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DOI: 10.1055/a-1774-3487
Evaluation der Versorgungsituation von Patient*innen mit chronischen Lymphödemen während der COVID-19-Pandemie
Article in several languages: deutsch | EnglishAuthors
Zusammenfassung
Hintergrund Die COVID-19-Pandemie stellt eine große Herausforderung für chronisch Erkrankte sowie deren Versorgung dar. Insbesondere die multiprofessionelle Versorgung von Patient*innen mit Lymphödemen sowie die Vorbeugung von Komplikationen und Exazerbationen erscheinen deutlich beeinträchtigt. Ziel dieser Studie war es, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Lebenszufriedenheit von Lymphödempatient*innen darzustellen sowie eine Patient*innenperspektive zu bieten.
Methoden Es wurden 100 Patient*innen der Hochschulambulanz (HSA) für Physikalische Medizin der Charité-Universitätsmedizin Berlin zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, zur Therapie und zu ihrer persönlichen Situation während der Pandemie befragt. Zur Evaluation der Lebenszufriedenheit wurde die SWLS (Satisfaction with Life Scale) verwendet.
Ergebnisse Die SWLS sank von 24,5±6,7 SD präpandemisch auf 21,4±7,4 SD während der Pandemie (p<0,0001; r=-0,58). Es zeigte sich eine Tendenz zu weniger Arztbesuchen bei vermehrtem Auftreten von Komplikationen. Lymphödem-typische nichtärztliche Gesundheitsleistungen konnten deutlich weniger abgerufen werden. Telemedizinische Angebote wurden gut angenommen.
Schlussfolgerung Die subjektive Lebensqualität von Lymphödempatient*innen nahm signifikant und effektstark ab. Dies unterstreicht die besondere Vulnerabilität dieser Gruppe für die Probleme der Gesundheitsversorgung während einer Pandemie.
Hintergrund
Die COVID-19-Pandemie stellte und stellt auch weiterhin, besonders für Menschen mit chronischer Erkrankung, mit Behinderung oder mit drohender Behinderung und Rehabilitationsbedarf, eine große Herausforderung dar [1] [2] [3] [4]. Vielfältige individuelle Problemlagen und Versorgungseinschränkungen entstanden insbesondere während der bundesweiten Infektionsschutzmaßnahmen mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens („Lockdown“) mit konkreten negativen Konsequenzen für die Teilhabe, einschließlich der Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung. Für verschiedene Patient*innengruppen wurden konkrete Folgen beschrieben [5] [6].
Die Gruppe der Patient*innen mit chronischem Lymphödem ist von regelmäßigen und umfangreichen interdisziplinären und multiprofessionellen Versorgungsnetzwerken abhängig [7]. Verschiedene Gesundheitsdienstleister und Berufsgruppen wie Ärzt*innen verschiedener Disziplinen, Physiotherapeut*innen, medizinische Masseur*innen und Sanitätshäuser sind standardmäßig in die dauerhafte, meist lebenslange Versorgung involviert. Zusätzliche Betrachtung und Behandlung bedürfen die bekannten Komorbiditäten dieser Patient*innengruppe [8].
Während der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie im Jahr 2020 wurde ein Konsensusdokument erstellt, welches bei der Gewichtung der Fallschwere und Behandlungsnotwendigkeit von Patient*innen mit venösen und lymphatischen Erkrankungen unterstützen sollte [9]. Diese konsentierte Vorgehensweise mit Berücksichtigung von telefonischen, videobasierten bzw. telemedizinischen Kontaktmöglichkeiten sollte einen individuellen, abwendbar negativen Verlauf möglichst unwahrscheinlich machen, gleichzeitig aber eine deutliche Reduktion der medizinischen Versorgungsleistungen zugestehen. Besonders im ärztlichen Bereich wurden solche Angebote auch in Deutschland lokal umgesetzt.
Demgegenüber besteht bei Lymphödemerkrankungen die Gefahr von Exazerbationen und Komplikationen bei auch therapeutischer Unterversorgung, z.B. bei Verzögerung einer eigentlich indizierten intensiven KPE Phase I (komplexe physikalische Entstauungstherapie), Unterbrechung von regelmäßiger manueller Lymphdrainage oder bei Verzögerung von Versorgungen durch die Sanitätshäuser mit adäquat wirksamen Kompressionsmaterialien wie Kompressionstrümpfen oder -bandagen. Auch bewegungstherapeutische Angebote wie Funktionstraining und Rehabilitationssport sind übliche Bestandteile der komplexen Versorgung und können bei Wegfall derselben verschlechternde Auswirkungen zeigen.
