Nervenheilkunde 2022; 41(03): 124-134
DOI: 10.1055/a-1690-0322
Editorial

Corona-Leugner und Impfgegner

Angst und Frustration, Filterblasen und Verschwörungen, überwertige Ideen, Wahn?
Manfred Spitzer
 

Seit mehr als 2 Jahren verschlägt eine globale SARS-CoV-2-Pandemie den Menschen den Atem – mit bislang weltweit mehr als einer Drittelmilliarde Infektionen, mehr als 5,6 Millionen an und mit COVID-19 Verstorbenen, und derzeit täglich auf neue Rekordhöhen ansteigenden Infektionszahlen (Stand: 26.1.22). Glücklicherweise gibt es seit mehr als einem Jahr[ 1 ] eine neue Klasse sehr wirksamer Impfstoffe und in einem beispiellosen Tempo erfolgten zwischenzeitlich etwa 10 Milliarden Impfungen weltweit.[ 2 ] An den Grundlagen zu diesen Impfstoffen wurde mehr als 20 Jahre lang geforscht. Wie es sich darstellt, ist ihr Wirkungsmechanismus sicherer als die früheren Generationen von Impfstoffen, ihre Wirkung effizienter und die Nebenwirkungen geringer. Langzeitfolgen der Impfung sind aufgrund des neuen Wirkprinzips, dass man zunächst für Krebstherapien erforscht hat, nicht zu erwarten, denn die Wirkung erfolgt über einen Botenstoff – messenger-RNA, der überhaupt nur deswegen Botenstoff ist, weil er schnell abgebaut wird (und eben gerade nicht lange im Körper verbleibt). Die Langzeitfolgen der Krankheit COVID-19 dagegen, die auch bei jungen Menschen und nach zunächst leicht verlaufender Infektion auftreten können, sind mitunter schwerwiegend. Man spricht mittlerweile von „Long-Covid“, was über Monate andauernde Abgeschlagenheit, verminderte Aufmerksamkeit, reduzierte Fähigkeit zum Denken und vor allem allgemeine Leistungsminderung (Arbeitsunfähigkeit) und Leid bedeutet.

Angesichts dieser Situation erscheint zunächst völlig unverständlich, warum in Deutschland und Europa noch immer viele Menschen behaupten, die Infektion mit dem Corona-Virus sei ungefährlich oder sogar, es gäbe sie gar nicht, und als Konsequenz die Impfung verweigern. Sie gehen auf die Straße, um zu demonstrieren, Randalierer mischen sich oft darunter, und im Fernsehen sind Szenen zu sehen, die aussehen wie Bürgerkrieg. Würde es sich hier um einige wenige handeln, gäbe es keinen Anlass für eine weitere Diskussion. Es sind aber seit Monaten in den verschiedensten Städten Tausende Menschen. Am 22.1.22 demonstrierten beispielsweise in Brüssel 70 000 gegen die Maßnahmen der Regierungen Europas zur Eindämmung der seit Wochen in nicht dagewesenem Ausmaß ansteigenden Infektionen mit SARS-CoV-2. Der soziale Frieden und vor allem der soziale Zusammenhalt in Gesellschaften im Herzen Europas scheint gefährdet. Dabei ist sich die Wissenschaft darüber einig, dass es erstens SARS-CoV-2 tatsächlich gibt und dass zweitens Impfen ganz allgemein zu den Erfolgsgeschichten der Medizin gehört: Schwere Krankheiten wie Kinderlähmung und Pocken sind verschwunden und viele andere Krankheiten haben ihren Schrecken verloren. Warum also kommt es dann zu diesen Ausschreitungen, die von Hass gegen die Obrigkeit („das System“) und Misstrauen gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen einerseits und Ärzten andererseits getragen werden, obwohl Wissenschaft und Medizin ansonsten die höchsten Vertrauenswerte haben. Wer ein Auto oder Flugzeug besteigt, über eine Brücke läuft oder sich operieren lässt, tut dies nur aufgrund dieses Grundvertrauens.

Ganz offensichtlich läuft etwas aus dem Ruder! Warum? Warum nicht schon bei früheren Krisen und anderen Impfungen? Warum jetzt und warum gerade hier in Europa? Wer sind diese Leute?

Wer ist Corona-Leugner oder Impfgegner?

Es muss an dieser Stelle betont werden, dass es unter den Menschen, die z. B. an „Corona-Demonstrationen“ teilnehmen, Unterschiede in der „Breite“ und Stärke der Corona-Skepsis gibt. Viele Menschen möchten sich einfach nur wieder ungehinderter miteinander treffen und austauschen – ein sehr gesundes und nachvollziehbares Bedürfnis. Andere sind nicht generell gegen die Impfung, sondern nur gegen den Impfzwang, was aus meiner Sicht durchaus begründbar ist. Wieder andere sind mit einzelnen Aspekten der Maßnahmen gegen die Verbreitung des Erregers SARS-CoV-2 nicht einverstanden oder weisen auf Inkonsistenzen hin. Einzelne Menschen (und das ist sicher eine kleine Minderheit) bereiten sich jedoch auf den Weltuntergang vor, besorgen Waffen, horten Nahrungsmittel und glauben tatsächlich daran, dass die Vernichtung der Menschheit unmittelbar bevorstehe.

Trotz der mit Sicherheit vorliegenden großen Heterogenität der Sichtweisen und Meinungen im Hinblick auf die Besonderheiten und das Ausmaß von Skepsis gegenüber der Corona-Pandemie, den ergriffenen Maßnahmen und der Impfung liegen zu diesem weltweit Dutzende von Studien vor, von denen einige in [ Tab. 1 ] zusammenfassend für eine bessere Übersicht zu deren Ergebnissen dargestellt wurden. Menschen, die entweder die Gefahren durch SARS-CoV-2 leugnen oder sogar dessen Existenz, fühlen sich weniger informiert, haben weniger Vertrauen in die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus, und verhalten sich in geringerem Maße nach den Sicherheitsvorschriften der Behörden, wie eine Befragung von 3487 Personen im Alter von 35 bis 45 Jahren im November 2020 während des zweiten Lockdowns ergab [36]. Interessanterweise waren Ängste vor dem Corona-Virus bei Leugnern und Nichtleugnern gleich stark ausgeprägt, generalisierte Ängste (p = 0,004) und Depressionen (p < 0,0001) waren bei Leugnern dagegen signifikant erhöht. Die Autoren vermuten, dass dies durch den erlebten Kontrollverlust in Corona-Zeiten sowie durch einen geringeren Wissensstand bedingt sein könnte.

Tab. 1

Studien zu Corona-Skeptikern und Impf-Skeptikern im Vergleich zu Kontrollprobanden.

Autor/Jahr

Land, wann (n)

Wer (n)

Wesentliche Ergebnisse

Teufel et al. 2021

Deutschland November 2020

Corona-Skeptiker (434), Kontrollen (3053)

Angst vor Corona bei Corona-Skeptikern und Kontrollen gleich; generalisierte Ängste und Depressionen hingegen bei Corona-Skeptikern größer als bei Kontrollen

Janssens et al. 2021

Deutschland, Dezember 2020 (2305); Februar 2021 (3501)

Mitarbeitende im Gesundheitswesen

Zustimmung zur Impfung von 85,2 % auf 92,1 % angestiegen (p < 0,001); Impfbereitschaft von 63,8 % auf 75,9 % angestiegen (p < 0,001); geringer bei Frauen, Pflegekräften und Alter unter 45 Jahren

Kose et al. 2020

Türkei, September 2020

Mitarbeitende im Gesundheitswesen (1138)

Zustimmung zur Impfung höher bei Männern, Studenten, jüngeren Menschen und Menschen, die sich bereits gegen Influenza impfen ließen

Kwog et al. 2021

Hongkong

Pflegepersonal (1205)

Impfbereitschaft 63 %; bei jüngerem Alter, mehr Vertrauen, weniger Selbstzufriedenheit und mehr kollektive Verantwortung vergleichsweise höher

