Einleitung
Seit dem Beginn der rapide voranschreitenden pandemischen Ausbreitung von COVID-19
im Frühjahr 2020 ist die Gesellschaft weltweit von signifikanten Einschränkungen geprägt.
Eine Vielzahl an
Maßnahmen wurde politisch durchgesetzt und schränkt das Arbeits- und Sozialleben in
einem Gegenspiel aus wiederkehrenden Lockdowns und graduellen Lockerungsversuchen
ein. Um die planerische
Sicherheit zu garantieren und eine kritische Kapazitätsüberlastung im Gesundheitssystem
zu verhindern, wurde starke politische Einflussnahme auf die medizinische Versorgungsstruktur
und
-organisation genommen, welche einen Regelbetrieb in den deutschen Krankenhäusern
phasenweise nahezu unmöglich machte. Entsprechende Einschränkungen des elektiven Operationsprogramms,
Prozessanpassungen mit notwendiger prähospitaler Triage oder quarantänebedingter Knappheit
an medizinischen Fachpersonal brachten auch eingefahrene Strukturen in der gynäkologischen
und
geburtshilflichen Versorgung des Universitätsklinikums Marburg ins Wanken.
Die COVID-19-Pandemie prägte die Bundesrepublik Deutschland in Form von 2 Infektionswellen
im Jahr 2020, die mit unterschiedlichen Einschränkungen und Maßnahmen für die medizinische
Leistungserbringung einhergingen. Nachdem am 27. Januar der 1. Fall einer Coronaerkrankung
im bayerischen Landkreis Starnberg registriert wurde, richtete die Bundesregierung
1 Monat später
einen ersten Krisenstab zur gemeinsamen länderübergreifenden Pandemiebekämpfung ein.
Als am 10. März letztendlich erstmals alle Bundesländer von Coronafällen betroffen
waren, wurden erste
Schulen geschlossen und Einreiseverbote an den deutschen Grenzen durchgesetzt, worauf
am 22. März erste Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen folgten, die bis zum 20. April
aufrechterhalten
wurden. Die Gesundheitspolitik reagierte mit der reflexartigen Einschränkung von elektiven
Operationsprogrammen zur Freisetzung von möglicherweise benötigten Intensivkapazitäten,
weshalb
regulärer klinischer Betrieb nahezu vollkommen zum Erliegen kam und die medizinische
Versorgung nunmehr auf die Notfallversorgung und unaufschiebbare chirurgische Eingriffe
fokussiert wurde.
Mit einer erneuten Beschleunigung der Pandemiedynamik zu einer 2. Infektionswelle
und entsprechend steigenden COVID-19-Neuerkrankungen im September 2020 beschlossen
Bund und Länder erneute
Eindämmungsmaßnahmen für das soziale Leben, Gastronomie und Einzelhandel, während
abermalige explizite Einschränkungen der Operationskapazitäten unterblieben. Diese
Entwicklung mündete in
einem erneuten „Lockdown light“ am 02. November 2020 und wurde kurz vor den Weihnachtsfeiertagen
am 16. Dezember aufgrund der anhaltenden Pandemieausbreitung weiter verschärft.
Im Speziellen soll in dieser Arbeit dargestellt werden, wie die Auswirkungen der entsprechenden
Maßnahmen der beiden Lockdowns im Jahr 2020 auf die Fallzahlen der gynäkologischen
und
geburtshilflichen Abteilungen des Universitätsklinikums Marburg als alleiniger regionaler
Maximalversorger ausfielen. Hierzu werden neben der Darstellung der chronologischen
Entwicklung der
Fallzahlvolumina die korrespondierenden Veränderungen in der ICD-Diagnose-Verschlüsselung
und Leistungserfassung als DRG im Vorjahresvergleich dargestellt. Schließlich werden
die konkreten
Einflüsse für die Leistungssektoren der ambulanten und stationären Versorgung getrennt
betrachtet, um abzubilden, innerhalb welches Zeitraums eine Rückkehr zum regulären
Versorgungsniveau
vollzogen werden konnte. Darüber hinaus wird ein Ausblick über den Einfluss der Pandemie
auf zentrale ökonomische Leistungskennzahlen gegeben.
Resultate
Folgend werden die Resultate der retrospektiven Datenanalyse dargelegt. Zunächst wird
auf die relative Entwicklung der monatlichen stationären und ambulanten Fallzahlvolumina
getrennt nach
Gynäkologie und Geburtshilfe eingegangen. Im Anschluss sind die Top 25 der erfassten
ICD-Hauptdiagnosen im Detail ausgewertet. Hierbei wird vor allem auf relative und
absolute Unterschiede der
Leistungskennzahlen zwischen dem Vorjahresvergleich der Jahre 2020 und 2019 zu den
berechneten 4-Jahres-Durchschnitten von 2016 bis 2019 eingegangen. Ein zentraler Aspekt
der vorliegenden
Analyse ist, auf die Unterschiede zwischen der vorwiegend akutmedizinischen Ausrichtung
der geburtshilflichen Versorgung der Klinik für Geburtshilfe und der vorrangig elektiven
Orientierung
der onkologischen Behandlung und gynäkologischen Tumorchirurgie der Klinik für Gynäkologie
einzugehen. Anschließend werden die Erkenntnisse aus der retrospektiven Betrachtung
des
Leistungszeitraums der Jahre 2016 bis 2019 in den relativen Vergleich zu dem aktuellen
und durch die Pandemie geprägten Jahr 2020 gesetzt. Hierdurch wird abgebildet, welche
Auswirkungen die
Dynamik der Pandemieentwicklung und die damit verbundenen Einschränkungen und Maßnahmen
auf die chronologische Entwicklung der klinischen und gesundheitsökonomischen Leistungskennzahlen
hatte.
Abschließend werden die im Jahr 2020 in der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
des Universitätsklinikums Marburg therapierten COVID-19-Fälle vorgestellt und ein
Ausblick auf die
Entwicklung zentraler ökonomischer Kennzahlen der Gesamterlöse, -kosten, Verweildauern
sowie des Casemix-Indexes gegeben.
Vorjahresvergleich der stationären Fallzahlvolumina
Geburtshilfe
Das Leistungsspektrum der Klinik für Geburtshilfe und Perinatalmedizin erstreckt sich
von der pränatalen Diagnostik und Ultraschall über spezielle operative Eingriffe der
Fetalchirurgie
bis zur geburtshilflichen Überwachung, akutmedizinischen Versorgung im Kreißsaal und
der anschließenden Betreuung auf der Wochenstation. Das chirurgische Spektrum umfasst
neben dem
Kaiserschnitt und der operativen Versorgung von Geburtsverletzungen ebenso fetalchirurgische
Spezialeingriffe.
Im direkten Vorjahresvergleich zum Jahr 2019 lässt sich für das Pandemiejahr 2020
eine Zunahme an geburtshilflichen Fallzahlen festhalten. Die Monate Juni und Dezember,
die einen
relativen Rückgang der geburtshilflichen Fallzahlen um –4% und –5% im Vergleich zu
den entsprechenden Leistungsdaten des Jahres 2019 verzeichneten, bilden die Ausnahmen,
während über das
Gesamtjahr eine monatliche Zunahme des Leistungsvolumens realisiert wurde. Hierbei
liegt die relative Zunahme der Fallzahlen bei +11%. Die prozentual höchste relative
monatliche Zunahme
lässt sich für März 2020 festhalten und liegt bei +32%.
