Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2021; 28(06): 328-329
DOI: 10.1055/a-1670-6766
Editorial

Warum eine Fachgesellschaft?

Oliver Ullrich
,
Jochen Hinkelbein
,
Torsten Pippig

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Rolle von Fachgesellschaften wird in der heutigen Zeit immer öfter infrage gestellt. Sie scheinen keinen unmittelbaren oder zwingenden beruflichen Nutzen zu bringen. Eine Teilnahme an den Aktivitäten von Fachgesellschaften wird nicht selten auf ein Minimum reduziert und endet dann in einer bloßen „passiven“ Mitgliedschaft. Oft werden Fachgesellschaften als „Freizeitvereine“ betrachtet, während die wirkliche Macht bei den staatlichen oder privatwirtschaftlichen Institutionen liegt. Natürlich nimmt sich eine Fachgesellschaft an den Schnittstellen zu eben diesen Institutionen der Vertretung des Faches an, fördert Verbindungen mit wissenschaftlichen Instituten, Gesellschaften und Organisationen des In- und Auslands, führt wissenschaftliche Tagungen und Veranstaltungen durch, gibt wissenschaftliche Schriften heraus und sorgt für Aus-, Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen. Kurz gesagt, sie ist berufspolitisch und fachlich tätig. Aber die Reduzierung auf diese Tätigkeiten wird dem wahren Kern einer Fachgesellschaft nicht gerecht. Denn es geht um viel mehr.

Eine Fachgesellschaft ist keine Behörde, keine Universität und kein Institut. Eine Fachgesellschaft beruht nicht auf einer politischen, administrativen oder militärischen Hierarchie, sondern aus dem freiwilligen und ehrenhaften Zusammenschluss von Angehörigen einer medizinischen Profession mit dem gemeinsamen Ziel, diese in Freiheit, Fachkompetenz und gegenseitigem Respekt fortzuentwickeln. Eine Fachgesellschaft überdauert nicht nur politische Episoden, sondern Generationen. Eine Fachgesellschaft orientiert sich an grundlegenden Werten und Zielen der Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Praxis. Wer meint, dass Fachgesellschaften überflüssig sind, unterstellt die Wissenschaft den tagespolitischen Strömungen und entkoppelt sie von absoluten Werten und Traditionen.

Wir als Fachgesellschaft stehen gemeinsam für die Freiheit von Forschung, Lehre und unserer medizinischen Profession. Wir stehen für intellektuellen und wissenschaftlichen Pluralismus, für die absoluten und unverhandelbaren ethischen Werte der Medizin und der freien Wissenschaft, die in der Würde des Menschen wurzeln. Wir verteidigen die Freiheit von Forschung, Lehre und Praxis gegen Einschränkungen, Vorbehalte, Diskreditierung, Ausgrenzung oder Benachteiligung.

Unsere Vorstände und Präsidien herrschen nicht, sondern dienen. Alle unsere Mitglieder dienen. Wir dienen gemeinsam. Jeder an seiner beruflichen Position und alle gemeinsam für unser Fach, in Wissenschaft wie in Praxis. Wir sind eine Gemeinschaft freier Diener einer medizinischen Profession, die für die menschliche Mobilität heute und in Zukunft unverzichtbar ist. Und gerade dieser Aspekt ist für die Zukunft und für das Fortbestehen unseres Faches „Luft- und Raumfahrtmedizin“ von immenser Bedeutung. Die DGLRM lebt von der aktiven Mitarbeit der Mitglieder und der Vielfältigkeit von Interessen, Kenntnissen, Erfahrungen und Expertise aus verschiedenen Bereichen. Unser Fach „Luft- und Raumfahrtmedizin“ ist ein interdisziplinäres Fach mit einer außerordentlichen großen Anzahl fachlicher Schnittstellen. Und gerade diese machen unser Fach so einzigartig.

Eine Mitgliedschaft in der DGLRM ist uneigennützig und ehrenvoll. Denn sie sichert die freie Entwicklung von Wissenschaft, Lehre und Praxis in der Luft- und Raumfahrtmedizin. Seit 60 Jahren. Und für die Zukunft.



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Article published online:
15 December 2021

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