Dror et al. 2020

Israel

Pflegepersonal und Allgemeinbevölkerung (1661)

Impfbereitschaft bei Ärzten 78 %, Pflegekräften 61 %, Allgemeinbevölkerung 75 %

Sirikalyanpaiboon et al. 2021

Thailand 31.3.–30.4.2021

Ärzte (705)

Impfbereitschaft 95,6 %

Gagneux-Brunon et al. 2021

Frankreich 26.3.–2.7.2020

Mitarbeitende im Gesundheitswesen (2047)

Impfbereitschaft: 77 %. Höher bei Männern, höherem Alter, Angst vor COVID-19, wahrgenommenem letztjähriger Grippeimpfung. Krankenschwestern weniger impfbereit als Ärzte

Gadoth et al. 2021

Los Angeles, USA

Mitarbeitende im Gesundheitswesen (1069)

Ärzte haben eine signifikant höhere Impfbereitschaft als das Pflegepersonal. Personal im Alter von über 50 Jahren ist eher impfbereit als jüngeres Personal

Bauernfeind et al. 2021

Deutschland

Mitarbeitende im Gesundheitswesen (2454)

Impfbereitschaft 59,6 %; geringer bei Frauen, Jüngeren Mitarbeitern ohne Kontakt mit COVID-19-Patienten und Pflegekräften (53,3 %) im Vergleich zu Ärzten (82,7 %)

Turbat et al. 2022

Mongolei; Februar bis April 2021

Mitarbeitende im Gesundheitswesen (238)

93,7 % für Impfplicht, mehr als in der Allgemeinbevölkerung (77,8 %); Impfbereitschaft 67,2 %, geringer bei jüngeren Mitarbeitern

Ulbrichtova et al. 2021

Slovakai;

30.8.–30.9.2021

Mitarbeitende im Gesundheitswesen (1277)

84,3 % geimpft, 15,3 % ungeimpft. Impfbereitschaft höher bei Ärzten, bei gegen Influenza bereits Geimpften; geringer bei Pflegekräften und Personen, die bereits COVID-19 hatten

Kumar et al. 2021

Qatar; 5.10.–15.11.2020

Allgemeinbevölkerung (6275) und Mitarbeitende im Gesundheitswesen (1546)

Impfskepsis bei 12,9 %, in beiden Gruppen ähnlich; bei Frauen höher; mehr Wissen bewirkt höhere Impfbereitschaft

Martin et al. 2021

Großbritannien

Mitarbeitende im Gesundheitswesen (19044)

Impfquote bei weißen Mitarbeitern (70,9 %) signifikant höher als bei anderen ethnischen Gruppen (Südasiaten: 58,9 %, Schwarze: 36,8 %); Impfquote zudem geringer bei Jüngeren, Frauen, Schwangerschaft und bei geringerem Einkommen („more deprivation“)

Zürcher et al. 2021

Schweiz

Mitarbeitende im Gesundheitswesen (3793)

Impfbereitschaft 39,8 %; unsicher 29,4 %, Ablehnung 30,8 %. Ärzte: 76,1 %; Pflegepersonal 27,8 %; höher bei Älteren und bereits gegen Influenza Geimpften

Dzieciolowska et al. 2021

Kanada; Dezember 2020

Mitarbeitende im Gesundheitswesen (2761)

Impfbereitschaft 80,9 %; geringer bei Frauen, Pflegepersonal und Alter unter 50 Jahren

Elsayed et al. 2022

Ägypten; März bis April 2021

Junge gut ausgebildete Erwachsene (968)

Impfbereitschaft 32,85 %; geringer bei Frauen und Arbeitslosen, höher bei ländlicher Bevölkerung

Eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Eschweiler, Hamburg, Aachen, Köln, Bonn und Regensburg untersuchte die Einstellung zur Impfung gegen SARS-CoV-2 von deutschen Krankenhausmitarbeitern vor (n = 2305) und nach (n = 3501) Beginn der Impfungen mittels zweier Umfragen im Dezember 2020 und Februar 2021 [15]. Die Einschätzung der Bedeutung der Impfung für eine wirkungsvolle Eindämmung der Corona-Pandemie stieg von Dezember bis Februar von 85,2 % auf 92,1 % an. Im Vergleich zu Männern schätzten Frauen die Bedeutung der Impfung geringer ein, nicht jedoch Ärztinnen, die im Vergleich zu anderen weiblichen Berufsgruppen die Impfung deutlich positiver bewerteten. Auch die Befragten mit einem Lebensalter von unter 55 Jahren waren eher skeptisch. Was die Impfbereitschaft anbelangt, so zeigte sich ebenfalls eine Zunahme von Dezember 2020 bis Februar 2021. Dabei war die Impfbereitschaft bei Frauen, Pflegekräften und Befragten unter 45 Jahren signifikant geringer.

Eine Befragung mittels Fragebogen über Google Forms und soziale Medien von 1138 türkischen Mitarbeitern im Gesundheitswesen im September 2020 ergab eine Impfbereitschaft gegen SARS-CoV-2 von 69 % [18]. Männer, Studenten, jüngere Mitarbeiter und diejenigen, die bereits eine Grippe-Impfung erhalten hatten, waren vergleichsweise eher bereit, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen.

Eine Umfrage aus Hongkong zur Impfbereitschaft des Pflegepersonals gegen COVID-19 an 1205 Mitarbeitern im Krankenpflegedienst (90 % weiblich; Durchschnittsalter 41 ± 10 Jahre) im April 2020 (also während der ersten Welle) ergab eine Impfbereitschaft von 63 % [20]. Eine höhere Impfbereitschaft zeigte sich bei jüngerem Alter, mehr Vertrauen, weniger Selbstzufriedenheit und mehr kollektiver Verantwortung. COVID-19-bezogene Anforderungen wurden mit größerem Arbeitsstress und daher mit einer stärkeren COVID-19-Impfabsicht in Verbindung gebracht.

In Israel wurde im März 2020 eine Online-Umfrage unter 1661 Personen (338 Ärzte, 211 Pflegekräfte sowie 1112 Personen aus der Allgemeinbevölkerung) zur Akzeptanz zukünftiger Impfungen gegen SARS-CoV-2 durchgeführt [9]. Eine Impfbereitschaft bestand bei 78 % der Ärzte, 61 % der Pflegekräfte und 75 % der Allgemeinbevölkerung. Weiterhin wurde gefunden, dass das mit der Betreuung von COVID-19-positiven Patienten befasste Gesundheitspersonal, und Personen, die sich selbst als krankheitsgefährdet einschätzen, mit größerer Wahrscheinlichkeit eine COVID-19-Impfung befürworten. Im Gegensatz dazu wiesen Eltern, Krankenschwestern und nicht mit der Betreuung von SARS-CoV-2-positiven Patienten betrautes medizinisches Personal, eine geringere Impfbereitschaft auf.

Zwischen dem 26. März und dem 2. Juli 2020 (also ebenfalls während der ersten Welle) wurden in Frankreich 2047 Mitarbeitende im Gesundheitswesen zu ihrer Impfbereitschaft im Hinblick auf eine künftige Impfung befragt. Insgesamt entschieden sich 77 % für eine Impfung [14]. Höheres Alter, männliches Geschlecht, Angst vor COVID-19, das wahrgenommene individuelle Risiko und die Grippeimpfung in der vorangegangenen Saison prädizierten eine höhere COVID-19-Impfbereitschaft. Krankenschwestern waren weniger impfbereit als Ärzte. Kalifornische Mitarbeitende im Gesundheitswesen (n = 609) gaben in 67 % der Fälle an, aufgrund von Bedenken eine Impfung gegen SARS-CoV-2, sollte sie denn irgendwann verfügbar sein, eher zeitlich nach hinten zu verschieben [13]. In 26 chinesischen Provinzen nahmen im März 2020 352 Mitarbeitende im Gesundheitswesen an einer Befragung teil. 76 % der Befragten sprachen sich für eine Impfung gegen SARS-CoV-2 aus (Allgemeinbevölkerung, n = 189, im Vergleich 73 %) [12].