Ein nicht unerhebliches Aufkommen von Patient*innenfragen und eine wahrgenommene große Verunsicherung ergaben die Fragestellung, wie die Patient*innenperspektive hinsichtlich der erlebten Versorgungssituation, Risiken und Kompensationsstrategien unter Pandemiebedingungen ausfällt.
Methoden
Studiendesign
Diese Studie wurde durch die Ethikkommission der Charité-Universitätsmedizin Berlin bewilligt (Antragsnummer: EA1/107/21) und beim Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS) registriert (ID: DRKS00026728).
Es wurde eine Umfrage unter einer Stichprobe von Patient*innen mit chronischem Lymphödem durchgeführt, welche sich in dauerhafter Betreuung durch eine universitäre lymphologische Spezialambulanz (Hochschulambulanz nach § 117 SGB V) befinden. Die Proband*innen wurden zu ihrer gegenwärtigen Situation, insbesondere zu erkrankungsbezogenen Sachverhalten, befragt. Als Baseline wurden die Patient*innen zu ihrer präpandemischen Lebenssituation (Bezugszeitraum war das Jahr 2019) befragt, diese wurde im Anschluss mit der Situation während der Pandemie (Bezugszeitraum war März 2020 – Februar 2021) verglichen. Die Rekrutierung erfolgte nach Durchsicht anhand von Patient*innenakten des Quartals 4/2019 und deren Screening nach den unten genannten Ein- und Ausschlusskriterien.
Studienteilnehmer*innen
Alle Studienteilnehmer*innen waren zum Zeitpunkt der Studie regelmäßig in der studiendurchführenden Hochschulambulanz (HSA) in Behandlung.
Einschlusskriterien:
-
Vollständige Dokumentation und Kontaktdaten
-
Volljährigkeit (≥18 Jahre)
-
Diagnose „Lymphödem“ (ICD I89.0; I97.2; I97.80–88; Q82.0)
-
Vorstellung in der Hochschulambulanz (HSA) im 4. Quartal 2019
-
Behandlungshistorie in der HSA (Termine in mindestens 2 von 4 Quartalen 2019)
Ausschlusskriterien:
-
Antwort außerhalb der Rücklauffrist
-
Unvollständiges Ausfüllen des Fragebogens
-
Ungenügendes Verständnis der deutschen Sprache in Wort und Schrift
Datenquellen und Variablen
Die Daten für diese Studie wurden zu einem Teil aus den Patient*innenakten, zum anderen Teil aus den von den Patient*innen ausgefüllten Fragebogen gesammelt. Abgefragt wurden demografische Basisdaten, krankheitsbezogene Basisdaten, Daten zur aktuellen medizinischen Situation sowie Daten zur Lebensqualität und Behandlungssituation vor und während der Pandemie.
Zur Evaluation der Lebensqualität wurde die SWLS (Satisfaction With Life Scale) auswählt [10] [11]. Die SWLS ist ein aus 5 Teilaspekten zusammengesetzter Score zur subjektiven Einschätzung der persönlichen Lebensqualität durch die Proband*innen. Es können Scores zwischen 5 und 35 erreicht werden. Diese Werte werden wie folgt eingeschätzt: 35–31 extrem zufrieden; 30–26 zufrieden; 25–21 eher zufrieden; 20 neutral; 19–15 eher unzufrieden, 14–10 unzufrieden; 9–5 extrem unzufrieden.
Zusätzlich wurden die Proband*innen mit einem nichtstandardisierten Fragebogen zu ihrem Verhalten und subjektiven Befinden während der Pandemie befragt.
Fallzahlberechnung
Die Fallzahl wurde durch die Ein- und Ausschlusskriterien definiert. Bei jährlich etwa 6000 Fällen in der HSA erwartete das Studienteam, etwa 200–300 Patient*innen kontaktieren zu können. Bei einer in der HSA aus anderen Studien bekannten Rekrutierungsrate wurde mit etwa n=100 Studienteilnehmer*innen gerechnet. Die folgende Fallzahlabschätzung wurde unter der Annahme einer Normalverteilung der Daten durchgeführt: Mit einer Fallzahl von n=100 und einer erwarteten Differenz der Mittelwerte von 3 Skalenpunkten sowie einer Standardabweichung der Differenzen von 10 hat eine 2-seitiger t-Test bei einem alpha-Fehler von 0,05 eine Power von 84%. Die Fallzahlschätzung wurde mit der Software nQuery + nTerim 4.0 durchgeführt.
