Arthritis und Rheuma 2022; 42(01): 51-53
DOI: 10.1055/a-1700-4061
Verbandsnachrichten

Nachrichten des Verbandes Rheumatologischer Akutkliniken e. V.

Wolfgang Fiori
1   DRG-Research-Group, Roeder & Partner Ärzte PartG, Senden
,
Heinz-Jürgen Lakomek
1   DRG-Research-Group, Roeder & Partner Ärzte PartG, Senden
,
Norbert Roeder
1   DRG-Research-Group, Roeder & Partner Ärzte PartG, Senden
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Krankenhausplanung und Krankenhausfinanzierung Teil I – Ein Blick in die Zukunft auch der akutstationären Rheumatologie

Bereits seit 2003 wird in Deutschland das G-DRG-System zur Finanzierung der Betriebskosten der Krankenhäuser genutzt. Auch wenn die Fallpauschalierung zu einer deutlichen Steigerung der Effizienz in der medizinischen Leistungserbringung beigetragen hat, ist ein möglicherweise erhoffter Strukturwandel bislang jedoch ausgeblieben. Die an das G-DRG-System gestellten Erwartungen mussten immer wieder korrigiert werden. Inzwischen existiert ein hoch komplexes Vergütungssystem, dessen Anwendung in der Praxis ressourcenintensiv ist. Allenthalben werden Fehlanreize des Vergütungssystems thematisiert. Eine adäquate Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser durch die dafür verantwortlichen Bundesländer erfolgt weiterhin nicht. In dieser Situation hat die COVID-19-Pandemie das Land und die Krankenhausversorgung getroffen.

Bereits vor dieser Pandemie stagnierten die stationären Fallzahlen. Bei hohen Vorhaltekosten bedarf es in der Logik der Fallpauschalierung steigender Fallzahlen und Erlöse, um steigende Kosten zu kompensieren. Skaleneffekte führen zu einer Fixkostendegression und damit zu einer wirtschaftlicheren Leistungserbringung. Die Möglichkeiten zum Fallzahlwachstum und zur Realisierung von Mengeneffekten sind jedoch regional und in Anhängigkeit vom Leistungsangebot eines Krankenhauses unterschiedlich. In bevölkerungsreichen Regionen führte die Fallpauschalierung zu stärkerem Wettbewerb und – wenn die ebenfalls zu beachtenden Aspekte der freien Krankenhauswahl, der Trägervielfalt, des Qualitätswettbewerbs und des Kartellrechts nicht dagegen sprachen – zu einem Konzentrationsprozess, der sich sogar positiv auf die Versorgungsqualität auswirken könnte. Im ländlichen Bereich hingegen führten Schließungen von kleineren, unter den Bedingungen der Fallpauschalierung nicht mehr wirtschaftlich zu betreibenden Leistungssegmenten und Krankenhaustandorten zu längeren Fahrzeiten für Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen. Auch ein positiver Einfluss auf die Versorgungsqualität kann in der Grundversorgung und bei Notfällen nicht zwangsläufig unterstellt werden. Letztlich führte die fehlende gezielte Steuerung der Krankenhausstrukturen in einem rein über Durchschnittpreise anreizgesteuerten System dazu, dass auch versorgungsnotwendige Strukturen aus wirtschaftlichen Gründen ausschieden. Auf der anderen Seite konnten auch nicht versorgungsnotwendige Strukturen in bevölkerungsstarken Regionen durchaus gut wirtschaftlich überleben. Zudem sahen sich viele Krankenhäuser gezwungen, medizinische Angebote auszubauen, um mehr Patientinnen und Patienten zu gewinnen. Gerade undifferenzierte Versorgungsaufträge in den bedeutenden Gebieten der Inneren Medizin und Chirurgie lassen hier den Krankenhäusern einen relativ großen Spielraum.

Durch die COVID-19-Pandemie kam es nun zu einem beachtenswerten Einbruch der stationären Fallzahlen. Dieser betraf zwar nahezu alle Krankenhäuser, aber auch hier waren kleinere Krankenhäuser stärker betroffen als größere. Nach Analysen von Busse und Nimptsch betrug die Auslastung der deutschen Krankenhäuser im ersten Halbjahr 2021 im Durchschnitt nur noch 63,9 %, während sie vor der Pandemie (2019) noch bei 76,6 % lag [1]. Nun stellt die Refinanzierung von Vorhaltung über die Inanspruchnahme (unabhängig davon, ob über eine Fallpauschalierung, tagesgleiche Pflegesätze oder tagesbezogene Pflegeentgelte) keine adäquate Finanzierung in Pandemiezeiten dar, in denen Krankenhäuser aufgefordert werden, Kapazitäten frei zu halten und Patienten und Patientinnen auch unabhängig davon Krankenhäuser meiden. Entsprechend wurden vom Gesetzgeber 2020 und 2021 Ganzjahresausgleiche, die sich am Umsatz 2019 orientieren, etabliert und parallel Maßnahmen zur Liquiditätssicherung ergriffen. Aber auch nach der Pandemie ist nicht mehr damit zu rechnen, dass die Fallzahlen wieder das Niveau von vor der Pandemie erreichen. Unweigerlich stellt sich so die Frage nach notwendigen Kapazitätsanpassungen und einer anderen Form der Krankenhausfinanzierung.

