Schlüsselwörter
Gesundheitsförderung - Betriebliche Gesundheit - Gesundheitszustand - Prävention -
Arbeitszufriedenheit - Arbeitsplatz
Key words
Health promotion - Occupational health - Health Status - Prevention - Job Satisfaction
- Workplace
Einleitung
„Wir bieten Ihnen ein Betriebliches Gesundheitsmanagement mit zahlreichen
Angeboten zur Gesundheitsförderung“ verheißen
Stellenausschreibungen potenziellen Bewerbern als komparativen Einstellungsvorteil,
wie in diesem Beispiel aus der Stellenbörse INTERAMT. Die Bedeutung der
betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) hat in Deutschland mit dem
Fachkräftemangel, dem demografischen Wandel und der Erhöhung der
Lebensarbeitszeit weiter zugenommen. Die BGF folgt dem in der Ottawa-Charta der WHO
angelegten Setting-Ansatz der gesundheitsförderlichen Lebenswelten:
„Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen
und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der
Krankheit sein.“ [1] Die BGF umfasst
nach der Luxemburger Deklaration des Europäischen Netzwerks für
Betriebliche Gesundheitsförderung „alle gemeinsamen
Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung
von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz.“ [2] Die Handlungsansätze sind dabei in
der Praxis vielfältig. Die Luxemburger Deklaration [2] benennt die Verbesserung der
Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen, die Förderung einer aktiven
Mitarbeiterbeteiligung und die Stärkung persönlicher Kompetenzen. In
Abgrenzung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz geht es bei der BGF um freiwillige
Aktivitäten von Arbeitgebern und Erwerbstätigen.
Die Studienlage zur Verbreitung und Inanspruchnahme der BGF hat sich in Deutschland
verbessert, ergibt aber in der Gesamtschau ein heterogenes Bild [3]. Die wichtigsten Datenquellen für
den Verbreitungsgrad der BGF in Deutschland stellen das IAB-Betriebspanel mit den
Wellen 2002, 2004 und 2012 [4]
[5] und die
BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung mit den Erhebungswellen
2005/2006 und 2011/12 dar [6].
Trotz der verschiedenen Erhebungsmethoden, einerseits über Arbeitgeber und
andererseits über Erwerbstätige, kommen beide Quellen zu einer sehr
hohen Übereinstimmung in den Hauptaussagen und belegen einen moderaten
Ausbau der BGF in Deutschland in den letzten beiden Dekaden. Nach dem IAB
Betriebspanel stieg der Anteil der Betriebe mit BGF von 19% im Jahr 2002 auf
20% im Jahr 2004 und wuchs schließlich auf 27% im Jahr 2012
an [4]
[5]. Als Markenzeichen der BGF gilt der Gesundheitszirkel [7], der aber im IAB Betriebspanel 2012 nur bei
6% der Betriebe durchgeführt wurde. Es dominierten
Mitarbeiterbefragungen und Arbeitsunfähigkeitsanalysen vor
Präventionskursen und Gesundheitsförderungsmaßnahmen. In der
repräsentativen BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung nahm
gemäß einer Auswertung von Beck und Lenhardt [6] der Anteil der Erwerbstätigen, die
Maßnahmen der BGF in ihrem Betrieb berichteten, von 38 auf 44%
zwischen Welle 2005/2006 und 2011/12 zu. Nach einem indirekten
Schätzmodell kommen sie für die Erhebungswelle 2011/12 auf
eine Beteiligung von 26% der Betriebe, was dem Verbreitungsgrad von BGF im
IAB Betriebspanel 2012 entspricht [6].
Insgesamt engagiert sich also nur eine deutliche Minderheit der Betriebe, in der
aber ein Großteil der Beschäftigten arbeitet, weil die Umsetzung der
BGF stark mit der Betriebsgröße ansteigt.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von empirischen Studien in Deutschland, die
sich aber in der Sensitivität der Messung der BGF und im
Beobachtungszeitraum erheblich unterscheiden [8]
[9]
[10] oder sich selektiv auf einzelne Regionen,
Branchen, Betriebsgrößen und Altersgruppen konzentrieren [11]
[12]
[13]
[14]
[15]
[16]
[17]
[18]
[19]. Die Grenzen zwischen BGF
und dem umfassenderen Betrieblichen Gesundheitsmanagement werden mit der
Komplexität der Programme zunehmend fließend und führen je
nach Erhebungskonzeption zu verschiedenen Prävalenzraten der BGF [3] und Maßnahmeninhalten. Im
Gesundheitssurvey GEDA 2014/2015-EHIS gaben beispielsweise knapp ein Drittel
der erwerbstätigen Männer und fast ein Viertel der
erwerbstätigen Frauen an, dass es in ihrem Betrieb Angebote zur
Rückengesundheit im letzten Jahr gab.
Gemäß § 20b SGB V können Krankenkassen den Aufbau und
die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen in den Betrieben
unterstützen und Präventionsmaßnahmen (wie
Stressbewältigung, Bewegungsförderung, gesunde Ernährung und
Suchtprävention) fördern. Im Jahr 2019 erreichte die gesetzliche
Krankenversicherung (GKV) direkt 23 221 Betriebe mit schätzungsweise
über 2 Mio. Beschäftigten und verausgabte dafür rund 240
Mio. Euro [20]. Die private Kranken- und
Pflegeversicherung (PKV), die auch den Großteil der Beamtenschaft
versichert, ist nicht in der BGF engagiert [21].
