Rofo 2022; 194(04): 431-432
DOI: 10.1055/a-1752-7436
DRG-Mitteilungen

„Langfristig zahlen sich Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit aus“

 

    Nachhaltigkeit ist im Gesundheitswesen als Thema längst angekommen. Meist wird es im Zusammenhang mit Kliniken und Krankenhäusern debattiert, doch wie sieht es damit in niedergelassenen Praxen etwa in der Radiologie aus? Darüber berichtet Prof. Dr. Henrik Michaely, Ärztlicher Leiter und CEO des MVZ Radiologie Karlsruhe sowie Vorsitzender des Forums niedergelassener Radiologen in der Deutschen Röntgengesellschaft (FuNRad), im Interview mit uns.


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    Professor Michaely, Sie sind im MVZ Radiologie Karlsruhe tätig und legen in Ihrer Praxis viel Wert auf Klima- und Umweltschutz. Warum?

    Professor Michaely: Zum einen liegt es an meiner persönlichen, sehr positiven Einstellung gegenüber den Themen Klima- und Umweltschutz. Zum anderen hat es auch etwa medizinische Gründe. Klimaschutz ist wichtig, um die Natur zu erhalten, aber auch die Gesundheit aller. Ein gesünderes Klima, weniger Abgase, gesündere Städte führen zu einem gewissen Grad auch zu weniger Erkrankungen.

    Könnten Sie unseren Leserinnen und Lesern konkrete Beispiele für Nachhaltigkeit in Ihrer Praxis nennen?

    Nachhaltigkeit in der Niederlassung hat viele Gesichter. Wir arbeiten zum Beispiel vornehmlich papierlos und digital. Das spart Ressourcen und führt auch zu einer effizienteren Organisation des Praxisalltags. Außerdem arbeiten wir ohne CDs, also hauptsächlich mit digitaler Befund- und Bildverteilung. So verringern wir den Rohstoffeinsatz deutlich, denn CDs gehen ja häufig in den Datenmüll. Ein anderes Beispiel für Nachhaltigkeit in unserer Praxis ist der Kontrastmittelverbrauch. Hier achten wir darauf, dass wir Kontrastmittel sparen und Bildgebungsmethoden verwenden, mit denen wir bei gleicher medizinischer Qualität – das ist immer die Voraussetzung – der Umwelt Gutes tun und gleichzeitig den Kontrastmittelverbrauch senken. Verbrauch senken ist ein gutes Stichwort, denn der Strombedarf in der Radiologie ist exorbitant hoch. Man geht davon aus, dass in der Niederlassung pro KV-Sitz circa 100 000 Kilowattstunden pro Jahr verbraucht werden. Zum Vergleich: Privathaushalte haben einen jährlichen Verbrauch von rund 3000 Kilowattstunden. Was wir in radiologischen Praxen verbrauchen, ist also erheblich. In unserer Praxis sparen wir „teuer“ ein durch die Anschaffung neuer und energiesparender Geräte, aber auch „günstiger“ durch Nachrüstungen unserer Geräte. Wir setzen auch kleinere Maßnahmen um und haben zum Beispiel Lampen ausgewechselt.

    Sie haben gerade erwähnt, dass Sie in Ihrer Praxis Geräte austauschen. Was geschieht mit den alten Geräten?

    Die alten Geräte werden in der Regel ausgebaut und entweder anteilig verwertet, also als Ersatzteile für noch bestehende Systeme verwendet, oder sie werden, je nach Alter, weiterverwendet in anderen Standorten, Ländern oder Praxen. Das hängt vom Gerätehersteller und dem Gerätealter ab. Je älter das Gerät ist, das ausgebaut wird, desto unwahrscheinlicher ist es, dass es noch irgendwo unterkommt. Je neuer das Gerät ist, desto eher kann es im Ganzen wiederverwendet werden.

    Ist es eine Alternative zum Austausch von Geräten, diese auf- oder umzurüsten?

    Ja und nein. Auf- und Umrüsten hört sich gut an. Das funktioniert auch in der Praxis häufig, aber nicht immer. Es kommt wie beschrieben auf den Hersteller, das Baujahr und auf das an, was dieser machen will. Ein Beispiel: Bei Magnetresonanztomografen können Sie die eigentlichen Magnete häufig lange behalten, denn sie verlieren nichts von ihrer Qualität. Die am Magneten angebrachten Bauteile, also etwa die HF-Generatoren oder Mess- und Empfangsteile, muss man aber bei der Umrüstung austauschen. Das ist ein umweltfreundlicher Weg, bei dem auch die Kosten für den Ein- und Umbau geringer ausfallen müssen.

    Wie schätzen Sie den finanziellen Aufwand für Maßnahmen der Nachhaltigkeit in der Niederlassung ein? Ergeben sich langfristig dadurch auch ökonomische Vorteile?

    Das Wort langfristig ist ganz wichtig. Ich denke, dass alles, was man in diesem Bereich macht, sich finanziell nicht kurzfristig positiv bemerkbar macht. Kurzfristig sind das immer Ausgaben, die man spürt. Aber: Langfristig zahlen sich Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit aus, etwa wenn man neue Geräte anschafft. Ein neues Gerät wird, wenn es weniger Strom verbraucht, über die Zeit einen günstigeren Betrieb anbieten. Bei der Stromversorgung selbst etwa haben wir vor Kurzem ein eigenständiges Gerät eingebaut, was einfach gesagt Spannungsschwankungen abfedert, so kurzfristig Strom speichert und wieder abgeben kann. Das senkt unseren Stromverbrauch im Durchschnitt um 15 Prozent. Das wird sich in acht Jahren amortisiert haben, was ein großer Zeithorizont ist. Es sind also etwas Langmut und Mittelbarkeit nötig, es geht nichts von heute auf morgen.

    Ist es Ihrer Ansicht nach schwerer oder leichter, Nachhaltigkeit in einer Niederlassung umzusetzen als etwa in der radiologischen Abteilung einer Klinik?

    Viel leichter! In meiner Zeit als Oberarzt am Institut für Klinische Radiologie in Mannheim habe ich gemerkt, dass man in einer Klinik relativ wenig Chancen hat, an der Haustechnik, am Einkauf und Ähnlichem etwas zu ändern. Ich glaube, in der Klinik kann man dann nachhaltig agieren, wenn sich die Klinik insgesamt Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen geschrieben hat. Wenn nicht, ist es schwer. In einer Praxis haben Sie mehr Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, etwa auf den Geräteeinkauf oder den Stromversorger und damit die Art von Strom, die Sie beziehen wollen.

    Über die ökologische Dimension hinaus umfasst Nachhaltigkeit auch eine soziale Ebene, etwa den Umgang mit Patientinnen und Patienten oder mit Mitarbeitenden. Wie setzen Sie hier Nachhaltigkeit um?

    Wir setzen die soziale Dimension von Nachhaltigkeit um, indem wir zum Beispiel Toleranz leben und als Unternehmen allen Mitarbeitenden offen gegenüberstehen. Wir wollen auch als bestmöglicher Versorger am Markt den Patientinnen und Patienten einen exzellenten Service bieten. Unser Anspruch ist es – auch wenn wir von Kriterien der Wirtschaftlichkeit getrieben sind – die medizinisch beste Qualität für alle unsere Pateinten zu liefern. Das ist, was wir unter sozial nachhaltig verstehen.


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    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    28. März 2022

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