Gynäkologie
Während die Klinik für Gynäkologie, gynäkologische Endokrinologie und Onkologie neben
der gynäkologischen Grundlagenversorgung alle Facetten der reproduktionsmedizinischen
Beratung und
Therapie abdeckt, liegt der Fokus vor allem auf der gynäkologischen Tumorchirurgie.
Hierbei deckt die chirurgische Expertise alle Bereiche der gynäkologischen Onkologie
und Versorgung des
Mamma-, Ovarial-, Endometrium-, Zervix- und Vulvakarzinoms ab.
Die Klinik für Gynäkologie verzeichnet eine relative Abnahme des Fallzahlvolumens
im direkten Vorjahresvergleich. Die relativen monatlichen Vergleichsdaten weisen für
die ersten 5 Monate
des Jahres 2020 eine relative Abnahme des Leistungsvolumens von durchschnittlich –11%
nach, mit dem Monat April 2020 als Negativmaximum im Vorjahresvergleich basierend
auf einer relativen
Abnahme des Leistungsvolumens um –23% für das Jahr 2020. Für die 3 Folgemonate Juni,
Juli und August stellt sich eine vorübergehende relative Zunahme der Fallzahlen um
durchschnittlich
+11% im Vorjahresvergleich ein, bevor die Fallzahlen für die Herbst- und Wintermonate
wiederum zurückgehen. Hierbei fällt der 2. Einbruch der relativen Vergleichsdaten
mit einem mittleren
Rückgang der monatlichen Fallzahlen um –11% prozentual vergleichbar hoch aus. Der
Rückgang der relativen Fallzahlen setzt sich für den Betrachtungszeitraum durch und
liegt für das
Gesamtjahr bei –6%. Die Betrachtung der äquivalenten Leistungsindikatoren für den
Untersuchungszeitraum von 2017 bis 2019 zeigt, dass die Klinik für Gynäkologie zuvor
eine relative Zunahme
der OP-Fallzahlen um +6,7% bzw. +8% für die Vergleichsjahre 2017 zu 2018 bzw. 2018
zu 2019 registrierte.
Vorjahresvergleich der ambulanten Fallzahlvolumina
Aufgrund der unterschiedlichen Leistungserfassung liegen für die ambulante Versorgung
durch die universitäre Hochschulambulanz zum jetzigen Zeitpunkt nur die Daten bis
einschließlich
September 2020 vor. [Abb. 1 ] zeigt, dass der Rückgang der Fallzahlvolumina niedriger ausfällt als für die stationären
Fallzahlen. In der
gynäkologischen Ambulanz liegt die relative Fallzahlabnahme für die Monate des 1.
Lockdowns (Februar bis April 2020) bei –7% im Vergleich zu den stationären Volumina
mit –14%. Der Höhepunkt
der relativen Abnahme der ambulanten Fallzahlen liegt im März mit –9%, während maximale
Rückgang der stationären monatlichen Fallzahlvolumina mit –23% für den April zu verzeichnen
ist. Für
die geburtshilfliche Hochschulambulanz lässt sich kein einziger Rückgang der monatlichen
ambulanten Fallzahlvolumina festhalten. Somit nahmen die ambulanten geburtshilflichen
Fallzahlen um
+15% für 2020 im Vergleich zum Vorjahr zu.
Abb. 1 Relative monatliche Veränderung der stationären und ambulanten Fälle der Gynäkologie
und Geburtshilfe (2020 zu 2019).
Veränderungen der ICD-Hauptdiagnosen
Neben der Betrachtung der Trends der Fallzahlentwicklung in der stationären und ambulanten
Versorgung der Klinik für Frauenheilkunde ist die Erfassung und der Vergleich der
häufigsten
ICD-Hauptdiagnosen abgebildet, um neben dem reinen Volumeneffekt der Fallzahländerung
den realen Einfluss auf die Nachfrage an krankheitsbezogener klinischer Behandlung
und Therapie
aufzudecken.
Geburtshilfe
Hierzu wurden die Daten von 19597 Fällen der Klinik für Geburtshilfe der vergangenen
5 Jahre verglichen. Die 25 häufigsten ICD-Hauptdiagnosen stehen anteilig für 81,51%
aller Fälle bei
4558 im Leistungsjahr 2020 kodierten Hauptdiagnosen. Bezogen auf die Top 25 sind Geburten
mit anteilig 56% aller Hauptdiagnosen die größten Leistungsgruppe, gefolgt von geburtshilflichen
Komplikationen mit 20%, Geburtsverletzungen mit 9%, Geburtshindernissen mit 5% und
sonstige Gestosen mit 1%. Die ICD-Diagnose Z38.0 „Einling, Geburt im Krankenhaus“
ist mit 36,68% aller
Hauptdiagnosen die am häufigsten vergebene geburtshilfliche ICD-Kodierung und unterliegt
einem Wachstum von +28% im Vergleich der 4 Vorjahre zum Jahr 2020 für das Universitätsklinikum
Marburg. Auch im direkten Vorjahresvergleich zwischen den Jahren 2020 und 2019 zeigte
sich eine Zunahme der ICD Z38.0 um +13%. [Abb. 2 ] stellt
die Entwicklung der 5 häufigsten ICD-Hauptdiagnosen für die geburtshilfliche Versorgung
im Universitätsklinikum Marburg im Detail dar und geht auf die entsprechenden Vorjahresvergleiche
der Jahre 2020 zu 2019 und den 4-Jahres-Trends des Zeitraums 2016 bis 2019 ein.
Abb. 2 Detailanalyse der Top 5 ICD-Hauptdiagnosen der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
(2016–2020).
Gynäkologie
Äquivalent zur Datenauswertung für die Klinik für Geburtshilfe wurden die ICD-Hauptdiagnosen
der vergangenen 5 Jahre für die gynäkologische Leistungserbringung ausgewertet. Insgesamt
wurden die hierbei 9487 Fälle für den Betrachtungszeitraum erfasst und miteinander
verglichen. Die 25 häufigsten ICD-Hauptdiagnosen nehmen im Jahr 2020 bei 1921 behandelten
Patienten einen
Anteil von 64% aller kodierten Hauptdiagnosen ein. Hierbei stehen bösartige Neubildungen
der Mamma mit anteilig 34% mengenmäßig an der Spitze, gefolgt von gutartigen Neubildungen
mit 25%,
sonstigen Erkrankungen der Geschlechtsorgane mit anteilig 19% und bösartigen Neubildungen
des Unterbauchs mit 14%. Die am häufigsten vergebene ICD-Hauptdiagnose C50 „Bösartige
Neubildung
der Brustdrüse“ mit 411 Fällen im Jahr 2020 zeigt im direkten Vorjahresvergleich zwischen
2020 und 2019 einen deutlichen Rückgang von –7,38%. Die betragsmäßig größte Diskrepanz
zwischen
dem 4-Jahres-Trend von +77% und dem direkten Vorjahrestrend von +8% stellt sich für
die ICD T85.82 „Kapselfibrose der Mamma durch Mammaprothese oder -implantat“ dar.
In [Abb. 2 ] ist die relative Zu- bzw. Abnahme der 5 häufigsten Kodierungen basierend auf der
jeweiligen ICD-Hauptdiagnose für die entsprechenden
Vergleichsperioden im Detail abgebildet.
Abschließend wurden die 25 häufigsten ICD-Kodierungen der Gynäkologie und Geburtshilfe
basierend auf der ersten Stelle der ICD-Ziffer in ätiologische Übergruppen in [Abb. 3 ] zusammengefasst, um anteilige Verschiebungen im Fallspektrum ersichtlich zu machen.
