaging and Therapy. Zusätzlich sind neue internationale
Organisationen wie die „Society of Molecular Imaging“ (SMI) in den USA und die „European
Society of Molecular Imaging“ (ESMI) gegründet worden, um als interdisziplinäre Plattformen
besonders junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für das Thema zu begeistern.
Die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin hat das Thema „Molecular Imaging“ über
Arbeitsgruppen adressiert und zusammen mit der DRG eine interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft
für hybride Bildgebung gegründet. Die in diesen Organisationen gepflegte Interdisziplinarität
hat die Forschung in internationalen Netzwerken gestärkt und jungen Nuklearmedizinerinnen
und Nuklearmedizinern ermöglicht, mit anderen bildgebenden Verfahren wie MR, Ultraschall
und optischen/optoakustischen Techniken vertraut zu werden.
Markus Schwaiger, München; Otmar Schober, Münster