Unter Berücksichtigung dieser Daten sowie weiterer Reviews [46], [49], [51] lässt sich Folgendes festhalten: In den meisten Befragungen von Mitarbeitenden im Gesundheitswesen (mitunter auch zusätzlich der Allgemeinbevölkerung) zeigte sich ein Unterschied im Antwortverhalten in Abhängigkeit vom Geschlecht, der Berufsgruppe und ein Zusammenhang mit dem Lebensalter. Befragte weiblichen Geschlechts, aus der Gruppe der Pflegekräfte und jüngeren Alters zeigten meist eine höhere Impfskepsis und hatten mehr Bedenken in Bezug auf Wirksamkeit der Impfungen, Nebenwirkungen und Langzeitschäden. Befragungen von Mitarbeitenden im Gesundheitswesen in den verschiedensten Ländern zeigen ähnliche Ergebnisse: Auch in Israel waren Frauen und Pflegekräfte vergleichsweise eher skeptisch gegenüber der Impfung. Ähnlich fielen Befragungen französischer und amerikanischer Mitarbeiter im Gesundheitswesen aus. Während mehrere Studien zeigten, dass eine erhöhte Bereitschaft für die Grippe-Impfung auch eine höhere Bereitschaft für die Corona-Impfung vorhersagt, fand sich der umgekehrte Zusammenhang in einer Studie, die darüber berichtete, nicht [14].


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Ängste und Depressionen, Filterblasen und Echokammern

Ängste und Depressionen nahmen in der Corona-Pandemie weltweit um etwa 25 % zu und verursachten zusammen etwa 20 Millionen disability ajusted life years (DALYs), wie man im Fachblatt Lancet kürzlich nachlesen konnte [24], [32]. Das hat die Situation nicht besser gemacht, sondern sorgte für ein Klima der Unzufriedenheit, des Pessimismus, der Angespanntheit und Unruhe sowie der Resignation und zuweilen Verzweiflung. Hierauf prasselte dann noch etwas auf die Menschheit ein, das es erst seit wenigen Jahren weltweit gibt, und mit einer derartig geballten Macht, dass es die meisten Menschen nicht geschafft haben, auch nur ansatzweise darüber kritisch zu reflektieren: Die sozialen Medien wie Telegram, Facebook, Instagram, Twitter, WhatsApp, YouTube, Xing, LinkedIn, Snapchat oder Tik Tok sind Plattformen, auf denen jeder jegliche Inhalte verbreiten kann, mit täglich Milliarden von Nutzern. Ihre Wirkungen wurden und werden häufig mit Begriffen wie „Filterblase“ oder „Echokammer“ beschrieben. Hiermit ist die durch sie verursachte Störung der zwischenmenschlichen Kommunikation gemeint. Diese Störung lässt sich wie folgt kurz beschreiben: Normalerweise (d. h. seit Beginn der Menschwerdung bis vor wenigen Jahren) treffen wir in der wirklichen Welt auf diesen oder jenen bekannten oder unbekannten anderen Menschen, und hören im Gespräch immer Gutes und Schlechtes und immer auch Lob und Kritik.

Seit wenigen Jahren sieht unser Erleben anders aus: Wir hören vor allem das, was wir hören wollen, weil das Ziel der sozialen Medien, über die wir kommunizieren, nicht darin besteht, uns zu informieren, sondern darin, dass wir sie noch öfter nutzen, denn nur dies generiert ihre Einnahmen. In ihnen wird die Unwahrheit nachweislich deutlich schneller verbreitet als die Wahrheit, wie im Fachblatt Science publiziert wurde [41] und weiterhin ist die Radikalisierung der Nutzer Bestandteil ihres Geschäftsmodells, wie in der New York Times nachzulesen war [38]. Da sehr viele Menschen einen großen Teil ihrer zwischenmenschlichen Kommunikation über social media abwickeln, kam was kommen musste: Eine deutliche Zunahme der psychischen Folgen von Kommunikationsstörungen. Mehr Verunsicherung im Hinblick auf Wahrheit und Falschheit, mehr Mobbing und mehr Einsamkeit, die mittlerweile als Mortalitätsfaktor Nummer 1 (d.h. vor Übergewicht, Rauchen, Hypertonie und anderen bekannten Einflüssen auf die Sterblichkeit) angesehen wird [q, [48]. Die ursächliche Beteiligung von social media an der Skepsis gegenüber Impfungen wurde bereits vor der Corona-Pandemie nachgewiesen [52]. Eine Analyse von Mitteilungen auf der Kurznachrichtenplattform Twitter aus 137 Ländern der Welt in den Jahren 2018 und 2019 zeigte einen Zusammenhang von impfbezogener Missinformation und Impfverweigerung. Zunächst wurden 2,5 Milliarden geokodierte Twitter-Nachrichten identifiziert, um das Ausmaß der Twitter-Nutzung bezogen auf die einzelnen Länder zu ermitteln. Dann wurde eine Teilmenge von 258769 dieser Nachrichten dadurch identifiziert, dass man nach impfbezogenen Wörtern (‚vaccine‘, ‚vaccination‘, ‚vaxx‘) in den 20 auf Twitter am meisten verwendeten Sprachen (entspricht 95% aller Tweets) allen grammatischen Varianten suchte. Eine Bewertung (sentiment) der Nachrichten wurde vorgenommen und diese Daten mit denen aus einer anderen Studie zur Nutzung von social media zur Organisation von (politischen) Off-line-Aktionen. Aufgrund der Länderkodierung konnten jeweils ausländische von inländischen Nachrichten unterschieden werden. Schließlich wurde noch die Impfbereitschaft im Hinblick auf verschiedene Impfungen (Diphtherie-Tetanus-Keuchhusten, Masern, Röteln, Polio, Hepatitis B; Daten der Weltgesundheitsorganisation, WHO) zu diesen Daten in Beziehung gesetzt.

Neben dieser Aufforderung zu mehr klarer und standfester Kommunikation zwischen medizinischem Personal und Skeptikern sei hier zudem auf die prinzipielle Bedeutung von Kommunikation für unsere Gesundheit hingewiesen. Um diese zu erfassen, muss man sich vergegenwärtigen, dass Menschen täglich stundenlang miteinander reden, dabei etwa 16000 Wörter sprechen (Frauen etwa 700 mehr) [22] und dabei vor allem Klatsch und Tratsch austauschen (also sich miteinander über andere unterhalten) wie Forschungen zur Sprachentwicklung beim Menschen nahelegen [10]. Wir sprechen uns mithin ständig mit anderen ab, wodurch unsere Gedanken, Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse mit denen der anderen austariert werden. Geschieht dies nicht mehr im direkten Miteinander, laufen unsere Gedanken frei, unkontrolliert und damit unkorrigiert umher. Je länger diese Situation besteht, desto schwerer fällt irgendwann die Korrektur. Und von hier erscheint der Schritt zu der für den Wahn charakteristischen subjektiven Überzeugtheit und Unkorrigierbarkeit nicht mehr besonders groß.

Ob man hier [ 3 ] von noch als nicht krankhaft geltenden „überwertigen Ideen“ spricht, also von emotional aufgeladenen Gedanken wie beispielsweise im Zustand der der Wut auf einen Feind oder der Eifersucht gegenüber einem Partner, oder von Wahnideen die gerade aufgrund ihrer Unwahrheit besser verbreitet, durch Ängste noch stärker befeuert, durch die Auswirkungen von Filterblasen und Echokammern jedoch nicht mehr hinreichend korrigiert, sondern – im Gegenteil – nur noch bestätigt werden, ist letztlich eine Frage der Bewertung im Einzelfall: Als „pathologisch“ wird ein Sachverhalt im Bereich der Psychiatrie u. a. immer dann bewertet, wenn entweder der Betreffende oder seine Mitmenschen (oder beide) darunter leiden.