Da arbeitsbedingte Gesundheitsrisiken sozial ungleich verteilt sind, kommen
gesundheitsbezogenen Interventionen in der Arbeitswelt wie die BGF besondere
Wichtigkeit zu [22]. Auch in Deutschland ist
eine höhere Prävalenz von Arbeitsbelastungen bei manuellen Berufen
und einfachen Angestellten [23] sowie bei
niedriger Qualifikation [24] nachgewiesen.
Wichtige Hinweise auf gesundheitliche Ungleichheit in der Arbeitswelt geben auch die
Arbeitsunfähigkeitsanalysen der Krankenkassen, da bspw. die
Krankenstände bei niedrigem oder keinem Berufsabschluss stark erhöht
sind [25]. Arbeitsunfähigkeitsanalysen
werden häufig für die Bedarfsermittlung der BGF herangezogen. Der
§ 20 SGB V Abs. 1 sieht für die GKV auch vor, dass Leistungen zur
primären Prävention und Gesundheitsförderung
„insbesondere zur Verminderung sozial bedingter sowie geschlechtsbezogener
Ungleichheit von Gesundheitschancen beitragen [sollen]“. Allerdings wird der
Sozialstatus der Maßnahmeteilnehmer in der
Präventionsberichterstattung der GKV und der Sozialleistungsträger
der Nationalen Präventionskonferenz nicht erfasst [20]
[21].
Die Bundesregierung regte deshalb an, die fehlenden Kennzahlen zur Verminderung
sozial bedingter und geschlechtsbezogener Ungleichheit von Gesundheitschancen
einzuführen [26].
Die Effektivität und Effizienz der BGF kann alles in allem als
wissenschaftlich abgesichert gelten. Der internationale Forschungsstand zeigt, dass
die BGF die Gesundheit verbessert, zur Reduktion von Krankenständen
führt und die Arbeitsfähigkeit erhöht [27]
[28]
[29]
[30]
[31].
Die Effektgrößen sind eher moderat. BGF kann auch
Veränderungen des Gesundheitsverhaltens in kleinem Ausmaß erreichen
[28]
[31]. Ein Return-on-Investment ist für die BGF nach der
Studienlage durch die erreichten Verbesserungen positiv [28]
[32].
Ziel der vorliegenden Sekundäranalyse ist es, die aktuelle Verbreitung und
Inanspruchnahme der BGF in Deutschland zu untersuchen und Prädiktoren des
BGF-Angebots zu identifizieren. Sie zielt auch darauf, das Forschungsdefizit
über den Erreichungsgrad von sozial benachteiligten
Erwerbstätigengruppen durch die BGF zu schließen.
Methode
Für diese Sekundäranalyse werden Daten der
„BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 – Arbeit und
Beruf im Wandel. Erwerb und Verwertung beruflicher Qualifikationen“ genutzt.
Sie wurden vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt
für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) von Oktober 2017 bis April 2018
mittels computergestützter telefonischer Interviews (CATI) erhoben [33]. Der Datenzugang erfolgte über
einen Scientific-Use-File des Forschungsdatenzentrums im BIBB (BIBB-FDZ). Die
Grundgesamtheit der Repräsentativerhebung bilden Kernerwerbstätige
in Deutschland, die mindestens 15 Jahre alt sind und einer bezahlten Arbeit von
mindestens 10 Stunden pro Woche nachgehen. Die Zufallsstichprobe umfasst
20 012 Erwerbstätige. Für die Hochrechnung enthält
der Scientific-Use-File ein Anpassungsgewicht (Variablen Ost/West, BIK,
Haushaltsgröße, Stellung im Beruf, Geschlecht, Nationalität,
Bildung, Alter). Die Referenzstrukturen liefert der Mikrozensus 2017. Die
Erhebungsmethode ist ausführlich bei Rohrbach-Schmidt und Hall [34] und die Stichprobe bei Lück et al.
[33] beschrieben. Im Fokus der
vorliegenden Auswertung steht die BGF, die in der
BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 wie folgt erfragt wurde:
-
Wurden in Ihrem Betrieb in den letzten 2 Jahren Maßnahmen der
Gesundheitsförderung durchgeführt?
(Ja/Nein/Weiß nicht)
-
Haben Sie daran teilgenommen? (Ja/Nein).
In der Befragung wurden bei den Erwerbstätigen die Zahl der
Beschäftigten und die berufliche Stellung in ihrer Tätigkeit erfasst
(mit Antwortoptionen Arbeiter, Angestellte, Beamte, Selbstständige,
freiberuflich Tätige, freie Mitarbeiter, mithelfende
Familienangehörige). In der Filterführung der CATI-Erhebung wurden
aus Plausibilitätsgründen den Selbstständigen und
freiberuflich Tätigen in Ein-Personen-Betrieben die Fragen zur BGF nicht
vorgelegt.
