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DOI: 10.1055/a-1726-0645
Familiäres Ovarialkarzinom: Verwandten 1. Grades Gendiagnostik anbieten!
Authors
The Prevent Ovarian Cancer Program (POCP): Identification of women at risk for ovarian cancer using complementary recruitment approaches.
Gynecol Oncol 2021;
162: 97-106
DOI: 10.1016/j.ygyno.2021.04.011
Bis zu 20% der high-grade serösen Ovarialkarzinome entstehen auf der Basis erblicher Gendefekte, beispielsweise einer BRCA1/2-Mutation. Allerdings nehmen nur wenige weibliche Verwandte 1. Grades von Ovarialkarzinompatientinnen eine entsprechende Diagnostik in Anspruch. Kanadische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kontaktierten solche Frauen, um ihnen einen Multi-Gen-Panel-Test anzubieten. Nun berichten sie ihre Erfahrungen mit dem Programm.
Die Forscherinnen und Forscher identifizierten 564 Frauen mit einer Verwandten 1. Grades, die an einem high-grade serösen Ovarialkarzinom verstorben war. Eine genetische Testung war in keinem der Fälle – weder bei der Verstorbenen noch bei der Verwandten – erfolgt. Die Kontaktaufnahme mit den Frauen erfolgte auf 2 verschiedenen Wegen: Einerseits startete das Team eine öffentlichkeitswirksame Kampagne (z. B. Information der medizinischen Versorger, Presse, Fernsehen, soziale Medien), mit der sie Frauen dazu aufforderten, sich für die Studienteilnahme registrieren zu lassen. Das zweite Zielkollektiv bildeten Ovarialkarzinompatientinnen, die in der Vergangenheit an der Universität Toronto behandelt worden und mittlerweile verstorben waren. Über die Hausärztinnen und Hausärzte dieser Patientinnen stellte die Arbeitsgruppe nun den Kontakt zu den Familienangehörigen her. Die auf diese Weise rekrutierten Frauen beantworteten einen Onlinefragebogen und erhielten nach entsprechender Beratung ein Angebot zur Gendiagnostik: Wenn möglich wurde zunächst Tumorgewebe der Verstorbenen untersucht, ansonsten erfolgte die Testung anhand von Blutproben der Frauen. Die Forscherinnen und Forscher berichten nun, wie häufig mithilfe der beiden Rekrutierungsansätze pathogene Varianten in etablierten bzw. potenziellen Ovarialkarzinom-Risikogenen identifiziert wurden.
Ergebnisse
473 Frauen meldeten sich auf die Informationskampagne und 91 wurden über die Primärversorgerinnen und -versorger identifiziert. Die direkte Kontaktaufnahme gestaltete sich in vielen Fällen schwierig, berichten die Forscherinnen und Forscher: Meist deshalb, weil keine gültige Telefonnummer existierte. Die 564 Studienteilnehmerinnen waren im Schnitt 52,2 Jahre alt. Die verstorbenen Ovarialkarzinompatientinnen waren zum Diagnosezeitpunkt durchschnittlich 63,5 Jahre alt gewesen. 96% der Frauen erfüllten nicht die offiziellen Kriterien für eine Gendiagnostik. 97% der mithilfe der Aufklärungskampagne gewonnenen Frauen entschieden sich für die Gendiagnostik und 95% absolvierten die gesamte Studienintervention. Im Kollektiv der direkt rekrutierten Frauen war die Bereitschaft hierzu signifikant geringer (89 bzw. 87%). Insgesamt konnten von 528 Frauen aus 458 Familien Gendiagnostikergebnisse ausgewertet werden. Bei 44 Frauen identifizierten die Forscherinnen und Forscher pathogene Genvarianten. Deren Rate hing im Wesentlichen vom Alter der verstorbenen Verwandten bei der Ovarialkarzinomdiagnose ab: 9,4% der Frauen, deren Verwandte im Alter unter 60 Jahren erkrankt war, aber nur 3,9% der Frauen, deren Verwandte bei der Diagnose 60 Jahre oder älter gewesen waren, wiesen Mutationen in einem Ovarialkarzinom-Risikogen auf (p = 0,016). Die mithilfe der Aufklärungskampagne gewonnenen und die direkt kontaktierten Frauen hatten ähnlich häufig pathogene Genvarianten. 11 Teilnehmerinnen in entsprechendem Alter unterzogen sich einer prophylaktischen Salpingo-Oophorektomie und 52% der BRCA1/2-Mutationsträgerinnen erhielten eine bilaterale Mastektomie. Bei einer Patientin wurde im Rahmen der prophylaktischen Salpingo-Oophorektomie ein high-grade seröses Ovarialkarzinom im Stadium I diagnostiziert. Bei 2 BRCA2-Mutationsträgerinnen wurde ein Mammakarzinom mittels Magnetresonanztomografie entdeckt.
Weniger Frauen als erwartet wiesen pathogene Ovarialkarzinom-Genvarianten auf, so das Fazit der Autorinnen und Autoren. Angesichts der Studienergebnisse empfehlen sie, zumindest allen Frauen mit einer im Alter unter 60 Jahren an einem high-grade serösen Ovarialkarzinom verstorbenen Angehörigen 1. Grades eine genetische Abklärung anzubieten.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell
Publication History
Article published online:
11 March 2022
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