Eine Auswertung für rheumatologische Krankheitsbilder und Behandlungen bestätigt den Fallzahlrückgang auch für die Rheumatologie. 2020 gingen die Fallzahlen bei typischen rheumatologischen Hauptdiagnosen von 15 bis über 30 % zurück. Fallzahlgewichtet lag der Rückgang bei über 20 % und damit nochmals deutlich über dem Rückgang der Fallzahlen, die Busse/Augurzky [2] in ihrer Analyse im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) für alle Krankenhäuser in Deutschland festgestellt haben. Für die rheumatologische Komplexbehandlung betrug der Fallzahlrückgang sogar über 30 %[ 1 ]. Damit wird es voraussichtlich auch für rheumatologische Kliniken schwer, zukünftig noch ihre Vorhaltekosten über die Leistungserbringung zu erwirtschaften.

Unabhängig von den rückläufigen Fallzahlen stellt der zunehmende Fachkräftemangel, insbesondere bei Pflegekräften, für die Krankenhäuser eine erhebliche Herausforderung dar. Selbst wenn die Fallzahlen wieder steigen würden, ist es nicht unwahrscheinlich, dass zumindest regional der Fachkräftemangel zukünftig leistungsmengenbegrenzend wirken wird. Die Rheumatologie gehört eher zu den wenig pflegeintensiven Fachgebieten. Aber auch im Bereich der fachärztlichen und therapeutischen Ausstattung ist mit zunehmenden Personalengpässen zu rechnen. Trotzdem fallen rheumatologische Abteilungen aufgrund der Ausweitung der Pflegepersonaluntergrenzen und wenig spezifischer Listen von Indikatoren-DRGs der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) zunehmend unter die Regelungen für die pflegesensitiven Bereiche der Inneren Medizin und/oder Orthopädie. So müssen sie, auch wenn die hohe Pflegepersonalausstattung aus medizinischer Sicht nicht dringlich benötigt wird, dennoch hohe Pflegepersonalvorhaltungen gewährleisten und werden damit in der Praxis mittelbar doch stärker vom Pflegepersonalmangel tangiert.

Fallzahlrückgang, niedrige Auslastung bei gleichbleibender oder sogar steigender notwendiger Personalvorhaltung, zunehmender Fachkräftemangel, unzureichende Investitionen in Krankenhausstandorte und nicht zuletzt auf Seiten der Krankenkassen sinkende Einnahmen bei trotzdem steigenden Ausgaben legen eine Reduktion der Krankenhausstandorte als sinnvollste und dringliche Maßnahme nahe. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat die Notwendigkeit anerkannt und wehrt sich nicht mehr gegen eine Strukturreform, die auch die Schließung von Krankenhausstandorten umfasst [3]. Es geht daher nicht mehr um das ob, sondern im Wesentlichen nur noch um das wie und bis wann…

Sollen bei einer gesteuerten Strukturreform weiterhin flächendeckend stationäre Versorgungsangebote aufrechterhalten werden, bedarf es zusätzlich einer Reform der Betriebskostenfinanzierung, die derzeit überwiegend über das G-DRG-System erfolgt. Würden Vorhaltekosten für bedarfsnotwendige Krankenhäuser stärker unabhängig von der Inanspruchnahme finanziert, könnte auch der einer Fallpauschalierung inhärente Zwang und Anreiz zur Mengensteigerung reduziert werden. Last but not least würde eine Strukturreform mit Reduktion der Krankenhausstandorte auch mittelfristig die Investitionskostenfinanzierung der Bundesländer entlasten, da in weniger Standorte investiert werden müsste. Zunächst einmal kosten aber Strukturveränderungen Geld. Krankenhäuser können nicht von einem auf den anderen Tag geschlossen werden und verbleibende Krankenhäuser müssen unter Umständen zuerst in Personal und Struktur investieren, um die Leistungen von geschlossenen Standorten zu übernehmen. Die Erfahrungen aus der ungeordneten Schließung von Geburtshilfen hat gezeigt, dass ein solcher Prozess koordiniert vonstattengehen sollte.


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Was plant die Bundesebene?