Die BIBB/BAuA-Erhebung beinhaltet Fragen nach den Tätigkeiten der
Erwerbstätigen, ihren Arbeitsbedingungen und der Arbeitszufriedenheit. In
der Analyse werden Assoziationen zwischen der BGF und folgenden Items
untersucht:
-
Merkmale des Betriebs (Beschäftigtenzahl,
Betriebs-/Personalrat, Wirtschaftszweige WZ 2008 [35], Leiharbeit)
-
sozio-demografische Variablen (Geschlecht, Alter, höchster
Ausbildungsabschluss, Staatsangehörigkeit, Stellung im Beruf)
-
amtlich anerkannte Behinderung und subjektiver Gesundheitszustand,
-
arbeitsplatzbezogene Merkmale (Befristung, Entlassungsgefahr,
Arbeitszufriedenheit),
-
Klassifikation der European Socioeconomic Groups [ESeG]. Sie ist ein
Instrument zur Messung des sozioökonomischen Status, das auf Basis
der internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO-082) und des
Beschäftigungsstatus (Anstellung/Selbstständigkeit)
gebildet wird [36]
[37].
In der Methodik verwendet der Untersuchungsansatz deskriptive Statistik,
Korrelationsanalytik und binäre logistische Regressionsanalysen. Für
die Testung von Unterschiedshypothesen werden Chi-Quadrat-Tests nach Pearson
durchgeführt. Als Zusammenhangsmaße für nominalskalierte
Variablen werden bei alternativen Variablen die Phi-Koeffizienten genutzt. Die Odds
Ratio beziehungsweise das Chancenverhältnis ist in den logistischen
Regressionsanalysen ein Maß dafür, um wie viel
größer die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses (wie Angebot der
BGF) in einer Gruppe mit bestimmten Merkmalen im Vergleich zur Gruppe ohne diese
Merkmale ist. Zu den Odds Ratios werden 95%-Konfidenzintervalle berechnet.
Die Modellvoraussetzungen werden überprüft. Die Analysen wurden mit
IBM/SPSS-Statistics 26 durchgeführt.
Ergebnisse
[Tab. 1] gibt eine Übersicht
über die Stichprobe in der
BIBB-/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 mit
Grundauszählungen und informiert über
Häufigkeitsverteilungen bei der Durchführung und Teilnahme der BGF.
47% der interviewten Erwerbstätigen berichten, dass BGF in den
letzten 2 Jahren in ihrem Betrieb angeboten wurde. Von ihnen haben 59%
BGF-Maßnahmen auch in Anspruch genommen.
Tab. 1 Angebot und Inanspruchnahme Betrieblicher
Gesundheitsförderung in der
BIBB-/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018.
Merkmale
|
|
Erwerbstätige
|
|
BGF-Angebot im Betrieb
|
BGF- Inan- spruchnahme
|
p-Wert (für Unterschiede zwischen Subgruppen)
|
n (erfasst)
|
Spalten-% (gew.)
|
Zeilen-% für „Ja“ (gew.)
|
Zeilen-% für „Ja“ (gew.)
|
p-Wert (Sp. D)
|
p-Wert (Sp. E)
|
(A)
|
|
(B)
|
(C)
|
(D)
|
(E)
|
(F)
|
(G)
|
BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung
gesamt
|
|
20012
|
100%
|
47%
|
25%
|
Darunter mit BGF-Angebot des Betriebs
|
|
8446
|
47%
|
-
|
59%
|
Darunter mit BGF-Inanspruchnahme
|
|
4983
|
-
|
|
|
Missings (Weiß nicht (819), keine Angabe
(69))
|
|
888
|
-
|
-
|
-
|
Missings (Betriebsgröße: 1 Pers.
selbstständig/freiberuflich)
|
|
1036
|
-
|
-
|
-
|
Soziodemografie (N)
|
|
(18 088)
|
|
|
|
Geschlecht
|
Männer
|
9843
|
54%
|
49%
|
58%
|
<0,001
|
<0,05
|
Frauen
|
8245
|
46%
|
44%
|
60%
|
Alter (Mittelwert=43,9;
Standardfehler=12,0)
|
bis 30
|
3145
|
17%
|
43%
|
60%
|
<0,001
|
0,106
|
31 bis 40
|
4005
|
22%
|
50%
|
56%
|
41 bis 50
|
4604
|
25%
|
48%
|
60%
|
51 bis 60
|
4920
|
27%
|
46%
|
60%
|
61 und mehr
|
1414
|
8%
|
44%
|
59%
|
Höchster Ausbildungsabschluss
|
Ohne Berufsabschluss
|
1553
|
9%
|
34%
|
57%
|
<0,001
|
<0,001
|
Duale oder schulische Berufsausbildung, einfache oder mittlere
Beamte
|
10235
|
57%
|
44%
|
61%
|
Aufstiegsfortbildung (Meister, Techniker u.ä.)
