Gegenstand von Registern ist die systematische Betrachtung des Alltags der Gesundheitsversorgung.
Dies unterscheidet Register auf der einen Seite von klinischen Studien, die eine höchstmögliche
Einheitlichkeit von Versorgungsbedingungen anstreben, um Unterschiede interessierender
diagnostischer oder therapeutischer Verfahren herauszuarbeiten. Auf der anderen Seite
setzen Register der Beliebigkeit von Anwendungsbeobachtungen vorab definierte Ziele,
Aufgaben und Fragestellungen entgegen. Die sechs ausgewählten Register betrachten
dazu ganz unterschiedliche Versorgungssituationen, die Nierenlebendspende, die nicht-infektiöse
Uveitis, die Querschnittlähmung, rezidivierende Steinerkrankungen des oberen Harntraktes,
erblichen Brust- und Eierstockkrebs sowie Fieber [3]. Damit befassen sich die Register der Fördermaßnahme mit akuten wie mit chronischen
Erkrankungen, mit Erkrankungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, mit Gesunden
wie Kranken sowie mit der Onkologie. Sie bilden damit aus medizinischer Sicht einen
bunten Strauß möglicher Einsatzfelder für die Gewinnung von Erkenntnissen aus Registern
ab. Sie sind für den jeweils betrachteten Gegenstandbereich eine „Antwort auf erweiterte
Informationsbedürfnisse zur Versorgungssituation im Gesundheitswesen“ [4]. Dieses Informationsbedürfnis ist seit Anfang 2020 durch die Corona-Pandemie massiv
gestiegen und in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt. Die Aktualität von Registern
wird daher durch die Ergänzung eines Beitrags zum „Lean European Open Survey on SARS-CoV-2
Infected Patients (LEOSS)“ [5] in diesem Sonderheft unterstrichen.
Zukunftsfähigkeit und Innovationskraft von Registern sind auch international erkannt.
So verknüpft das Handbuch der US-amerikanischen Agency for Healthcare Research and
Quality (AHRQ) in seiner aktuellen, vierten Auflage [6] Patientenregister mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Patienten sind nicht
länger nur passive Beobachtungseinheiten, sondern werden auch als aktive Partner bei
Planung, Entwurf, Umsetzung und Betrieb eines Registers eingebunden. Diese Perspektiven
finden sich in der Modellhaftigkeit der geförderten Projekte wieder. So erfassen beim
FieberApp-Register Familienangehörige Angaben in einer App, die dann in einem zentralen
Datenbestand zusammengeführt werden [7]. Etablierte Methoden zur Qualitätssicherung von Daten wie Monitoring oder Query-Management
müssen in diesem Setting neu gedacht werden. Bei der Auswertung des FieberApp-Registers
ist es dann der Perspektive überlassen, Familien, Familienangehörige, Kinder und Jugendliche
oder Fieberepisoden als Beobachtungseinheit zu verstehen. Je nach Perspektive werden
die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen.
Auch beim Register RECUR zu rezidivierenden Steinerkrankungen des oberen Harntraktes
wird eine App für Patienten zur Gewinnung von Informationen über den Verlauf der Erkrankung
eingesetzt [8]. Kaum ein Register kann noch auf Angaben zu patientenberichteten Endpunkten (Patient
Reported Outcome Measures, PROMs) wie Lebensqualität verzichten, vielfach direkt durch
die Patienten erfasst. Als zweite Quelle nutzt RECUR Routinedaten der Versorgung.
So werden einmal erfasste Daten mehrfach genutzt und zusätzlicher Eingabeaufwand vermieden.
Datenbestände, hier Routinedaten der Versorgung und Eingaben der Patienten, werden
miteinander verknüpft. Eine Verknüpfung von Datenbeständen bietet sich auch zwischen
Registern an, z. B. entlang eines Versorgungsprozesses. Das Register SOLKID-GNR zur
Sicherheit des Lebendnierenspenders [9] könnte sich so mit einem auf die Empfänger bezogenen Transplantationsregister verbinden.
