Aktuelle Dermatologie 2022; 48(04): 129-130
DOI: 10.1055/a-1674-7385
Interview

„Die Zukunft der Dermato-Venerologie liegt in den Händen unserer Weiterbildungsassistenten“

Prof. Christiane Bayerl im Gespräch mit Prof. Peter Kohl
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Prof. Dr. Peter Karl Kohl. Quelle: Jan Röhl

Warum haben Sie die Dermatologie als Fachgebiet gewählt?

Ende der 70er-Jahre war noch keine konkrete Karriereplanung erforderlich, sodass ich eher sagen möchte, dass die Dermato-Venerologie mich gewählt hat! Ich hatte in der Neurologie promoviert und wollte weitere Fachgebiete der Medizin näher kennenlernen und bekam an der Universitätshautklinik Heidelberg eine MA (Medizinalassistenten)-Stelle. Während dieser 4 Monate empfand ich die Atmosphäre in der Hautklinik sehr angenehm, die Ärzte in der Klinik sehr freundlich und das Fachgebiet sehr geheimnisvoll. Danach ergab sich eine freie Stelle in der Abteilung für Immunpathologie des Institutes für Immunologie und Serologie der Universität Heidelberg bei Prof. Wilhard Rauterberg und Prof. Klaus Rother.So landete ich zunächst in der theoretischen Medizin und beschäftigte mich über fast 3 Jahre mit der damals modernen Immun-Fluoreszenzdiagnostik von Autoimmunkrankheiten der Haut und der Niere. Dies wiederum weckte in mir das Interesse, die entsprechenden klinischen Krankheitsbilder kennenzulernen. Dazu bewarb ich mich bei Prof. Detlef Petzoldt, den meine immunologische Vorbildung und Laborerfahrung sehr interessierten. Allerdings wünschte er eine wissenschaftliche Umorientierung zur Immunbiologie von Neisseria gonorrhoeae. Ich habe sofort zugestimmt, verband er doch diese Umorientierung mit einem Forschungsaufenthalt in den USA. Er stellte den Kontakt zu Prof. King Holmes an der University of Washington in Seattle her, dem Leiter des führenden Forschungslabors auf dem Gebiet der sexuell übertragbaren Krankheiten (STD). Nach einem weiteren Laborjahr als Stipendiat der deutschen Forschungsgemeinschaft kehrte ich wieder an die Universitätshautklinik Heidelberg zurück und begann meine Facharztausbildung.

Von wem haben Sie besonders viel gelernt?

Im klinischen Bereich habe ich besonders viel von Prof. Detlef Petzoldt gelernt, der mir den Einstieg in die Dermato-Venerologie nicht nur erleichterte sondern auch Laborraum und -personal zur Verfügung stellte. Die wöchentlichen Journal-Clubs des STD-Teams in seinem Vorzimmer stimulierten weiter mein wissenschaftliches Interesse. Dies führte letztendlich dann auch zu meiner Habilitation mit einem venerologischen Thema.Im Bereich der Dermatochirurgie und der Dermatohistologie habe ich besonders viel von Prof. Wolfgang Hartschuh gelernt, einem charismatischen Allround-Kliniker und ausgewiesenem Wissenschaftler, der mir gezeigt hat, dass befriedigende diagnostische Ergebnisse am besten durch die enge Zusammenschau von klinischem Krankheitsbild und Histologie zu erzielen sind. Später habe ich im histologischen Bereich auch viel von Dr. Dieter Krahl gelernt, einem wandelnden Dermatologie-Lexikon, bei dem keine Frage unbeantwortet bleibt. Dann in Berlin habe ich mich wiederum bemüht, mein erworbenes Wissen meinen ärztlichen Mitarbeitern weiterzugeben und sie sowohl in der klinischen Dermato-Venerologie als auch in der operativen Dermatologie auszubilden und zur Zusatzbezeichnung Dermatohistologie zu führen.

Welcher Fall ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir der Fall einer 20-jährigen Patientin mit fortgeschrittener Acne inversa beidseits axillär, beidseits inguinal und gluteal. Sie hatte seit der Pubertät mehrere Therapieversuche unternommen, die das Fortschreiten des Krankheitsbildes nicht aufhalten konnten. Ich habe bei ihr, so wie ich es von Prof. Hartschuh gelernt hatte, mehrzeitige großzügige Exzisionen vorgenommen und die entstandenen Defekte der Sekundärheilung überlassen, natürlich mit Wundkonditionierung, Physiotherapie und Ernährungsberatung. Die Patientin blieb bis jetzt, 6 Jahre nach der letzten Operation, rezidivfrei. Sie hat ein komplett neues Lebensgefühl bekommen, hat einen neuen Freund und arbeitet jetzt als Model.

Wo sehen Sie die Zukunft der Dermatologie?

Die Zukunft der Dermato-Venerologie liegt in den Händen unserer Weiterbildungsassistenten, denn sie werden das Fachgebiet in der Fläche vertreten müssen. Um dies auf möglichst hohem Niveau zu gewährleisten, muss eine systematische Ausbildung die zentralen Bereiche der Dermatologie umfassen. Neben einer detaillierten Ausbildung in der klinischen Dermatologie müssen unsere Assistenzärzte auch im operativen Bereich und in der Dermatohistologie von Beginn an mit eingebunden werden.In meiner ehemaligen Klinik war der aufnehmende Stationsarzt bei der Operation seines Patienten und bei der histologischen Beurteilung seiner Exzision obligat beteiligt. Ich bin also überzeugt, dass nicht eine frühe Spezialisierung sondern eine breite Ausbildung unseres doch ziemlich breiten Fachgebietes die diagnostischen und therapeutischen Kompetenzen stärkt und die Zukunft der Dermatologie sichern wird.Die stationäre Dermatologie allerdings ist in der gegenwärtigen COVID-Zeit bedroht, weswegen unsere breite Kompetenz um so mehr aktiv vertreten und verteidigt werden muss. Nur schwere Fälle gehören auf die dermatologische Station, und Konsile dürfen nur von erfahrenen klinischen Mitarbeitern durchgeführt werden. Und wir müssen natürlich auch den Wettbewerb um den Patienten bzw. um die Fälle annehmen. Nur durch eine breite Kompetenz der Vertreter unseres Fachgebietes in der Fläche erkennen nicht nur die Patienten, sondern auch die benachbarten Fachgebiete, wo der hautkranke Patient optimal aufgehoben ist.

Was raten Sie jungen Kollegen?

Ich rate, nicht nur um die Zeit bis zum Antritt einer dermatologischen Weiterbildungsstelle zu überbrücken, sondern grundsätzlich in benachbarte, für die Dermato-Venerologie relevante klinische und theoretische Fächer hineinzuriechen. Eine derartige Vorbildung wird jeder jungen Kollegin und jedem jungen Kollegen in der Dermato-Venerologie inhaltlich hilfreich sein und ihre/seine eigenen Kompetenzen erweitern.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Peter Karl Kohl, HonMRCP London
Vivantes Klinik für Dermatologie und Venerologie
Rudowerstr. 48
12351 Berlin

Kudammpraxis
Kurfürstendamm 218
10719 Berlin
Deutschland
peterkarl.kohl@gmail.com



Publication History

Article published online:
14 April 2022

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