|
1391
|
8%
|
52%
|
62%
|
Fachhochschule, Universität, BA, gehobene, höhere
Beamte
|
4850
|
27%
|
54%
|
55%
|
Missings
|
59
|
0%
|
|
|
Stellung im Beruf
|
Arbeiter
|
3434
|
19%
|
43%
|
59%
|
<0,001
|
<0,001
|
Angestellter
|
12481
|
69%
|
49%
|
59%
|
Beamter
|
1013
|
6%
|
63%
|
59%
|
Sonstige
|
1073
|
6%
|
22%
|
74%
|
Missings (21), Nicht zuordbar (65)
|
86
|
1%
|
43%
|
59%
|
Staatsangehörigkeit
|
Deutsch
|
16133
|
89%
|
47%
|
59%
|
<0,001
|
0,487
|
Ausländisch
|
1954
|
11%
|
42%
|
60%
|
Gesundheitsvariablen
|
Amtlich anerkannte Behinderung
|
nein
|
16414
|
91%
|
47%
|
59%
|
<0,05
|
0,196
|
ja
|
1660
|
9%
|
44%
|
57%
|
Missings
|
14
|
0%
|
|
|
Subjektiver Gesundheitszustand
|
ausgezeichnet
|
1614
|
9%
|
52%
|
61%
|
<0,001
|
0,630
|
sehr gut
|
4491
|
25%
|
50%
|
60%
|
gut
|
9266
|
51%
|
46%
|
59%
|
weniger gut
|
2215
|
12%
|
40%
|
57%
|
schlecht
|
478
|
3%
|
33%
|
61%
|
Missings
|
23
|
0%
|
|
|
Betriebliche Merkmale
|
Betriebsgröße
|
bis 9 Beschäftigte
|
2698
|
15%
|
17%
|
75%
|
<0,001
|
<0,001
|
10 bis 19 Beschäftigte
|
1913
|
11%
|
29%
|
74%
|
20 bis 49 Beschäftigte
|
2702
|
15%
|
34%
|
68%
|
50 bis 99 Beschäftigte
|
2093
|
12%
|
44%
|
65%
|
100 bis 249 Beschäftigte
|
2388
|
13%
|
52%
|
63%
|
250 bis 499 Beschäftigte
|
1558
|
9%
|
68%
|
56%
|
500 bis 999 Beschäftigte
|
1223
|
7%
|
71%
|
50%
|
1.000+Beschäftigte
|
2858
|
16%
|
75%
|
50%
|
Missings
|
655
|
4%
|
|
|
Betriebs-/Personalrat
|
ja
|
10107
|
56%
|
64%
|
55%
|
<0,001
|
<0,001
|
nein
|
6307
|
35%
|
27%
|
71%
|
Missings, Betrieb<5 Mitarbeiter
|
1673
|
9%
|
|
|
Wirtschaftsbereich
|
Landwirtschaft/Bergbau/Energie/Wasser
|
488
|
3%
|
50%
|
63%
|
<0,001
|
<0,001
|
Sonstiges Verarbeitendes Gewerbe
|
1757
|
10%
|
50%
|
68%
|
Metall- und Elektrobranche
|
2870
|
16%
|
56%
|
54%
|
Baugewerbe
|
1068
|
6%
|
35%
|
76%
|
Handel
|
1608
|
9%
|
28%
|
61%
|
Privater Dienstleistungssektor
|
2674
|
15%
|
39%
|
57%
|
Banken/Versicherungen
|
544
|
3%
|
68%
|
54%
|
unternehmensnaher Dienstleistungssektor
|
1409
|
8%
|
37%
|
60%
|
Öffentlicher Dienst (inkl.
Erziehung/Unterricht)
|
2830
|
16%
|
57%
|
58%
|
Gesundheits- und Sozialwesen
|
2529
|
14%
|
48%
|
57%
|
Missings
|
311
|
2%
|
|
|
Standort
|
Westdeutschland
|
14530
|
80%
|
47%
|
59%
|
<0,05
|
0,455
|
Ostdeutschland
|
3558
|
20%
|
45%
|
58%
|
Leiharbeit
|
Ja
|
409
|
2%
|
32%
|
52%
|
<0,001
|
0,124
|
Nein
|
15575
|
86%
|
48%
|
59%
|
Missings
|
2104
|
12%
|
|
|
Arbeitsplatzbezogene Merkmale
|
Direkter Vorgesetzter von Mitarbeitern
|
Ja
|
5570
|
31%
|
48%
|
61%
|
0,063
|
<0,01
|
Nein
|
12493
|
69%
|
46%
|
58%
|
Missings
|
24
|
0%
|
|
|
Befristung Arbeitsverhältnis (Arbeiter,
Angestellte)
|
befristet
|
1859
|
10%
|
39%
|
47%
|
<0,001
|
<0,001
|
unbefristet
|
14094
|
78%
|
49%
|
60%
|
Missings
|
2134
|
12%
|
|
|
Gefahr Entlassung/Schließung (ohne
Beamte)
|
sehr hoch oder hoch
|
1167
|
6%
|
36%
|
47%
|
<0,001
|
<0,001
|
eher gering
|
6099
|
34%
|
44%
|
56%
|
es besteht überhaupt keine Gefahr
|
9430
|
52%
|
48%
|
62%
|
Missings
|
1391
|
8%
|
|
|
Allgemeine Arbeitszufriedenheit
|
Sehr zufrieden
|
5641
|
31%
|
54%
|
63%
|
<0,001
|
<0,001
|
Zufrieden
|
10742
|
59%
|
46%
|
58%
|
Weniger zufrieden
|
1385
|
8%
|
31%
|
54%
|
Nicht zufrieden
|
307
|
2%
|
20%
|
38%
|
Missings
|
12
|
0%
|
|
|
Anmerkung: Minimale Abweichung durch Rundung und Gewichtung von
N=18.088 bei einzelnen Häufigkeitsauszählungen
möglich.
[Tab. 1] zeigt bedeutsame Disparitäten
bei Angebot und Inanspruchnahme der BGF zwischen den Gruppen nach
sozio-demografischen Merkmalen und arbeitsweltbezogenen Variablen auf.
Erwerbstätige im mittleren Lebensalter geben im Verhältnis
häufiger die Durchführung von BGF im Betrieb als die anderen
Altersgruppen an. Männer berichten etwas mehr ein BGF-Angebot als Frauen,
die es dann wiederum in leicht höherem Maße wahrnehmen.
