physiopraxis 2022; 20(03): 60-62
DOI: 10.1055/a-1715-2636
Perspektiven

Bewerbertsunami – Moderne Personalakquise

Jessica Liers
,
Jan Bargfrede
 

Sie suchen Verstärkung für Ihr Team? Dann sollten Sie Ihre Suche an die Erwartungen der potenziellen Bewerbenden anpassen und sie dort abholen, wo sie sich befinden. Mit der richtigen Wahl der Kommunikationswege und der passenden Ansprache kann leicht ein Bewerbertsunami Ihre Praxis fluten – und Sie haben die Wahl, die am besten geeigneten Kandidat*innen für Ihr Team herauszusuchen.


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Die größten Chancen für eine große Welle an Bewerber*innen besteht, wenn Sie online nach ihnen suchen. Quelle: © S. Schhaf/Thieme

Es ist eine Herausforderung mit direkten Auswirkungen auf Therapie, Praxiserfolg und die eigene Zufriedenheit von Praxisinhaber*innen und Team: Die Gewinnung von neuen Mitarbeitenden gestaltet sich schwierig. Der Deutsche Verband Ergotherapie (DVE) etwa veröffentlichte im Juli 2021 eine Blitzstudie [1], an der jede*r zehnte niedergelassene Ergotherapeut*in teilnahm. Die Ergebnisse zeigen: 34 Prozent konnten in den vorangegangenen sechs Monaten freie Stellen nicht besetzen. 30 Prozent der Praxen mussten seit Anfang 2020 Stellen dauerhaft abbauen, da sie nicht besetzt werden konnten. Die Folgen sind fatal: Fehlen Mitarbeitende, werden weniger Leistungen erbracht und abgerechnet. Zudem sind Patient*innen mit langen Wartezeiten oder gar Absagen konfrontiert. So wird der Therapieprozess für Therapierende und Patient*innen langwierig und weniger erfolgreich und die Zufriedenheit aller Beteiligten sinkt, weil eine straff terminierte Therapie, die den Erfolg der Behandlung positiv beeinflussen könnte, nicht abgebildet werden kann.

Die aktuell Beschäftigten sind bei fehlender Stellenbesetzung oft hoch ausgelastet, arbeiten teilweise mehr, als sie gern möchten – und schauen sich womöglich selbst schon nach einer anderen Anstellung um: ein Teufelskreis.

Der Ausweg: Praxen müssen als Arbeitgeber mit neuen Initiativen Anziehungskraft entwickeln. Es gilt, aus der Mitarbeitersuche eine Mitarbeiteranziehung zu machen. Die Rechnung ist einfach: Wo viele suchen und wenige Bewerber*innen zur Verfügung stehen, gewinnt, wer die beste Akquise hat.

Die jungen Therapeut*innen von heute: Generation Z

Die Kolleg*innen, die nach der Ausbildung in den Praxisalltag starten, werden meist der Generation Z angehören. Um auch in Zukunft Talente für sein Unternehmen zu gewinnen, muss man am Puls der Zeit bleiben und lernen, wie der Nachwuchs tickt ([ABB. 1]).

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ABB. 1 Generationenvergleich Quelle: Jessica Liers

Mit der Generation Z haben Unternehmen es mit einer immer besser qualifizierten, umfassend informierten und daher selbstbewussten Arbeitnehmerschaft zu tun. Sie ist sich dem Hebel ihrer Macht bewusst: Ihr schafft Arbeitsplätze, aber wir wählen aus [2]. Zudem hilft es zu wissen, dass junge Therapeut*innen mit Menschen zusammenarbeiten wollen, von denen sie selbst noch etwas lernen können, die sie inspirieren. Menschen, mit denen sie sich persönlich weiterentwickeln können – und mit denen sie die nächste Stufe ihrer beruflichen und fachlichen Entwicklung erreichen können [3]. Argumente wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Berufsbekleidung, die gestellt wird, sind demgegenüber nicht mehr in gleichem Maße ausschlaggebend für eine Zusage seitens der Bewerbenden wie früher.


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Stellenausschreibungen – vergebens, aber leider nicht umsonst

Viele Praxisinhaber*innen stellen fest, dass ihre Stellenausschreibungen oft wenig Erfolg zeigen und sich nur wenige oder gar keine Bewerber*innen bei ihnen melden. Wenn das dann doch geschieht, dann fehlt die gewünschte Vielfalt und Auswahlmöglichkeit, um die Praxis optimal mit motivierten und fähigen Mitarbeitenden zu besetzen. Häufig führt dies zu einer gewissen Resignation und es wird stoisch weiter sogenanntes „Hoffnungsmarketing“ betrieben: Für Zeitungsannoncen werden oft beträchtliche Kosten akzeptiert. 500 Euro pro Monat für eine laufende Stellenausschreibung in der regionalen Tageszeitung sind keine Seltenheit [4]. Doch diese Ausgaben sind nicht selten schlicht vergebens.