Statistische Methoden
Die Charakteristika der Studienteilnehmer*innen werden als Mittelwert mit einem 95%-Konfidenzintervall angegeben. Zum Vergleich der SWLS wurde der Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test verwendet. Die weiteren Ergebnisse werden deskriptiv dargestellt. Dargestellte p-Werte und Effektstärken sind explorativ zu werten.
Ergebnisse
Teilnehmer*innen
Es wurden 844 Akten der Hochschulambulanz für Physikalische Medizin gescreent. Es konnten n=100 Patient*innen in die Studie eingeschlossen werden. [Abb. 1] stellt dies mittels Flussdiagramms (modifiziert nach CONSORT [12]) dar.


In [Tab. 1] sind die Charakteristika der Studiengruppe dargestellt. [Abb. 2] zeigt die Anteile der Diagnosen in der Studiengruppe. Das sekundäre Lymphödem zeigte sich mit 48% am häufigsten vertreten. Mit 72% hatten die meisten Befragten ein Lymphödem im Stadium II nach Leitlinie, bei der Mehrheit waren die unteren Extremitäten betroffen (79%) [7] . 69% der Patient*innen zählten sich selbst zu einer Risikogruppe für eine Coronainfektion.


Allgemeine Lebenszufriedenheit (SWLS)
Im Mittel sank die Satisfaction With Life Scale (SWLS) von 24,5±6,7SD präpandemisch auf 21,4±7,4SD während der Pandemie. Dieser Unterschied ist hochsignifikant (p<0,0001), das Effektgrößenmaß zeigt mit r=-0,58 einen starken Effekt. Die Standardabweichung der Differenzen zeigte sich mit 5,6 (MW 3,19; Md 1). In [Abb. 3] werden die SWLS-Scores vergleichend dargestellt.


Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen
Die explorative Auswertung der Umfrageergebnisse zur Inanspruchnahme ausgewählter Gesundheitsleistungen zeigte, dass die Anzahl der Arztbesuche während der Pandemie deutlich zurückging (p<0,0001). Auffällig war jedoch, dass die Anzahl der Arztbesuche wegen Komplikationen des Lymphödems einen gegenläufigen Trend zeigte und zunahm (15 vs. 20 Besuche). 48% der Patient*innen gaben an, dass Termine vonseiten der Gesundheitsdienstleister abgesagt wurden. Hier waren Termine bei Physiotherapeut*innen am häufigsten betroffen (15%). Analog dazu gaben 37% an, selbst Termine abgesagt zu haben. Auch hier betraf der größte Anteil den Leistungsbereich der Physiotherapeut*innen (22%).
Die Inanspruchnahme von Lymphödem-typischen nichtärztlichen Gesundheitsleistungen (KPE Phase I, Kompressionsmittel, Besuche im Sanitätshaus und manuelle Lymphdrainage) wird in [Tab. 2] dargestellt.
Ersatzangebote
Ersatzangebote wurden von 23% der Patient*innen wahrgenommen. Die ärztliche Videosprechstunde, die präpandemisch noch nicht etabliert war, machte hier mit großem Abstand den wichtigsten Anteil (21%). Internet-Apps (3%), Informationsangebote auf Webseiten (3%) und Selbsthilfegruppen (2%) wurden hingegen weniger häufig in Anspruch genommen. 23% der Studiengruppe gaben an, mehr krankheitsbezogene Ausgaben zu haben.
Bewegung und Sport
61% der Patient*innen gaben an, sich durch die Pandemie weniger bewegt zu haben. Es zeigte sich eine Verlagerung vom professionellen Bereich (Fitnessstudios, Rehasport) in den privaten Bereich. Eigenübungen und Freizeitsport nahmen zu (s. [Tab. 3]).
|
Bewegungstherapie und Sport |
Veränderung |
|
Fitnessstudio |
–13% |
|
Rehasport |
–10% |
|
Selbstübungen |
+6% |
|
Freizeitsport |
+12% |
Befürchtungen der Studienteilnehmer*innen
94% der Studienteilnehmenden fanden die Hygienemaßnahmen in Einrichtungen, die der Behandlung oder Versorgung des Lymphödems dienen, ausreichend. 37% der Patient*innen gaben an, beim Besuch von Gesundheitseinrichtungen Angst vor Ansteckung gehabt zu haben. 60% hatten Befürchtungen vor einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus, 17% auch in Bezug auf ihr Lymphödem. 67% haben den öffentlichen Nahverkehr gemieden. 19% waren dadurch in Möglichkeiten reduziert, Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
Therapieziele
Dabei wurden bei 23% der Befragten die Behandlungsziele (Selbstangabe) nicht erreicht. 40% der Patient*innen gaben an, eine Verschlechterung ihres Lymphödembefundes erlebt zu haben. Als häufigstes Symptom wurde eine Volumenzunahme (34%) genannt, häufig auch noch eine Verhärtung des Gewebes (19%), Erysipele (6%), seltener Bewegungseinschränkungen, Schmerzen, Blasen oder Lymphzysten. 91% der Patient*innen gaben aber auch an, mit der aktuellen Situation in Bezug auf ihr Lymphödem gut zurechtzukommen.