Je höher der Ausbildungsabschluss der Erwerbstätigen, desto
häufiger wird die Umsetzung der BGF im Betrieb genannt. Während
lediglich bei 34% der Erwerbstätigen ohne Berufsabschluss BGF im
Betrieb angeboten wurde, liegt der korrespondierende Anteil bei
Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss bei 54%.
In den Dienststellen von Beamten gibt es wesentlich häufiger ein BGF-Angebot
(63%) als bei Arbeitern (43%), Angestellten (49%) und
sonstigen Erwerbstätigen. Bei Letzteren ist der Anteil mit BGF-Angeboten
besonders gering, die Inanspruchnahme dagegen auffallend hoch (22 und
74%).
Bei den Erwerbstätigen mit amtlich anerkannten Behinderungen (44%)
wird etwas weniger häufig als bei den übrigen Erwerbstätigen
(47%) BGF im Betrieb durchgeführt. Wie [Tab. 1] offenlegt, sind BGF-Angebote mit dem
selbstbewerteten Gesundheitszustand der Erwerbstätigen assoziiert. Je
schlechter der subjektive Gesundheitszustand, desto weniger werden BGF-Angebote
bekundet.
Mit der Betriebsgröße nehmen die Durchführung der BGF massiv
zu und die Inanspruchnahmequoten jedoch stark ab. In Betrieben bis zu 9
Beschäftigten geben nur 17% der Erwerbstätigen an, dass BGF
angeboten wurde. Davon haben drei Viertel der Erwerbstätigen teilgenommen.
In Betrieben mit mindestens 1 000 Beschäftigten liegt der Anteil der
Erwerbstätigen mit BGF-Angebot dagegen bei 75%, von denen die
Hälfte annahm.
Angebote und Inanspruchnahme der BGF korrelieren stark mit dem Vorhandensein eines
Betriebs-/Personalrats (in den Betrieben mit mindestens 5
Beschäftigten). Wie die [Abb. 1]
verdeutlicht, ist in allen untersuchten Betriebsgrößenklassen ein
signifikant höherer Anteil von Erwerbstätigen mit BGF-Angeboten in
Betrieben mit Betriebs-/Personalrat zu beobachten. Der Zusammenhang ist
besonders groß in Kleinbetrieben, in denen aber bekanntermaßen
selten Betriebs-/Personalräte gegründet werden.
Abb. 1 Anteil der Erwerbstätigen mit Betrieblichem
Gesundheitsförderungsangebot nach Betriebsgröße und
Betriebs- bzw. Personalrat in der
BIBB-/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018. 1)
N=16 008. 2) Betriebe mit mindestens 5
Beschäftigten. 3) Chi-Quadrat=2322,69; df=7;
p<0,001.
Die Verbreitung der BGF variiert stark nach Wirtschaftsbereichen ([Tab. 1]) bzw. Wirtschaftszweigen. Am wenigsten
berichten Erwerbstätige BGF-Angebote im Handel (28%) und Baugewerbe
(35%), am häufigsten im Bereich Banken/Versicherungen
(68%). Große Heterogenität besteht innerhalb des
Wirtschaftsbereichs Landwirtschaft/Bergbau/Energie/Wasser:
Lediglich 23% der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft
teilten mit, dass BGF im Betrieb durchgeführt wurde, während im
Bergbau/Energie/Wasser der analoge Anteil mit 74% am
höchsten von allen Wirtschaftszweigen ist. Den niedrigsten Verbreitungsgrad
der BGF weist dagegen das Gastgewerbe auf. Nur 19% der
Erwerbstätigen im Gastgewerbe bekunden ein BGF-Angebot im Betrieb.
Ein kleiner Teil der Erwerbstätigen ist bei einer Leiharbeitsfirma
angestellt, die sie an andere Unternehmen vermittelt. Von den Leiharbeitnehmern
teilen lediglich 32% mit, dass in ihrem Entleih-Betrieb BGF angeboten
wurde.
Die Verbreitung und Inanspruchnahme von BGF korreliert mit Befristung des
Arbeitsverhältnisses. Arbeiter und Angestellte in einem befristeten
Arbeitsverhältnis berichten in wesentlich geringerem Ausmaß als die
unbefristeten Erwerbstätigen ein BGF-Angebot im Betrieb (39 vs. 49%)
und nehmen signifikant weniger daran teil (47 vs. 60%).
[Tab. 1] informiert auch über enge
Assoziationen zwischen drohender Entlassung und BGF. Je höher die selbst
eingeschätzte Entlassungsgefahr, desto weniger Erwerbstätige nennen
BGF-Angebote und umso niedriger sind ihre Inanspruchnahmequoten.
Die [Abb. 2] präsentiert den Anteil
der Erwerbstätigen, in deren Betrieb Gesundheitsförderung in den
letzten 2 Jahren umgesetzt wurde, nach der Klassifikation der European Socioeconomic
Groups (ESeG). Das Balkendiagramm offenbart bemerkenswerte Unterschiede zwischen den
7 ESeG-Hauptgruppen bei der BGF. Es belegt, dass den Managern am häufigsten
betriebliche Gesundheitsförderung angeboten wurde. Von ihnen sagt
über die Hälfte (56%) aus, dass es ein BGF-Angebot gibt, was
von 61% angenommen wurde. Es folgen mit geringem Abstand die Techniker und
zugehörigen Fachkräfte, die Fachleute
(„Professionals“) sowie Sachbearbeiter und qualifizierten
Servicemitarbeiter. Am seltensten wird dagegen eine Durchführung der BGF von
Kleinunternehmern genannt (18%). Weit unterdurchschnittlich ist auch der
Anteil von 29% unter den niedrig qualifizierten Mitarbeitern, die
BGF-Angebote im Betrieb berichten.