Abb. 3 Vergleich der anteiligen ICD-Fallspektren der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
(2016 bis 2020).
Veränderungen der DRG
Zusätzlich wurden für die erfassten Fälle die korrespondierenden DRG-Kodierungen analysiert.
Diese geben über die Diagnosedefinierung durch ICD-Kodierung hinaus vor allem Einblick
in die
führende operative, interventionelle oder medikamentöse Therapie und die abschließende
gesundheitsökonomische fallpauschalenbasierte Abrechnung der untersuchten Fälle.
Geburtshilfe
Die 25 häufigsten DRG-Kodierungen sind verantwortlich für 96,88% aller im Rahmen dieser
Analyse registrierten Fälle. Hierbei beziehen sich im Jahr 2020 46% der 25 häufigsten
DRG auf
Neugeborene, 28% auf die vaginale Entbindung und 19% auf die Sectio caesarea. Im Vergleich
zu dem Durchschnitt der betrachteten Vergleichsperiode von 2016 bis 2019 hat der relative
Anteil
der Neugeborenen und vaginalen Entbindung an den Top 25 DRG mit +3% bzw. +10% Wachstum
zugenommen, während das relative Gewicht der Sectio um –10% abgenommen hat. Die DRG
P67E
„Neugeborener Einling, Aufnahmegewicht > 2499 g“ bildet mit anteilig 37,06% die am
häufigsten kodierte Fallgruppe ab und unterliegt mit einer Zunahme von +67% im Zeitraum
von 2016 bis
2019 und +12% von 2019 zu 2020 einem Wachstumstrend.
Gynäkologie
Die 25 häufigsten DRG-Fallgruppen der Gynäkologie umfassen 79,44% aller kodierten
DRG für die im Rahmen dieser Analyse registrierten Fälle. Hierbei beziehen sich 47%
der 25 häufigsten DRG
auf Eingriffe an der Mamma und 44% auf Eingriffe im Unterbauch. Im Vergleich zu der
betrachteten Vergleichsperiode von 2016 bis 2019 hat das relative Gewicht der Unterbaucheingriffe
an den
Top 25 DRG zugenommen, während der relative Anteil der Eingriffe an der Mamma abgenommen
hat. Dies spiegelt sich in der am häufigsten kodierten DRG wider. Während in 2016
bis 2019 J23Z
„Große Eingriffe an der Mamma bei bösartiger Neubildung“ mit anteilig 6,5% noch das
am häufigsten kodierte DRG darstellte, steht in 2020 N21A „Hysterektomie außer bei
bösartiger
Neubildung“ mit anteilig 7,13% an der Spitze.
Behandelte COVID-19-Fälle
Basierend auf der ICD-Kodierung „U07.1 COVID-19, Virus nachgewiesen“ wurden im Pandemiejahr
2020 im Universitätsklinikum Marburg insgesamt 283 hospitalisierte COVID-19-Fälle
behandelt.
Bezogen auf eine Gesamtbevölkerung von 245754 Einwohnern wurden im Landkreis Marburg-Biedenkopf
5181 COVID-19-Fälle im Jahr 2020 erfasst. Darüber hinaus wurden 78,8 % des hospitalisierten
COVID-19-Fallvolumens auf einer internistisch geleiteten Station behandelt. In der
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Marburg wurden
im gesamten Jahr 2020
5 Patientinnen mit einer COVID-19-Infektion hospitalisiert. Hierbei fielen alle Fälle
in die geburtshilfliche Versorgung. Grund hierfür war eine perinatale Infektion der
Patientinnen mit
COVID-19, während in der Klinik für Gynäkologie durch präoperative Triage basierend
auf einer nasopharyngealen PCR- oder Antigen-Schnelltestung keine Patienten mit einer
aktiven
COVID-19-Erkrankung stationär aufgenommen wurden. Sofern es zu einer Infektion und
anschließender Hospitalisierung bei primär gynäkologischen Patientinnen, beispielsweise
postoperativ im
Rahmen einer adjuvanten Radio- und Chemotherapie, kam, wären die Patientinnen auf
einer internistisch geleiteten Station behandelt worden. Ein entsprechender Fall ist
uns jedoch nicht
bekannt.
In [Abb. 4 ] sind die relativen monatlichen Fallzahlentwicklungen der Klinik für Gynäkologie
und Geburtshilfe im Vorjahresvergleich zwischen 2020
und 2019 dargestellt sowie in den Kontext zur chronologischen Entwicklung der nationalen
COVID-19-Infektionen gesetzt.
Abb. 4 Darstellung der chronologischen Entwicklung der nationalen COVID-19-Infektionen und
relativen monatlichen Veränderungen der stationären Fallzahlvolumina.
Auswirkungen auf die ökonomischen Leistungskennzahlen
[Abb. 5 ] stellt die monatliche Entwicklung der relativen Veränderung der Gesamterlöse und
Gesamtkosten für das Pandemiejahr 2020 im Vergleich zu
2019 dar. Hierbei sind anteilige Kosten und Erträge der Klinik für Gynäkologie am
unternehmerischen Gesamtergebnis des Universitätsklinikums Marburg, d. h. das anteilige
Finanz-, Betriebs-
oder Investergebnis und Steuern, nicht in die Betrachtung mit einbezogen, um das reine
operative Ergebnis der Gynäkologie als alleinstehende Fachrichtung abzubilden.
Abb. 5 Darstellung der chronologischen Entwicklung der relativen monatlichen Veränderungen
der Gesamterlöse und -kosten der Klinik für Gynäkologie (2020 zu 2019).
Insgesamt kam es im Pandemiejahr 2010 zu einer relativen Zunahme der Gesamterlöse
und Gesamtkosten um +10,6% bzw. +7% im Vergleich zum Vorjahr 2019. Abschließend kann
eine relative Zunahme
des Nettoergebnisses der Klinik für Gynäkologie um 98% im Vorjahresvergleich festgehalten
werden. Der gynäkologische Casemix-Index nahm um –2,3% ab, während er für das Gesamtklinikum
um
+3,4% stieg. Ebenso zeigt sich eine relative Abnahme in Höhe von 25% an Kurzliegern
und eine relative Steigerung der Anzahl an Langliegern um 111%.