Bereits im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 zeichnete sich ab, dass die Probleme von den meisten Parteien erkannt und in ihren Parteiprogrammen adressiert wurden. Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung finden sich allerdings noch wenig konkrete Ansätze, wie in der kommenden Legislaturperiode auf die Probleme reagiert werden soll [4]. Im Hinblick auf die Krankenhausstrukturen und -finanzierung wird ein „Bund-Länder-Pakt“ ins Spiel gebracht. Weitere Detailregelungen sind durch eine kurzfristig einzusetzende Regierungskommission zu entwickeln. Diese soll Empfehlungen und insbesondere „Leitplanken“ für eine auf Leistungsgruppen und Versorgungsstufen basierende und sich an Kriterien wie der Erreichbarkeit und der demografischen Entwicklung orientierende Krankenhausplanung erarbeiten. Ein Einstieg des Bundes in die Investitionsfinanzierung findet sich hingegen nicht im Koalitionsvertrag. Die Regierungskommission soll jedoch auch Empfehlungen für eine Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung vorlegen, die das bisherige System um ein nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt. Für geeignete Leistungen soll „zügig“ eine sektorengleiche Vergütung über sogenannte Hybrid-DRGs eingeführt werden. Bevölkerungsbezogene Versorgungsverträge (Gesundheitsregionen) sollen attraktiver werden.

Es ist bereits jetzt absehbar, dass die Krise, auf die die Krankenhäuser bereits 2022 und 2023 zusteuern, mit diesen Maßnahmen nicht gelöst werden kann. Bund-Länder- und Regierungskommissionen zur Krankenhausplanung und -finanzierung gab es bereits in den letzten beiden Legislaturperioden – mit bescheidenen Ergebnissen. Unabhängig davon dauert es, bis Regierungskommissionen Empfehlungen vorlegen und diese in Gesetzesvorhaben einfließen können. Auch die Umsetzung neuer Regelungen wird Zeit brauchen. Vieles spricht daher dafür, dass Maßnahmen zu Veränderungen der Krankenhaustrukturen und des Vergütungssystems, die aus Empfehlungen der Regierungskommission resultieren, frühestens zum Ende der Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden können. Ebenfalls eine Erkenntnis aus der letzten Legislaturperiode – beispielsweise der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem G-DRG-System – ist, dass Veränderungen an den Vergütungssystemen Zeit benötigen und in der Übergangsphase finanziell abgesichert werden sollten. Kurzfristige Lösungen dürften daher von der Bundesebene nicht zu erwarten sein. Nach dem Koalitionsvertrag soll eine bedarfsgerechte und auskömmliche Finanzierung auch zunächst nur für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe kurzfristig umgesetzt werden. Fraglich ist eher, ob noch Reformen aus der letzten Legislaturperiode ihre Wirkung entfalten werden. Dies könnte beispielsweise auf den neuen Katalog ambulant durchführbarer Operationen, sonstiger stationsersetzender Eingriffe und stationsersetzender Behandlungen nach § 115b SGB V zutreffen, sofern die Weiterentwicklung nicht bis zur geplanten Einführung der Hybrid-DRGs auf das gesetzlich Notwendigste reduziert wird.

Werden in einem bundesweiten Vergütungssystem Vorhaltekosten unabhängig von der Inanspruchnahme finanziert, sollte vorher bestimmt werden, welche Vorhaltekosten auch bedarfsnotwendig sind. Überkapazitäten und regional redundante Strukturen sollten nur sehr bedingt gefördert werden. Trägervielfalt und Auswahlmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten sind allerdings bislang unbestrittene Grundsätze der Krankenhausplanung. Notwendig wäre es, vor oder zumindest parallel zur Anpassung des Vergütungssystems eine Strukturreform der Krankenhausversorgung auf den Weg zu bringen. Dies hat der Bundesgesetzgeber erkannt.

HINWEIS

Der Beitrag wird in den VRA-Verbandsnachrichten in der folgenden Ausgabe 2/2022 fortgeführt.

Dr. med. Wolfgang Fiori, DRG-Research-Group, Roeder & Partner Ärzte PartG, Senden

Prof. Dr. med. Heinz-Jürgen Lakomek, Geschäftsführer VRA

Prof. Dr. med. Norbert Roeder, DRG-Research-Group, Roeder & Partner Ärzte PartG, Senden

IMPRESSUM

Verantwortlich für den Inhalt

Prof. Dr. med. Heinz-Jürgen Lakomek

Geschäftsführer, Verband rheumatologischer Akutkliniken e. V. E-Mail: lakomek@vraev.de


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1 Die Ergebnisse der Analysen für die Rheumatologie werden in einer getrennten Veröffentlichung differenziert vorgestellt.



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Publication History

Article published online:
25 February 2022

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