Abb. 2 Anteil der Erwerbstätigen mit Betrieblichem
Gesundheitsförderungsangebot nach sozio-ökonomischem Status
(European Socioeconomic Groups (ESeG)) in der
BIBB-/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018. Anmerkungen: 1) Die
Gruppen unterscheiden sich beim BGF-Angebot (Chi-Quadrat=733,84;
df=6; p<0,001) und bei der Inanspruchnahme
(Chi-Quadrat=55,67; df=6; p<0,001) in statistisch
signifikanter Weise. 2) N=18 022. 3) Die Gruppe der
Kleinunternehmer enthält keine Solo-Selbstständigen und
Ein-Personen-Betriebe, da denen die Fragen zur BGF erhebungstechnisch nicht
gestellt wurden. 4) Originalbezeichnung der ESeG [37] in Klammern.
BGF geht mit steigender Arbeitszufriedenheit einher ([Tab. 1]). Von den Erwerbstätigen, die
mit ihrer Arbeit alles in allem sehr zufrieden waren, geben 54% ein
BGF-Angebot im Betrieb und eine hohe Inanspruchnahmequote von 63% an. Unter
den unzufriedenen Erwerbstätigen ist sowohl der Anteil von 20%, der
BGF-Angebote berichtet, als auch die Inanspruchnahmequote mit 38%
außerordentlich niedrig.
Wie [Abb. 3] demonstriert, besteht dieser
Zusammenhang zwischen BGF-Angebot und Arbeitszufriedenheit nicht nur allgemein,
sondern in einem breiten Spektrum von Einzelaspekten. Es zeigt sich
durchgängig, dass der Anteil der Erwerbstätigen, die BGF-Angebote im
Betrieb nennen, mit dem Zufriedenheitsgrad signifikant ansteigt.
Abb. 3 Anteil der Erwerbstätigen mit Betrieblichem
Gesundheitsförderungsangebot nach Arbeitszufriedenheit in der
BIBB-/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018. Anmerkung: Die 4
Gruppen zur Zufriedenheit unterscheiden sich im BGF-Angebot bei allen
Merkmalen der Abbildung in statistisch signifikanter Weise
(p<0,001).
Die binäre logistische Regressionsanalyse in [Tab. 2] zielt darauf, ob BGF nach Aussagen der
Erwerbstätigen in ihrem Betrieb angeboten wurde. Für die Vorhersage
der Wahrscheinlichkeit werden als Prädiktoren die sozio-demografischen
Merkmale, die subjektive Gesundheit, Merkmale des Betriebs und die
Arbeitszufriedenheit einbezogen.
Tab. 2 Angebot Betrieblicher Gesundheitsförderung in
der BIBB-/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018. Ergebnisse
binärer logistischer Regression.
Merkmale
|
|
Odds Ratio (95%-KI)
|
Soziodemografie
|
|
|
Geschlecht
|
Männer
|
Ref.
|
Frauen
|
0,83 (0,77–0,89)***
|
Höchster Ausbildungsabschluss
|
Ohne Berufsabschluss
|
Ref.
|
Duale oder schulische Berufsausbildung, einfache oder mittlere
Beamte
|
1,29 (1,13–1,47)***
|
Aufstiegsfortbildung (Meister, Techniker u.ä.)
|
1,61 (1,35–1,92)***
|
Fachhochschule, Universität, BA, gehobene, höhere
Beamte
|
1,50 (1,30–1,73)***
|
Stellung im Beruf
|
Arbeiter
|
Ref.
|
Angestellter
|
1,28 (1,16–1,41)***
|
Beamter
|
1,17 (0,98–1,41)
|
Sonstige
|
0,80 (0,66–0,96)*
|
Staatsangehörigkeit
|
Deutsch
|
Ref.
|
Andere Staaten
|
0,78 (0,69–0,87)***
|
Betriebsmerkmale
|
Betriebsgröße
|
bis 49 Beschäftigte
|
Ref.
|
50 bis 249 Beschäftigte
|
2,17 (1,99–2,36)***
|
250+Beschäftigte
|
5,64 (5,16–6,16)***
|
Wirtschaftsbereich
|
Öffentlicher Dienst
|
Ref.
|
Industrie
|
0,73 (0,66–0,82)***
|
Handwerk
|
0,36 (0,31–0,41)***
|
Handel
|
0,37 (0,32–0,43)***
|
sonstige Dienstleistungen
|
0,45 (0,41–0,50)***
|
andere Wirtschaftsbereiche
|
0,54 (0,48–0,62)***
|
Gesundheit
|
Subjektiver Gesundheitszustand
|
gut, weniger gut oder schlecht
|
Ref.
|
ausgezeichnet oder sehr gut
|
1,15 (1,06–1,24)***
|
Arbeitsplatzbezogene Merkmale
|
Arbeitszufriedenheit
|
zufrieden, weniger oder nicht zufrieden
|
Ref.
|
sehr zufrieden
|
1,70 (1,58–1,84)***
|
Pseudo-R2 (Nagelkerke)
|
0,256
|
|
-2 Log-Likelihood
|
19741,239
|
|
(N)
|
(17.313)
|
|
1) *p<0,05;
***p<0,001. 2)
KI=Konfidenzintervall. 3) Gewichtete Modellierung. 4) Alter
adjustiert.