Diskussion
Um die Bedeutung der Ergebnisse und die daraus gezogenen Rückschlüsse für den regionalen
und überregionalen Versorgungsauftrags des Universitätsklinikums Marburg erfassen
zu können, ist ein
grundlegendes Verständnis der regionalen gynäkologischen und geburtshilflichen Versorgungslage
essenziell. Als alleiniger gynäkologischer und geburtshilflicher stationärer Leistungserbringer
im Landkreis Marburg-Biedenkopf mit ca. 250000 Einwohnern bildet das Universitätsklinikum
Marburg in Kooperation mit über 80 niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen sowie
ca. 7 stationären
Basisversorgern nicht nur ein eng verzahntes regionales Netzwerks, sondern ist ein
kritischer Teil der ländlich geprägten gynäkologischen und geburtshilflichen Versorgungsinfrastruktur
auf
einer Fläche von über 8660 km2 für ca. 850000 Einwohner der Landkreise Schwalm-Eder-Kreis, Vogelsberg, Waldeck-Frankenberg,
Marburg-Biedenkopf und dem Lahn-Dill-Kreis in Nord- und
Mittelhessen sowie einem Großteil der ca. 500000 Einwohner der nordrhein-westfälischen
Landkreise Siegen-Wittgenstein und Hochsauerlandkreis. Die nächstgelegenen Maximalversorger
lassen sich
im Norden und Süden mit dem Klinikum Kassel und Universitätsklinikum Gießen in 75
und 35 km Entfernung finden, während in östlicher und westlicher Orientierung mit
dem Klinikum Schwalmstadt
und Dillenburg als stationäre periphere Basisversorger in jeweils ca. 50 km Entfernung
kein umfassendes Leistungsspektrum gewährleistet werden kann, weshalb das Universitätsklinikum
Marburg
nicht nur in der gynäkologischen onkologischen Diagnostik und Therapie, sondern ebenso
in der geburtshilflichen Versorgung als zentrales regionales und überregionales Kompetenzzentrum
fungiert. Hierbei bestehen enge Kooperationsstrukturen mit den peripheren Basisversorgern,
ambulanten Kolleginnen und Kollegen sowie angrenzenden Maximalversorgern in Kassel
und Gießen, um das
vollständige gynäkologische Leistungsspektrum im Rahmen von onkologischen Regiozentren
sowie geburtshilflichen und pränatalen Spezialdiagnostik und -therapie garantieren
zu können. Auf
nationalem Level erbringt das Universitätsklinikum Marburg vor allem im Hinblick auf
die gynäkologische Onkologie mit Fokus auf die Unterbauchtumoren einen Versorgungsauftrag,
welcher die
beschriebenen regionalen und überregionalen Grenzen deutlich überragt.
Die erfassten Fallzahlentwicklungen der vorliegenden Untersuchung zeigen eindrucksvoll
den Unterschied zwischen einer vorwiegend elektiv orientierten gynäkologischen Tumorchirurgie
zur
akutmedizinisch aufgestellten Geburtshilfe. Während die geburtshilfliche Leistungserbringung
im Hinblick auf die chronologischen monatlichen Fallzahlenvolumina am Universitätsklinikum
Marburg
nahezu vollkommen unbeeinflusst bleibt und sogar ein deutliches Wachstum von +11%
für das Gesamtjahr im stationären Vorjahresvergleich erzielt, folgt die gynäkologische
Versorgung der
nationalen chronologischen Dynamik der COVID-19-Pandemie und registriert einen Rückgang
der stationären Fallzahlvolumina um −6%. Diese divergente Entwicklung der beiden Abteilungen
wurzelt in
den primären Maßnahmen der Klinikleitung, die im Verlauf durch einen gezielten Maßnahmenplan
in enger Abstimmung mit den verschiedenen Fachdisziplinen verfeinert wurden.
COVID-19-Maßnahmen-Plan und Einfluss der Klinikleitung
Die initiale Reaktion der Geschäftsführung auf die pandemische Ausbreitung von COVID-19
lag in der Durchsetzung einer nahezu vollständigen Blockade des elektiven Operationsprogramms,
um
möglicherweise benötigte Personal- und Beatmungskapazitäten freizuhalten, sowie der
Forcierung kompletter Kontaktbeschränkungen für externe Besucher, um die nosokomiale
Infektion von
Patienten mit COVID-19 zu verhindern. Dazu kam ein abrupter Einbruch der Nutzung des
ambulanten Leistungsangebots, welchen wir auf die initiale Befürchtung ambulanter
Patienten, sich im
klinischen Umfeld einem erhöhten Infektionsrisiko auszusetzen, zurückführen, obwohl
das ambulante Angebot vonseiten der Klinikleitung nicht explizit eingeschränkt wurde.
Im chronologischen
Verlauf der Pandemie erfolgte eine zunehmende Verfeinerung des Maßnahmen- und Hygieneplans
in Abstimmung mit den verschiedenen medizinischen Fachbereichen, wobei gerade im onkologischen
und
geburtshilflichen Versorgungsauftrag der Frauenheilkunde ein autarker und situationsadaptierter
Führungsstil seitens der Klinikleitung garantiert wurde.
Triage-System etablieren und verfeinern
Für das gesamte Universitätsklinikum erfolgte ein ausgeprägtes Triage-System, welches
sich international bereits als eine der Schlüsselmaßnahmen erwiesen hat, um als
Gesundheitsdienstleister die volatile Dynamik der Pandemie erfolgreich zu meistern.
Zunächst wurde die prähospitale Testung der Patienten mithilfe einer PCR-Testung etabliert,
welche im
Verlauf auf die kostengünstigere Antigen-Schnelltestung umgestellt wurde. Notfallmäßig
hospitalisierte Patienten durchliefen im Notfallbereich einen identischen Prozess
und wurden erst
nach negativer Testung entisoliert und stationär aufgenommen. Zum aktuellen Zeitpunkt
darf weder ein Patient noch ein Besucher ohne aktuellen negativen Antigen-Test oder
einer
nachgewiesenen doppelten Impfung das Universitätsklinikum betreten.
Durchsetzung strukturierter Hygienemaßnahmen
Das klinikinterne Hygienekonzept lässt sich aufgrund der kontinuierlichen Verfeinerung
im Rahmen des chronologischen Pandemieverlaufs nur in seinen Grundzügen beschreiben.
Wie bereits
aufgeführt stellt die prähospitale PCR-Testung, welche im Verlauf um die nasopharyngeale
Schnelltestung erweitert wurde, den Schlüssel dar. Somit ließen sich nichtnotwendige
Klinikaufenthalte von COVID-19-Infizierten, zum Beispiel ein ambulanter Routine-Nachsorgetermin,
verhindern und Patienten mit notwendigen Klinikaufenthalte direkt in einen
COVID-19-Arbeitsstrom lenken. Dies bedeutete in diesem Zusammenhang ebenso, dass COVID-19-infizierte
Schwangere nach Entbindung im Kreißsaal auf einer der COVID-19-Stationen geführt wurden
und wie im Rahmen einer Streubelegung extern durch das Team der Gynäkologie und Geburtshilfe
betreut wurden. Regelmäßige Wiederholungstestungen im Rahmen des stationären Aufenthalts
oder
bei Verdachtsfällen schafften darüber hinaus höhere Sicherheit. Für das gesamte Klinikum
wurden explizite Besuchsverbote durchgesetzt. In Absprache mit der Klinikleitung wurden
hierbei
flexible Ausnahmen für onkologische, palliative, intensivmedizinische und geburtshilfliche
Patienten geschaffen, die sich entsprechend der aktuellen Inzidenzlage in ihrer Intensität
unterschieden und dezentral durch die jeweiligen Fachabteilungen durchgesetzt wurden.
Für die Gynäkologie bedeutete dies, dass der Besuch von onkologischen Patienten durch
einen
Lebenspartner oder Verwandte ersten Grades nach Ermessen der ärztlichen Stationsleitung
genehmigt war. In der Klinik für Geburtshilfe war die Begleitung der Geburt durch
den Partner nach
Negativtestung für den kompletten Geburtsprozess genehmigt. Ebenso gab es regelmäßige
Besuchsmöglichkeiten für Partner auf der pränatalen Überwachungsstation. Bei Verlassen
des
Klinikgeländes mussten die Personen mit einer erneuten Testung rechnen. Insgesamt
spiegeln diese Regelungen ein hohes Vertrauen der Klinikleitung in die Hygienebemühungen
der Klinik für
Gynäkologie und Geburtshilfe wider und wurden darüber hinaus kritisch diskutiert.