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Verschwörungstheorien[ 4 ]

Verschwörungstheorien sind definiert als Versuche, wichtige politische oder gesellschaftliche Ereignisse als durch geheime Pläne mächtiger Menschen oder Organisationen verursacht zu betrachten. Sie sind seit Jahrzehnten Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, auch wenn diese eher selten im Fachgebiet der Psychiatrie angesiedelt sind. Dies mag gerade manchen Kollegen zunächst verwundern, denn beim Glauben an das Werk höherer böswilliger Mächte als Ursache von Sachverhalten, die zufällig geschehen, handelt es sich aus psychiatrisch-psychopathologischer Sicht um Phänomene, die als Wahn klassifiziert werden können, wenn die Person, objektiv betrachtet, dadurch Schaden nimmt, auch wenn sie das selbst nicht so sieht: Die Beziehung geht kaputt, der Arbeitsplatz verloren, die Wohnung wird gekündigt etc.

In den USA glaubt gut die Hälfte der Bevölkerung an mindestens eine Verschwörungstheorie ([ Tab. 2 ]). Werden 2 geglaubt, so kann es durchaus vorkommen, dass sich diese widersprechen: Die gleichen Menschen glauben, dass Prinzessin Diana und ihr Partner vom Britischen Geheimdienst umgebracht wurden und in Wahrheit noch leben [53]. Der Glaube an Verschwörungstheorien kann handfeste Konsequenzen auf das Verhalten einer Person haben. Man braucht dabei gar nicht an fanatische Terroristen und deren Taten denken. Im Bereich der Medizin können Verschwörungstheorien beispielsweise gesundheitsrelevantes Verhalten beeinflussen und dadurch den Menschen schaden. In den USA glauben 49 % der Amerikaner an mindestens eine medizinische Verschwörungstheorie[ 5 ], 18 % glauben an 3 oder mehr. Zum Gesundheitsverhalten zeigten sich folgende Zusammenhänge: Je mehr jemand Anhänger medizinischer Verschwörungstheorien ist, desto weniger gebraucht er Sonnenschutzmittel und geht zur Vorsorgeuntersuchung, zum Zahnarzt oder zur Grippe-Schutzimpfung. Diese Effekte sind robust und bleiben bestehen, selbst wenn man den sozioökonomischen Status oder eine allgemeine soziale Entfremdung der Person aus den Daten „herausrechnet“, d. h. durch multiple Regression kontrolliert. Angesichts der gefundenen Häufigkeiten von Anhängern von Verschwörungstheorien handelt es sich bei diesen nicht um eine „kleine Randgruppe Verrückter“, sondern vielmehr um ganz normale Leute, deren Ansichten man ernst nehmen muss, weil sie mit Verhaltensweisen einhergehen, die ungesund sein können, z.B. kein Maskentragen, kein Abstandhalten und keine Impfung.

Tab. 2

Prozentualer Anteil der US-Amerikaner, die an verschiedene Verschwörungstheorien glauben.

Verschwörung

Prozentualer Anteil der Bevölkerung, der daran glaubt

Mondlandung ist Lüge der NASA

6–20 (USA) bzw. 28 (Russland)

Anschläge vom 11.9.2001 wurden vom Geheimdienst geplant bzw. er hat davon gewusst und sie nicht verhindert

49 bzw. 19

Eine Elite wie die Freimaurer/Illuminaten bestimmt die Weltgeschichte

28

Pharmaindustrie unterdrückt wirksame Therapien

37

Impfrisiken werden verschwiegen

20

HIV wurde vom CIA entwickelt

12

Präsident Obama ist in Wahrheit der Teufel

21

Stromsparlampen wurden eingeführt, um die Menschen duldsamer und kontrollierbar zu machen

10

Der Zusammenhang zwischen dem Glauben an Verschwörungstheorien und dem Verweigern von Impfungen für sein Kind war in einer britischen (an 89 Eltern) und einer US-amerikanischen Studie (an 246 Eltern) mit r = –0,40 hoch signifikant (p < 0,001). Die Bereitschaft, sein Kind impfen zu lassen, war signifikant geringer bei Personen, die Informationen erhalten hatten, die Anti-Impfungs-Verschwörungstheorien unterstützten, und Gefühle von Desillusionierung, Kontrollverlust und Machtlosigkeit sowie Misstrauen gegenüber Autoritäten empfanden. Umgekehrt verstärkt das Gefühl des Kontrollverlusts die Neigung zu Verschwörungstheorien [43]. Gegen Impfverweigerung allein mit der Autorität der Wissenschaft zu argumentieren, erscheint angesichts der Daten wenig erfolgreich, denn Verschwörungstheorien untergraben diese Autorität. Das direkte Widerlegen von Argumenten hingegen war erfolgreich, änderte es doch dadurch die Einstellung. Allerdings führt die Änderung der Einstellung nicht notwendig zu einer höheren Impfbereitschaft: Falschinformationen sind gegenüber Korrekturen recht resistent. Sitzen Verschwörungstheorien also erst einmal tief in den Köpfen der Leute, sind sie schwer dort wieder zu entfernen und bleiben mindestens latent verhaltensrelevant. Dies zeigte sich leider sehr deutlich im Fall der Publikation im Fachblatt Lancet zu den vermeintlichen Zusammenhängen der Masernimpfung mit Autismus im Jahr 1998 durch den Kinderarzt Andrew Wakefield. Obgleich sich die Forschungsergebnisse als gefälscht erwiesen, die Publikation zurückgezogen wurde und der betreffende Autor aufgrund seines untragbaren Gebarens sogar die Approbation als Arzt verlor, sperren sich bis heute Eltern gegen die Masernimpfung, weil sie Autismus bei ihrem Kind befürchten. In Großbritannien kam es zu deutlich geringeren Impfraten und danach zu einem drastischen Ansteigen von Masern-Fällen, was bei einer Komplikationsrate mit Todesfolge von etwa 1:1000 definitiv nicht als Kleinigkeit zu werten ist: Masern-Partys, die von Eltern veranstaltet werden, um ihren Kindern durch bewusstes Infizieren mit Masern anschließende Immunität zu verleihen, sind in Wahrheit versuchte Körperverletzung. Auch hierzulande sind die Impfraten für Masern in vielen Regionen unzureichend [44] und in Berlin bis Kalifornien sterben Kinder unnötig an Masern, also letztlich an der Unwissenheit bzw. Starrköpfigkeit ihrer Eltern.

Zu den Ursachen bzw. beitragenden Faktoren von Verschwörungstheorien gehört das Gefühl, den Dingen ohnmächtig ausgeliefert zu sein bzw. keine Kontrolle über die Geschicke zu haben. Die eindrucksvollste Bestätigung dieses Zusammenhangs lieferten 2 Politikwissenschaftler, die 104823 von der New York Times in den 121 Jahren von 1890 bis 2010 publizierten Leserbriefen inhaltlich auswerteten, d. h. durchschnittlich 866 Briefen pro Jahr (Median: 845; Bereich: 347–2477) [40]. In 875 Briefen war von Verschwörungstheorien die Rede und sie wurden genauestens im Hinblick darauf untersucht, wer, wem, was, aus welchen Gründen, und mit welchem Ziel unterstellte. Betrachtet man Verschwörungstheorien nicht als einen völlig abwegigen, individuellen, krankhaften Sachverhalt, sondern als „Ausdruck eines bei allen Menschen vorhandenen Alarmsystems gegenüber Bedrohungen“ [40], welches zuweilen leider auch überborden kann, dann sollte sich dies in den Daten klar zeigen. Und so war es auch: In Zeiten internationaler Kriege und Krisen stieg der Anteil ausländischer Bösewichte in den Verschwörungstheorien von 28 % auf 45 %. Noch interessanter war es, ab 1897 die innenpolitischen Verhältnisse zu betrachten, denn ab diesem Zeitpunkt hatte sich in den USA das bekannte 2-Parteien-System etabliert, bei dem die Mehrheiten wechselten und es daher in einem gegebenen Jahr immer Machthaber und Machtlose gab, also Gewinner und Verlierer. Sind Verschwörungstheorien Ausdruck von Ohnmacht, dann sollten sich Verschwörungstheorien vor allem auf die jeweils an der Macht befindliche Partei beziehen. Kurz: „Who controls the White House invites conspiracy theories“ [40]. Und wieder war es genauso: In den Jahren republikanischer Präsidentschaft herrschen Verschwörungstheorien gegenüber bösen Menschen oder Mächten aus dem rechten bzw. kapitalistischen Lager vor, wohingegen sich die Verschwörungstheorien in den Zeiten demokratischer Präsidentschaft mehrheitlich auf Linke und Kommunisten beziehen ([ Abb. 1 ]). Dieser Effekt wiederum ist geringer in Zeiten von „divided government“, d. h. wenn die Parteien des Präsidenten und der Kongressmehrheit nicht identisch sind: Geringere Machtkonzentration provoziert weniger Verschwörungstheorien. Interessant ist ferner die Auswertung der Anhänger der Verschwörungstheorien nach Berufsgruppen. Menschen, die am Bau, in der Fabrik, im Transport oder im Gesundheitswesen arbeiten, neigen deutlich mehr zu Verschwörungstheorien als Menschen aus den Bereichen Unterhaltung, Finanzwesen oder Militär ([ Abb. 2 ]). Das wirft kein gutes Licht auf das Ausmaß von erlebter Freiheit und Selbstbestimmung bei im Gesundheitswesen arbeitenden Menschen. Das könnte die Politik ändern. Mehr Eigenverantwortung und weniger Gängelung würde Ärzten und Pflegepersonal die Arbeit erleichtern! Halten wir fest: Verschwörungstheorien sind die gedanklichen Produkte erlebter Bedrohung und Ohnmacht.