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Abhebung durch moderne Mitarbeiterakquise

Aber ist das, was Praxisinhaber*innen schildern, wirklich der Fall? Ist der Markt „leergefegt“? Denn gleichzeitig gibt es auch Beispiele, in denen sich die Bewerbersituation deutlich besser gestaltet, wo Personal gefunden und langfristig gehalten werden kann. Selten hat dies etwas mit externen Faktoren zu tun. Es liegt nicht daran, wo die Praxis liegt, wie groß die Stadt ist oder wie der Stellenmarkt dort gestaltet ist. Stellenausschreibungen funktionieren in manchen Praxen schlicht besser und bringen einen ausreichenden Strom an interessanten Bewerber*innen, die optimal zur Praxis und dem bestehenden Team passen. Diese neuen Mitarbeitenden entwickeln sich in der Praxis dann weiter und bringen ihre eigenen Kompetenzen motiviert ein. Was machen diese Praxen anders?

Sie holen die Bewerber*innen dort ab, wo sie sich befinden. Sie finden eine optimale Ansprache, können die Bewerber*innen überzeugen und ihre Aufmerksamkeit auf die eigene Stellenausschreibung lenken, und zwar mit Ausschreibungsinhalten, die neben harten Fakten der Praxis auch weiche Faktoren transportieren, wie etwa die Atmosphäre und den therapeutischen Ansatz. Und es geschieht auf den richtigen Kommunikationswegen, dort wo die potenziellen Bewerber*innen sich informieren, nämlich digital. Die Praxen, die so werben, können die Vorteile der eigenen Praxis bestens herausstellen und damit die sich Bewerbenden überzeugen. Die Praxen machen schlicht „den Unterschied“ mit ihrer Art der Stellenausschreibung und erlangen Sichtbarkeit.

Erfolgreiche Praxen, die auch die Mitarbeiterakquise im Griff haben, erzeugen dann eine Aufwärtsspirale: Durch die Besetzung vakanter Stellen können mehr Leistungen abgerechnet werden, obwohl die einzelnen Mitarbeitenden weniger unter Druck stehen – von Inhaber*innen gar nicht zu sprechen! Die Mitarbeitenden sind zufriedener und gleichermaßen erleben die Patient*innen die Behandlung positiver.


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Praxisbeispiel: Website „Bewerbertsunami“

Wir brauchen also eine Stellenausschreibung, die innovativ, persönlich, individuell formuliert, möglichst digital und leicht zu erstellen ist. Außerdem soll sie mit möglichst wenig Kosten viele Therapeut*innen erreichen. Dazu habe ich mit meinem Team und einem Digitalisierungsexperten einen dreimonatigen Onlinekurs unter dem Titel „Bewerbertsunami – die Anleitung für den digitalen Bewerberprozess“ erstellt: Hier können Praxisinhaber*innen mithilfe von Videos und Workbooks Schritt für Schritt lernen, wie sie ihre vakanten Stellen online präsentieren und exakt ihre Zielgruppe mit der Reichweite des Internets ansprechen ([ABB. 2], S. 62).

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ABB. 2 Digitaler Bewerbungsprozess in drei Schritten Quelle: Jessica Liers

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Attraktivität der eigenen Praxis analysieren

Der „Bewerbertsunami“ führt in verschiedene Onlinetools ein, die für Praxen selbst einfach zu implementieren sein sollen und dennoch individuell die Vorzüge der Praxis bewerberorientiert aufnehmen können. Dazu analysieren Praxisinhaber*innen zuerst die Stärken ihrer Arbeit und arbeiten die Attraktivität ihrer Praxis heraus, ergänzt durch Best-Practice-Beispiele, die klare Inspiration und Orientierung geben. Ziel ist es, klar zu definieren: Womit macht meine Praxis einen Unterschied, was macht uns einzigartig und was habe ich neuen Mitarbeiter*innen zu bieten? Es gibt Inspirationen zu Formulierungen, die in der Ausschreibung verwendet werden können und genau auf die Ansprache der Generation Z abzielen. Foto- und Videoanleitungen helfen dabei, die eigenen Beschäftigten und Räumlichkeiten ansprechend zu repräsentieren – so haben zum Beispiel Videos des eigenen Teams in der Stellenausschreibung eine unglaubliche Wirkung: Potenzielle Bewerber*innen haben direkt ihre neue Kolleg*innen vor Augen, fühlen sich persönlich angesprochen und bekommen Informationen zur zukünftigen Arbeitsstelle von „Gleichgesinnten“ und nicht aus der Chefetage oder in der Zeitung.