Der Organspender bei SOLKID-GNR ist nicht krank, aber Patient durch seinen Kontakt
mit dem Transplantationszentrum. Es wird interessant sein, zu verfolgen, ob die Betrachtung
von gesundheitsrelevanten Fragestellungen bei Gesunden ein Register vor andere Herausforderungen
stellt, als dies bei Kranken der Fall ist. Auch Personen mit einer genetischen Vorbelastung
für Brust- und Eierstockkrebs sind nicht krank; bei Verwandten kann selbst die Risikokonstellation
fehlen. So befasst sich HerediCaRe mit der risiko-adaptierten Prävention für Krebserkrankungen
[10]. Während Register typischerweise bei einer Erkrankung aufsetzen und deren Verlauf
beschreiben, betrachtet HerediCaRe die Entstehung von Erkrankungen bei vorliegender
Risikokonstellation. Selbstverständlich spielen PROMs auch bei HerediCaRe eine wichtige
Rolle, wie bei allen Registern der Fördermaßnahme.
Das Register ParaReg zum lebenslangen Monitoring von Querschnittgelähmten befasst
sich mit einem Zustand nach Verletzung oder als Folge einer nicht-traumatischen Erkrankung,
der Querschnittlähmung [11]. Im Rahmen von ParaReg können verschiedene Behandlungspfade verfolgt und hinsichtlich
ihrer Behandlungsergebnisse miteinander verglichen werden. Die lebenslange Nachverfolgung
von Patienten ist typisch für Register in der Versorgungsforschung und ein Grund,
warum der erfolgreiche Betrieb eines Registers einen langen Atem voraussetzt. Das
Register TOFU zu Behandlungsaustrittsoptionen bei nicht-infektiöser Uveitis ist ein
Beispiel für ein Arzneimittelregister, bei dem Wirkung, unerwünschte Folgen und Komplikationen
einer Pharmakotherapie im Mittelpunkt stehen [12]. Auch hierzu gehört die Erfassung von PROMs, in diesem Falle nicht durch eine App
für Smartphones, sondern durch einen webbasierten Zugriff auf Fragebögen eines Patientenmoduls.
TOFU kann zudem zu Registern für seltene Erkrankungen gerechnet werden.
Die sechs Register der Fördermaßnahme, das FieberApp-Register, HerediCaRe, ParaReg,
RECUR, SOLKID-GNR und TOFU, spiegeln zusammen mit LEOSS die Vielfalt von Registern
in Deutschland wider, die aus der Wissenschaft initiiert und von Forschern organisiert
werden. Diese Vielfalt gilt es zu erhalten. Die Register belegen mit ihren modellhaften
Ansätzen, dass die Methode zukunftsfähig und offen für Innovationen ist. Digitalisierung
des Gesundheitswesens und aktive Einbindung von Patienten sind dabei zwei Treiber,
die sich durchgängig in den Ansätzen der Register wiederfinden. Eine Regulierung von
Registern für die Versorgungsforschung, wie sie im Bereich der Nutzenbewertung für
die anwendungsbegleitende Datenerhebung nach § 35a Absatz 3b Sozialgesetzbuch (SGB)
V erfolgt [13], ist daher weder sinnvoll noch notwendig. Ungelöst ist die Sicherstellung einer
nachhaltigen Finanzierung von Registern, deren Anspruch auf eine lebenslange Nachverfolgung
von Patienten Laufzeiten über Jahrzehnte bedingt. Angesichts der zunehmenden Erfassung
von PROMs durch Patienten böte es sich an, die hierfür eingesetzten Werkzeuge als
erstattungsfähige digitale Gesundheitsanwendungen (DiGa) nach § 33a SGB V auszuweisen.
Hierfür wäre die Erfassung von PROMs für Register als Bestimmung einer DiGa anzuerkennen.
Auf diese Weise könnten beteiligte Leistungserbringer zumindest für ihre Unterstützung
bei der Rekrutierung von Patienten eine finanzielle Kompensation von Seiten der Krankenkassen
erhalten.
Aus einem Verzicht auf Regulierung und der Forderung nach einer öffentlichen Finanzierung
leiten sich aber auch Ansprüche an Register in der Versorgungsforschung ab, um einen
bestmöglichen Nutzen für die Gesellschaft zu erreichen. So sollten Existenz, Gegenstand
und Rahmenbedingungen eines Registers in einem „Register der Register“ nachvollziehbar
dargestellt sein. Die Inhalte eines Registers wären in einem Katalog von Metadaten
einsehbar. Veröffentlichungen von Ergebnissen aus Registern werden mit quantitativen
Angaben zur Datenqualität, idealerweise unter Nutzung etablierter Indikatoren, hinterlegt.
Auch diesen Ansprüchen an Transparenz stellt sich die Fördermaßnahme des BMBF zum
Aufbau modellhafter patientenbezogener Register für die Versorgungsforschung. U. a.
ist es Aufgabe des Begleitprojekts, sich für diese Transparenz über die geförderten
Register einzusetzen [3].