In der multivariaten Betrachtungsweise haben Frauen eine signifikant geringere Chance
als Männer (OR=0,83), dass in ihrem Betrieb BGF angeboten wird.
Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit eines BGF-Angebots für
Erwerbstätige mit ausländischer Staatsangehörigkeit im
Vergleich zu deutschen Erwerbstätigen signifikant reduziert
(OR=0,78).
Im Vergleich zu Erwerbstätigen ohne Berufsabschluss verbessert ein
höherer Ausbildungsabschluss signifikant die Wahrscheinlichkeit eines
BGF-Angebots, vor allem nach einer Aufstiegsfortbildung wie beim Meister
(OR=1,61) oder bei Hochschulabschluss bzw. für gehobene bzw.
höhere Beamte (OR=1,50).
Als stärkste Einflussvariable wurde in der multivariaten Analyse die
Betriebsgröße identifiziert, die in diesem Modell in drei Kategorien
untersucht wurde. Im Verhältnis zu den Kleinbetrieben bis 49
Beschäftigten ist in mittleren Unternehmen mit 50 bis 249
Beschäftigten die Wahrscheinlichkeit für ein BGF-Angebot mehr als
doppelt und in großen Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten
mehr als fünffach gesteigert (OR=2,17 und OR=5,64).
Das BGF-Angebot variiert signifikant nach den Wirtschaftsbereichen des Betriebs. Im
Vergleich zum Öffentlichen Dienst sind die Chancen auf ein entsprechendes
Angebot in Industrie, Handwerk, Handel, sonstigen Dienstleistungen und anderen
Wirtschaftsbereichen stark verringert. Das trifft vor allem auf Handwerk und Handel
zu (OR=0,36 und OR=0,37).
Ein sehr guter oder ausgezeichneter Gesundheitszustand geht mit einer etwas
gesteigerten Odds Ratio von 1,15 für BGF im Betrieb einher.
In Betrieben, in denen die Erwerbstätigen mit der Arbeit insgesamt sehr
zufrieden sind, ist die Wahrscheinlichkeit eines BGF-Angebots statistisch
signifikant um 1,70-fach erhöht.
Diskussion
Die BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 gibt Aufschluss
über die BGF in Deutschland, die bei fast der Hälfte (47%)
der Erwerbstätigen im Betrieb umgesetzt wird. Die Ergebnisse deuten auf
einen moderaten Ausbau der BGF in Deutschland im Abgleich zur Erhebungswelle
2011/12 hin, in der der entsprechende Anteil bei 44% lag [6]. Gleichzeitig setzt sich mit einer Teilnahme
von nur 59% ein rückläufiger Trend in 2018 fort. Die
Inanspruchnahmequoten betrugen in den Erhebungswellen 2011/12 und
2005/06 noch 62 und 65% [6].
Damit relativiert sich das Wachstum in der BGF und es sind nur noch kleine
Fortschritte im Verbreitungsgrad zu konstatieren – trotz
Präventionsgesetz 2015 und nationaler Präventionsstrategie. Die in
der GKV-Präventionsberichterstattung [20] parallel propagierten hohen Steigerungsraten der erreichten Betriebe
und Beschäftigten bilden sich in dieser Wiederholungsbefragung wenig ab.
Ein starker Einflussfaktor für die Durchführung von BGF in
Deutschland ist nach wie vor die Betriebsgröße, was sich schon in
früheren Erhebungswellen [6] und
vielen Studien gezeigt hat [3]
[4]. Die Auswertung verifiziert die sehr geringe
Verbreitung der BGF in den Kleinst- und Kleinbetrieben. Mit der
Betriebsgröße nimmt die Durchführung von BGF stark zu,
während parallel die Inanspruchnahmequoten abnehmen. BGF kann in
großen Betrieben auf den vorhandenen Strukturen zum Gesundheitsmanagement
aufsetzen. Möglicherweise sind in größeren Betrieben jedoch
die Kapazitäten in der BGF nicht ausreichend für die
Beschäftigtenzahl dimensioniert oder die Maßnahmen tendenziell
weniger passgenau auf die Bedürfnisse der Belegschaft hin konzipiert. Die
Analysen zeigen auch die von der Betriebsgröße unabhängigen
Einflussnahmen des Wirtschaftsbereichs und der Stellung im Beruf auf die Umsetzung
der BGF, die in Übereinstimmung mit der Forschung stehen [3]
[4]
[6]
[8]
[10].
Die Auswertungen bestätigen den Zusammenhang zwischen BGF und
Betriebs-/Personalrat, der die Implementierung und Aufrechterhaltung der BGF
unterstützen kann. Eine Korrelation wurde auch in anderen Studien
festgestellt [4]
[8].