In unserer Auffassung ist eine emotionale Begleitung engster Angehöriger im Rahmen
von onkologischen und
geburtshilflichen Aufenthalten unerlässlich. Ein komplettes Verbot der Besuchsrechte
in diesem Rahmen war für die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des Universitätsklinikums
Marburg
zu keinem Zeitpunkt denkbar. Dass sich hierdurch kein erhöhtes Risiko für die Infektionsverbreitung
ergeben hat, zeigt die niedrige Anzahl an COVID-19-Fällen für beide Kliniken. Sofern
es
zu COVID-19-Erkrankungen von Klinikpersonal kam, fand der primäre Infektionskontakt
in jedem Fall im privaten Umfeld statt.
Getrennter COVID-19-Arbeitsstrom von der regulären Leistungserbringung
Ausgehend von einer erfolgreichen Triage wurden von Beginn an intensive Bemühungen
verfolgt, den COVID-19-Arbeitsstrom vollständig von der regulären Leistungserbringung
zu trennen, indem
ein isolierter Prozess in der Notaufnahme geschaffen wurde, welcher in einer interdisziplinär
geführten COVID-19-Einheit mündete. Es hat sich gezeigt, dass die reguläre Leistungserbringung
auch in Zeiten einer Pandemie aufrechterhalten werden kann und muss, um die Behandlung
anderer Krankheiten nicht zu gefährden und schlechtere medizinische Ergebnisse zu
riskieren. COVID-19
kann sicher aus der regulären stationären und ambulanten Leistungserbringung herausgehalten
werden, wie es für das Universitätsklinikum Marburg als regionales Krankenhaus der
Maximalversorgung am Beispiel der Klinik für Gynäkologie gezeigt werden kann. Entsprechende
Sprechstundenschließungen oder Umstrukturierungen zu Videosprechstunden waren dementsprechend
am
Standort in Marburg nicht notwendig, bereits initiiert oder etabliert, wie beispielsweise
im Rahmen der teledermatologischen Videosprechstunden der Klinik für Dermatologie
und Allergologie
des Universitätsklinikums Marburg. Durch suffiziente Triage und Trennung der COVID-19-Prozesse
von der regulären gynäkologischen Versorgung konnte eine nosokomiale Infektion mit
COVID-19
verhindert werden. Ebenso kam es nur zu vereinzelten quarantänebedingten oder krankheitsbedingten
Personalausfällen. Eine konsequente Testung von Klinikpersonal durch die Abteilung
der
Klinikhygiene nach jedem nachgewiesenen Kontakt zu COVID-19-erkrankten Patienten ermöglichte
es, den Ausfall von ganzen Abteilungen und Stationen zu verhindern.
Etablierung einer fundierten Modellierung für die regionale Nutzung von Kapazitäten
Darüber hinaus eröffnete die Triage und Trennung COVID-19-freier Prozesse von der
Pandemiebekämpfung eine informierte Modellierung zur Vorhersage der regionalen Kapazitätsauslastung
auf
der Basis epidemiologischer und versorgungsbezogener Parameter. Als Konsequenz entwickelte
das Management ein wichtiges Werkzeug zur Vorhersage und proaktiven Anordnung von
Kapazitäten für
die Versorgung entsprechend der regionalen Pandemiedynamik. In Anbetracht der immer
wiederkehrenden Infektionsspitzen, der Virusmutationen sowie des schleppenden Impffortschritts
in
Deutschland wird die Möglichkeit, die eigenen Kapazitäten proaktiv zu steuern, der
Schlüssel sein, um die Wirtschaftlichkeit zu erhalten und gleichzeitig den Versorgungsauftrag
als
führender regionaler Gesundheitsdienstleister erfüllen zu können. So besteht am Universitätsklinikum
Marburg zu jedem Zeitpunkt bei rapide ansteigenden Inzidenzen die Möglichkeit, wieder
COVID-19-Abteilungen und Intensivstationen einzurichten und von dem übrigen Klinikbetrieb
zu isolieren, wie es bereits während den ersten beiden Infektionswellen in 2020 der
Fall war.
Regionale Kommunikation und Zusammenarbeit der Leistungserbringer forcieren
Die Möglichkeit, eigene Kapazitäten engmaschig zu kontrollieren, eröffnet schließlich
die Option, die regionale Leistungserbringung eigenständig zu steuern und sich nicht
auf
festgefahrene politische Maßnahmen verlassen zu müssen. Da die Pandemie zunächst das
Vertrauen der Patienten in eine sichere hospitale Behandlung erschüttert hat und das
Vertrauen in das
nationale Krisenmanagement im Gesundheitswesen im Verlauf der Pandemie messbar abnimmt,
ist es besonders wichtig, die Kommunikation auf regionaler Basis zu forcieren. Als
führender
regionaler Gesundheitsdienstleister ist es notwendig, die ergriffenen Maßnahmen und
die damit verbundenen Leistungsindikatoren aktiv zu kommunizieren, damit in der Folge
eine sichere
Behandlung nicht nur für COVID-19, sondern für das gesamte Krankheitsspektrum gewährleistet
werden kann. Gerade im Hinblick auf das ambulante Serviceangebot ist die intensivierte
Kommunikation der Schlüssel, um das Vertrauen zu erhalten und die Nachfrage nach dem
Leistungsangebot in den Klinikambulanzen zu erhalten.
Die Beschreibung des Maßnahmenkonzepts der Klinikleitung des Universitätsklinikums
Marburg zeigt, dass die Kombination aus einem strukturierten Hygienekonzept und dem
intensiven Austausch
der Geschäftsführung und Fachabteilungen bei kontinuierlicher Verfeinerung und Verbesserung
der Maßnahmen den Schlüssel zur innerbetrieblichen Infektionsvermeidung darstellt.
Hierbei ist
ein engmaschiger Austausch zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen, der Geschäftsführung
und der Abteilung für Hygiene notwendig. Sofern der COVID-19-Arbeitsstrom von den
Regelleistungen getrennt werden kann und die regionale Infektionslage es zulässt,
kann der klinische Normalbetrieb ohne Einschränkungen gestaltet werden.
Diskussion der geburtshilflichen Versorgung
Die positive Entwicklung der geburtshilflichen Fallzahlen muss kritisch vor dem Hintergrund
der regionalen Versorgungslage im Jahr 2020 diskutiert werden. Grundsätzlich konnte
das
Fallzahlvolumen in der Klinik für Geburtshilfe des Universitätsklinikums Marburg in
den Vorjahren durch die sukzessive Schließung peripherer geburtshilflicher Einrichtungen,
wie der
geburtshilflichen Abteilung der Kreiskliniken Biedenkopf und Wehrda, gesteigert werden.