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Technische Mittel kennenlernen

Unterstützung bei der technischen Umsetzung bieten Schritt-für-Schritt-Videoanleitungen. Mit vorgefertigten Baukästen und auf die Branche zugeschnittenen Vorlagen entsteht so eine digitale Stellenausschreibung, die Praxisinhaber*innen später dann selbstständig anpassen und pflegen können. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf der Wirkung und Nutzung der Ausschreibung: Bewerber*innen sollen sich nämlich in 60 Sekunden bewerben können. Per Kontaktformular oder einer Nachricht per WhatsApp (gern auch als Video) haben die potenziell zukünftigen Mitarbeiter*innen die Möglichkeit, direkt mit dem Smartphone auf die Ausschreibung zu reagieren und einen ersten Eindruck zu hinterlassen. Es entsteht kein Medienbruch, der die Entscheidung, sich zu bewerben, hinauszögert. Durch die „Bewerbung in 60 Sekunden“ werden Hürden wie hoch standardisierte und für die Bewerber mit Stress verbundene Bewerbungsanschreiben vermieden, die sowieso meist von anderen abgeschrieben werden. Und mit nur einem Klick ist die Bewerbung verschickt und schon bei Ihnen angekommen.


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Sichtbarkeit erreichen

Um einen ausreichenden Strom an Bewerbungen potenzieller Mitarbeiter*innen zu generieren, ist die Wahl der richtigen Kanäle von großer Bedeutung. Gemäß dem Motto „Wissen potenzielle Mitarbeiter*innen, dass es dich gibt?“ erhalten Praxisinhaber*innen Anleitungen, wie sie durch Social Media ihre Zielgruppe präzise erreichen und ihre Praxisattraktivität nach außen präsentieren. Die Videoanleitungen erklären, wie digitale Algorithmen für die Stellenbesetzung genutzt werden können. Ausschreibungen über die sozialen Medien zu verbreiten ist definitiv günstiger als eine Zeitungsannonce.


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Fazit

Die Digitalisierung von Bewerbungsprozessen ist heute klarer Anspruch der jungen Bewerber*innen. Dort, in digitalen Kontexten, suchen sie nach Hotels für den nächsten Urlaub oder anderen Informationen. Praxisinhaber*innen, die diesen Trend aufnehmen und die Stärken der digitalen Medien aufgreifen (Geschwindigkeit, Nähe und Kommunikation statt einseitiger Information), können sich hier Vorteile verschaffen bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden.

Jessica Liers, Jan Bargfrede

Podcast

Einen attraktiven Arbeitsplatz bieten

In der aktuellen Folge des Podcasts „Performance Skills“ sprechen Jessica Liers und Jan Bargfrede unter anderem darüber, mit welchen konkreten Mitteln Praxisinhaber*innen ihre Stellenausschreibungen attraktiver gestalten können. Außerdem thematisieren sie, welche Aspekte eines Jobangebots für potenzielle Arbeitnehmende ausschlaggebend dafür sind, sich um eine Stelle zu bewerben. Zudem kommt das komplexe Thema Fachkräftemangel zur Sprache und wie man ihm entgegenwirken könnte. physiopraxis wünscht viel Spaß beim Hören!


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Autor*innen

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Jessica Liers ist Ergotherapeutin und Inhaberin einer Ergotherapiepraxis in Paderborn.

Jan Bargfrede

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Jan Bargfrede ist Digitalisierungs- und Marketingxperte.

Gemeinsam haben sie den „Bewerbertsunami“ (Onlinekurs: www.bewerbertsunami.de, Seminar: www.innovative-ergotherapie.de/seminare) entwickelt.

Publication History

Article published online:
16 March 2022

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Jessica Liers ist Ergotherapeutin und Inhaberin einer Ergotherapiepraxis in Paderborn.
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Jan Bargfrede ist Digitalisierungs- und Marketingxperte.
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Die größten Chancen für eine große Welle an Bewerber*innen besteht, wenn Sie online nach ihnen suchen. Quelle: © S. Schhaf/Thieme
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ABB. 1 Generationenvergleich Quelle: Jessica Liers
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ABB. 2 Digitaler Bewerbungsprozess in drei Schritten Quelle: Jessica Liers