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Abb. 1 Prozentsatz rechter/kapitalistischer bzw. linker/kommunistischer Verschwörungstheorien in Abhängigkeit von der Partei des Präsidenten (nach Daten aus [40])
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Abb. 2 Neigung zu Verschwörungstheorien in Abhängigkeit vom Berufsfeld (nach Daten aus [40]). Nach diesen Daten erscheint das subjektiv erlebte Ausmaß an Kontrolle im Bereich der Medizin erschreckend gering.

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Falsch oder krank?

Bei den meisten Menschen, die an Corona oder der Impfung Zweifel haben, liegt aus meiner Sicht – und ich habe mit vielen Menschen darüber gesprochen – keine psychische Störung vor. Vielmehr sind sie aus den unterschiedlichsten Gründen ungenügend informiert, haben vielleicht einmal schlechte Erfahrungen mit einem Arzt gemacht, vermuten bei sich eine Prädisposition zu Nebenwirkungen oder sind sich nicht im Klaren über den Unterschied zwischen Wissenschaft und Stammtischmeinungen. Das halte ich für eine ebenso bemerkens- wie bedauernswerte Krise der Wissenschaft, die zumindest teilweise auch auf das Konto der Medien geht: Es muss immer eine Kontroverse her, auch wenn es tatsächlich gar keine gibt.[ 6 ] Wenn also beispielsweise das Fernsehen wissenschaftliche Kontroversen in Talkshows wie Schaukämpfe inszeniert und/oder Boulevardblätter dies dann ihrerseits verzerrt und mit viel Klamauk berichten, ist niemandem gedient, aber dem Ansehen der Wissenschaft geschadet. Dies erklärt, warum viele Menschen sich nicht für Wissenschaft interessieren, obwohl sie die Grundlage unserer Lebensweise, Lebensqualität, Gesundheit und unseres ökonomischen und technologischen Erfolgs in der Welt – und damit auch unserer Zukunft – darstellt.[ 7 ]

Nicht wenige Menschen sind durch die Corona-Pandemie bzw. die dagegen verordneten Maßnahmen so stark betroffen, dass dadurch ihre Lebensqualität beeinträchtigt ist. Einer meiner Söhne beispielsweise lebt mit Frau und 2 Kindern in einer kleinen Wohnung ohne Garten oder Balkon. Lockdown mit Home-Schooling und Home-Office – gleichzeitig! – der pure Stress - und bei Alleinerziehenden fast prinzipiell unmöglich. Das bewirkt Frustration und Verzweiflung. Kommen dann noch ökonomisch reale Existenzängste hinzu, wird nachts schlecht geschlafen und tagsüber viel gegrübelt, dann ist man von einer klinisch manifesten Depression nicht mehr weit weg. Richtet sich die Wut nach außen, können Feindseligkeit und aggressives Verhalten entstehen. All dies ist noch kein Wahn, sondern liegt mehr oder weniger im Bereich des Normalen, was Menschen schon immer mehr oder weniger gut ausgehalten haben. Entsteht jedoch offensichtlich bei der betreffenden Person oder bei anderen Menschen Schaden, dann ist dies anders. Wenn beispielsweise eine Ärztin keine Maske trägt, falsche Bescheinigungen ausstellt und die Bürger dazu auffordert, Deutschland schnellstmöglich zu verlassen, weil sie hier mit ihrem baldigen Tod durch die Impfung demnächst das gleiche Schicksal ereilen würde wie die Juden während der NS-Zeit; wenn sich diese Ärztin vor der Polizei versteckt, dann doch aufgegriffen wird, sich aggressiv wehrt und unkorrigierbar weiter ihre Behauptungen vertritt, das Corona-Virus gäbe es nicht und die Impfung dagegen sei tödlich: – Wie soll man das nennen, wenn nicht Wahn?


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Wahnentwicklungen

Etwa so, wie jeder Mensch von einer Mangelernährung oder einer Erkältung betroffen sein, oder sich ein Bein brechen kann, kann jeder Mensch auch einen Wahn bekommen. Wahn ist keineswegs dasselbe wie Psychose und schon gar nicht dasselbe wie Schizophrenie. Dies mag psychiatrische Laien zunächst überraschen, denn schließlich werden schwere psychische Störungen (wie beispielsweise schwere depressive Störungen, bipolare Störungen, hirnorganische Störungen oder Schizophrenie) bei Patienten, die sich in stationärer psychiatrischer Behandlung befinden, sehr oft von Wahn begleitet. Es gibt Wahn jedoch auch als Folge von rein psychologischen Gegebenheiten. In der älteren psychiatrischen Literatur sprach man hier von psychogenen Psychosen [33]–[35], um sie von endogenen und organischen Psychosen abzugrenzen. Die Gemeinsamkeit psychogener Wahnentwicklungen besteht in der gestörten Kommunikation eines Menschen mit seinen Mitmenschen. Betrachten wir die bekanntesten Beispiele.

Wahn bei Schwerhörigkeit

Dass es so etwas gibt wie rein psychologische Ursachen von psychotischen Phänomenen wie Wahn und Halluzinationen (bei denen der Psychiater bis heute zunächst an schwere endogene[ 8 ] oder organische Störungen denkt), wurde durch keinen anderen als Emil Kraepelin selbst in seinen Ausführungen zum Wahn bei Schwerhörigen oder völlig ertaubten Menschen vor mehr als 100 Jahren klar herausgearbeitet. Im Jahr 1915 publizierten vierten Band der achten, von ihm völlig neu bearbeiteten Auflage seines Lehrbuchs der Psychiatrie für Studierende und Ärzte [45] findet sich hierzu Folgendes: „Bei Personen, denen die Verständigung mit der Umgebung durch starke Schwerhörigkeit oder gar völlige Taubheit nahezu unmöglich gemacht wird, kommt hier und da ein etwas verschwommener Verfolgungswahn mit eigentümlich unbestimmten Sinnestäuschungen und halb ängstlicher, halb gereizter Stimmung zur Beobachtung […]. Es ist bekannt, dass Schwerhörige im Lauf der Zeit, namentlich Fremden gegenüber, misstrauisch werden und sehr geneigt sind, Blicke, Gebärden und Heiterkeitsausbrüche auf sich zu beziehen, da ihnen die Hilfsmittel fehlen, dem Gang der Unterhaltung zu folgen […]“ [45]. Das Störungsbild entwickele sich nicht selten schleichend über Jahre hinweg, trete vor allem bei Frauen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren auf und nehme einen chronischen Verlauf. Einsamkeit sei ein zusätzlicher Risikofaktor, eine verständnisvolle Umgebung könne das Krankheitsbild bessern. Wie man heute weiß, gehen auch leichtgradige Hörminderungen mit Misstrauen, Feindseligkeit und sozialem Rückzug einher. Umgekehrt findet man bei älteren Menschen mit paranoiden Störungen eine 3-fache Häufung von Schwerhörigkeit. Eine familiäre Belastung, d. h. eine genetische Komponente, findet man bei schwerhörigen Wahnkranken eher nicht [7], [8], was als Indiz dafür gewertet werden kann, dass eine solche Komponente nicht für jede Wahnentstehung notwendig ist. Von entscheidender Bedeutung für die Entstehung dieses Syndroms ist wahrscheinlich auch die Tatsache, dass Schwerhörigkeit eine der häufigsten Beeinträchtigungen älterer Menschen ist und zugleich meistens über lange Zeiträume unerkannt bleibt [4].