Hierdurch lässt sich die Zunahme der am Universitätsklinikum betreuten Geburten um
+4,6% zwischen den
Jahren 2017 und 2018 und sogar um +15,2% für 2018 und 2019 erklären. Seit 2019 herrscht
jedoch eine stabile zentralisierte geburtshilfliche Versorgungslage vor. Somit befinden
sich die
nächstgelegenen Kreißsäle im Norden, Osten und Westen in den kleineren peripheren
Einrichtungen des Kreiskrankenhaus Frankenberg (ca. 35 km), Asklepios Schwalm-Eder-Kliniken
Klinikum
Schwalmstadt (ca. 50 km) und der Lahn-Dill-Kliniken Dillenburg (ca. 50 km). Jedoch
wird in keinem der genannten Kliniken eine durchgehende ärztliche Bereitschaft oder
spezialisierte
pränatale Diagnostik und Therapie vorgehalten, sodass die entsprechenden Einrichtungen
bei Kompetenzüberschreitung auf das universitäre Leistungsangebot des Universitätsklinikums
Marburg
zurückgreifen. Der nächstgelegene geburtshilfliche Maximalversorger mit einer durchgehenden
ärztlichen Betreuung lässt sich im Süden am Universitätsklinikum Gießen (ca. 35 km)
finden. Eine
Alternative zur natürlichen Entbindung im Landkreis Marburg-Biedenkopf ist durch das
Marburger Geburtshaus gegeben. Während dem Pandemiejahr 2020 kam es nach unserem Wissen
zu keiner
COVID-19-bedingten Schließung oder Leistungseinschränkung der genannten Einrichtungen,
wodurch keine direkten externen Effekte auf das Nutzungsverhalten des geburtshilflichen
Versorgungsangebots ersichtlich sind. Jedoch ließen sich deutliche Unterschiede für
die angewandten Hygienekonzepte und Kontaktbeschränkungen feststellen. Somit wurde
durch konsequente und
engmaschige PCR- und Antigen-Schnelltestung eine Teilnahme des Partners am Geburtsverlauf
am Universitätsklinikum Marburg durchgehend möglich, während die meisten regionalen
Leistungserbringer die peripartale Anteilnahme durch Begleitpersonen massiv einschränkten.
Dieses Angebot beschränkte sich im Universitätsklinikum Marburg auf den Partner der
jeweiligen
Patientin, weitere externe Angehörige waren zur Geburt nicht zugelassen. Darüber hinaus
stellte diese Regelung eine absolute Ausnahme für den stationären Aufenthalt dar,
während in allen
übrigen Abteilungen, wie beispielsweise der intensivmedizinischen Versorgung, nur
Ausnahmen im Rahmen der Sterbebegleitung getroffen wurden. Der Einfluss einer COVID-19-Infektion
auf den
prä-, peri- und postnatalen Verlauf von Schwangerschaften bleibt ein Jahr nach dem
pandemischen Ausbruch des neuartigen einzelsträngigen RNA-Virus der Coronavirusfamilie
weiterhin
undurchsichtig, etwaige Effekte auf eine Zunahme an Schwangerschaftskomplikationen
im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung werden diskutiert und bis dato existiert kein
einheitliches
wissenschaftlich fundiertes Therapieregime für infizierte Gravida [1 ]
[2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ]. Ursächlich für die
Positiventwicklung der geburtshilflichen Abteilung sind dementsprechend aus unserer
Sicht 2 Faktoren. Einerseits sorgte das hohe Vertrauen der Patientinnen in die sichere,
COVID-19-freie
Versorgung im Kreißsaal eines universitären Maximalversorgers für eine erhöhte Nachfrage
nach dem geburtshilflichen Versorgungsangebots des Universitätsklinikums Marburg.
Zum anderen
entschieden sich viele Paare aufgrund des von den übrigen regionalen Leistungserbringern
teilweise nicht angebotenen Service, dass der Partner nach nasopharyngealer COVID-19-PCR-
oder
Antigen-Schnelltest an der Geburt teilnehmen konnte, für die Entbindung in unserem
universitären Kreißsaal.
Diskussion der gynäkologischen Versorgung
Der Rückgang der relativen gynäkologischen Fallzahlvolumina um –6% steht den Wachstumstrends
der beiden Vorjahre von +6,7 und +8% entgegen. Dies lässt sich aufgrund der vorliegenden
Betrachtung wegweisend auf die massive Einschränkung des elektiven Operationsprogramms,
welche sich national als primäre gesundheitspolitische Maßnahme und Reaktion auf eine
akzelerierte
Pandemiedynamik etablierte, zurückführen. Der Grundsatz, hierdurch sowohl potenzielle
Beatmungskapazitäten freizusetzen als auch das Risiko einer intraoperativen Infektionsübertragung
zwischen medizinischem Personal und Patienten zu minimieren, bestätigte sich für das
Universitätsklinikum Marburg auf regionaler Ebene bisher nicht. Der Rückgang der gynäkologischen
Fallzahlen bedeutet basierend auf unserer Auffassung nicht, dass gynäkologische Tumorchirurgie
mit suffizientem Schutz der teils immunsupprimierten Patienten nicht möglich ist.
Die
Betrachtung der universitär behandelten COVID-19-Fälle beweist, dass es durch verlässliche
prähospitale Triage mit hoher Sicherheit möglich ist, eine nosokomiale Infektion der
Patienten mit
COVID-19 zu verhindern. Mit der Zulassung der COVID-19-Antigen-Schnelltests und einer
dadurch möglichen effizienten Umstrukturierung der präoperativen Triage im Sinne einer
prähospitalen
Testung von onkologischen Patienten hat sich mittlerweile die Meinung in der Literatur
durchgesetzt, die Therapie der gynäkologischen Tumorerkrankungen entsprechend den
allgemein gültigen
Behandlungsempfehlungen beizubehalten, sofern hierdurch keine kritischen regionalen
Infrastrukturen wie Personal oder Beatmungsgeräte gefährdet werden. Eine Vielzahl
an internationalen
Studien aus Italien, den USA, Korea, Kroatien oder China weisen darauf hin, dass eine
sichere Behandlung im Rahmen der gynäkologischen Tumorchirurgie auch in Zeiten einer
globalen Pandemie
möglich ist, ohne hierbei eine erhöhte Gefährdung der nosokomialen Infektion oder
COVID-19-assoziierte erhöhte Mortalität der Patienten zu provozieren [6 ]
[7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ].
Im Hinblick auf den vorgenommenen Vergleich der monatlichen ambulanten und stationären
relativen Fallzahlenentwicklung wird deutlich, dass die geburtshilfliche Leistungserbringung
weitgehend unbeeinflusst von der COVID-19-Pandemie bleibt. Für die gynäkologische
Leistungserbringung des Universitätsklinikums Marburg ist es als positiv zu bewerten,
dass der negative
Einfluss auf die ambulante Betreuung geringer ausfällt als für die stationäre medizinische
Versorgung der Patienten. Darüber hinaus erholt sich die Negativdynamik der gynäkologischen
Ambulanz deutlich schneller als im stationären Setting. Während bereits nach 3 Monaten
im Mai eine Rückkehr zur ambulanten Regelversorgung erzielt wurde, erreichen die stationären
Fallzahlvolumina erst nach 5 Monaten im Juli 2020 das Vorjahresniveau. In unserer
Auffassung liegt dies daran, dass die initiale Reserviertheit der Patienten, das ambulante
Angebot trotz der
Pandemie zu nutzen, auf der Angst basierte, sich im Klinikum mit COVID-19 infizieren
zu können. Durch entsprechende Kommunikation konnte dieses Vertrauen in eine sichere
Behandlung in der
universitären Hochschulambulanz schnell wieder hergestellt werden. Die lang anhaltende
Negativdynamik im stationären Setting lässt sich vor allem durch Einschränkungen des
elektiven
OP-Programms, die bis in den Sommer hinein nur schleppend gelockert wurden, erklären.