Diskussion
Hauptergebnisse
Wir konnten bei der Stichprobe der Lymphödempatient*innen eine effektstarke und signifikante Verschlechterung der Lebenszufriedenheit durch die Pandemie identifizieren. Demgegenüber stehen Vergleichswerte der Normalbevölkerung vor der Pandemie als auch eine bis dato bereits verfügbare Subgruppenanalyse von Schwangeren innerhalb der Pandemie [13] [14]. Im Mittel lag die SWLS der Normalbevölkerungsstichprobe bei 26,5±5,6SD (Männer 26,3±5,6SD, Frauen 26,6±5,6SD) und damit bereits über dem Scorewert, der in der hier untersuchten Subgruppe von Lymphödematient*innen präpandemisch im Mittel mit 24,5±6,7 ermittelt wurde [14]. Die Untersuchung von Schwangeren wiederum fand in den untersuchten Gruppen präpandemisch eine SWLS von im Mittel 26,0 (23,0–29,0), in der frühen Phase der Pandemie von im Mittel 26,0 (23,0–29,0) sowie 25,0 (22,0–28,0) in späten Phasen der Pandemie. Insgesamt aber zeigte sich dort kein signifikanter Unterschied [13]. Dagegen sank der SWL-Score in der Stichprobe der Lymphödempatient*innen signifikant von 24,5±6,7SD präpandemisch auf 21,4±7,4SD während der Pandemie. Vergleichende Untersuchungen zu Patient*innen mit Lymphödemen liegen bislang nicht vor. Chronisch Erkrankte und Menschen mit Behinderungen stellen ja ganz offensichtlich in Pandemiesituationen diesbezüglich vulnerable Gruppen dar, und dies scheint auch für die hier untersuchte Stichprobe der Patient*innen mit Lymphödemen zu gelten.
In den konkreten krankheitsbezogenen Fragestellungen fiel insbesondere auf, dass weniger Arztbesuche und weniger Inanspruchnahme weiterer Gesundheitsleistungen auf der einen Seite mit mehr Komplikationen auf der anderen Seite zusammenfallen. Hier zeigen sich eindeutige Parallelen mit anderen chronisch Erkrankten [4]. Ein sehr großer Anteil (40%) berichtet von Befundverschlechterungen, vor allem Volumenzunahmen und Verhärtungen, aber auch Erysipelen. Neben einer – aus Gründen der Studiendesigns allerdings nicht belegten – Kausalitätsvermutung zwischen diesen Beobachtungen belegen diese Daten die Relevanz einer multiprofessionellen Versorgung in einem ambulanten Netzwerk, in dem alle Berufsgruppen die Risiken der Patient*innen im Blick behalten. Die ambulante Versorgung sollte regelmäßige Kompressionsversorgung, manuelle Lymphdrainage, Bewegungstherapie und notwendigerweise regelmäßige ärztliche Befundkontrollen einschließen. Die Versorgung mit Hilfsmitteln hinsichtlich Kompression und Heilmitteln zur KPE sowie die Anleitung zur Selbstbehandlung (Schulungsvideos etc.) scheinen essenziell [2].
Neben den pandemiebedingten Einschränkungen der Angebote hatten 37% der Patient*innen Angst beim Besuch von Gesundheitseinrichtungen. Die schlechtere Versorgung ist demnach nicht allein den fehlenden oder eingeschränkten Angeboten, sondern zusätzlich auch dem geänderten Patient*innenverhalten zu attribuieren [4]. Diese Annahme deckt sich mit Erfahrungen physiotherapeutischer Praxen im Beobachtungszeitraum: So beschreiben Litke et al. Ausfälle von Therapien insbesondere bei Patient*innen mit erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf [15]. Vor diesem Hintergrund wurde die Befürchtung geäußert, dass genau diese Gruppe auch im Therapiefortschritt zurückfällt sowie ein Fortschreiten von degenerativen Erkrankungen und Chronifizierungen von akuten Erkrankungen erleiden könnte.
