Gesundheitswesen 2022; 84(04): 285-292
DOI: 10.1055/a-1778-3912
Originalarbeit

Vorläufige und endgültige Leichenschau und Todesbescheinigung im Rettungsdienst in Deutschland – uneinheitliche Prozessabläufe und mangelnde Standards

Preliminary and Final Postmortem Examination and Death Certificate in the Emergency Medical Services in Germany: Heterogeneous Process Flows and Inadequate Standards
1   Zentrum für Notfallmedizin, BG Klinikum Duisburg, Duisburg, Germany
2   Stabsstelle Rettungsdienst, Feuerwehr Oberhausen, Oberhausen, Germany
3   Christoph 9, Luftrettungszentrum, Duisburg, Germany
4   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany
,
Benjamin Ondruschka
5   Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
,
Christian Afflerbach
2   Stabsstelle Rettungsdienst, Feuerwehr Oberhausen, Oberhausen, Germany
9   Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Evangelisches Krankenhaus Oberhausen, Oberhausen, Germany
,
Christian Lurz
2   Stabsstelle Rettungsdienst, Feuerwehr Oberhausen, Oberhausen, Germany
,
Frank Sarangi
6   Medizinrecht, Kanzlei am Ärztehaus, Köln, Germany
,
Sascha Zeiger
1   Zentrum für Notfallmedizin, BG Klinikum Duisburg, Duisburg, Germany
3   Christoph 9, Luftrettungszentrum, Duisburg, Germany
7   Rettungsdienst, Feuerwehr Duisburg, Duisburg, Germany
,
Veronika Weichert
3   Christoph 9, Luftrettungszentrum, Duisburg, Germany
4   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany
8   Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, BG Klinikum Duisburg, Duisburg, Germany
,
Bastian Brune
4   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany
10   Rettungsdienst, Feuerwehr Essen, Essen, Germany
,
Marcel Dudda
3   Christoph 9, Luftrettungszentrum, Duisburg, Germany
4   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany
8   Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, BG Klinikum Duisburg, Duisburg, Germany
10   Rettungsdienst, Feuerwehr Essen, Essen, Germany
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Zusammenfassung

Hintergrund Uneinheitliche Regelungen und Gesetze bzgl. medizinischer Untersuchungen und Prozesse können zu Missverständnissen und fehlerhaften, vermeidbaren Abläufen führen. Mit dieser Studie möchten wir die Heterogenität der einzelnen Prozesse bei der vorläufigen und endgültigen Leichenschau und Todesbescheinigung im deutschen Rettungsdienst evaluieren.

Methoden An 212 Ärztliche Leiter Rettungsdienst in Deutschland wurde eine E-Mail mit einem Umfragelink versendet. Die Fragen konnten online beantwortet werden.

Ergebnisse Die Rücklaufquote betrug 47%. Die Existenz geregelter Verfahrensanweisungen bejahen 58% der Teilnehmer. Eine vorläufige Todesbescheinigung ist bei 64% zulässig, eine vorläufige Leichenschau in 45% der Fälle. 19,4% der Notärztinnen und Notärzte werden regelmäßig zur Durchführung der endgültigen Leichenschau verpflichtet. 41% der Teilnehmer empfinden das Notarzt-Einsatzprotokoll als ausreichende Dokumentationsform. 45% der Teilnehmer bewerten die für ihr Bundesland geltende gesetzliche Bestimmung als ausreichend detailliert. Rückfragen und Beschwerden treten auf, insbesondere wenn ÄLRD der Meinung sind, dass die landesspezifischen Bestimmungen nicht ausreichend sind (p<0,001).

Schlussfolgerung Die Ergebnisse zeigen heterogene Prozessabläufe in Deutschland im Rahmen der obligaten ärztlichen Tätigkeit Leichenschau. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer bewerten die vorliegenden gesetzlichen Bestimmungen als unzureichend. In der Folge kommt es nicht selten zu Rückfragen und Beschwerden, v. a. aber zu Unsicherheiten im Praxisalltag. Eine einheitliche Gesetzgebung und klare Prozessabläufe sind aufgrund unserer Ergebnisse wünschenswert.

Abstract

Background Inconsistent regulations and laws can lead to misunderstandings and incorrect procedures. In this study we would like to evaluate the heterogeneity of the different processes of postmortem examination and death certification in the German emergency medical services.

Methods An e-mail with a survey link was sent to 212 medical directors of emergency services. The questions were answered online.

Results The response rate was 47%. Regulated procedures were evident in 58% of the cases. Issue of provisional death certificate comprised 64%, postmortem examination 45%; 19.4% of emergency physicians were required to do the final post-mortem. In 41% of the cases, the application protocol was considered sufficient as a form of documentation. 45% of the participants evaluated the respective legal regulation as sufficient. Questions and concerns arose, especially when medical directors of EMS believed that the state-specific regulations were not sufficient (p<0.001).

Conclusion The results show that the obligatory post-mortem examination in Germany is heterogeneous in its processing procedures. More than half of the participants rate the existing legal regulations as inadequate. As a result, it is not uncommon for queries and complaints to arise, but above all for uncertainties to arise in everyday practice. Our results suggest that uniform legislation and clearly defined processes are desirable.



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Article published online:
26 April 2022

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