Die größten Verlierer im Hinblick auf ihre Fallzahlentwicklung sind die „Kapselfibrose
der Mamma durch Mammaprothese oder -implantat“ (T85.82) und der „Hypertrophie der
Mamma“ (N62). Da
diese ICD-Kodierungen für eine operative Reduktionsplastik oder Wiederaufbau mit Implantaten
dienen, ist diese Entwicklung jedoch weniger überraschend und bildet vor allem die
gezielte
Fokussierung des elektiven Operationsprogramms und der verfügbaren Kapazitäten in
Zeiten einer Pandemie auf die Therapie onkologischer Erkrankungen ab, welche eine
zeitnahe Versorgung
bedürfen. Übergreifend lässt sich bei Betrachtung der ICD-Diagnose-Verschlüsselung
jedoch festhalten, dass sich bereits für das erste Pandemiejahr 2020 auf regionaler
Ebene ein
besorgniserregender Rückgang der Diagnosen C50 „Bösartige Veränderung der Brustdrüse“
und C56 „Bösartige Ovarialtumoren“ um –7,4% bzw. –14% verzeichnen lässt. Unserer Auffassung
nach
erscheint es logisch, dass die Häufigkeit onkologischer Erkrankungen durch eine weltweite
Pandemie einer Infektionskrankheit nicht abnimmt, weshalb die Kombination aus einem
Rückgang der
gynäkologischen onkologischen Operationen und die Abnahme onkologischer Erstdiagnosen
eine kritische Gefahr für die Versorgungsqualität und krankheitsassoziierte Mortalität
mit sich
bringt.
In Zentren des pandemischen Infektionsgeschehens wie New York City kam es zu kritischen
Einschränkungen der Therapie gynäkologischer onkologischer Erkrankungen. Der Klinikverbund
NewYork-Presbyterian verzeichnete für 39% aller Patienten gynäkologischer Tumorerkrankungen
eine COVID-19 betreffende Behandlungsmodifikation. Mit anteilig 67% war die chirurgische
Intervention am häufigsten davon betroffen, während sich die systemische und Radiotherapie
in 22% bzw. 19% der Fälle veränderten [16 ].
Als Reaktion auf entsprechende Empfehlungen, die gynäkologischen Tumoroperationen
zu verschieben und teilweise gänzlich durch Radiochemotherapie zu ersetzen, untersuchten
Matsuo et al. in
einer retrospektiven Untersuchung die Risiken einer entsprechenden Verfahrensänderung
für die Therapie von Frühstadien des Zervixkarzinoms. Die Autoren konnten für IB–IIA-Stadien
des
squamösen, adeno- und adenosquamösen Zervixkarzinoms, die als Goldstandard durch eine
laparoskopische oder offene abdominale Hysterektomie therapiert würden, ein signifikant
erhöhtes Risiko
der parametrialen Streuung des Tumors und einen moderaten Anstieg der Mortalität für
die betroffenen Patientenkollektiv feststellen [17 ]. Wie sich entsprechende zeitliche Verzögerungen auf die gynäkologische Versorgung
und potenzielle Verschiebungen von TNM-Stadien bei Erstdiagnose in Zukunft auswirken
werden, wird sich erst in den kommenden Jahren durch epidemiologische Verfolgung und
Aufarbeitung zeigen und bedarf sorgfältiger wissenschaftlicher Betrachtung.
Der abschließende Vergleich der anteiligen Fallspektren zeigt, dass es zu einer absoluten
Abnahme der malignen Erkrankungen der Gynäkologie um 23,5 Fälle kam, wobei der Anteil
der malignen
Grunderkrankungen an den 25 häufigsten ICD-Kodierungen von 50 auf 47% sank. Darüber
hinaus wurden ebenso im Hinblick auf gutartige Neubildungen anteilig 1% weniger bzw.
4,25 weniger Fälle
als in den Vorjahren verzeichnet, während die Menge an verzeichneten ICD-Kodierungen
von sonstigen Erkrankungen der Geschlechtsorgane fallmäßig um 36,75 zunahm und damit
anteilig nun 19%
statt 17% des Fallspektrums einnimmt. Basierend auf der Gesamtzahl an 1221 Fällen,
welche die Summe der häufigsten 25 ICD-Kodierungen und insgesamt 63,56% der gesamten
ICD-Ziffern im Jahr
2020 darstellen, lassen sich somit nur äußerst beschränkte Aussagen über etwaige Verschiebungen
des Fallspektrums formulieren. Jedoch weisen die Ergebnisse darauf hin, dass es zu
der Abnahme
von therapierten tumorösen Erkrankungen im Leistungsspektrum des Universitätsklinikums
Marburg kam, das Ausmaß für die malignen Erkrankungen höher ausfällt und im Gegenzug
die anteilige
Bedeutung von sonstigen Krankheiten der Geschlechtsorgane im Pandemiejahr stieg.
Ausblick auf die ökonomische Entwicklung
Auf die Abbildung der Entwicklung der ökonomischen Kennzahlen der Klinik für Geburtshilfe
des Universitätsklinikums wird aufgrund der positiven Fallzahlentwicklung verzichtet.
Den
fallbezogenen Leistungsdaten entsprechend zeigen sich ebenso die ökonomischen Kennzahlen
weitestgehend unbeeinflusst von dem Pandemiegeschehen, sodass eine detaillierte Darstellung
und
Diskussion des wirtschaftlichen Gesamtergebnisses im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie
keine diskussionswürdigen Erkenntnisse bietet.
Im Gegensatz dazu zeigt die chronologische Entwicklung der relativen Erträge der Klinik
für Gynäkologie eine der Pandemie folgende Dynamik über das Leistungsjahr 2020, unterscheidet
sich
jedoch in der Intensität der Schwankungen von der reinen Fallzahlbetrachtung. Im Rahmen
der 1. Welle des Infektionsgeschehens zeigt sich ein deutlicher Rückgang der Erträge
für die Monate
März und April von im Mittel –10% im Vergleich zum Leistungsjahr 2019. Im Gegensatz
zur relativen Veränderung der Fallzahlen zeigt sich im Mai jedoch bereits eine erneute
und damit deutlich
schnellere Erholung der Erträge als bei den durch die Einschränkungen stark verminderten
operativen Fallvolumina. Hierfür fällt der Negativtrend der 2. Pandemiewelle im September
mit einem
Rückgang der Gesamterträge um –33% jedoch deutlich stärker aus, als es primär von
den Fallzahlentwicklung zu erwarten wäre. Der negative Einfluss der 2. Welle des pandemischen
Infektionsgeschehens bildet sich deutlicher in der Ertragsentwicklung ab als die entsprechende
Auswirkung der 1. Welle. Dies stellt sich gegen die im Rahmen der Fallzahlbetrachtung
beschriebenen deutlichen Auswirkungen der 1. Welle auf die operativen Fallvolumina.
Der sprunghafte Anstieg der Gesamterträge im Dezember lässt sich durch die buchhalterische
Verrechnung von
Zusatzentgelten auf den letzten Jahresmonat erklären.
Die Betrachtung der Kostenentwicklung im relativen Vorjahresvergleich zeigt eine deutliche
Kostenintensivierung. Hierbei stellen sich die Sommermonate als die kostenintensivsten
Zeiträume
heraus. Dies deckt sich mit der deutlichen Zunahme der chirurgischen Fallzahlen im
Sommer 2020 als Kompensation der 1. Pandemiewelle, welche logischerweise auch erhöhte
Kosten nach sich
ziehen. Der Umstand, dass in den zuvor beschriebenen Monaten mit einer relativen Abnahme
der Fallvolumina, zum Beispiel März, April, Mai oder September, Oktober und November,
die Kosten
weiterhin steigen, lässt sich durch die differenzierte Betrachtung der Entwicklung
des monatlichen Material- und Personalaufwands erklären. Hier zeigt sich, dass die
vorwiegend variablen
Kosten des Materialaufwands der monatlichen Dynamik der Fallzahlvolumina folgen und
zeitgleich mit den Infektionswellen deutlich einbrechen, während der Personalaufwand
im Mittel um +16% für
das Jahr 2020 zunahm. Dementsprechend entziehen sich die Fixkosten der Klinik für
Gynäkologie, zu denen wir die Personalkosten zählen, der durch die Coronapandemie
bedingten monatlichen
Dynamik, weshalb für das Gesamtjahr 2020 eine Zunahme des Gesamtkosten der gynäkologischen
Versorgung um +7% festgehalten werden kann.
