Gesundheitswesen 2022; 84(02): 97-106
DOI: 10.1055/a-1719-1072
Originalarbeit

Erfahrungen mit Versorgungsärzt*innen in der frühen COVID-19-Phase 2020 in Bayern – Befragung von Versorgungs- und Hausärzt*innen

Experiences with Regional Medical Coordinators in Ambulatory Care in the Early COVID-19 Phase 2020 in Bavaria: Survey of Regional Ambulatory Coordinators and General Practitioners
1   Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Technische Universität München Fakultät für Medizin, München, Germany
,
Jens Boris Schymura
1   Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Technische Universität München Fakultät für Medizin, München, Germany
,
Marion Torge
1   Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Technische Universität München Fakultät für Medizin, München, Germany
,
Bernhard Riedl
1   Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Technische Universität München Fakultät für Medizin, München, Germany
,
Peter Wapler
1   Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Technische Universität München Fakultät für Medizin, München, Germany
,
Anton Wartner
1   Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Technische Universität München Fakultät für Medizin, München, Germany
,
Florian Vorderwülbecke
1   Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Technische Universität München Fakultät für Medizin, München, Germany
,
Antonius Schneider
1   Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Technische Universität München Fakultät für Medizin, München, Germany
,
Klaus Linde
1   Institut für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Technische Universität München Fakultät für Medizin, München, Germany
› Author Affiliations
Funding Das Projekt wurde durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (Förderkennzeichen H.40001.1.7(DMS)-TUM-1) gefördert. Die fördernde Einrichtung hatte keinen Einfluss auf Planung, Durchführung, Auswertung und Interpretation.

Zusammenfassung

Ziel der Studie Im Rahmen des in Bayern festgestellten Katastrophenfalls in der frühen Corona-Phase 2020 wurden sog. Versorgungsärzt*innen (VÄ) für die ambulante Versorgung etabliert. Ziel der vorliegenden Befragungen war eine Bewertung dieser neu eingeführten, jedoch zeitlich begrenzten Position.

Methodik Im November 2020 wurde ein papierbasierter Fragebogen an alle 85 durch Internetrecherche identifizierbaren VÄ sowie an alle 197 hausärztlichen Lehrarztpraxen (HÄ) des Instituts für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung der TU München verschickt. Die Datenauswertung erfolgte deskriptiv und anonymisiert.

Ergebnisse Insgesamt konnten 75 (88%) VÄ und 156 (79%) HÄ eingeschlossen werden. 97% der VÄ und 67% der HÄ bewerteten die Einführung von VÄ als sinnvoll, jedoch auch als Eingriff in die ärztliche Selbstverwaltung (VÄ: 59% bzw. HÄ: 42%). 37% der HÄ äußerten, VÄ sollten im weiteren Verlauf der Pandemie möglichst vermieden werden. Bei intensiverem Kontakt zu VÄ zeigten sich auf hausärztlicher Seite insgesamt höhere Zustimmungswerte. Die Zusammenarbeit und Kommunikation mit Politik, Behörden und Kassenärztlicher Vereinigung Bayerns wurden von beiden Gruppen als schwierig und oft widersprüchlich bewertet. Zu differenzieren ist, dass VÄ die Kooperation mit Politik und Behörden auf lokaler Ebene, bspw. mit der Führungsgruppe Katastrophenschutz, mehrheitlich als positiv beurteilten. Der Mangel an Schutzausrüstung zu Pandemiebeginn wurde von beiden Befragungsgruppen kritisch gesehen.

Schlussfolgerung Die Etablierung von VÄ in Bayern in der frühen Corona-Phase 2020 wurde von fast allen VÄ und der Mehrheit der befragten HÄ für sinnvoll erachtet. Für die Zukunft scheint es notwendig, primärztliche Vertreter*innen stärker und dauerhaft in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und bestehende Strukturen zu stärken.

Abstract

Background During the state of emergency in Bavaria in the early Corona phase 2020, some physicians in ambulatory care were appointed as regional medical coordinators (RMCs). The aim of the present study was to evaluate this newly introduced but temporary position.

Methods In November 2020, a paper-based questionnaire was sent out to all 85 RMCs who could be identified through an internet research and to all 197 teaching practices of the Institute of General Practice and Health Services Research at the Technical University of Munich. The data analysis was descriptive and anonymised.

Results Overall, 75 (88%) RMCs and 156 (79%) general practitioners (GPs) were included. 97% of the RMCs and 67% of the GPs assessed the introduction of RMCs in ambulatory care as reasonable, but also as an intervention concerning the self-administration of physicians (RMCs: 59% and GPs: 42%). 37% of the GPs stated that RMCs should be avoided as far as possible in future pandemic situations. Overall, GPs with more intensive contact to an RMC showed higher levels of agreement. Both groups rated the collaboration and communication strategies of politics, authorities and the Bavarian Association of Statutory Health Insurance Physicians as difficult and often contradictory. However, most of the RMCs assessed the cooperation with politics and authorities at the local level as positive. The lack of medical protective equipment at the beginning of the pandemic was judged critically by both groups of the respondents.

Conclusions The establishment of RMCs in the early Corona phase 2020 in Bavaria was considered sensible by almost all RMCs and the majority of the surveyed GPs. For the future, it seems necessary to involve primary care physicians more intensively and permanently in decision-making processes and to strengthen existing structures.



Publication History

Article published online:
15 February 2022

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