Angeleiteter Sport ist in Pandemiezeiten rückgängig, Sport in Eigenregie hat offenbar hingegen zugenommen. Bewegungstherapie ist bei Lymphödemerkrankungen äußerst wichtig, weil die durch Muskelaktivität erzielten Druckspitzen (Arbeitsdruck) unter der getragenen Kompression eine hohe entstauende Wirksamkeit entfalten [7]. Für die hier beobachtete Verlagerung der Bewegungstherapie in den Freizeitsportbereich bieten sich telemedizinische bzw. telerehabilitative, idealerweise krankheitsspezifische Formate an.
Telemedizinische Arztsprechstunden wurden gut, auch in der Altersgruppe 70+, angenommen, während andere Angebote, z.B. Apps, wenig verwendet wurden. Telemedizinische Angebote können einen Teil der ausgefallenen Termine auffangen und sollten bei Einschränkungen im Gesundheitssystem zur überbrückenden ärztlichen oder physiotherapeutischen Versorgung der Patient*innen genutzt werden [2] [16] [17] [18] [19]. Dennoch sollte eine solche Alternative nicht als ersetzende, sondern additive Option gesehen werden [19]. Insbesondere bei besonders komplexen Fällen sollte die persönliche Vorstellung präferiert werden [2] [9] [20] [21] [22]. Hierzu zählen Entzündungen, rezidivierende Erysipele, stark volumenschwankende Ödeme sowie das Lymphödem Stadium III.
Zwar gaben 91% der Patient*innen an, mit der gegebenen Situation in Bezug auf ihr Lymphödem gut zurechtgekommen zu sein, gleichzeitig aber berichteten 40% von Befundverschlechterungen. Kompensationsmechanismen könnten für vergleichbare Situationen auch Videosprechstunden und ein noch stärker unterstütztes Selbstmanagement sein. Im Bereich der Kompressionsmaterialien könnte hier eine Flexibilisierung, wie sie durch die Anwendung sogenannter Kompressions-„Wraps“ erfolgen kann, nützlich sein. Diese medizinischen adaptiven Kompressionsmittel könnten beispielsweise bei kurzfristigen Volumen-Exazerbationen der betroffenen Extremitäten zum Einsatz kommen, wenn keine Kompressionsbandagierung vor Ort möglich ist [23] [24] [25] [26]. Sind diese Materialien bereits verordnet und ihre Anwendung vertraut, können sie bei wie auch immer gearteten Therapieausfällen und/oder Volumenzunahme überbrückend angewendet werden. Erstanwendungen jedoch setzen eine gute Einweisung und zumindest einmalige praktische Übung der Handhabung voraus, um suffiziente Ergebnisse zu erreichen [23] [24].
Limitationen und Bias
Es wurde eine reine Befragungsstudie durchgeführt. Grundsätzlich besteht hier eine Verzerrung dadurch, dass tendenziell Patient*innen, die ein Interesse an der Behandlung und Prävention ihrer Erkrankung haben, teilgenommen haben. So können die Angaben zu eigenem Engagement im Vergleich zur durchschnittlichen Population der Erkrankten abweichen. Auch wurden die Outcomes nur innerhalb einer Stichprobe longitudinal und mit patient*innenberichteten Outcome-Parametern gemessen. Ein Teil der Befragung bestand aus retrospektiv vorzunehmenden Bewertungen, sodass hier ebenso Verzerrungseffekte denkbar sind.
Übertragbarkeit
Die Stichprobe aus langjährigen Patient*innen einer spezialisierten Hochschulambulanz ist möglicherweise nicht ohne Weiteres auf die Grundgesamtheit aller Lymphödempatient*innen übertragbar, da einerseits tendenziell komplexere Fälle vorliegen könnten, andererseits die Informiertheit und Edukation hier umfangreicher ausfallen könnten.
Lymphödempatient*innen erlitten unter Pandemiebedingungen eine Abnahme der subjektiven Lebenszufriedenheit. Krankheitsspezifisch geht mit reduzierter Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen eine erhöhte Komplikationsrate einher. Telemedizinische Angebote können überbrückend wirksam sein, aber eine multiprofessionelle netzwerkbasierte Behandlung kann so nicht ersetzt werden.
Dieser Artikel wurde ins Englische übersetzt mit der freundlichen Unterstützung von:
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Bauerfeind AG
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Biolitec AG
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Chemische Fabrik Kreussler & Co. GmbH
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Julius Zorn GmbH
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medi GmbH & Co. KG
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Ofa Bamberg GmbH
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Villa Sana GmbH & Co. medizinische Produkte KG
Interessenkonflikt
ML, KS und AR geben an, Vortragshonorare erhalten zu haben (Julius Zorn GmbH). ML gibt an, Forschungdrittmittel erhalten zu haben (Lohmann & Rauscher GmbH)
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Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
18 August 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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