Der Arbeitskreis Forensik hat sich zuletzt unabhängig von allen pandemiebedingten
Widrigkeiten in Rostock getroffen und mit folgenden Themenschwerpunkten beschäftigt:
Aktuelle Situation und Umfrage der DGPPN
Angesichts verschiedener Medienbeiträge zum Maßregelvollzug in Berlin (unter anderem
Panorama und Online-Medien), die von massivem Fachkräftemangel und zunehmenden internen,
aggressiven Übergriffen von Patient*innen berichteten, hat die DGPPN eine kleine Arbeitsgruppe
von Expert*innen beauftragt eine Umfrage zur Situation in den Kliniken des Maßregelvollzuges
in Deutschland zu konzipieren. Insbesondere wurden Fragen zu personellen Engpässen,
Belegung, Zwischenfällen und räumlicher Ausstattung gestellt. Hieran haben sich zwischenzeitlich
mehr als die Hälfte der forensischen Kliniken beteiligt. Erste Ergebnisse zur Auswertung
werden gerade aufbereitet und können hoffentlich in naher Zukunft veröffentlicht werden.
Schwerpunkt § 64 StGB
Zur dringend notwendigen Reform des § 64 StGB (Überfüllung, Fehleinweisung, Fehlanreize)
gibt es Ergebnisse zweier Arbeitsgruppen. Die sogenannte Bund-Länder-Arbeitsgruppe
der zuständigen Ministerien hat nach einem umfangreichen Beratungsvorgang nun sogar
einen Vorschlag für eine Änderung des Gesetzestextes vorgelegt, im Wesentlichen mit
Vorschlägen zur Schärfung der Diagnose einer Substanz-Konsum-Störung, zum deutlicheren
Zusammenhang zum Delikt und zu möglichen Entlassungsfristen.
Eine Task Force der DGPPN hat noch weitreichendere Vorschläge ausgearbeitet, die so
weit gehen, dass die Anordnung der Unterbringung vorbehalten bleibt und erst nach
einer Motivationsphase in der Haft greifen kann, alles auch verbunden mit weiteren,
ähnlich inhaltlichen Präzisierungen wie die der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Zwischenzeitlich
hat das neue Bundesjustizministerium zumindest schon reagiert und angekündigt die
vorgeschlagenen Reformvorschläge aufzunehmen.
Eine Folge der Reform, in welcher Art auch immer sie umgesetzt würde, wäre sicherlich,
dass in jedem Fall die suchtspezifischen Behandlungsangebote der Justizvollzugsanstalten
erhöht werden müssten.
Schwerpunkt § 63 StGB
In weiten Teilen Deutschlands nehmen auch im Bereich der Unterbringung gemäß § 63
StGB und insbesondere gemäß § 126a StPO (analog zur Untersuchungshaft) die Anordnungen
deutlich zu. Die entsprechende Patient*innengruppe lässt sich ganz grob beschreiben
als psychose- und suchtkrank, mit bekannten, vorherigen Kontakten zur Allgemeinpsychiatrie,
ohne Krankheitseinsicht und Behandlungswillen und vor allem mit massiven, aggressiven
Auffälligkeiten. Viele Kliniken sind auch hier völlig überbelegt und leiden unter
Fachkräftemangel.
Zum Hintergrund wird vermutet, dass Themen wie Patient*innenautonomie, Selbstbestimmungsrecht
und durchaus auch neue Drogen hier eine wesentliche Rolle spielen, die dazu führt,
dass sich Behandlungszeiten in der Allgemeinpsychiatrie ungünstig verkürzen. Hinzu
kommt, dass auch in der Allgemeinpsychiatrie zunehmend aggressive Übergriffe von eben
nicht behandlungswilligen Patient*innen zu beobachten sind.
Die Problematik der Schnittstelle zwischen Forensik und Allgemeinpsychiatrie wird
mittlerweile in vielen Veranstaltungen diskutiert, wobei gute Lösungen rar sind.
Ausgehend von der Klinik Rostock ist nach jahrelanger Pause nun eine Wiederauflage
der Stichtagserhebung für die gemäß § 63 StGB untergebrachten Patient*innen geplant,
um auch hier, ähnlich wie im § 64er-Bereich, eine regelmäßige Datenbank zu erstellen,
die es ermöglicht Übersichten über zum Beispiel Diagnosespektren, Behandlungsdauern
und Delikte auch für Vergleiche und wissenschaftliche Auswertungen zur Verfügung zu
haben. Schließlich gibt es erste Überlegungen, die in eine Reform des § 63 StGB einfließen
könnten, aber hierzu liegen noch keine konkreten Vorschläge vor.
Verschiedenes
Neben den oben genannten Themen gibt es weitere Problembereiche, mit denen sich der
Arbeitskreis Forensik immer wieder beschäftigt hat.
Hierzu gehören die zunehmende Anzahl untergebrachter Patient*innen mit Migrationshintergrund
ohne Deutschkenntnisse, der erhebliche Dokumentationsaufwand bei der Beantragung von
Zwangsbehandlungen sowie die Problematik dauerisolierter Patient*innen.
Für die nächste Tagung des Arbeitskreises Forensik im Mai sind folgende Themenschwerpunkte
vorgesehen
-
Umgang mit digitalen Medien
-
Umgang mit Sexualität
-
Haft und psychische Erkrankung
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Schnittstelle Allgemeinpsychiatrie/Forensik: Prävention, best practice