Grundsätzlich sank die Anzahl der Kurzlieger (> untere Grenzweildauer und < mittlere
Verweildauer) um –25% im Vergleich zum Vorjahr 2019, und im Gegenzug kam es zu einer
Zunahme der
Langlieger (> mittlere Verweildauer und < obere Grenzverweildauer) um +111% als Reaktion
auf die Abnahme der absoluten Fallzahlen im Pandemiejahr 2020. Somit lässt sich als
Reaktion
auf den gesunkenen niedrigere Patientenumsatz eine reaktive Verlängerung der Liegedauer
nachweisen, welche sich aufgrund von drohenden DRG-basierten Abschlägen bei
Grenzverweildauerüberschreitung aus einer rein ökonomischen Perspektive nicht erklären
lässt. Interessanterweise zeigt sich für die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
jedoch nur eine
minimale Abnahme des durchschnittlichen fallbezogenen Casemix-Indexes (CMI) als Kennzahl
der Gesamtkomplexität der behandelten Fälle um –2,3% für die Gynäkologie und einen
unveränderten Wert
für die Geburtshilfe ab, während sich die Fallkomplexität gemessen am CMI für das
Universitätsklinikum Marburg verdichtete und um +3,4% zunahm. Dies lässt sich nach
unserer Auffassung zum
einen durch die fachbereichsübergreifende reaktive Fokussierung auf komplexe Krankheitsbilder
und Vermeidung elektiver Hospitalisierungen im Rahmen der Pandemie zurückführen und
zum anderen
durch den hohen durchschnittlichen CMI von 2,3 für die 283 behandelten COVID-19-Fälle
erklären, welche eine bei notwendiger Hospitalisierung vorwiegend multimorbide Patientenklientel
darstellten mit einer durchschnittlich kodierten Anzahl von 16,5 Nebendiagnosen im
Vergleich zu 2,9 für die gynäkologische Patientenklientel im Jahr 2020. Die Kombination
aus einer
deutlichen Zunahme der durchschnittlichen Verweildauer und einer geringen Abnahme
der Gesamtkomplexität der behandelten Fälle zeigt, dass die Klinik für Gynäkologie
mit einer konservativen
Entlassungspolitik auf den niedrigeren Patientenumsatz im Pandemiejahr 2020 reagierte,
ohne das eigene Leistungsspektrum aktiv zu verändern. Durch aktive Erlössteuerung
und gewährte
extrabudgetäre Zusatzentgelte konnte das operative Ergebnis gesteigert und trotz Kostenintensivierung
und Fallzahlabnahme eine Positiventwicklung des Nettoerlöses realisiert werden.
Hierbei zeigt sich, dass sich die 2 Wellen an COVID-19-Erkrankungen und -Maßnahmen
im ökonomischen Nettoergebnis abbilden. Die relative Zunahme des Nettoergebnisses
der Klinik für
Gynäkologie um +98% erscheint zunächst sehr deutlich, ist jedoch durch buchhalterische
Maßnahmen und Veränderungen der Erlösstruktur wie beispielsweise der Versechsfachung
der Zusatzentgelte
zu erklären und spiegelt damit nicht das reale operative Ergebnis wider. Einen eindeutigen
Indikator für die Auswirkung der Pandemie auf das gesamtwirtschaftliche Ergebnis bilden
somit vor
allem die Gesamtkostensteigerung um +7% im Vergleich zum Vorjahr und eine Abnahme
der DRG-Erlöse um –3% ab. Abschließend lässt sich somit festhalten, dass sich die
fallzahlbezogenen
Beobachtungen gesundheitsökonomisch abbilden und eine stabile Entwicklung der ökonomischen
Leistung der Klinik für Geburtshilfe realisiert wurde, während die Klinik für Gynäkologie
wiederum
der Pandemiedynamik folgte und durch buchhalterisch zugerechnete Zusatzentgelte eine
Steigerung des Nettoergebnisses erreicht werden konnte.
Schlussfolgerung
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Bewertung, wie sich die Coronapandemie im Hinblick
auf die stationären und ambulanten Fallzahlvolumina eines überregionalen universitären
Maximalversorgers ausgewirkt hat, ob sich Effekte auf die Entwicklungstrends des klinischen
Behandlungsspektrums und der strukturierteren ökonomischen Leistungserfassung in Form
der
ICD-Hauptdiagnosen und DRG-Kodierungen abbilden lassen und wie schnell eine Rückkehr
zur präpandemischen Leistungsniveaus realisiert werden konnte. Hierdurch sollen etwaige
Versorgungsdefizite
aufgedeckt werden.
Die Analyse der Falldaten konnte zeigen, dass die geburtshilfliche Versorgung wie
auch das Leistungsspektrum sowohl im ambulanten als auch stationären Sektor nahezu
unbeeinflusst blieben und
dem Wachstumstrend der vergangenen Jahre folgen. Dies liegt basierend auf unserer
Einschätzung zum einen an dem Vertrauen der Patientinnen in eine sichere und qualitativ
hochwertige
universitäre Versorgung und zum anderen an dem Serviceangebot des Universitätsklinikums
Marburg, die werdenden Väter nach nasopharyngealer PCR- oder Antigen-Schnelltestung
trotz des
pandemischen Infektionsgeschehens am kompletten Geburtsprozess teilzunehmen zu lassen.
Für die gynäkologische Leistungserbringung ließ sich hingegen eine deutliche, negative
Beeinflussung der Fallzahlvolumina und der stationären Versorgung nachweisen. Die
Effekte fallen für die
auf elektiver onkologischer Chirurgie basierenden stationären Fallzahlen deutlicher
aus als im ambulanten Setting.
Eine Rückkehr zu präpandemischen medizinischen und ökonomischen Leistungsniveaus der
Klinik für Gynäkologie wurde in der ambulanten Versorgung bereits nach 3 Monaten realisiert,
während die
stationäre Leistungserbringung erst nach 5 Monaten zu den Vorjahreswerten zurückkehren
konnte.
Das Leistungsspektrum beider Subbereiche basierend auf ICD- und DRG-Kodierung zeigt
sich im Vorjahresvergleich zwischen 2020 und 2019 weitestgehend unbeeinflusst. Die
standortbezogene
relative Abnahme der Diagnosen C50 „Bösartige Neubildungen der Mamma“ und C56 „Bösartige
Ovarialtumoren“ um –7,4% bzw. –14% sind jedoch deutlich und besorgniserregend, weshalb
sie eine
ausführliche epidemiologische Aufarbeitung und wissenschaftliche Nachverfolgung erfordern.
Die Auswirkungen der Pandemie lassen sich an der Entwicklung der ökonomischen Leistungskennzahlen
nachvollziehen, unterscheiden sich jedoch in der Intensität von der fallbezogenen
Betrachtung.