Die Analysen offenbaren, dass Erwerbstätige mit niedrigem
sozio-ökonomischen Status verhältnismäßig wenig von
der BGF erreicht werden. Relativ gering ist die Realisierung der BGF in Betrieben
von Erwerbstätigen, die keinen Berufsabschluss haben, in einem befristeten
Arbeitsverhältnis stehen, von Entlassung bedroht sind, keine deutsche
Staatsangehörigkeit besitzen oder als Leiharbeitnehmer beschäftigt
sind. Die GKV hat sich das Ziel gesetzt, Zahl und Anteil der Betriebe mit einem
hohen Anteil Beschäftigter ohne abgeschlossene Berufsausbildung in der BGF
zu erhöhen [20]
[38]. Um zur Verminderung sozial bedingter
Ungleichheit von Gesundheitschancen beizutragen, braucht es in der BGF daher
proaktive zielgruppenspezifische Ansprachestrategien und ein möglichst
flächendeckendes BGF-Angebot.
Ein überraschender Befund ist, dass von den Erwerbstätigen, die ihren
Gesundheitszustand als schlecht bewerten, lediglich ein Drittel die
Durchführung von BGF im Betrieb angeben. Es wäre zu erwarten
gewesen, dass Arbeitgeber oder auch Sozialversicherungen nach Bedarfsanalysen
besonders bei Erwerbstätigen mit schlechterer Gesundheit ansetzen
würden. Der GKV-Leitfaden Prävention [38] schreibt eine Ermittlung des
Handlungsbedarfs für den Betrieb als Ganzes sowie der einzelnen
Beschäftigtengruppen vor. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf.
Die Arbeitszufriedenheit ist ein Schlüsselindikator für viele
Bedingungen im Betrieb und am Arbeitsplatz. In der multivariaten Betrachtung haben
die Erwerbstätigen, die mit ihrer Arbeit insgesamt sehr zufrieden sind, eine
stark erhöhte Chance auf ein BGF-Angebot im Betrieb. Die BGF korreliert
nicht nur mit höherer Arbeitszufriedenheit allgemein, sondern bei allen
abgefragten Einzelaspekten. Ebenso nehmen die Inanspruchnahmequoten der BGF mit der
allgemeinen Arbeitszufriedenheit erheblich zu. Das spricht für die BGF als
integraler Bestandteil der Unternehmenskultur.
Die Ergebnisse legen außerdem nahe, dass Männer über den
Arbeitsplatz besser von der Gesundheitsförderung angesprochen werden
können als bei der individuellen verhaltensbezogenen Prävention im
GKV-Kurssystem, an der sie sich kaum beteiligen [20].
Weiterer Forschungsbedarf besteht nicht nur bei der Verbreitung der BGF, sondern auch
bei Art und Inhalt, Qualität und Ergebnissen der Maßnahmen.
Für die bessere Erforschung der Nichtinanspruchnahme sollten
zukünftig die Gründe erfasst werden. Die Diskrepanz zwischen
BGF-Angebot und Inanspruchnahme ist noch ungeklärt und die
Teilnehmerselektivität könnte auch auf die Passgenauigkeit der
BGF-Maßnahmen zurückzuführen sein. Am niedrigsten ist die
Teilnahmequote bei den Erwerbstätigen, die nicht zufrieden mit ihrer Arbeit
insgesamt sind.
Ein CATI-Survey bei Erwerbstätigen hat prinzipiell methodische Limitationen.
Über die Selbstauskünfte der Interviewpersonen können
lediglich deren Wahrnehmung und Kenntnisse eruiert werden. Die Antworten sind vom
Erinnerungsvermögen wie bei der BGF in den letzten zwei Jahren
abhängig. Antwortrichtungen im Sinne der sozialen Erwünschtheit
können nicht ausgeschlossen werden. Gesundheitsbewusste
Erwerbstätige informieren sich möglicherweise auch besser
über ein BGF-Angebot im Betrieb. Ausländische Erwerbstätige
wurden bei der Untersuchung nur einbezogen, wenn sie ausreichend Deutsch sprachen.
Die Fallzahlen begrenzen statistisch die Auswertungstiefe. Einer etwaigen Verzerrung
durch Unit Nonresponse wurde durch mehrere Maßnahmen in der Erhebungsmethode
begegnet, darunter mit einem Mobilfunkanteil von 30% [34].
Die Implementierung der BGF ist freiwillig im Sinne der WHO-Charta der
Gesundheitsförderung [1]. Knapp
die Hälfte der Erwerbstätigen berichtet in der
BIBB-/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 die Durchführung
von BGF im Betrieb, die dann mehrheitlich angenommen wurde. Rund ein Viertel der
Erwerbstätigen hat demnach an Maßnahmen der BGF in den letzten 2
Jahren teilgenommen. Derzeit ist nur eine Minderheit der Betriebe in der
Gesundheitsförderung engagiert. Die Chance auf ein BGF-Angebot ist mit
Betriebsmerkmalen, sozio-demografischen Charakteristika und beruflicher
Qualifikation verbunden. Die Analysen ergeben enge Assoziationen mit der
Arbeitszufriedenheit, dem subjektiven Gesundheitszustand und dem
sozio-ökonomischem Status. Beim Umsetzungsgrad der BGF gibt es nur
relativ kleine Fortschritte seit der letzten Erhebungswelle 2011/12. Im
Sinne der „Gesundheit für Alle“-Strategie [1] braucht es größere
Anreiz- und Unterstützungssysteme für kleine und mittlere
Betriebe bei der BGF. Innerhalb der Betriebe erscheinen eine Adressierung von
Erwerbstätigen mit niedrigem sozio-ökonomischem Status und eine
Zielgruppenspezifizierung der BGF-Maßnahmen als notwendig.