Für den visuellen Bereich ist ein ähnliches Phänomen unter der Bezeichnung Charles-Bonnet-Syndrom bekannt: Störungen des Sehens (z. B. durch Katarakt) können Verkennungen und Halluzinationen verursachen [28]. Diese werden jedoch als solche erkannt. Es kommt also nicht zum Wahn, den man auch bei visuellen Störungen nicht gehäuft findet. Mit dem Wahn bei akustischer Deprivation hat das Syndrom jedoch die Gemeinsamkeit, dass es bei Behebung der Deprivation meist rasch rückläufig ist. Werden beispielsweise eine Linsentrübung oder eine Leitungsschwerhörigkeit durch OP beseitigt oder reduziert, kann der Wahn sich ohne jede weitere psychopharmakologische Behandlung verflüchtigen.


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Wahn in sprachfremder Umgebung

Stellen Sie sich vor, es verschlägt Sie ganz plötzlich und unerwartet nach China in eine ländliche Region, Sie ganz allein und auch ohne Smartphone. Sie verstehen die Menschen nicht und diese verstehen Sie auch nicht. Zuweilen werden sie misstrauisch, vermuten, dass über Sie geredet wird, und je mehr Vermutungen Sie darüber anstellen, desto mehr fällt es ihnen auf, desto ängstlicher werden Sie und desto eher hören und sehen Sie auch irgendwann, wie andere über Sie tuscheln. Vielleicht weil sie Böses im Schilde führen? – Das macht ihnen noch mehr Angst und die beschleunigt und fokussiert Ihr Wahrnehmen und Denken noch weiter in Richtung von Vermutungen und entsprechenden Wahrnehmungen. Bereits im Jahr 1920 wurde von Allers [54] die Entstehung von Wahn in sprachfremder Umgebung beschrieben und ganz ähnlich eingeordnet wie der Wahn von Schwerhörigen.


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Sensitiver Beziehungswahn

Bei dem von Ernst Kretschmer erstmals so bezeichneten und zusammen mit Robert Gaupp (beides bekannte Tübinger Psychiater) entwickelten Gedanken des sensitiven Beziehungswahns geht es um eine weitere Form der rein psychogenen Wahnentwicklung. Besonderheiten von Charakter, Erlebnis und Milieu lösen in einem unglücklichen Zusammenspiel diese Wahnform aus. Der Charakter sei durch starke Kontraste zwischen Stärken und Schwächen sowie starke Emotionen und ein ebenso starkes Bedürfnis nach Emotionskontrolle geprägt. Es handele sich zudem meist um differenzierte und intelligente Menschen. „Erlebnisse, die bei dieser Persönlichkeitsstruktur wie der Schlüssel zum Schloss passen und die Wahnentwicklung auslösen, sind Insuffizienzerfahrungen und persönliche Niederlagen, aber auch andere Enttäuschungen und Verfehlungen in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie Schulderleben […], Insuffizienzerleben [und…] Zurücksetzung im beruflichen und sozialen Bereich“, beschreibt Rainer Tölle in seinem Lehrbuch der Psychiatrie das Geschehen eindrucksvoll.[ 9 ]

Psychogener Wahn galt bislang in der Psychiatrie als selten. Das mag auch daran liegen, dass die Patienten definitionsgemäß keine anderen Beeinträchtigungen aufweisen und daher in unserer Gesellschaft gleichsam „unter dem Radar fliegen“, wie man sich zuweilen ausdrückt. Die gesellschaftlichen und vor allem die ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie und der Versuche, sie durch Maßnahmen der Isolation und der Schließung ganzer Wirtschaftszweige einzudämmen, haben Wahnentwicklungen aus meiner Sicht dramatisch gefördert. Der Lockdown brachte viele Menschen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, was zu Frustration und Erlebnissen der Insuffizienz führte. Beziehungen gingen zu Bruch und in einem ganz besonderen, vielleicht zuvor nie dagewesenen Ausmaß kam es zu einer deutlichen Reduktion der zwischenmenschlichen Kommunikation. Hierdurch wurden seelische Prozesse angeschoben, Teufelskreise zwischen sich wechselseitig befeuernden Emotionen und Gedanken in Gang gesetzt, und das Ganze dann durch veränderte mediale Kommunikation noch jeglicher Korrekturmöglichkeit beraubt, sodass sich Wahn in einem Ausmaß in der Gesellschaft verbreiten konnte, wie wir es in unserer modernen aufgeklärten Welt nicht mehr für möglich gehalten hätten.


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Soziale Ansteckung

Der Ausdruck „Massenwahn“ wird heute nur noch selten gebraucht, und wenn, dann nicht im Bereich der Psychiatrie, sondern im Feuilleton und allenfalls in manchen Bereichen der Kulturwissenschaften. Nach dem zweiten Weltkrieg war das anders. Im Jahr 1947 verfasste der Psychiater und Neurologe Karl Ludwig Bonhoeffer[ 10 ] (1868–1948), von 1912 bis 1938 Ordinarius für Psychiatrie und Neurologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin und Direktor der Klinik für psychische und Nervenkrankheiten der Charité in Berlin, die kleine Schrift „Führerpersönlichkeit und Massenwahn“, die erst im Jahr 1968 anlässlich einer Festschrift zu dessen 100. Geburtstag publiziert wurde. Dort beschreibt Bonhoeffer ein Phänomen, das auch im Zusammenhang dieser kleinen Übersicht Relevanz hat: den induzierten Wahn.[ 11 ] „Der Psychiater kennt eine Form der geistigen Erkrankung, die als induziertes Irresein bezeichnet wird. Es handelt sich dabei darum, dass ein psychisch Kranker seine Umgebung mit seinen Wahnbildungen so beeinflusst, dass diese selbst dem Wahne verfällt. Die Aufgabe ist in einem solchen Falle im Interesse der Therapie zunächst, den primär Erkrankten festzustellen, was keineswegs immer ganz einfach ist wegen der oft weitgehenden Identität der Wahnidee und der Übereinstimmung des Affektes. Weiterhin sind die Besonderheiten der Psyche der beiden Beteiligten zu klären, die die Übernahme des Wahnes verursacht haben. […] Es ist nun kein Zweifel, dass sich auch im Leben der Völker, vor allem in revolutionären Zeiten, Erscheinungen finden, die in ihrem psychischen Mechanismus diesem Vorgang beim Einzelindividuum entsprechen“ [5].

Aus meiner Sicht sollte der Begriff „Wahn“ für kranke Individuen reserviert bleiben, weswegen der Ausdruck „Massenwahn“ mit Recht im medizinisch-wissenschaftlichen Bereich nicht verwendet wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es induzierten Wahn nicht geben kann. Und soziale Ansteckung als soziologischen bzw. sozialpsychologischen Sachverhalt gibt es durchaus. Betrachten wir als Beispiel hierfür ein Phänomen, das sich im Frühling des Jahres 1856 in Südafrika ereignet hat.[ 12 ] Ein 15-jähriges Mädchen namens Nongqawuse erzählte ihrem Onkel, dass sie 3 Geister gesehen habe. Diese hätten ihr aufgetragen, den Menschen im Dorf zu erzählen, dass die Toten auferstehen würden, wenn der gesamte Stamm (d. h. über 100 000 Menschen) das gesamte Vieh (mehr als 400 000 Tiere) töten würde. Zunächst glaubte ihr niemand, aber schon einen Tag später erzählte ihr Onkel dies den Häuptlingen und vielen anderen Mitgliedern des Stammes. Daraufhin wurden etwa 400 000 Tiere tatsächlich geschlachtet, was eine Hungerkatastrophe und den Tod von mehr als 80 000 Menschen (über drei Viertel des gesamten Stammes!) zur Folge hatte. Nongqawuse wurde von den damals Südafrika beherrschenden britischen Behörden verhaftet, lebte nach ihrer Entlassung noch etwa 40 Jahre auf einer Farm in Südafrika und verstarb im Jahr 1898. Diese Geschichte ist Inhalt der Monografie des südafrikanischen Historikers Jeff Peires (1989/2003) mit dem Titel Die Toten werden auferstehen und hat sich tatsächlich so oder so ähnlich abgespielt. Der Fall ruft bis heute in Südafrika kontroverse Diskussionen hervor, nicht zuletzt, weil die damaligen britischen Kommandeure keine – wie wir heute sagen würden – humanitäre Hilfe leisteten und dem Hungertod Zehntausender Menschen tatenlos zuschauten.

Wenn man nach solchen Vorfällen in der Geschichte sucht, findet man sie überall und zu allen Zeiten: Den Hexenverfolgungen der frühen Neuzeit (1450–1750) erlagen in Mitteleuropa nach neueren Schätzungen 40 000 bis 60 000 Menschen, drei Viertel davon Frauen. Der Aberglaube der Alchemisten (vom Altertum bis heute), Geisterhäuser und Spukschlösser sowie der tierische Magnetismus (Mesmerismus) sind weitere bekannte Beispiele. Derartige soziale Ansteckungsphänomene wurden als solche auch schon im Jahr 1841 vom schottischen Journalisten Charles MacKay beschrieben. Der Tulpenwahn von 1637 in den Niederlanden gilt als die erste Marktblase mit anschließendem Crash, von denen wir mittlerweile eine ganze Reihe erlebt haben. Der Klassiker unter den einschlägigen Publikationen zur sozialen Ansteckung ist die Monografie Psychologie der Massen des französischen Arztes und Gelehrten Gustave Le Bon (1841–1931) aus dem Jahr 1895. Darin beschreibt er die Ausbreitung von Emotionen analog zu Erregern von Krankheiten, und deren Konsequenzen im Sinne gesteigerter Angst und verminderter Kritikfähigkeit größerer der gegenseitigen Ansteckung unterliegender sozialer Gemeinschaften. Das Buch ist noch heute (oder gerade heute wieder!) sehr lesenswert.


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Diskussion: Weniger Angst, mehr Aufklärung und realer Kontakt

Ängste und Depressionen waren in der Corona-Pandemie weltweit noch häufiger als sie zuvor schon waren. Verstärkende Filterblasen und Echokammern gab es auch schon und die gesunde soziale Rückkoppelung in Form von Kritik war dadurch ebenfalls beeinträchtigt bis unterbrochen. Und das Virus selbst sorgte schon für Angst als es die Lockdown-Maßnahmen noch nicht gab, durch die Ängste, Frustration, Resignation und gelernte Hilflosigkeit noch deutlich zugenommen haben. Falsche Behauptungen („Fake News“) über die Corona-Pandemie und das Impfen sind ansteckend und verbreiten sich nachweislich schneller und weiter als die Wahrheit. Zusammen mit einschneidenden und schlecht begründeten oder gar in sich widersprüchlichen Gegenmaßnahmen haben sie negative Auswirkungen auf das das Vertrauen in das öffentliche Gesundheitswesen im Allgemeinen und auf ganz praktische Gesundheitsentscheidungen, einschließlich der Akzeptanz von Impfungen [55]. Impf-Skeptiker verwenden Verschwörungstheorien, zitieren selektiv und/oder falsche Experten, haben unmögliche Erwartungen („100% Sicherheit“), stellen Wahrscheinlichkeiten und Fakten falsch dar und stehen damit außerhalb jedes wissenschaftlichen Diskurses. – Was kann man tun?

Zunächst ist alles, was dazu geeignet ist, Angst zu reduzieren und Vertrauen wiederherzustellen, prinzipiell geeignet, die Situation zu bessern. Eine als Impfzwang missverstandene Impfpflicht gehört sicherlich nicht dazu. Ich habe selbst in Mitarbeitergesprächen erlebt, wie fest der Gedanke, man könnte zur Impfung gezwungen werden, in vielen Menschen verankert zu sein scheint. „Wir haben Angst, dass Sie uns zur Impfung zwingen wollen.“ Darauf antwortete ich wahrheitsgemäß: „Dann säße ich jetzt nicht mit ihnen hier. Denn ich will sie nicht zwingen, sondern versuche das genaue Gegenteil: ich möchte sie davon überzeugen, das richtige aus eigenem Entschluss zu tun.“ Dazu muss über alles gesprochen werden, wozu die Mitarbeiter wiederum nicht bereit waren. Nachdem ich einen ihrer Einwände entkräftet hatte, wurde mir entgegnet: „Das war nur einer, wir haben aber 20“. – „Ok, dann bitte den nächsten.“ – „Wir wollen aber nicht mehr mit ihnen diskutieren.“

Jetzt gibt es tatsächlich ein systematisches Problem: Unsere Gesellschaft lebt von der Vielfalt der Meinungen, aber auch von Tatsachen, auf die sich alle einigen können. Der geschilderte kleine Gesprächsausschnitt fand in einem Seminarraum der Universität statt, in dem sehr oft wissenschaftliche Arbeiten kritisch diskutiert werden: Was ist dran an dem Paper? Stimmt die Methode? Wird tatsächlich das, was behauptet wird, auch nachgewiesen? – Fragen wie diese gehören im Bereich der Wissenschaft zum Alltag und werden in Seminaren rauf und runter durchgesprochen; an Beispielen; zum Lernen; damit man es kann, wenn es mal nicht nur um die Wahrheit, sondern um Leben und Tod geht, wie das in der Medizin eben nicht selten der Fall ist.

Niemand wird gezwungen, etwas einfach zu glauben; alle bemühen sich vielmehr, durch kritische Diskussion herauszufinden, was richtig und was falsch ist. Niemand würde am Ende einer wissenschaftlichen Diskussion ernsthaft sagen: „Das mag ja alles so sein, aber ich behaupte das Gegenteil – einfach so, weil ich da so ein Bauchgefühl habe.“ Man würde entgegnen, dass Bauchgefühle bei der Wahrheitsfindung nichts zu suchen haben und dass man seine Zeit verschwendet, wenn man es dennoch tut. Zudem würde man entgegnen, dass der Betreffende nicht begriffen hat, wie wichtig es ist, dass man sich in der Wissenschaft, in der es um tatsächliches Wissen geht, grundsätzlich nur durch kritischen Diskurs der Wahrheit annähert. Gar nicht zählt beispielsweise folgendes Argument: „Ich habe ein YouTube-Video gesehen, in dem ein Experte etwas anderes gesagt hat.“ Und erst recht nicht dieses: „Ich habe irgendwo gehört, dass Bill Gates die Weltbevölkerung mit der Corona-Impfung auslöschen will.“

Solche Verschwörungstheorien sind wissenschaftlich gut untersucht und entstehen unter Bedingungen von Niederlage, Frustration, Kontrollverlust und Angst. Wer nicht an Corona glaubt, behält aus subjektiver Sicht die Kontrolle – und lässt sich auch nicht impfen. Das mag unlogisch klingen, entspricht aber bekannten bei Wahnkranken vorliegenden Denkmustern: Wer unter Verfolgung leidet, so ein Extrembeispiel, begeht einen Suizidversuch, „um den Verfolgern zuvor zu kommen“, wie man auf Nachfrage erfährt. Mit anderen Worten: Die Kontrolle wird höher bewertet als das eigene Leben. Verschwörungstheorien sind sehr häufig und kommen bei ansonsten psychisch gesunden Menschen vor. Sie zeigen jedoch, dass Denkmuster, an denen bis zur wahnhaften Gewißheit und Unkorrigierbarkeit festgehalten wird, tatsächlich bei jedem Menschen auftreten können. Wenn es hierfür eine Prädisposition gibt, dann muss diese wie die Verschwörungstheorien auch sehr häufig sein.

Die Tatsache, dass es induzierten Wahn gibt, macht deutlich, dass Wahn mit Kommunikation in enger Verbindung steht. Die evolutionäre Nische von Menschen sind andere Menschen, mit denen wir in täglichem Austausch sind. Die Phänomene der sozialen und emotionalen Ansteckung sind bekannt und die Auswirkungen von längerfristig beeinträchtigter Kommunikation ebenfalls. Wenn unter den Bedingungen des Lockdowns insgesamt weniger echte soziale, diskursive Kommunikation stattfindet, erleichtert dies die Entstehung von Denkmustern, die von denen der Gemeinschaft abweichen. Wenn man zudem seine eigene Gemeinschaft findet, behält man diese Denkmuster eher bei. Und wenn die Kommunikation zudem vor allem medial erfolgt, führen Filter und andere bekannte Auswirkungen dieser Medien (Falschheit wird durch Twitter schneller, weiter und tiefer verbreitet als Wahrheit; Radikalisierung als Geschäftsmodell von YouTube) zu einem insgesamt weiter verstärkenden Effekt.

Es gibt kein Wundermittel gegen Corona-Leugnung und Impfverweigerung, denn es handelt sich um psychiatrisch nicht unbekannte Reaktionsmöglichkeiten von Menschen. Ihr Verständnis im Rahmen unseres Fachgebiets eröffnet aber auch Perspektiven für adäquates Handeln. Ängste kann man reduzieren und bei unverschuldeten finanziellen Notlagen kann man Unterstützung gewähren. Kontrollverlust wird in geringerem Maß erlebt, wenn Gegenmaßnahmen klar begründet und kommuniziert werden. Häufig wechselnde, zuweilen in sich logisch nicht stimmige Anordnungen schaden sehr. Wenn sich wechselseitig verstärkende Kommunikationsdefizite ursächlich an der Entstehung eines Problems beteiligt sind, ist gute Kommunikation notwendig Teil von dessen Lösung.

Schon vor dem Beginn der Impfungen gegen COVID-19 schrieb die kanadische Kinderärztin Noni MacDonald [50] in ihrer Arbeit „Fake News und die Attacken von Wissenschaftsleugnern auf Impfstoffe: Was kann man tun?“: „Es ist wichtig, dass Sie sich gut überlegen, was Sie sagen, und dass Sie Ihre Meinung äußern – ganz gleich, ob Sie beim Abendessen sind, mit Freunden ausgehen oder sich in ihrer Arztpraxis oder Klinik befinden. Wenn Sie nichts sagen, bedeutet das, dass Sie mit der Fehlinformation einverstanden sind“. Gegen wahnhaft überzeugte Impfgegner jedoch nützt Argumentieren nichts.


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1 In Deutschland startete das Impfen mit dem Impfstoff von BioNtech/Pfizer offiziell am 27.12.2020.


2 Die Zahlen sind dem COVID-19 Dashboard, das vom Center for Systems Science and Engineering (CSSE) an der Johns Hopkins University (JHU) betrieben wird, entnommen.


3 Filterblasen in Form von Stammtischen oder Vereinen gibt es schon lange, aber das Ausmaß (im Hinblick auf die zeitliche Nutzung und weltweite Verbreitung sowie die ungeheuren Möglichkeiten KI-basierter Filterung) der auf den neuen sozialen Online-Medien basierenden Filterblasen und Echokammern übersteigt alles dagewesene quantitativ und hat qualitativ ganz andere und neue Auswirkungen.


4 Vgl. für das Folgende die ausführliche Darstellung in [30]. Dort auch weitere Quellenangaben.


5 Beispiele: Die Gesundheitsbehörde enthalte aufgrund des Drucks der Pharmaindustrie der Öffentlichkeit bewusst Naturheilverfahren für Krebs und andere Krankheiten vor. Die Fluoridierung des öffentlichen Trinkwassers ist nichts anderes als eine Methode der chemischen Industrie, gefährliche Nebenprodukte aus Phosphatminen an die Umwelt loszuwerden.


6 Wissenschaftler sind sich zu 99 % untereinander einig. Darüber zu reden wäre langweilig, weswegen sie auf Fachtagungen und Kongressen auch gerne über die verbleibenden 1 % diskutieren – kontrovers, versteht sich, aber nahezu immer freundlich und bescheiden. Denn alle wissen: Emotionen behindern die Wahrheitssuche – und nur um die geht es in der Wissenschaft.


7 Die medial inszenierten vermeintlichen „Kontroversen“ in der Wissenschaft stehen in auffallendem Kontrast zu den von Verschwörungsanhängern vorgetragenen Argumenten, für die keinerlei Zweifel zugelassen wird. Mit dem Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman lässt sich dies, frei nach Karl Popper, wie folgt kommentieren: Ideologie ist der Bereich des Glaubens, Wissenschaft dagegen der Bereich des Zweifels.


8 Heute könnte man auch von genetisch bedingten Störungen von Systemen der Neuromodulation sprechen. Im Grunde sind diese Störungen damit auch „organisch“, unterscheiden sich jedoch von den früher bereits „organisch“ genannten Störungen in vielfacher Hinsicht: Es geht nicht um „entzündlich, vaskulär oder raumfordernd“, sondern um die Fehlregulation von Stoffen, die im Gegensatz zu Neurotransmittern nicht einzelne Informationen von Zelle zu Zelle über Synapsen senden, sondern die Eigenschaften der Informationsverarbeitung größerer Bereiche des Gehirns oder des gesamten Gehirns verändern. Mehr oder weniger Aktivierbarkeit, Signal-Rausch-Abstand, Fokussierung der Aktivität, Lernrate etc. mittels flächiger (nicht punktförmiger) Freisetzung von Neuromodulatoren wie Dopamin, Serotonin, Acetylcholin, Noradrenalin und anderen.


9 Ob der sensitive Beziehungswahn tatsächlich gehäuft bei Frauen im vierten Lebensjahrzehnt auftritt, wie von Tölle beschrieben [37, S. 183], lässt sich wegen der spärlichen Datenlage hierzu weder bestätigen noch bestreiten.


10 Bonhoeffer verlor seine Söhne Dietrich Bonhoeffer und Klaus Bonhoeffer sowie seine Schwiegersöhne Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher durch Hinrichtung im Namen von Hitlers NS-Regime.


11 Ähnlich wie wir in Anlehnung an die französische „idée fixe“ im deutschen von fixen Ideen sprechen und damit überwertige Ideen meinen, spricht man bei induziertem Wahn auch im Deutschen oft von „folie à deux“.


12 Das Material habe ich bereits vor 5 Jahren in meinem Beitrag „soziale Ansteckung“ verwendet und im Folgenden leicht editiert und gekürzt.


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03 March 2022

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  • Literatur

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Abb. 1 Prozentsatz rechter/kapitalistischer bzw. linker/kommunistischer Verschwörungstheorien in Abhängigkeit von der Partei des Präsidenten (nach Daten aus [40])
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Abb. 2 Neigung zu Verschwörungstheorien in Abhängigkeit vom Berufsfeld (nach Daten aus [40]). Nach diesen Daten erscheint das subjektiv erlebte Ausmaß an Kontrolle im Bereich der Medizin erschreckend gering.