Poddubnyy D.
et al.
Diagnosing axial spondyloarthritis: estimation of the disease probability in
patients with a priori different likelihoods of the diagnosis.
Rheumatology 2021;
60: 5098-5104
DOI:
10.1093/rheumatology/keab227
Diese Fragestellung veranlasste ein Forscherteam von der Berliner Charité
zu einer Untersuchung: Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler war es,
den diagnostischen Wert verschiedener Spondyloarthritis-Zeichen bzw.
Kombinationen von Zeichen in Populationen mit unterschiedlicher
A-priori-Wahrscheinlichkeit für eine axiale Spondyloarthritis zu
klären. Hierzu werteten die Forschenden Daten der OptiRef-Kohorte aus,
welche 361 Personen, die seit mindestens 3 Monaten unter chronischen
Rückenschmerzen litten und bei Symptombeginn jünger als 45 Jahre
alt gewesen waren, umfasste. 181 Personen waren von einer Ärztin oder
einem Arzt an die rheumatologische Abteilung der Charité
überwiesen worden und erfüllten die Vorgaben eines
entsprechenden Überweisungsinstruments (z. B. Vorhandensein
inflammatorischer Rückenschmerzen, HLA-B27-Positivität oder
Sakroileitis in der Bildgebung). Die übrigen 180 Personen waren dagegen
mithilfe eines Online-Screeninginstruments (www.bechterew-check.de)
rekrutiert worden. Alle Patientinnen und Patienten stellten sich in der Klinik
zu einer umfassenden rheumatologischen Untersuchung vor, die schließlich
in der Diagnose oder dem Ausschluss einer axialen Spondyloarthritis resultierte.
Nun berechneten die Forschenden für zahlreiche klinische, laborchemische
und bildgebende Parameter die Sensitivität, die Spezifität und
die positive und negative Likelihoodratio sowie die Nachtestwahrscheinlichkeit
im Hinblick auf die Diagnose axiale Spondyloarthritis.
Ergebnisse
Bei 71 (39,2%) der ärztlich überwiesenen und bei 35
(19,4%) der online rekrutierten Personen wurde eine axiale
Spondyloarthritis diagnostiziert. Diese Häufigkeiten werteten die
Forschenden als Vortestwahrscheinlichkeiten. Der diagnostische Wert der
einzelnen Spondyloarthritis-Zeichen variierte erheblich zwischen den beiden
Kohorten: Beispielsweise erhöhte die HLA-B27-Positivität die
Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer axialen Spondyloarthritis in
der Online-Screeninggruppe von 35 auf 55% und in der Gruppe der
ärztlich überwiesenen Personen von 22 auf 62%. Das
Fehlen der HLA-B27-Positivität resultierte dagegen im ärztlich
überwiesenen Kollektiv in einer Wahrscheinlichkeitsabnahme von 40 auf
6% und in der Online-Screeninggruppe von 20 auf 10%. Die
höchste Spondyloarthritiswahrscheinlichkeit bestand bei
Bildgebungsauffälligkeiten (z. B. radiografische Sakroileitis,
aktive Sakroileitis in der MRT). Kombinationen der Spondyloarthritis-Zeichen
hatten in den beiden Studienkollektiven eine unterschiedliche diagnostische
Relevanz. Die beobachteten Differenzen bezüglich des diagnostischen
Werts der Parameter in den beiden Gruppen war dabei nur bei einer geringen Zahl
positiver Testergebnisse klinisch von Bedeutung: Beispielsweise erhöhte
die Symptomkombination aus inflammatorischen Rückenschmerzen und
anteriorer Uveitis die Nachtestwahrscheinlichkeit bezüglich der axialen
Spondyloarthritis in der Online-Screeninggruppe auf 78% und in der
Gruppe der ärztlich überwiesen Personen auf 87%. Die
Kombination aus HLA-B27-Positivität, aktiver Sakroileitis in der MRT und
inflammatorischen Rückenschmerzen erhöhte die
Nachtestwahrscheinlichkeit dagegen in beiden Kollektiven auf etwa
95%.
Die Vortestwahrscheinlichkeit für eine axiale Spondyloarthritis
hängt vom Überweisungsweg ab, so das Fazit des Autorenteams.
Der diagnostische Wert einzelner Spondyloarthritis-Zeichen ist dabei
ebenfalls nicht unveränderlich, sondern variiert in
Abhängigkeit von den Eigenschaften der Patientengruppe –
insbesondere wenn nur wenige Parameter positiv ausfallen. Diese
Beobachtungen müssen bei der diagnostischen Abklärung
betroffener Personen berücksichtigt werden.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell